EUROPÄISCHES PARLAMENT 2004 2009 Plenarsitzungsdokument 20.10.2005 B6-0553/05 ENTSCHLIESSUNGSANTRAG eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Europäischen Rates und der Kommission gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung von Hiltrud Breyer und Margrete Auken im Namen der Verts/ALE-Fraktion zum rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen RE\585501DE.doc DE PE 364.127v01-00 DE B6-0553/05 Entschließung des Europäischen Parlaments zum rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen Das Europäische Parlament, – unter Hinweis auf das Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (EUROPÄISCHE PATENTKONVENTION) vom 5. Oktober 1973, – unter Hinweis auf die Richtlinie 44/98/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, – unter Hinweis auf die Begründung des Rates zu dieser Richtlinie, – unter Hinweis auf das Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, das 1997 in Oviedo unterzeichnet wurde, – unter Hinweis auf seine Entschließung zum Beschluss des Europäischen Patentamts betreffend das Patent EP695351, das am 8. Dezember 1999 erteilt wurde, – unter Hinweis auf den Bericht vom 14. Juli 2005 der Europäischen Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Entwicklung und Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie und der Gentechnik (KOM(2005)312), – gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, A. in der Erwägung, dass das Europäische Patentamt am 2. Februar 2005 ein Patent erteilte (EP1257168), das ein Verfahren der Selektion menschlicher Stammzellen und der Keimzellen selbst umfasst, das sicherlich nicht als eine Erfindung betrachtet werden kann, B. in der Erwägung, dass das Europäische Patentamt auch die europäischen Patente EP1121015 und EP1196153, die sich auch auf menschliche Keimzellen beziehen, sowie EP1121015 erteilt hat, das sich auch auf gefrorene menschliche Embryos bezieht, C. in der Erwägung, dass das Europäische Patentamt Einwände gegen das Patent EP695351 (Universität Edinburgh) akzeptierte und klarstellte, dass Patente auf menschliche embryonale Stammzellen nicht erteilt werden dürfen, D. in der Erwägung, dass gegen diesen Beschluss ein Einspruch vorliegt, so dass die Rechtslage noch unklar ist, E. unter Hinweis auf die anhaltende Diskussion über die Patentierbarkeit von aus menschlichen Embryos abgeleiteten Stammzellen, F. unter Hinweis auf die Tatsache, dass bereits mehr als 1000 europäische Patente für Gene PE 364.127v01-00 DE 2/4 RE\585501DE.doc aus Menschen und Tieren erteilt worden sind, G. in der Erwägung, dass eine zu großzügige Erteilung von Patenten die Innovation unterbinden kann, H. in der Erwägung, dass Patentschutz für menschliche Gene auf dem europäischen Markt nicht als harmonisiert betrachtet werden kann, da Länder wie Frankreich und Deutschland nationale Rechtsvorschriften durchgesetzt haben, die im Einklang mit der EU-Richtlinie 44/98/EG stehen, aber in der Praxis zu unterschiedlichem Patentschutz führen, I. in der Erwägung, dass die Forschung zeigt, dass menschliche Gene nicht nur eine einzige Funktion haben, sondern dass die meisten mehrere haben, je nach dem Kontext von Zellen und Organismus und es so schwierig machen, Artikel 5 von Richtlinie 44/98/EG sachgemäß anzuwenden, J. in der Erwägung, dass Artikel 6 der Richtlinie das Klonen von Menschen ausschließt und der Rat in seiner Begründung an das Parlament klarstellte, dass dieses Verbot des Patentierens sich nicht nur auf das reproduktive Klonen bezieht und dass der Begriff Mensch auch die embryonale Phase umfasst, K. in der Erwägung, dass bereits etwa 100 Patente auf Tiere, die meisten nach der Annahme der Richtlinie 44/98/EG, ohne nennenswerte medizinische Überprüfung durch das Europäische Patentamt erteilt worden sind, L. in der Erwägung, dass Patentschutz für Samen und Pflanzen zu der Entwicklung geführt hat, dass eine Regelung des Sortenschutzes durch weit reichende und widerstreitende Monopolrechte verhindert wird, M. in der Erwägung, dass Firmen wie Syngenta Patentschutz für große Teile des Reisgenoms und anderer Agrarpflanzen anstreben (z.B. EP139956 als Beispiel für etwa ein Dutzend anderer Patentanwendungen dieser Firma), N. in der Erwägung, dass die Firma Monsanto sogar Patente auf Schweine fordert, die von normaler Zucht abgeleitet sind (WO 2005/017204 und WO 2005/015989), O. in der Erwägung, dass immer mehr Patente auf normale Pflanzen erteilt werden (EP1185161, Pflanzen mit veränderten Gehalt an Lipiden oder EP921720 Pflanzen mit normal vorkommenden Genkombinationen als Beispiel für ein paar Hundert bereits erteilte Patente), 1. ist der Auffassung, dass das derzeitige Patentrecht auf biotechnologische Erfindungen (Richtlinie 44/98/EG) nicht als eine endgültige Antwort auf die ethischen, sozialen und rechtlichen Fragen angesehen werden kann; 2. ersucht die Kommission zu überprüfen, ob eine klare Interpretation von Richtlinie 44/98/EG mit einer Empfehlung an die Mitgliedstaaten erzielt werden kann oder ob es notwendig ist, die Richtlinie zu ändern, insbesondere unter Hinweis auf Artikel 5; RE\585501DE.doc 3/4 PE 364.127v01-00 DE 3. weist darauf hin, dass das Patent EP1257168 eine Verletzung der Richtlinie darstellt, weil es menschliche Keimzellen (die Teil des menschlichen Körpers und sicherlich nicht erfunden sind) patentiert und eine Verletzung von Artikel 14 des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin darstellt, das die Verwendung von Techniken medizinisch unterstützter Fortpflanzung zwecks Selektion des künftigen Geschlechts des Kindes verbietet; 4. beschließt, unverzüglich einen Einspruch gegen das Patent EP1257168 einzureichen und fordert seine Dienststellen auf, das Schriftstück sofort auszuarbeiten; 5. besteht darauf, dass die Praxis des Europäischen Patentamts auf der Grundlage der Richtlinie 44/98/EG einen großen Mangel von klaren Vorschriften betreffend die Ausnahmen basierend auf ethischen Gründen, die Unterscheidung zwischen Pflanzen- und Tierarten einerseits und patentfähigen Erfindungen andererseits und eine praktikable Regeln betreffend Patente auf Genen und ihren Funktionen aufweist; 6. ersucht die Europäische Kommission, einen Vorschlag darüber auszuarbeiten, wie man Patente im Zusammenhang mit Pflanzen und Tieren beschränken kann, damit Arten effizient aus Patentforderungen ausgeschlossen werden können; 7. fordert das Europäische Patentamt auf, das derzeitige Patentrecht in einer Art und Weise anzuwenden, dass Patente betreffend Tier- oder Pflanzenzucht auf die tatsächlichen technischen Merkmale reduziert werden, damit Patente auf ganze Pflanzen und Tiere auf sehr seltene Ausnahmen beschränkt bleiben, wenn sie nicht vollständig ausgeschlossen werden; 8. fordert das Europäische Patentamt auf, sich zu weigern, Patente auf menschliche Keimzellen, menschliche Embryos und Stammzellen, die aus menschlichen Embryos abgeleitet sind, zu erteilen; 9. besteht darauf, dass die Kommission einen neuen Richtlinienentwurf über den rechtlichen Schutz von biotechnologischen Erfindungen vorschlagen und Patente im Zusammenhang mit lebendem Material einschränken sollte, um die rechtlichen, ethischen und wirtschaftlichen Ungewissheiten zu überwinden; 10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Patentamt zu übermitteln. PE 364.127v01-00 DE 4/4 RE\585501DE.doc