RAEKH_gf_2003_11_07 - 1 Seite 1 von 11 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Gianni Facini, Landfahrerplatz, An den Siechengärten, 36088 Hünfeld Postalisch erreichbar nur über Leonhard Bleuel, Am Knottenberg 3, Hünfeld Tel. (0162) 818 35 26 Email: [email protected] (Die Box wird nur unregelmäßig überprüft, bitte keine eilige Nachrichten hier) Freitag, 7. November 2003 An Elena und Daniel Herbe Hinterburg 1 36037 Fulda Antwort auf den Brief vom 3. November 2003 Absender auf dem Umschlag: Daniel Herbe, Rechtsanwalt Absender auf dem Briefbogen: kein Name. Unterschrift: unleserlich. (Aus dem Text geht hervor, daß es sich um Dikigoros Elena Kalpakidou-Herbe handelt) Vielen Dank für den o. e. Brief. Da ich mich in einer Situation befinde, in der ich voller Angst und Verzweiflung jeden anflehe, der mir einen Ausweg zeigen könnte, nehme ich mit großer Erleichterung wahr, daß jemand mir noch überhaupt schreibt. Zu der Aussage: « Eine generelle Auffassung, bestätigt von einem Rechtsanwalt, ist nicht üblich... » Aus dem Brief und noch mehr aus unseren Gesprächen entnehme ich, daß es sich um meine schriftliche Wiedergabe einer Aussage handelt, welche Elena Kalpakidou-Herbe1 geäußert hatte. Diese Aussage hatte ich als Entwurf in elektronischer Form auf einer Diskette abgegeben, mit der Bitte, sie – nach eventuell für nötig gehaltenen Korrekturen – auf einem Briefbogen mit vorgedrucktem Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei auszudrucken. Und ich hatte auch gebeten, die Aussage zu unterschreiben. Diese für die Erhaltung der Würde und des Lebens von vielen Menschen äußerst wichtige und äußerst dringend benötigte Aussage gebe ich hier unten erneut wieder und bezeichne sie zur weiteren Verwendung mit Theorem 1: « Der rechtliche Rahmen für die Erteilung von Sozialhilfe an Menschen, welche keine polizeiliche Anmeldebestätigung besitzen, ist denkbar einfach: Aus dem Paragraph 97 des Bundessozialhilfegesetzes folgt, daß die polizeiliche Anmeldebestätigung belanglos ist. Die umständliche Vermeidung der Anredeform „Sie“ und die notwendigerweise ermüdenden Formulierung mit Passivsätzen und anderen Mitteln ist nicht dazu gedacht, jemanden zu ärgern. Sie stammt daher, daß ich mich seit circa zwölf Jahren das Verbot auferlegt habe, für irgendeinen Mitmenschen mehr Anredeform zu verwenden als für den allmächtigen und allwissenden Gott. U. a. deswegen habe ich mir dieses Verbot auferlegt, weil ich meine Schwäche kenne. Ich fürchte, daß wenn ich einmal angefangen habe, bei der Anredeform mehr Rücksicht auf meine Mitmenschen als auf denjenigen zu nehmen, der an sich mehr Rücksicht verdienen würde, es dann nicht dabei bleibt. Ich fürchte, daß ich dann auch mehr die Wünsche, die Standpunkte und die Gefühle meiner Mitmenschen berücksichtige, als das, was mir mein Gewissen sagt. „Wehret die Anfänge“ ist doch ein gutes Prinzip. Nicht wahr? Ist es nicht genug der Ehre, die wir einander erweisen, wenn wir füreinander dieselbe Anredeform verwenden, die für den allmächtigen, allwissenden Gott verwendet wird? Und wir sagen: „Vater unser, der du im Himmel bist“. Allerdings wurde ich bereits mehrmals mit der Feindseligkeit derer konfrontiert, die ich unvorsichtig mit der natürlichen Anredeform angesprochen hatte. Deswegen habe ich mich entschlossen, jede Anredeform so lange zu meiden, bis ich selber mit dem erlösenden „du“ angesprochen werde. 1 RAEKH_gf_2003_11_07 - 2 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 2 von 11 Da die Frage nach der polizeilichen Anmeldebestätigung nirgendwo sonst im BSHG auftaucht, spielt die polizeiliche Anmeldebestätigung keine Rolle bei der Erteilung von Sozialhilfe. Mit einem freundlichen Gruß » Ratlos stehe ich der Mitteilung gegenüber, daß es sich dabei um eine « generelle Auffassung » handelt, die nicht üblich ist. Bei dem Wort „Auffassung“ gibt mir das Textverarbeitungsprogramm u. a. folgende Synonyme: „Meinung, Ansicht“. Als Elena Kalpakidou-Herbe die o. e. Aussage mir gegenüber geäußert hat, hat sie dafür nicht das Wort „Meinung“ oder „Auffassung“ verwendet. Vielmehr sagte sie dazu: „Auch mein Mann hat gesagt, daß es so ist“. Nicht, daß er der Meinung wäre, daß es vielleicht so sein könnte. Als ich in der Bibliothek der Fachhochschule in Fulda ganze Stapel von Gesetzeskommentaren durchgeforstet habe, stellten alle Texte unisono fest: die polizeiliche Anmeldebestätigung ist belanglos, um zu entscheiden, welches Sozialamt zuständig ist. Nirgendwo fand ich auch nur die leiseste Andeutung darüber, daß es sich um eine Meinung handeln könnte! Vielleicht sind wir nicht ganz einer Meinung, was das Wort „Meinung“ bedeutet. Darf ich ein Beispiel machen, um die Verständigungsschwierigkeiten zu checken. Als ich die Wiedergabe der o. e. Aussage vorbereitete, habe ich aus dem Internet folgendes entnommen: « Kalpakidou-Herbe Elena Griechische Rechtsanwältin (06 61) 9 01 47 14 Hinterburg 8 36037 Fulda » Daß Elena Kalpakidou-Herbe eine griechische Rechtsanwältin ist, ist eine Meinung, eine generelle Auffassung oder eine präzise Aussage? Und, daß sie die Telefonnummer (06 61) 9 01 47 14 hat, ist diese eine generelle Auffassung, die zudem nicht einfach im Internet veröffentlicht werden kann, oder eine präzise Angabe? Wenn der Gesetzgeber sagt, daß nur der « tatsächliche Aufenthalt » eines Antragsstellers maßgeblich ist, kann man sich irgendeinen Anwalt vorstellen, dessen generelle Auffassung wäre, daß hinsichtlich des § 97 eine polizeiliche Anmeldebestätigung irgendeine Rolle spielen könnte? Kann man das? Daraus müßte folgen, daß mindestens der zweite Absatz von Theorem 1 wahr ist. Damit meine ich nicht nur wahr für mich. Und auch nicht nur wahr für alle Kommentatoren, dessen Werke durch die Bibliothek der Fachhochschule Fulda gekauft wurden. Ich meine: wahr für alle. Also, einfach wahr. Worauf es ankommt ist deswegen, ob der dritte Absatz von Theorem 1 als unbedingt wahr bezeichnet werden kann, oder, ob es Ansichtssache sein könnte. Denn, daß auch der erste Absatz von Theorem 1 wahr ist, wenn der dritte Absatz wahr ist, braucht doch nicht extra bewiesen zu werden. Oder? Ist nun am Anfang des dritten Jahrtausends, in einer Zeit des rasanten technischen Fortschrittes, so schwierig herauszufinden, ob die Frage nach der polizeilichen Anmeldebestätigung sonst irgendwo im BSHG auftaucht? Aber darauf mich festzulegen, liegt nicht, wie bereits ausführlich mündlichdargelegt, in meinem Interesse. Wenn die Rechtsanwälte Elena und Daniel Herbe nach einigen Tagen des Nachdenkens herausgefunden haben, daß sie doch nicht sicher sind, dann können sie die Aussage ändern. Wenn sie doch nicht sicher sind, ob die Frage nach der polizeilichen Anmeldebestätigung irgendwo im BSHG – außer im § 97 – auftaucht, dann könnten sie mir einfach ihren Wissenstand schriftlich RAEKH_gf_2003_11_07 - 3 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 3 von 11 mitteilen. Dann bleibt die Frage nach dem Wahrheitswert von Theorem 1 offen. Es handelte sich ohnehin nur um einen Entwurf. Niemals kann es mir gelegen sein, jemandem eine Aussage aufzunötigen, an deren Wahrheitswert er zweifelt. Ganz im Gegenteil würde mir dies nur Probleme verursachen. Aber Elena und Daniel Herbe müßten doch wissen, ob sie außer dem § 97 noch irgendeinen Paragraphen im BSHG oder in einem anderen Gesetz kennen, der die polizeiliche Anmeldebestätigung als unerläßlich zum Erhalt von Sozialhilfe stellt. Dann können sie einfach ihren aktuellen Wissenstand wiedergeben. Die Aussage könnte dann in etwa so lauten: Theorem 2: « Aus dem Paragraph 97 des Bundessozialhilfegesetzes folgt, daß die polizeiliche Anmeldebestätigung belanglos ist, um zu bestimmen, welches Sozialamt zuständig ist. Ich kenne keinen anderen Paragraphen im BSHG oder in einem anderen Gesetz, welcher die polizeiliche Anmeldebestätigung als unerläßlich zum Erhalt von Sozialhilfe hinstellt. Mit einem freundlichen Gruß » Hervorheben möchte ich hier, daß der zweite Absatz von Theorem 2 kaum als allgemeine Auffassung interpretiert werden könnte. Es handelt sich um eine präzise Feststellung, die entweder wahr oder falsch ist. Sollte sie falsch sein – und darüber kann nur der Unterschreiber befinden – dann verzichte ich wiederum sofort auch auf Theorem 2. Dann bitte ich um eine dritte Aussage, die in etwa so lauten könnte: Theorem 3: « Aus dem Paragraph 97 des Bundessozialhilfegesetzes folgt, daß die polizeiliche Anmeldebestätigung belanglos ist, um zu bestimmen, welches Sozialamt zuständig ist. Ich kenne mindestens einen anderen Paragraphen im BSHG oder in einem anderen Gesetz, welcher die polizeiliche Anmeldebestätigung als unerläßlich zum Erhalt von Sozialhilfe hinstellt: § ... von .......... . Mit einem freundlichen Gruß » Nun die Frage, ob ein Rechtsanwalt dasjenige der drei oben angegebenen Theoremen, von dessen Wahrheitswert überzeugt ist, im Internet veröffentlichen darf oder nicht. Auch hier kommt es darauf an, meiner Meinung nach, ob es irgendein Gesetz oder Vorschrift oder Verordnung oder wie auch sonst bezeichnete Regel gibt, die es verbietet. Wenn es eine solche Regel gibt, dann bitte ich um kurze Mitteilung der Angaben, die mir erlauben, sie zu finden und zu lesen. Darf ich auch fragen, ob ich es richtig wahrgenommen habe, daß im Rechtwesen das Prinzip gilt, daß das höhere Recht das niedrigere bricht? Daß, zum Beispiel, eine Gemeindeverordnung ungültig wäre, wenn sie gegen die Bundesverfassung verstößt? Dann sollte man sich auch überlegen, warum ein Mensch das, was er als wahr gefunden hat, in einem Gesetzeskommentar schreiben kann, und warum ein Rechtsanwalt es nicht veröffentlichen darf. Ist der Beruf des Verfassers eines Gesetzeskommentars vom Beruf eines Rechtsanwalts soweit entfernt? Wenn aber die Frage nicht die sein sollte, was ein Rechtsanwalt darf, sondern die, was er will, etwa deswegen, weil er ungern seinen Name in einer Angelegenheit veröffentlicht, in der er sich mit RAEKH_gf_2003_11_07 - 4 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 4 von 11 mächtigen Persönlichkeiten und Behörden verderben könnte, dann könnte man sich überlegen einen anderen Weg überlegen. Was wäre zum Beispiel, wenn daß Deutsche Rotes Kreuz in etwa folgendes veröffentlichen würde: Wir haben einen Anwalt zu der Frage nach der polizeilichen Anmeldebestätigung gefragt. Er hat geantwortet, daß: Theorem i Wobei „Theorem i“ mit einem der drei oberen Theoremen – nach alleiniger Gewissenentscheidung des Anwaltes – ersetzt werden sollte. Aber wenn der Anwalt eine andere Aussage hat, die seinen Wissenstand treffender ausdruckt, dann bin ich auch sehr dafür. Mir geht es nicht darum, recht zu haben, sonder endlich die Wahrheit zu finden. Die Wahrheit, die meine Geschwister auf der Straße dagegen bewahren könnte, heute abend oder so fürh wie nur möglich wieder böses zu erfahren: Erneut im Schlaf angepinkelt, angespuckt, mit Fußtritten behandelt, aus dem Schlaf mit Schreien und Drohungen geweckt, oder gar mit Benzin übergossen und lebendig verbrannt zu werden. Denn selbst dann, wenn es einen anderen Paragraphen – außer § 97 BSHG – tatsächlich geben sollte, dann wäre die Kenntnis darüber dennoch ein riesiger Fortschritt. Zwar wäre meine Überraschung darüber, daß Abgeordneten nach reifer Überlegung eine Regelung getroffen haben, die tatsächlich die polizeiliche Anmeldebestätigung als unerläßlich zum Erhalt von Sozialhilfe hinstellt, so groß, daß ich dann dringend folgendes überlegen würde: Ich würde mich fragen: „Gianni, vielleicht hast du wirklich nicht alle Tassen im Schrank. Du hast gemeint, daß der Gedanke, daß Gesetzgeber so etwas beschließen könnten, und daß noch dazu weder der Obdachlosigkeitswissenschaftler Stefan Schneider noch die Experten vom Forum Sozialhilfe darüber berichten würden, völlig absurd sei. Vielleicht verstehst du die Welt noch weniger als du meinst. Besser du verkriechst dich für den Rest deines Lebens und schweigst.“ Sollte ich aber dann die Stoßkraft der Wahrheit doch überleben, dann könnte ich meine Anstrengungen in Richtung Gesetzgeber statt in Richtung Beamten wenden. Und sollte mich die Wahrheit davon überzeugen, daß die Rechtssprechung und die Psychoepidemiologie etwas sind, was ich nie kapieren werde, dann wäre dennoch vielleicht ein Gewinn da. Ich würde vielleicht den lieben Gott um Verzeihung bitten, daß ich aufhöre, mich um meinen Nächsten, dem der moderne Staat das Schlafen verbietet, zu kümmern. Dann würde ich aufhören, mich dafür krank zu machen. Ich würde einen der Berufe ausüben, die ich gelernt habe. Dann bräuchten Daniel und Elena Herbe keine Sozialhilfe für mich mehr zu zahlen. Und auch die Kosten für die Behandlung meiner Korrespondenz und meiner vielen Gerichtsverfahren wären den Steuerzahlern Daniel und Elena Herbe in der Zukunft gespart. Das alles könnten Daniel und Elena Herbe mit einer sehr kurzen Mitteilung haben. Sie bräuchten mir nur mindestens einen der Paragraphen zu nennen, welche die polizeiliche Anmeldebestätigung als unerläßlich für den Erhalt von Sozialhilfe hinstellen. Hat das Gesetz, welches vorschreibt, was ein Rechtsanwalt im Internet veröffentlichen darf, Verfassungsrang? Das Gesetz, nach den er zwar seine Telefon- und Hausnummer und die Namen der Straße und der Stadt, wo er wohnt, veröffentlichen darf, nicht aber zu veröffentlichen, ob er mindestens einen o. e. Paragraphen kennt? Ist dieses Gesetz wichtiger als Leben und Würde seiner Mitmenschen? Darf ein Notar veröffentlichen, daß sich ein ihm bekannter Rechtsanwalt zu einem der Theoreme 1, 2 oder 3 bekennt? Oder zu einem anderen, der seinen Wissenstand treffender ausdruckt? Zu der Aussage: « Rechtsanwälte können verschiedener Auffassung sein. Also wird Ihnen die Behörde kaum „zuhören“. » Mag sein. Aber wenn es keinen Rechtsanwalt gibt, der bereit ist, eine öffentliche Aussage zu machen, werden sie noch weniger „zuhören“. Eine Aussage, aus welcher indirekt ausgeht, daß Behörden jahreund jahrzehntelang Menschen in Not und Verzweiflung mit Hinweis auf ein Gesetz hinabgestürzt haben, das es gar nicht gibt. Aber wer sagt, daß ich der Behörde so viel Bedeutung zumessen muß. Gott sei Dank, ist nicht jeder Mensch eine Behörde. Und manche Menschen, die nun vielleicht denken, daß ich nicht ganz dicht bin, wenn ich alleine eine Aussage mache, die sie für unmöglich halten, könnten dann ihre Meinung RAEKH_gf_2003_11_07 - 5 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 5 von 11 ändern. Sie werden vielleicht eher bereit sein, die überwältigenden Beweise erst zu überprüfen, wenn sie mit der Aussage eines oder noch besser von zwei Rechtsanwälten konfrontiert werden. Und den meisten Menschen wird der Gedanke, daß eine griechische Rechtsanwältin keine Rechtsanwältin sein soll, genau so wenig einfallen wie der Gedanke, daß eine griechische Frau keine Frau sein soll. Und wenn die Behörden da anders denken, wen stört das? Es gibt eben ein großes Mißverständnis zwischen uns. Die Rechtsanwälte denken offensichtlich, ich hätte vor allem den Sieg vor Gericht im Kopf. So ist es aber nicht. Natürlich würde mir viel helfen, wenn ich die Rechtsstreitigkeiten immer gewinnen könnte. Wichtig ist für mich jedoch vor allem die Beendigung der psychischen Epidemie. Selbst dann, wenn ich alle Rechtsstreitigkeiten verlieren sollte, die Auseinandersetzung, die wirklich zählt, findet nicht vor Gericht statt. Zu dem Aussagenkomplex: « Sie können sich zusätzlich auf der Suche nach Gerichtsentscheidungen machen,... . Sie sollten, wenn Sie die Hilfe von Personen hinzuziehen, sagen, daß Sie auf der Suche nach Urteilen sind, die über den § 97 BSHG entschieden oder mitentschieden haben. » Kafkaesk! Habe ich mich jetzt ausbalanciert? Flehentlich bitte ich darum, mir dieses Seufzen nicht mit der Niederlegung des Mandates zu vergelten. Der Balanceakt, den ein Mensch, dem die psychoepidemiologischen Zustände bewußt werden, vollbringen muß, ist sehr schwierig. Auf der einen Seite muß er alles in seiner Macht stehendes tun, um die Menschen nicht zu verprellen, die ihm helfen wollen. Auf der anderen Seite muß er sich noch intensiver darum bemühen, daß die ihm angebotene Hilfe nicht zum Supergau für ihn und eventuell auch für seine Helfer wird. Es sind zwei entgegengesetzte Notwendigkeiten, die sich kaum vereinbaren lassen. Das Wort kafkaesk benutze ist als synonym für „bedrückend-absurd“. Der Vorschlag, mich auf die Suche nach Gerichtsentscheidungen, die sich auf den § 97 BSHG beziehen, zu begeben, ist kein Ratschlag, der mich aus den labyrinthischen Rechtsverhältnissen hinausführen kann, sondern das ziemlich sichere Rezept, mich zu verlieren. Wie sollte ein Gerichtsurteil aussehen, der mir helfen könnte? Soll es darin stehen, 1) daß die polizeiliche Anmeldebestätigung für die Zuständigkeit des Sozialamtes belanglos ist, oder, 2) daß die polizeiliche Anmeldebestätigung für die Zuständigkeit des Sozialamtes nicht belanglos ist? Im Falle 1) hätte ich meine Zeit, die ich ohnehin nicht habe, völlig verschwendet, da kein Mensch darüber zweifeln kann, daß der § 97 in dieser Hinsicht keinen Raum für Deutungen übrig läßt. Weder der Gesetzestext an sich und noch weniger die einhelligen Kommentare. Im Falle 2), wie sollte ich mir einen Richter vorstellen, der wagen würde, „nicht belanglos“ oder gar „unerläßlich“ zu urteilen, wenn das Gesetz so massiv das Gegenteil sagt? Außer, dem Richter stände sein eigener Verstand aufgrund einer psychischen Epidemie auf dem zu beurteilenden Bereich nicht zur Verfügung. Was zwar meine Sammlung an Beispielen von psychischen Epidemien bereichern könnte, was mir aber auch nicht nützen könnte. Meine Sammlung ist bereits so umfangreich, daß ich große Schwierigkeiten habe, das gesammelte Material zu ordnen. Bisher habe ich immer angenommen, daß man sich auf die Suche nach Gerichtsurteilen macht, wenn das Gesetz Raum für den Richter übrig läßt. Beim § 97 ist dies absolut nicht der Fall. Nicht einmal die Sozialämter haben – trotzt ihrer für Außenstehende kaum vorstellbare Frechheit – je gewagt, sich auf den § 97 zu beziehen, wenn sie Sozialhilfe verwehren, soweit mir bekannt. Auch das Sozialamt des Landkreises Fulda hat nie gewagt zu behaupten, daß der § 97 BSHG die polizeiliche Anmeldebestätigung als unerläßlich oder auch nur von Belang für die Zuständigkeit des Sozialamtes oder für das Erteilen von Sozialhilfe hinstellen würde. RAEKH_gf_2003_11_07 - 6 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 6 von 11 Warum schickt mich dann die Rechtsanwältin nach Kassel? Teuer! Denn mein Semesterticket reicht nur bis Burghaun! Und meine Zeit und meine Kraft reichen nicht einmal aus, um die Denk- und Gefühlsweise meiner Rechtsanwältin zu begreifen. Drei Wochen veranstalte ich schon ein verzweifeltes Rennen gegen die Zeit, um das Puzzle aller Behauptungen meiner Rechtsanwältin zusammenzubringen. Vergebens. Wie sollte ich dann noch die Zeit finden, nach völlig überflüssigen Gerichtsurteilen zu suchen. Wenn mir das o. e. Puzzle nicht so wichtig und dringend wäre, hätte ich trotzdem ein Meer von Dingen vor mir, die dringend auf Erledigung warten. Hat meine Rechtsanwältin auch nur einen der vielen schriftlichen Anträge gelesen, die seit dem 1. November 2002 an die Sozialämter gestellt wurden? Hier unten schreibe ich den letzten Antrag, den ich entworfen und den das Deutsche Rotes Kreuz in Fulda übernommen und weggefaxt hat, ab: « Erneuter Dringender Antrag Hiermit bitten wir respektvoll um Mitteilung darüber, ob es Gesetze gibt, die den Besitz einer polizeilichen Anmeldebestätigung für den Erhalt von Sozialhilfe als relevant betrachten. Um die kostbare Zeit der Beamten des Sozialamtes des Landkreises Fulda so weit in unserer Macht stehend zu schonen, haben wir hier unten Felder vorbereitet, die angekreuzt bzw. im schlimmsten Fall mit wenigen Zeichen ausgefüllt werden können: Für das Gesetz ist belanglos, ob sich der Antragssteller von Sozialhilfe polizeilich gemeldet hat oder nicht. Abgesehen von der Zahlung von jeweiligen Tagessätzen, darf dauerhafte Sozialhilfe nur Antragstellern gegeben werden, die eine polizeiliche Anmeldebestätigung vorweisen. Deswegen füllen wir – wie gebeten – mindestens eine Zeile der u.a. Tabelle: Für die Erteilung von Hilfe zum Lebensunterhalt an Obdachlose, die keine polizeiliche Anmeldebestätigung besitzen, sind – außer dem § 97 BSHG – u. a. noch folgende spezifische2 Gesetzesstellen relevant: Name des Gesetzes3: Nummer des Paragraphen: Dürfen wir auch bitten, uns das vorliegende Blatt dann so früh wie möglich zu faxen? Wir bitten um Verständnis dafür, daß aufgrund der Schwere des Falles – und auch wegen der ausdrücklichen Bitte, die uns Gianni Facini gerichtet hat –, wir nicht bereit sein können, auf eventuelle Angebote von mündlichen Mitteilungen/Gesprächen einzugehen. Mit bestem Dank und einem freundlichen Gruß 2 Damit sind Gesetzesstellen gemeint, die speziell für Obdachlose, die keine polizeiliche Anmeldebestätigung besitzen, gelten. Daß auch ein Obdachloser ohne polizeiliche Anmeldebestätigung zum Beispiel kein reicher Mann sein und auch keine reiche enge Verwandte haben darf, versteht sich von selbst. 3 Uns reicht hier eine Abkürzung: Zum Beispiel BSHG für Bundessozialhilfegesetz. RAEKH_gf_2003_11_07 - 7 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 7 von 11 In der ersten Zeile der Tabelle kann die Rechtsanwältin lesen: « – außer dem § 97 BSHG – ». Über den § 97 BSHG streitet das Sozialamt mit mir nicht. Hätte er es getan, wäre die Sache schon längst zugunsten der Wahrheit erledigt worden. Der Grund, weswegen ich mit dem Sozialamt nicht die gleichen Erfolge wie mit dem Meldeamt haben konnte, rühren vor allem aus drei Faktoren: A) Das Sozialamt hat mir sofort gegeben, was ich für meine eigene Person beantragt habe. Weil es, wie die Rechtsanwältin zurecht hervorgehoben hat, außer in Bayern, keine Populärklage gibt, und weil damit die Möglichkeit, sich für die Belange anderer einzusetzen, so erschwert wird, daß viele Anwälte sie schnurstracks verneinen, komme ich kaum voran. Es ist nicht so, daß das Sozialamt mir eine konkrete und falsche gesetzliche Angabe geliefert hätte. Das Meldeamt hat es getan. Deswegen konnte ich das Meldeamt wiederholt mit der konkreten Entblößung der konkreten Fälschung konfrontieren. Das Sozialamt liefert auch falsche gesetzliche Angaben. Aber vage! Das Sozialamt beschränkt sich darauf, fälschlicherweise zu behaupten, daß der rechtliche Rahmen komplex wäre. Und damit schützt sich das Sozialamt vor einer konkreten Entblößung. Auf Kosten des Lebens und der Würde derjenigen Mitmenschen, die aufgrund der Fälschungen von Meldeämtern oder aus anderen Gründen keine polizeiliche Anmeldebestätigung vorweisen können. B) Da mir das Gesetz und vor allem die juristische Praxis so schwer macht, mich für die Belange derjenigen einzusetzen, die sich nicht verteidigen können, ist der logistische Aufwand im Streit gegen das Sozialamt enorm. Und da die Polizei mich aus dem Campingplatz Praforst – wo ich auf eine Steckdose zugreifen konnte – weggeholt hat, habe ich nun keinen Strom. Logistisch ist dann der Streit kaum zu bewältigen. Mit größter Mühe konnte ich aus meiner Sozialhilfe das Geld für einen Laptop ersparen. Und für Autobatterien. Sehr teuer. Und der Laptop ist langsam. Scanner, Drucker und Brenner kann ich nicht betreiben. C) Da ich außer der Denk- und Gefühlsweise der Beamten, mit denen ich mich streite, noch dazu mit Denk- und Gefühlsweise der Menschen intensiv beschäftigen muß, die meine Entwürfe für Anträge an die Sozialämter übernehmen, ist die Anstrengung enorm. Bei der Auseinandersetzung mit dem Meldeamt war all dies nicht nötig, weil die Tatsache, daß ich mein eigenes Recht einklagte juristisch leicht verständlich war. Deswegen konnte sich das Meldeamt vor konkreten Antworten oder vor Antworten überhaupt nicht so leicht wehren. Bei der Auseinandersetzung mit dem Sozialamt geht es – außer dem Recht derjenigen, die sich nicht verteidigen können – auch um mein eigenes Recht. Weil mich krank macht, zu sehen, wie Menschen zerstört werden, während diejenigen, die sie belügen, sich alle Bequemlichkeiten einer Wohlstandsgesellschaft leisten. Aber dies ist nicht so leicht vermittelbar. D) Die unterschiedliche Mentalität und die unterschiedlichen Methoden der Beamten von Sozialämtern verglichen mit der Mentalität und den Methoden von Beamten von Meldeämtern. Diese Unterschiede sind durch die unterschiedliche Klientel von Melde- bzw. Sozialämter bedingt. Während Meldeämter mit jeder sozialen Gruppe zu tun haben, sind Sozialämter gewohnt, Menschen herumzukommandieren, die sozial schwach sind. Besonders diejenigen, die keine Wohnung haben, haben meistens weder die logistischen Möglichkeiten noch die notwendigen Informationen, um eine Auseinandersetzung zu bestehen. Nicht selten behandeln Beamten von Sozialämter diese Menschen so, als wären sie Dreck, den man nur so schnell wie möglich wegfegen soll. Beim Sozialamt des Landkreises Fulda ist dies zwar nicht der Fall. Und auch beim Sozialamt der Stadt Hünfeld nicht. Beim Sozialamt der Stadt Fulda habe ich bereits zwei böse Erfahrungen machen müssen. Aber selbst dann, wenn man nicht direkt wie Dreck behandelt wird, merkt man, daß die Beamten es leicht haben, einen zu ignorieren. Beim Meldeamt ist es anders, weil RAEKH_gf_2003_11_07 - 8 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 8 von 11 sie dort aufgrund der verschiedenen Klientel nicht gewohnt sind, Menschen so zu behandeln. Wegen dieser besonderen Schwierigkeiten mit Sozialämtern bin ich verstärkt auf die Unterstützung durch Dritte angewiesen. Und deswegen bin ich über das Deutsche Rotes Kreuz in Fulda auf die Rechtsanwälte Elena und Daniel Herbe gekommen. Und wenn nun auch eine obere Instanz des DRK eingeschaltet wird, freue ich mich auf der einer Seite. Mit größter Besorgnis nehme ich aber wahr, daß sich die Zusammenarbeit als sehr schwierig erweist. Wenn mir die Rechtsanwältin erklärt, daß sie verhindern will, daß ich eigene Wege gehe, mache ich mir große Sorgen. Ich darf nicht anders, als die Wege zu gehen, die mir meine Pflicht aufnötigt. Und ich stelle mit Entrüstung fest, daß wir ganz unterschiedliche Vorstellungen haben, die dringend besprochen und hoffentlich beseitigt werden sollen. Vor allem glaube ich nicht daran, daß irgendeine obere Etage das Problem von alleine lösen wird. Wie ich bereits bei dem Spaziergang im Park sagte, hat Joachim Ritzkowsky, der in dieser Hinsicht unvergleichbar mehr Möglichkeiten hatte als ich, das Problem bereits im Februar 1992 „in die oberen Etagen“ gebracht. Und er schreibt selber in seinem Buch, daß er auf taube Ohren gestoßen hat und, daß so gut wie nichts dabei herausgekommen ist. Dabei waren die Institutionen, die er angesprochen hat, ungleich größer und mächtiger als das DRK. Dennoch finde ich sehr gut, wenn eine Instanz mit dem Problem konfrontiert wird. Wenn aber ich meine Aussagen verändern muß, um der neuen Instanz zu gefallen, dann komme ich sehr schnell auf einen Weg, den zu gehen ich weder darf noch will. Wenn ich nicht einmal mehr sagen darf, daß die Behörden Fälschungen begangen haben, wenn ich nicht einmal meine These vorlegen darf, weil mir sonst vorgeworfen wird, daß ich damit das Urteil vorwegnehme, dann fühle ich mich wie gefesselt. Und vor allem macht mir eines Sorgen: Vor dem 17. Oktober kam ich bei der DRK langsam aber doch voran. Es wurden zwei Faxen verschickt, die mir das Gefühl gegeben haben, daß sie etwas bewirkt haben. Gehofft habe ich, daß sich die Anwälte anschließen, um das Sozialamt ebenfalls aufzufordern, mindestens das kleine Vordruck auszufüllen. Statt dessen werde ich selbst beim DRK mit der Aussage konfrontiert: «Mit dem Landrat haben wir ständig zu tun. Wir können uns mit denen nicht versauen. » Sicherlich, sollte man danach streben, mit seinen Mitmenschen harmonisch auszukommen. Wenn einem jedoch keine andere Wahl gelassen wird, dann ist es besser sich mit Menschen zu verderben. « Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein. » Wie würden die Rechtsanwälte Daniel und Elena Herbe fühlen, wenn sie zufällig am 29. Juli 2003 ihre Papiere verloren hätten und deswegen zu den Behörden gehen mußten. Dort erfahren sie, daß hinter ihrem Rücken die Meldebehörde die Mitteilung herausgegeben hat: « Stadt Fulda den 10.06.03 « Betr. Wegzug zweier Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit Sehr geehrte Damen und Herren, Nachfolgende melderechtliche Veränderungen haben sich ergeben: Name, Vorname: Herbe, Daniel und Elena Etc. meldeten sich am 11.04.2003 von 36037 Fulda nach unbekannt » Als mir dies mitgeteilt wurde, habe ich mir große Sorgen gemacht. Denn ohne Anmeldebestätigung – habe ich befürchtet – hätte man mir meinen Studentenstatus wegnehmen können. Auf den Papieren der Universität hatte ich vor Jahren gelesen, daß eine Anmeldebestätigung unerläßlich ist. Selbst für einen Leserausweis ist sie unerläßlich. Aber ohne Studentenstatus kein Semesterticket. Dann wäre ich aufgrund meiner prekären finanziellen Verhältnissen in Hünfeld festgenagelt worden, und ich hätte auf meine Recherchen in den Bibliotheken von Fulda und Frankfurt verzichten müssen. Fast das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. RAEKH_gf_2003_11_07 - 9 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 9 von 11 Vielleicht können sich auch Daniel und Elena Herbe vorstellen, mal auf einem Planeten zu leben, wo sie fürchten müssen, daß man ihnen zusammen mit der polizeilichen Anmeldebestätigung alles verlieren, was für sie wichtig ist. Zum Beispiel ihre Zulassung als Rechtsanwälte. Und vielleicht müssen sie auch noch fürchten, daß zurückliegende Fälle, die sie als Anwälte durchgekämpft haben, annulliert werden, weil ihre Zulassung sich nachträglich als damals nicht existent erwiesen hat. Dann laufen Daniel und Elena vermutlich mit großem Kummer zum Meldeamt. Dort wollen die Beamten ihren Fehler erst gar nicht ruckgängig machen. Man teilt ihnen mit, daß sie – wenn sie es wollen – beim Verwaltungsgericht klagen dürfen. Vielen Dank! Also klagen Daniel und Elena beim Verwaltungsgericht und stellen zur doppelten Sicherheit einige Tage später auch noch den Antrag auf erneute polizeiliche Anmeldebestätigung, für den Fall, daß das Verwaltungsgericht die Abmeldung nicht rückgängig machen will. Daraufhin teilt ihnen die Stadt mit, daß sie gar keinen Anspruch auf eine polizeiliche Anmeldebestätigung besitzen, weil ihre Wohnung die Bedingungen des § 26 HMG nicht erfüllt. Und tatsächlich erfüllt die Wohnung in Hinterburg 8 diese Ansprüche nicht. Warum nicht? Weil nur Beherbergungsstätte diese Ansprüche erfüllen. Um angemeldet zu werden, müßten Daniel und Elena einige Zimmer ihrer Wohnung für Touristen und für andere Gäste zur Verfügung stellen und sich dann beim Gewerbeamt anmelden. Da sie sich für diese Idee nicht begeistern können, fechten sie ihre Rechte beim Verwaltungsgericht weiter. Ab und zu bekommen sie vom Verwaltungsgericht Kopien von Schreiben der Stadtverwaltung zugeschickt, in denen die Herren der Anmeldung dem Gericht mitteilen, daß sie auf ihrer Sicht der Dinge bestehen und den Streit weiterführen wollen. Plötzlich teilt man ihnen mit, daß sie sich ihre Anmeldung doch abholen dürfen. Kein Wort des Bedauerns, geschweige denn eine ausführliche Erklärung oder eine Entschuldigung. Angenommen nun, daß bereits am 24. Juli 2001 die Stadt ihnen aufgrund von irgendeinem Einrichtungsgegenstand, den sie in ihrer Wohnung benutzen, ihnen die polizeiliche Anmeldebestätigung verweigert hätte. Angenommen, sie würden ein Wasserbett benutzen. Wenn sie mit der Aussage konfrontiert worden wären: « Das Hessische Meldegesetz sagt, daß wer in einer Wohnung ein Wasserbett benutzt, keine polizeiliche Anmeldebestätigung erhalten kann. » Da Daniel und Elena nicht mittellos sind, überlegen sie sich, das Wasserbett wegzuwerfen und sich statt dessen ein herkömmliches Bett zu kaufen. Aber, überlegen sich Daniel und Elena, die Ausgabe und die Mühe lohnen sich nur dann, wenn sie sicher sind, dafür die lebensnotwendige polizeiliche Anmeldebestätigung auch zu erhalten. Mit allen argumentativen Künsten, die ihnen ihre Ausbildung als Rechtsanwälte zur Verfügung stellt, versuchen Daniel und Elena die Beamten dazu zu bewegen, ihnen klipp und klar zu sagen, ob sie dann eine polizeiliche Anmeldebestätigung erhalten würden. Mit allen argumentativen Künsten, die ihnen die eingeübte Praxis, Menschen, welche die Stadt nicht haben will, fernzuhalten, sagen ihnen die Beamten alles, was sie gar nicht gefragt haben, und bringen es immer wieder geschickt fertig, die heiß ersehnte Information nicht zu geben. Um sie zu beeindrucken, telefoniert der Beamte mit der Rechtsabteilung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes und teilt ihnen erneut mit, daß es wirklich unmöglich ist, eine polizeiliche Anmeldebestätigung zu erhalten, wenn man auf einem Wasserbett schlafen will. Daniel und Elena überlegen sich voller Sorgen, warum der Gesetzgeber so daran interessiert sei, daß die Menschen kein Wasserbett benutzen. Wenn das Haus steht, wenn es nicht hier und da spazieren gehr, dann müßten die polizeilichen Interessen erfüllt sein. Hautsache man ist auffindbar. Ob man in einem Wasserbett, unter einem Baldakien oder in einem Zelt schläft, müßte doch jedem zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit überlassen sein, denken Elena und Daniel. Da aber für sie das wichtigste ist, eine polizeiliche Anmeldebestätigung zu erhalten, fragen sie erneut, ob man ihnen die gestellte Frage bitte sehr beantworten will. Und diesmal bestehen sie auf eine schriftliche Antwort. Der nette Beamte sagt zu und gibt ihnen einige Zeit später einen Brief. In dem zwar erneut steht, daß die Rechtsabteilung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes die Auffassung unterstützt, daß derjenige, der in einem Wasserbett schläft, keine polizeiliche Anmeldebestätigung erhält. Darüber, ob eine polizeiliche Anmeldebestätigung gegeben wird, wenn das Wasserbett herausfliegt und ein herkömmliches Bett gekauft wird, kein Wort! Aus den Haaren herbeigezogen ist das Beispiel – werden nun Elena und Daniel wahrscheinlich denken. Sicher stelle ich hier Umstände dar, die kaum vorstellbar sind. Ich habe sie aber erlebt. Um RAEKH_gf_2003_11_07 - 10 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 10 von 11 zu versuchen, meine seelische Lage nachzufühlen, müßten Elena und Daniel noch viel mehr Fantasie aufbringen. Sie müßten sich vorstellen, ein jeder für sich zu sein: Elena alleine, und Daniel alleine. Beide ohne irgendwelchen Verwandten, Freund oder auch nur Bekannten. In der Folge beschränke ich mich auf Daniel. Für eine Frau wäre es vermutlich noch viel schlimmer. Daniel besteht nun darauf, einen Protestbrief anzufertigen, in dem er an das nicht eingehaltene Versprechen des Beamten und an die Absurdität des ganzen Vorgehen erinnert. Korrekt in seinen äußeren formen erlaubt der Beamte das. Einige Tage später erhält Daniel einen Breif datiert 27. Juli 2001. In diesem Brief bestätigt der Magistrat der Stadt Fulda noch einmal, daß die Rechtsabteilung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes die Auffassung unterstützt, daß keine polizeiliche Anmeldebestätigung gegeben wird, wenn ein Wasserbett benutzt wird. Davon, was geschieht, wenn in derselben Wohnung ein herkömmiches Bett das Wasserbett ersetzt, kein Wort! Statt dessen lies er auf dem Behördenbrief: « Die Grundlage fürdie Ablehnung einer Anmeldung ist der § 15 des Hessischen Meldegesetzes. Dieser sagt folgendes aus: „Wohnung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder umschlossenen Raum, der zum Wohnung oder Schlafen benutzt wird. Keine Wohnung im Sinne des Gesetzes sind, z.B. einfache Überdachungen, da es sich nicht um umschlossenen Räume handelt. Nicht unter dem Wohnungsbegriff fallen auch Zelte.“ Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung ist eine Anmeldung gemäß § 13 Hessisches Meldegesetz nicht möglich. » Kann man hier daran Zweifeln, daß die Behörde den Text, den sie in den Anführungsstrichen „“ gesetzt hat, als wortwörtliche Widergabe des Gesetzestextes ausgeben wollte? Nach dem Doppelpunkt wird sogar eine Zeile frei gehalten. Die Wiedergabe wird durch Kursivschrift vom übrigen Text abgehoben. Und nach der Wiedergabe wird wieder eine Zeile frei gehalten, um die Wiedergabe vom übrigen Text zu unterscheiden. Daniel besorgt sich den wahren Text des § 15 HMG. Nur der erste Satz stimmt überein. Drei Sätze wurden unterschlagen und zwei fremde hineingefälscht. Tröstlich ist nur, daß auch auf dem neuen Planet, auf den Daniel nach der psychosozialen Raumfahrt gelandet ist, den Gesetzgebern egal ist, ob man auf einem Wasserbett oder auf einem herkömmlichen Bett schläft. Die Meldebeamten auf dem neuen Planet sind jedoch rätselhafte, grausame Geschöpfe. Ihnen macht nichts aus, Menschen eine polizeiliche Anmeldebestätigung zu verweigern, auch wenn die Zeitungen immer wieder darüber berichten, wie Menschen, die dadurch weder arbeiten noch Sozialhilfe erhalten dürfen, verrotten müssen. Oder, wie sie wie Dreck behandelt oder gar angefackelt werden. Man könnte den Albtraum noch mit der Geschichte des Rechtspflegers vervollständigen, der behauptet, daß die Meldebeamten zurecht keine polizeiliche Anmeldebestätigung gegeben haben. Aufgrund des Wasserbettes. Und mit der Geschichte des Richters, der bescheinigt hat, daß „postlagernd“ eine postalische Adresse ist, die nicht als postalische Adresse gilt. Wer nur postlagernd postalisch erreichbar ist hat kein Recht auf Rechtsschütz und kann damit dem Rechtspfleger, der im selben Amtsgericht wie der Richter arbeitet, bzw. das Gesetz fälscht, nichts anhaben. Und so weiter, und so fort. Wo findet Daniel nun ein psychosoziales Raumschiff, um zu dem Planet der normalen Menschen zurückzukehren? RAEKH_gf_2003_11_07 - 11 Antwort zum Brief vom 3. November 2003 Seite 11 von 11 Für Gianni besteht dieses Raumschiff aus den Anträgen, die er stellt. Er bildet sich ein, daß irgendwann ihm auf dem neuen Planet ein E.T. begegnet, dem der Aufenthalt auf dem Planet der Foltermaschinen ebenfalls ein Greuel ist. Und, daß irgendwann ein zweiter hinzukommt, und ein dritter, usw.. Ob man dann das Fälschen von Gesetzen stoppen kann? Noch vor einem kurzen Augenblick war Gianni nur wenige Mikrograms. In neun Monaten hat er Gianni dann um das Zweimilliardenfache vergrößert. Und in einem anderen Augenblick noch um das dreißigfache. Und in einem kurzen Augenblick wird Gianni Madenfraß werden. Und dann wird er Gianni hoffentlich suchen und ihn vielleicht dorthin bringen, wo keine Gesetze mehr gefälscht werden. Da, wo kein Mensch im Schlaf angepinkelt, angespuckt, mit Fußtritten wachgerufen, oder gar mit Benzin übergossen und angezündet wird. Da, wo er keine dreißig Anträge innerhalb eines Jahres mehr schreiben muß, um dennoch keine Antwort zu erhalten. Vielleicht auch nicht. Vielleicht muß Gianni Jahr nach Jahr, Jahrhundert nach Jahrhundert Anträge schreiben und keine Antwort erhalten. Vielleicht werden Jahr nach Jahr, Jahrhundert nach Jahrhundert Menschen weiterhin im Schlaf angepinkelt, angespuckt, mit Fußtritten wachgerufen, oder gar mit Benzin übergossen und angezündet. Dann ist Gianni auf die unangenehme Seite des Abgrundes gelandet. Nicht auf der Seite von Lazarus. Und Elena? Und Daniel? Ob Elena dann Gianni immer noch sagt, daß es sich bei dem Brief vom 27. Juli 2001 um kein Zitat handelte? Daß die Behörden das Gesetz nur kommentiert und nicht zitiert hätten? Daß es sich um keine Fälschung handelte? Und, daß Gianni schon deswegen nicht von Fälschung sprechen darf, weil er sonst das Urteil vorwegnehmen würde? Und, daß er nach Kassel fahren sollte, um herauszufinden, ob es Richter gibt, die § 97 BSHG gelten lassen? Warum ist es nicht möglich, daß Elena, Daniel, Niebuhr, Navracoy, Gianni und auch alle anderen Menschen, die es nicht mehr ertragen, einen Brief schreiben? Die nicht mehr ertragen, daß Menschen im Schlaf angepinkelt, angespuckt, mit Fußtritten wachgerufen, oder gar mit Benzin übergossen und angezündet werden. Einen Brief, in dem sie die Staatsanwaltschaft respektvoll bitten, das Gesetz einzuhalten? Sofort einzuhalten.