Reinhard Baumgarten Red. RKG Stuttgart, 23. Januar 2009 Zeitwort SWR 2 21. Ramadan nach der Hidschra - 24. Januar 661 n.Chr. (andere Quellen: 27.1.661) Die Ermordung Ali Ibn Abi Talib Autor Es ist der 19. Ramadan des Jahres 40 nach islamischer Zeitrechnung. Dunkelheit liegt über Kufa. Nur wenige Lampen beleuchten die arabische Garnisonsstadt am Euphrat im heutigen Irak. Der 63jährige Ali ibn Abi Talib ist auf dem Weg zum Morgengebet. Vor der Moschee lauert Abdurrahman ibn Muljam. Zwei Jahre zuvor ist dieser nur knapp einem Gemetzel entkommen, bei dem viele seiner Freunde auf Geheiß Alis erschlagen worden sind. Ibn Muljam sinnt auf Rache. Mit einem Schrei stürzt er sich auf den Herannahenden und streckt ihn mit Schwerthieben nieder. Zuspiel Gesang Ali alei Autor Zwei Tage später erliegt Ali ibn Abi Talib seinen schweren Verletzungen. Der vierte Kalif – das heißt Nachfolger des Propheten Mohammed – ist tot. Zuspiel Gesang Ali alei Autor Die Geschichte des frühen Islams ist blutig und gekennzeichnet durch Bruderkriege. Der Prophet und Religionsstifter Mohammed stirbt 632. Er hat keinen Sohn, und er hat seine Nachfolge nicht geregelt. Abu Bakr wird zum ersten Kalifen gewählt. Er stirbt schon bald eines natürlichen Todes. Auf ihn folgen die Kalifen Omar und Osman. Beide werden ermordet. Im Jahr 656 schlägt die Stunde Ali ibn Abi Talibs. Er ist der Vetter des Propheten Mohammed, hat dessen Tochter Fatima geheiratet und er gilt als einer der engsten Vertrauten des Propheten. Zuspiel Ges. Schläge 3 Autor Alis Herrscherglück währt nicht lange. Seine innerislamischen Widersacher – unter ihnen Mohammeds Lieblingsfrau Aisha – beschuldigen ihn, in den Mord an seinem Vorgängers verwickelt gewesen zu sein. Der Konflikt eskaliert zum offenen Bürgerkrieg, dessen Ausgang die Spaltung des Islams in Sunniten und Schiiten markiert. Der Begriff Schiit leitet sich von dem arabischen Wort Shi’at ab – das bedeutet Lager im Sinne von Partei. Die Parteigänger des Kalifen Ali werden Shi’at Ali genannt. Die Schiiten behaupten bis heute, der Prophet Mohammed habe Ali mit folgenden Worten zu seinem Nachfolger bestimmt: Man kuntu maulahu fa Ali maulahu. Jeder, dessen Patron ich bin, dessen Patron ist auch Ali. Zuspiel Refrain Ali Ali Autor Als Alis härtester Widersacher entpuppt sich der islamische Statthalter Syriens Mu’awiya. Dieser ist ein Vetter des ermordeten Kalifen Osman. Beide entstammen dem einflussreichen Mekkanischen Stamm der Ummayya. Ali und Mu’awia repräsentieren zwei gegensätzliche Grundströmungen innerhalb der frühen islamischen Gemeinschaft. Ali gehört zu den Muslimen der ersten Stunde, die mit dem Propheten Mohammed aus ihrer Heimatstadt fliehen müssen. Der Stamm der Ummayya, zu dem Mu’awia gehört, hat den Islam lange erbittert bekämpft. Nun aber, da die islamischen Heere fette Beute machen, wollen die bekehrten Patrizier aus Mekka die Herrschaft. Der Konflikt zwischen Alis Anhängern und den Ummayyaden ist der erste „Klassenkampf“ im Islam. Ibn Muljam, der ursprünglich auf der Seite Alis kämpfte, seinem Rachemord an Ali entscheidend in Auseinandersetzungen ein. Das Ringen um die Nachfolge des Propheten als Amir al-Mu’minin – als Herrscher der Gläubigen – wird zuungunsten der Schi’at Ali entschieden. Bis heute herrscht zwischen Schiiten und Sunniten Misstrauen und Feindschaft, die immer wieder in blutigen Fehden münden.