Sehr geehrter Herr von Stetten, ich möchte Sie auf einen Aspekt des ESM Vertrages aufmerksam machen, der in der Öffentlichkeit und vielleicht sogar in der politischen Klasse nicht ausreichend berücksichtigt wird. Der ESM Vertrag wird laut vorliegendem Vertragstext vom 2.2.2012 nicht nur "dauerhaft" sein, wie es immer heißt, sondern er wird "ewig" bestehen. Dies resultiert einerseits aus der besonderen Konstruktion des ESM Vertrages als völkerrechtlichem Vertrag zwischen Staaten und andererseits aus der Tatsache, dass im Vertragstext keine Artikel über das Ende des ESM oder über den Austritt eines Mitglieds(-landes) vorgesehen sind. (Die Bemerkung in der Präambel unter Punkt 17 ist rechtlich irrelevant.) Völkerrechtliche Verträge wie der ESM-Vertrag unterliegen dem "Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge", dort sind im Abschnitt 3, besonders in den Artikeln 54 und 56 Einzelheiten zum Ende eines solchen Vertrages sowie zum Austritt eines Landes geregelt: In beiden Fällen kann nur "einvernehmlich" gehandelt werden. In der neuesten Fassung des ESM Vertragstextes wird in Artikel 4, Ziffer 3 "Einvernehmen" mit "einstimmig" definiert.Dies bedeutet, dass selbst ein kleines Land, wie z.B. Luxemburg, oder irgendein "Nehmerland", das immens vom ESM profitiert, einen Austritt Deutschlands aus dem ESM, oder ein Ende des ESM blockieren könnte. Als ESM Gegner werde ich es selbstverständlich akzeptieren, wenn ein demokratisch gewählter Bundestag in den nächsten Monaten – so wie es aussieht - dem ESM Vertrag zustimmen sollte. Aber aus demselben Respekt vor demokratischen Grundideen heraus, muss ein zukünftiger Bundestag, der vielleicht in völlig anderer Zusammensetzung existiert oder unter dem Eindruck neuer Erkenntnisse steht, grundsätzlich die Möglichkeit haben, aus dem ESM Vertrag wieder auszusteigen. Wie sonst sollte er dem Volkswillen Ausdruck verleihen können? Selbst ein Austritt aus dem Euro, oder gar aus der EU, würde nicht automatisch einen Austritt aus dem ESM bedeuten, sondern, wegen des überragenden Rechtsstatus' des ESM, sicherlich lange Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen.Das schon genannte "Wiener Übereinkommen" sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, den Autritt aus und das Ende eines völkerrechtlichen Vertrages im Vertrag selbst zu regeln. Ich möchte Sie daher bitten, im Bundestag für die Aufnahme zweier weiterer Artikel in den ESM Vertragstext einzutreten, die beides realistisch regeln sollten. Sollte dies nicht möglich sein und über den ESM Vertrag nur "ganz oder garnicht" abgestimmt werden, möchte ich Sie als Bürger dieses Landes bitten, den ESM Vertrag abzulehnen, da er in undemokratischer Weise die Zukunft "verhaftet". Nachfolgend möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen meine persönliche Meinung zum ESM Vertrag kurz näher erläutern. Mit dem ESM wird die Euro-Alimentationspolitik nicht nur fortgesetzt, sondern für die Ewigkeit zementiert werden. Die Krise wird genutzt, um eine Monsterbehörde mit weit reichenden, teilweise regelrecht unglaublichen Sonderrechten, Immunitäten, Unverletzlichkeiten, Eingriffsrechten etc. in Luxemburg zu schaffen. In Griechenland und bei den Target Salden können wir beobachten, wohin eine solche Politik des „immer mehr Geldes“ führt. Sie löst die Probleme nicht, sondern schüttet sie vorübergehend mit immer mehr Geld zu, was aber lediglich dazu führt, dass die Krise potenziert wiederkehren wird. Ganz nebenbei entstehen Demokratiedefizite und Animositäten, die ernsthaft das europäische Projekt gefährden. Wer erkennt, dass in diesen Tagen weniger Europa gleich mehr Europa bedeuten würde? Der ESM ist in der Krise und für die Krise geschaffen – aber er ist offenbar für die „Ewigkeit“ konstruiert. Dabei gibt nur zwei Möglichkeiten, die auf der Hand liegen: Entweder der ESM schafft seine eigene Notwendigkeit durch erfolgreiches Arbeiten ab, oder er versagt und verliert dadurch automatisch sowieso seine Existenzberechtigung. Eine "Dauerkrise", die eine dauerhafte Existenz des ESM wirklich nötig machen würde, kann ein normaler Bürger nicht wollen und auf Dauer auch nicht finanzieren. Sicher gibt es in elitären Kreisen einen Faible für solche Einrichtungen, weil sie Macht und Geld bedeuten. Aber von diesen ist der Deutsche Bundestag in aller Regel nicht gewählt. Ein solche "Dauerkrise" erinnert fatal an den alten Witz vom Arzt, der, damit er lebe, "Gesundheit und Tod", "in der Schwebe" halten solle. In zwei eindringlichen Bildern möchte ich noch versuchen, den ESM näher zu charakterisieren: Beispiel Atomausstieg. Hätte Deutschland in einem dem ESM Vertrag vergleichbaren rechtlichen Konstrukt einen Vertrag zur Nutzung der Atomkraft mit anderen Staaten geschlossen, nie und nimmer hätte Deutschland dann noch die Möglichkeit gehabt, in einem eindrucksvollen Schritt, mutig jene Neuausrichtung nach "Fukushima" zu wagen. Sollte der Bundestag dem ESM zustimmen, behält er nach wie vor bestimmte Rechte, das ist korrekt. Aber bei dieser vorgesehenen Mitbestimmung, die im "Notfall" sowieso ausgehebelt werden wird, handelt es sich nur darum, zu sagen, ob in die Suppe noch Salz, Pfeffer oder Paprika kommt – über den Speiseplan selbst wird der Bundestag zukünftig nicht mehr mitbestimmen können. Mit freundlich besorgten Grüßen