Darin kommen ua Kenneth Rogoff und Max Otte zu Wort. Mein Fazit

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Am 9. März, war in der FAZ auf S. 8 eine enorm wichtige juristische Bewertung zu
lesen:
Durch den ESM Vertrag sei "die Identität des Grundgesetz(es) geändert", zwingend
sei daher eine Volksabstimmung wegen Artikel 146 GG. Überschrift: "Nicht ohne
uns", Untertitel "Deutschland tritt in eine Haftungsunion und damit in eine Art
Bundesstaat ein. Darüber muss das Volk abstimmen"
link: http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gastbeitrag-nicht-ohne-uns11675748.html
Die Auswirkungen dieser Publikation sind enorm. Die Politiker werden erkennen,
dass der ESM-Vertrahg vor dem Bundeverfassungsgericht scheitern muss, wenn
keine Volksabstimmung dazu bzw. zur Verfassungsänderung angesetzt werden
wird. Sobald sich diese Erkenntnis in den Köpfen manifestiert hat, bleibt ihnen
eigentlich nichts anderes übrig, als sich freudig an die Spitze dieser VolksBewegung zu setzen.
Als Reaktion auf diese Erkenntisse habe ich zunächst folgendes Schreiben an Prof.
Danckert (MdB), bzw. seine wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit der Aufforderung
zur Volksabstimmung geschickt, weitere Schreiben s.u.:
"Sehr geehrter Herr Prof. Danckert, sehr geehrte Frau Azara,
vielen Dank für die freundliche Antwort vom 23. Februar auf meine Mail vom 11.2.2012, die auch
inhaltlich etwas Hoffnung gibt. Ganz besonders möchte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit auch zum
Erfolg Ihrer Klage gegen das "Neuner Gremium" gratulieren!
Meine persönlichen Bedenken gegen den ESM-Vertrag sind inzwischen eher noch größer
geworden, was ich weiter unten auch begründen werde. Zunächst aber nachfolgend der
eigentliche Anlass dieses zweiten Schreibens an Sie - es geht um juristische Implikationen des ESMVertrages:
In der FAZ vom 8.3.2012 ist auf S. 8 ein Artikel unter der Überschrift "Nicht ohne uns" abgedruckt.
Untertitel: "Deutschland tritt in eine Haftungsunion und damit in eine Art Bundesstaat ein. Darüber
muss das Volk abstimmen". Die Autoren des Artikels, Prof. Dr. Wolfgang Kahlert und Dr. Andreas
Glaser (Uni Heidelberg und "Institut für deutsches und europäisches Verwaltungsrecht"), machen
darauf aufmerksam, dass sich mit dem ESM-Vertrag die "Identität des Grundgesetz"(es) ändert. Dies
ginge aber gemäß "Artikel 146 des Grundgesetzes nicht ohne Volksentscheid." Auch als Nicht-Jurist
kann ich die Grundlinien der Argumentation, die im einzelnen nur etwas kompliziert sind, gut
nachvollziehen. Alles scheint schlüssig und (!) zwingend.
Mein Appell an Sie und an alle Mitglieder des Bundestages, der sich direkt aus der Tragweite des
genannten Zeitungsartikels ableitet, ist daher:
Lassen Sie das Volk, so wie es im Artikel 146 GG vorgesehen ist, über diese neue Identität des
Grundgesetzes abstimmen.
Weitere, z.T. noch nicht genannte Gründe, die aus meiner Sicht gegen den ESM-Vertrag sprechen,
sind:
Der ESM Vertrag beinhaltet neben den "Verstärkten Haftungsrisiken" (Siehe "Verstärkte
Haftungsrisiken im ESM-Vertrag", FAZ vom 7.3.12, S. 9, Stichwort Agio Aufschlag) noch andere
Risiken. Z.B. das Auffüllen finanzieller Fehlbeträge, hervorgerufen durch Zahlungsausfall eines oder
mehrerer Mitglieder. Artikel 25, Absatz 2, Satz 1: "Nimmt ein ESM-Mitglied die aufgrund eines
Kapitalabrufs gemäß Artikel 9 Absätze 2 oder 3 erforderliche Einzahlung nicht vor, so ergeht an alle
ESM-Mitglieder ein revidierter erhöhter Kapitalabruf..."
Nachdenklich macht auch Artikel 10, Absatz 1, Satz 1. Dieser beginnt mit den Worten: "Der
Gouverneursrat überprüft das maximale Darlehensvolumen..." Welche "Darlehen" sind hier
gemeint? Immerhin kommt der Bund der Steuerzahler zur Auffassung, der ESM sei eine Bank, ohne
allerdings eine Banklizenz zu benötigen. Er bezieht sich dabei auf Artikel 32, Absatz 9: "Der ESM ist
von jeglicher Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht, die nach dem Recht eines ESM-Mitglieds für
Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen oder sonstige der Zulassungs- oder
Lizenzierungspflicht sowie der Regulierung unterliegende Unternehmen gilt, befreit."
Mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro ließen sich (durch die "ESM-Bank") Darlehen in
mehrfacher Billionenhöhe vergeben. Immerhin könnte Draghi dadurch ruhig schlafen, die EZB
müsste dann keine "Tender" oder Eingriffe am Primärmarkt mehr vornehmen.
Artikel 10, Absatz 1 erlaubt auch eine Erhöhung des Stammkapitals, allerdings müsste solch eine
Erhöhung durch die Mitglieder "notifiziert" werden. Es liegt am Bundestag, schon im Vorfeld
klarzustellen, dass hiermit nur eine "Ratifizierung" gemeint sein darf.
Um aber auch einmal nicht von rein finanziellen Dingen zu sprechen - wie sieht es im Hinblick auf
den ESM mit einer "Haftung für die Demokratie" aus?
Erstens: Mitglieder, die ihre Beiträge nicht zahlen, bekommen weniger Stimmrechte, die Zahler
dementsprechend mehr. Deutschland, vielleicht immernoch stark genug, würde im Fall einer
verschärften Krise ein höherer Stimmanteil zufallen. Ich möchte mir die Rolle Deutschlands als
Buhmann bzw. als "Herrscher Europas" und die diesbezüglichen Zeitungsüberschriften in diesem Fall
lieber nicht ausmalen. Es ergäbe sich ein Desaster für die Akzeptanz der EU innerhalb der einzelnen
Mitgliedsstaaten.
Zweitens: Völkerrechtliche Verträge, wie der ESM-Vertrag, sind nur einstimmig kündbar oder
auflösbar. Ein zukünftiger Bundestag, in welcher Zusammensetzung auch immer, wird daran nichts
ändern können. Es offenbart sich ein erschreckendes Verständnis von Demokratie, wenn hier eine
Institution nicht nur "dauerhaft" sondern offenbar für alle Ewigkeit installiert werden soll. Genau dies
wird aber geschehen, wenn im ESM-Vertrag kein Korrektiv dazu eingebaut werden sollte.
Die Krise wird genutzt zur Revolution von oben. Das kann und wird nicht gut gehen.
Mit freundlichen Grüßen..."
Ähnliche Schreiben habe ich unterdessen auch an Dr. Peter Gauweiler, Volker
Kauder und Peer Steinbrück (dieses letzte Schreiben finde ich recht gelungen)
gesendet. Tun Sie es mir nach, schreiben Sie sich die Finger wund, aber bitte
verändern Sie möglichst meinen Text, machen Sie ihn persönlich.
In der FAZ gab es schon am 6. März einen Hinweis auf erhöhte Haftungsrisiken, die
sich aus dem ESM ergeben: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/permanenterrettungsfonds-schaeffler-warnt-vor-versteckten-haftungsrisiken-11674263.html
- Am 14.2. hatte mir MdB Norbert Barthle, Sprecher der CDU/CSU Fraktion im
Haushaltsausschuss, auf eine mail geantwortet.
Aus dieser Antwort geht hervor, dass laut Barthle der Bundestag angeblich nicht
mehr über den Wortlaut des ESM Vertrages beraten, sondern nur noch im Sinne
von "ganz oder garnicht" abstimmen wird.
Ich weise darauf hin, dass Herr Barthle in einem juristischen Sinn Unrecht hat, man
könnte auch sagen, er hat mich angelogen. Denn die Unterzeichnung des ESM
Vertragstextes durch die EU-Botschafter am 2.2.2012 bindet den Bundestag nicht,
auch nicht im Hinblick auf eine inhaltliche Revision des Vertragstextes. Daher habe
ich Herrn Barthle u.a. folgendes geantwortet:
"Was Sie mir in Ihrer heutigen mail-Antwort im Hinblick auf Unabänderlichkeit des
Vertragstextes geschrieben haben, ist daher viel eher Ausdruck eines politischen
Willens, denn einer rechtlichen Notwendigkeit."
Inzwischen hat mir auch MdB Frau Gerda Hasselfeld zurückgeschrieben - sie meint,
alles sei bestens und völlig in Ordnung. Ein klein wenig Hoffnung macht vielleicht
die Antwort von MdB Prof. Danckert (er hatte gegen das "Neuner Gremium"
geklagt und gewonnen) - er will immerhin die Beratungen und die Bewertungen
durch die beratenden Gremien, auch im Hinblick auf die Unkündbarkeit des ESMVertrages, abwarten und sich erst danach entscheiden. Auch MdB Herr Stroebele
will wachsam sein.
Also, immer weiter argumentieren, appellieren und nicht irre machen lassen!
- Vorlage für ein Schreiben an Ihren Abgeordneten im Bundestag (Format: .doc), bitte
folgendes beachten:
In den Anreden gleich zu Beginn und kurz vor Schluss der Vorlage, bitte den
Namen Ihres ausgewählten Abgeordneten selbst eintragen. Nicht vergessen Ihren
Namen und Ihre vollständige Adresse vor dem Absenden ganz unten anzufügen.
(Von "Vorschlag 1" und "Vorschlag 2" ggf. einen auswählen) Die Vorlage ist im
Format ".doc" geschrieben, so dass eigene Formulierungen, Ergänzungen sowie
Änderungen einfach vorgenommen werden können. Den stärksten Eindruck
hinterlassen sicherlich Emails, die individuell abgefasst bei den MdBs eintreffen. Bei
meiner Vorlage bin ich davon ausgegangen, dass es aufgrund der
Mehrheitsverhältnisse nicht mehr möglich sein wird, den ESM im Bundestag zu
verhindern. Stattdessen plädiere ich dafür, zwei weitere Paragraphen in das
Vertragswerk aufzunehmen, die ein Ende des ESM und ein Ausscheiden eines ESM
Mitglieds zum Inhalt haben sollen. Allerdings - sollten diese Änderungen nicht mehr
möglich sein, werden die Adressaten aufgefordert, den ESM abzulehnen.
Wer es grundsätzlicher haben möchte, kann über den "abgeordneten-check"
(s.u.) ebenfalls eine Vorlage versenden.
Die Seite des "freiewelt.net" Blogs, nachstehender link, erläutert weitere Feinheiten
des ESM Vertrags.
http://www.freiewelt.net/blog-3949/der-finale-esm-vertrag---ende-von--demokratie-undparlamentsvorbehalt-.html
http://www.abgeordneten-check.de/email/larumdarum/69.html
- Folgendes kurzes Video informiert auch über den ESM, allerdings ohne die
Aspekte "ewig", unkündbar und "Völkerrecht" anzuschneiden, trotzdem
sehenswert:
http://www.youtube.com/watch?v=uY7nGXn_mZQ
- Der Bund der Steuerzahler hat zusammen mit dem europäischen Bund der Steuerzahler ("TAE")
eine Analyse zum ESM Vertrag online gestellt. Hier äußern sich im Steuer- und Staatsrecht
bewanderte Leute, ihre Quintessenz ist besorgniserregend. Die Seite bietet weiterführende links und
ist sehr übersichtlich und seriös gestaltet, besonders empfehlenswert:
http://www.taxpayers-europe.com/infos/aktuell/39/162-esm-stoppen-die-eu-buerger-zahlen-diezeche.html
- Für mich sehr erhellend - der Bund der Steuerzahler erklärt nachvollziehbar, was es mit den Target
Salden auf sich hat. Betrifft zwar nicht unmittelbar den ESM, hat aber doch damit zu tun. Dem link
folgend, kann man eine pdf Datei runterladen. Ebenfalls sehr empfehlernswert!:
http://www.taxpayers-europe.com/infos/aktuell/39/164-target2-die-verharmlosung-einerfinanziellen-atombombe.html
- Auf der Seite von "www.goldseiten.de" hat der bekannte Blogger Peter Boehringer einen neuen
Beitrag zum ESM eingestellt, der dramatisch klingt, aber leider buchstäblich wahr ist. Herr
Boehringer greift dabei auf die o.e. Analyse des Steuerzahlerbundes zurück:
http://www.goldseitenblog.com/peter_boehringer/index.php/2012/02/17/warnung-an-mdbs-ii-deresm-bank-vertrag
- Hier ein herausgegriffenes Beispiel für eine von mir verfasste Email, diese ging an den CDU
Bundestagsabgeordneten von Stetten (Format: .doc): ESM-Email an MdB v Stetten.
Die ARD zeigte am 12.3.2012 den Beitrag:
"Die Welt auf Pump". Darin kommen u.a. Kenneth Rogoff und Max Otte zu Wort.
Mein Fazit: besonders empfehlenswert!
http://programm.daserste.de/pages/programm/detail.aspx?id=7EAF42F2FC060FD
44CA992D0BBFE9A1C
WIEDERHOLUNGEN u.a. an folgenden Terminen und Sendeplätzen:
EinsExtra, 17. März 2012, 22:00 Uhr
EinsExtra, 5. April 2012, 20:15 Uhr
EinsExtra, 6. April 2012, 07:00 Uhr
Zurück zum wichtigen ESM-Thema:
- Der ESM ist ein völkerrechtlicher Vertrag, d.h. er hat rechtlich eigentlich nichts mit
der EU oder der Euro-Zone zu tun. Es wird ein Vertrag zwischen Staaten
geschlossen.
Die Kündigung völkerrechtlicher Verträge ist im "Wiener Übereinkommen über das
Recht der Verträge" (WKV) und zwar im Abschnitt 3 niedergelegt. Besonders
interessant sind in diesem Zusammenhang die Artikel 54 und 56.
In diesen wird selbst für einen Nicht-Juristen klar, dass ein Ende oder Ausstieg, ohne
Fixierung einer solchen Möglichkeit im ESM Vertrag selbst, tatsächlich sehr
schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist.
Sogar ein Austritt aus der Euro-Zone oder gar der EU böte noch keine Gewähr
dafür, damit auch aus dem ESM herauszukommen, da der ESM Vertrag zwischen
Nationen, völlig unabhängig von der EU und deren Vertragswerken, geschlossen
worden sein wird.
Beide Artikel sprechen allerdings ausdrücklich von der Möglichkeit, die
Beendigung oder den Rücktritt im Vertrag zu regeln:
Artikel 54 (des "Wiener Übereinkommens")
Beendigung eines Vertrags oder Rücktritt vom Vertrag auf Grund seiner Bestimmungen
oder durch Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien.
Die Beendigung eines Vertrags oder der Rücktritt einer Vertragspartei vom Vertrag können erfolgen
a) nach Maßgabe der Vertragsbestimmungen oder
b) jederzeit durch Einvernehmen zwischen allen Vertragsparteien nach Konsultierung der anderen
Vertragsparteien.
Artikel 56
(1) Ein Vertrag, der keine Bestimmung über seine Beendigung enthält und eine Kündigung oder einen
Rücktritt nicht vorsieht, unterliegt weder der Kündigung noch dem Rücktritt, sofern
a) nicht feststeht, dass die Vertragsparteien die Möglichkeit einer Kündigung oder eines Rücktritts
zuzulassen beabsichtigten, oder
b) ein Kündigungs- oder Rücktrittsrecht sich nicht aus der Natur des Vertrags herleiten lässt.
Den vollständigen Vertragstext des Wiener Übereinkommens finden Sie unter:
http://web.me.com/waltergehr/Das_Internationale_Recht_der_Vertr%C3%A4ge/D
okumente.html
Im nachfolgenden Artikel habe ich meine Meinung zum ESM zusammengefasst:
ESM, 28.01.2012
Mit dem ESM wird eine neues europäisches Organ geschaffen. Die Begründung: Gegenseitige
Hilfe und Unterstützung im Euro Raum sei notwendig, dabei wäre oftmals größte Eile angesagt.
Jetzt liegt der ESM-Vertrag in seiner mittlerweile dritten Fassung vor.
ESM, 3. Fassung vom 2.2.2012, bekannt seit 7.2.2012: http://www.europeancouncil.europa.eu/media/582866/02-tesm2.de12.pdf
(Der nachfolgende link, Vertragsversion vom 23.1.2012, ist also mittlerweile veraltet, ich lasse
ihn aber zur Vergleichsmöglickeit drin:
http://eurodemostuttgart.files.wordpress.com/2012/01/120123-esm-vertragstext.pdf )
Neben einigen offensichtlichen Dingen, wie Immunität, Geheimhaltung (Räumlichkeiten und
Personen, auch im Nachgang), Berufung und Qualifikation von Mitgliedern, Zugang des IWF
zum innersten Kreis, Steuervorteilen, unerhörte Machtfülle - die Liste ließe sich sicher noch
fortsetzen - gibt es etwas, das ebenso bedenklich erscheint, weil es nicht da ist: Ein
Verfallsdatum, ja nicht einmal eine in gewissem zeitlichem Abstand erfolgende Überprüfung der
Existenzberechtigung dieses ESM Konstrukts ist vorgesehen. Es gibt in Vertrag, Präambel und
Anhang keinen einzigen Hinweis darauf, wie der ESM überhaupt jemals wieder abgeschafft
werden könnte.
(Anm. vom 8.2.2012: Dies gilt mit unbedeutenden Abstrichen auch für den Vertragsentwurf, der
seit dem 7.2.2012 bekannt ist, dort ist nur in der Präambel (Ziffer 17) von einem Ende des
ESM die Rede. Was in der Präambel steht, ist rechtlich nicht verbindlich, sondern lediglich eine
unverbindliche Absichtserklärung. In der Präambel des aktuellen Vertragsentwurfes ist auch
sehr häufig von EU und Euro-Zone die Rede. Aber man darf sich dadurch nicht irritieren lassen
- es handelt sich nach wie vor um einen Vertrag nach dem Völkerrecht, der zwischen den
beteiligten Staaten geschlossen wird. Der Begriff "Einvernehmen" wird im neuen
Vertragsentwurf übrigens als "einstimmig" definiert. Artikel 4 Ziffer (3). Dadurch ist auch das
letzte Schlupfloch verstopft, denn über den Begriff "Einvernehmen" hätte es womöglich doch
noch Diskussionen geben können, jetzt ist absolut klar: Aus dem Vertrag kommt man nur
wieder raus, wenn alle anderen einverstanden sind.
Eine Krise ist viel zu wertvoll, als dass sie ungenutzt verstreichen dürfte.
Dabei sehen wir doch gerade jetzt in Italien: Die einzige Möglichkeit sich zu günstig(er)en
Zinsen zu refinanzieren, ist eine nachvollziehbare und nachhaltige Politik der Wirtschaft und
Finanzen. Wenn Monti jetzt noch eine einmalige Vermögensabgabe durchsetzte,
Wachstumsimpulse setzte, Italien zahlte bald Zinsen zumindest wie Frankreich, wahrscheinlich
günstigere. Auch in Portugal und Spanien sind ehrgeizige Krisenprogramme aufgelegt. Überall
wird deutlich, nur durch Druck auf Länder über die Zinslast, stellen sich Erfolge ein, wird
umgelenkt, sogar dort wo Stillstand oder Rückschritt die Regel waren.
Aber Montis und die Erfolge anderer dürfen noch nicht zu deutlich sein, das Krisenfenster
schlösse sich, einige Parlamentarier könnten sich verwundert die Augen reiben und fragen:
"Wozu brauchen wir den ESM überhaupt, und wenn schon - wieso brauchen wir ihn dauerhaft?
Wenn jeder seine Hausaufgaben machte, wozu er ja sowieso vertraglich gleich mehrfach
verpflichtet ist, dann entzieht er damit dem ESM doch automatisch seine Existenzberechtigung."
Ja, der ESM selbst soll mit seinen so streng formulierten Bedingungen angeblich die Länder zu
stabilen Finanzen zwingen - aber damit schaffte er sich bzw. seine Existenzberechtigung doch
gleichzeitig ab. Das ist ein Widerspruch in sich und zeigt mithin, dass der eigentliche Sinn des
ESM woanders verborgen liegen muss.
Es darf gemutmaßt werden - ich mutmaße auch und meine, es geht hier um eine Revolution
von oben.
(Jedenfalls war man so weise, einen Paragraphen einzubauen, der regelt, was mit
überschüssigen Geldern passieren soll. Diese fließen, selbstverständlich nach Abzug der
Unkosten, an die Länder zurück. Danke.)
Ein anderer Aspekt. Die schon erwähnte Hauptbegründung für die Existenz des ESM ist die
angeblich häufig gebotene Eile. Wir sahen schon Finanzminister pausenlos an Wochenenden
tagen, hoffend, bis zur Eröffnung der Finanzmärkte möge ein tragfähiges Konstrukt etabliert
sein. Dazu drängt sich ein, im europäischen Zusammenhang gerne (über)strapaziertes Bild auf
- das eines Hauses. Schön, benutzen wir diese Metapher noch einmal und reduzieren das
"Haus" auf den "Dachstuhl". Der Dachstuhl sei in unserem Bild die Finanzsituation:
Seit Jahren regnet es rein, bei Wind ächzt das Dach, im Winter droht das gesamte Konstrukt
unter Schneelast einzustürzen. Aber was jeder Hausbesitzer schleunigst täte, Zimmerleute das
Dach komplett neu machen lassen, passiert in unserem Geld- und Finanzsystem nicht.
Niemand auf Ebene der Hohen Räte fragt, ob die aktuelle Dachkonstruktion (Schuld- und
Fiatgeld, aber auch regelmäßige Sozialisierung der Verluste) für die Menschen sinnvoll ist, nein,
mit dem ESM sitzen jetzt Tag und Nacht Zimmerleute unterm Dach, immer bereit beim ersten
Anzeichen der Schwäche irgendwo einen neuen Stützbalken einzuziehen oder vielleicht eine
defekte Ziegel auszutauschen. Aber es darf auf keinen Fall ein neues Dach her, weil dann so
viele Profiteure dieses Systems plötzlich unnütz wären. In unserem Beispiel des Dachstuhls
hieße das: Etwa unter jedem zwölften Dach müsse immer, Tag und Nacht ein Zimmermann auf
dem Dachboden bereit sein. Neue Dächer würden nicht gebaut, nur alte repariert. Dadurch
wäre die Arbeit ad infinitum gesichert und die gesamte Arbeitslosigkeit der EU wäre durch die
immense Anzahl von Zimmerleuten weggefegt...
In vergleichbarem Ausmaß profitieren enorm viele und sehr gut bezahlte Menschen, von der
grundlegenden Fehlkonstruktion der Geld- und Finanzmärkte. Paradiesische Zustände, leider
muss irgendjemand immer die Rechnung bezahlen. Es darf gemutmaßt werden.
Da die Einrichtung des ESM aber so dauerhaft angelegt zu sein scheint, lohnt es sich bei dieser
Gelegenheit auch, ein wenig in die Vergangenheit zu blicken. Adam Smith hat gesagt:
"Nachdem alle richtigen Quellen der Besteuerung ausgeschöpft worden sind, und der Staat
noch weiterer Steuern bedarf, müssen neue falsche Quellen aufgedeckt werden." (zit. nach
James Ramsey MacDonald, "Unsere Politik", Berlin 1924, S. 152, englischer Originaltext aus
dem Jahr 1920, Anm.: MacDonald war 1924 der erste britische Premierminister aus den Reihen
der Labour Partei)
In diesem Büchlein stehen aber noch weitere interessante Zitate Adam Smith', so auf S. 150:
"Ein Gläubiger der Öffentlichkeit, als bloßer Gläubiger angesehen, hat kein Interesse an dem
guten Zustand irgendeines besonderen Landesteiles oder an der guten Verwaltung irgendeines
besonderen Kapitalbesitzes ... Sein Ruin ... kann ihn nicht unmittelbar treffen." Tja, der alte
Adam sollte uns zu denken geben.
Da wir mittlerweile solcherart in der Zeit des Großen Krieges angekommen sind, Kriege sind
neben Krisen eine weitere fabelhafte Zeit, um Umstürze und Revolutionen zu initiieren, möchte
ich aus MacDonalds Buch noch eine weitere Stelle (S. 60), diesmal von ihm selbst, zitieren
und rege an, in diesem Zitat das Wort "Krieg" gedanklich einmal durch "Krise" zu ersetzen:
"Der Krieg läuft in Revolutionen aus, und je vollständiger ein Krieg durchgefochten ist, desto
wilder entfesselt sind die Leidenschaften der Anarchie, desto mehr zerrüttet die Geister und das
Gefüge der Ordnung. In den letzten Monaten der Kämpfe diente der (Anm.: Erste Welt-)Krieg
nur dem einen einzigen Ziele, die Gewalten der Revolution freizulegen."
Im Vertrag ist auch der Austritt eines Mitgliedes nirgends erwähnt, es ist nirgendwo geregelt,
wie ein Land, einmal Mitglied geworden, jemals aus dem ESM-Verein wieder austreten könnte.
Der Fall ist nicht vorgesehen.
ESM, kein Ende und kein Austritt möglich - das ist wirklich eine Monsterkonstruktion, die hier
auf europäischer Ebene etabliert und fest verankert werden soll.
Die eigentliche Natur des ESM ist sehr schwer zu durchschauen, und ich behaupte, dass dies
Absicht ist. Denn beispielsweise wird der ESM eine Bank sein oder wie eine Bank arbeiten
dürfen. Aber, und dies zeigt beispielhaft sein Potential, er wird dafür keine Banklizenz
benötigen. (Artikel 32, Absatz 9: "Der ESM ist von jeglicher Zulassungs- oder
Lizenzierungspflicht, die nach dem Recht eines ESM-Mitglieds für Kreditinstitute,
Finanzdienstleistungsunternehmen oder sonstige der Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht
sowie der Regulierung unterliegende Unternehmen gilt, befreit.") Die von Deutschland
aufzubringende Summe ist ebenfalls noch nicht genau zu beziffern. Zu hören ist im Augenblick
(also bis März 2012) von 22 Millliarden Euro. Dies ist aber nur als erste Tranche zu
betrachten, da die mit dem ESM bewilligte Summe (deutscher Anteil am Stammkapital) gut 190
Milliarden Euro beträgt, die jederzeit binnen 7 Tagen abrufbar sein müssen. Aber auch dies ist
noch nicht das Ende der Fahnenstange. Denn sollten einzelne Länder zahlungsunfähig werden,
so müssten die restlichen Länder Gelder nachschießen. Auch die Gesamthöhe des
Stammkapitals kann verändert werden, eine solche Veränderung müsste Deutschland
"notifizieren" - ein Begriff der jedenfalls nicht automatisch "ratifizieren" meint. Der Bundestag
müsste dies, also "ratifizieren", als Modus vorher so festzurren. Sollte die Höhe des
Stammkapitals bei 700 Milliarden Euro liegen - wieviel Personal wird dann zur Verwaltung
benötigt werden? 100, 500, 1000 Personen oder gar noch mehr? Das kann kein Mensch
sagen, im Vertrag heißt es dazu nur, es müsse genügend Personal vorhanden sein. Außerdem
ist im ESM Vertrag in Artikel 10 von "Darlehen" die Rede, die vergeben werden. Wenn der
ESM also wie ein Bank arbeiten kann und darf, weiterhin auch Darlehen vergibt, so wäre
vorstellbar, dass aus einer Stammkapitalsumme von 700 Milliarden Euro "locker" eine
Darlehensvergabe von mehreren Billionen Euro zusammen käme. Nachdem die EZB binnen
weniger Monate über eine Billion Euro an Banken in dreijährigen Tendern vergeben hat
("Sarkozy Trade" I und II), scheinen weitere Billionenbeträge nicht mehr unvorstellbar. Wo soll
dies alles enden? In einem Spiegel Artikel heißt es dazu unter Bezug auf L. v. Mieses: "Es gibt
keine Mittel, eine grundlegende Bereinigung nach einem durch Schulden befeuerten Boom
abzuwenden. Die einzige Frage besteht darin, ob diese Bereinigung rascher vonstatten geht
oder aber die Krise so lange hinausgezögert wird, bis am Ende der ganz große SystemKollaps steht, der auch die Währungsordnung mitreißt."
Wenn der ESM tatsächlich nicht mehr zu verhindern sein sollte, so müsste doch m. E. der
ernsthafte Versuch gestartet werden, die Minister, die Mitglieder des Bundestages, ganz
besonders die des Haushaltsausschusses, dazu zu bewegen, im Vertrag Klauseln entweder
zum automatischen Ablauf des ESM, oder wenigstens dessen regelmäßiger Überprüfung
hinsichtlich seines Fortbestandes und seiner Sinnhaftigkeit zu verankern. Genauso wichtig wäre
es, den geregelten Austritt eines Mitglieds im Vertrag, nicht in der Präambel, vorzusehen. (Dazu
s.o., Vorlage für Schreiben an MdB)
Natürlich werden dagegen die zu erwartenden Argumente angeführt werden, daher könnte man
schon im Schreiben an die MdBs darauf eingehen. Beispielsweise längere Fristen bei einem
Austritt oder vielleicht sogar gewisse Strafzahlungen akzeptieren - Hauptsache eine
Nachfolgeregierung kann da irgendwie später überhaupt wieder raus.
Die Regelungen nach dem "Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge", von denen
weiter oben schon die Rede war, sind jedenfalls sehr restriktiv abgefasst.
Wer würde ein teures Haus kaufen, wenn der Makler erklärte, dass man das Haus niemals
wieder verlassen oder verkaufen könne? So etwas würde niemand machen, aber bei der EU
wird der ganz normale Menschenverstand beim Eintritt offenbar abgegeben. Aber wie wir
wissen, ist das Fehlen der angesprochenen Regelungen eben gerade kein Zufall oder
Versehen, sondern ganz im Gegenteil Ausdruck planerischen Verstandes.
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