doc - GUE/NGL

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EUROPÄISCHES PARLAMENT
2009 – 2014
Plenarsitzungsdokument
10.6.2013
B7-0277/2013
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
zu den Vorbereitungen auf die Tagung des Europäischen Rates am 27. und
28. Juni 2013 und zur demokratischen Beschlussfassung in der WWU
(2013/2672(RSP))
Gabriele Zimmer, Marie-Christine Vergiat, Alda Sousa, Marisa Matias,
Nikolaos Chountis, Younous Omarjee, Willy Meyer
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
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DE
PE509.910v01-00
In Vielfalt geeint
DE
B7-0277
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Vorbereitungen auf die Tagung des
Europäischen Rates am 27. und 28. Juni 2013 und zur demokratischen Beschlussfassung
in der WWU
(2013/2672(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Gipfeltreffens der Mitglieder des EuroWährungsgebiets vom 29. Juni 2012,
– unter Hinweis auf das Konzept der Kommission für eine vertiefte, echte Wirtschafts- und
Währungsunion vom 28. November 2012,
– unter Hinweis auf den Bericht des Präsidenten des Europäischen Rates mit dem Titel „Auf
dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“ vom 5. Dezember 2012,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 13./14. Dezember
2012,
– unter Hinweis auf den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der
Wirtschafts- und Währungsunion, nachfolgend „Fiskalpakt“,
– unter Hinweis auf die Mitteilungen der Kommission mit dem Titel „Vorabkoordinierung
größerer wirtschaftspolitischer Reformvorhaben“ (COM(2013) 166) und dem Titel
„Einführung eines Instruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit“
(COM(2013) 165),
– unter Hinweis auf die länderspezifischen Empfehlungen der Kommission vom
29. Mai 2013,
– unter Hinweis auf den IWF-Länderbericht Nr. 13/156 vom Juni 2013,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die derzeitige Wirtschafts- und Sozialkrise auf die neoliberale
Politik der Europäischen Union zurückzuführen ist, durch die die Deregulierung der
Finanzmärkte, die Liberalisierung der Märkte für Waren und Dienstleistungen und der
zunehmende Finanzmarktkapitalismus in der Wirtschaft gefördert, öffentliche
Investitionen zurückgefahren und die Deregulierung des Arbeitsmarkts vorangetrieben
werden;
B. in der Erwägung, dass die Antworten der EU, der EZB und des IWF („Troika“) auf die
Wirtschaftskrise in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht falsch waren; in der
Erwägung, dass sich die Wirtschaftslage entgegen der Prognosen kontinuierlich weiter
verschlechtert und sie zu einer weit um sich greifenden Rezession, Armut, sozialer
Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit führt;
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C. in der Erwägung, dass nun sogar Mitglieder der Troika – nämlich der IWF – ihre Politik in
Frage stellen, da zunehmend offensichtlich wird, dass sich die zugrundeliegenden
Annahmen, Prognosen und theoretischen Untermauerungen als unzutreffend erwiesen
haben;
D. in der Erwägung, dass die demokratischen Strukturen aufgrund der auferlegten
„Marktdisziplin“ empfindlich gestört wurden; in der Erwägung, dass es den
Krisenmanagement-Institutionen („Troika“) und den europäischen
Finanzierungsmechanismen (ESM, EFSM) an demokratischer Rechenschaftspflicht
mangelt;
E. in der Erwägung, dass der Fiskalpakt in noch nie dagewesener Weise gegen die
Rechtsvorschriften der EU und der Mitgliedstaaten verstößt, da mit ihm den demokratisch
gewählten Regierungen der Mitgliedstaaten fiskalpolitische Entscheidungen entzogen und
alternative wirtschaftspolitische Entscheidungen blockiert werden, die für die Erholung
der Wirtschaft dringend erforderlich wären;
F. in der Erwägung, dass die neuen Kommissionsvorschläge zur Vorabkoordinierung
wirtschaftspolitischer Reformen und zur Einführung eines Instruments für Konvergenz
und Wettbewerbsfähigkeit darauf abzielen, den Mitgliedstaaten weitere Möglichkeiten für
politische Entscheidungen zu entziehen, da sie den Spielraum für Maßnahmen und eine
alternative Politik erheblich einengen;
G. in der Erwägung, dass mit den aktuellen länderspezifischen Empfehlungen weiterhin das
falsche Heilmittel auf der Grundlage fragwürdiger Annahmen verordnet wird;
1. ist zutiefst besorgt über die zwischenstaatliche Methode, die vom Rat permanent
angewandt wird, und fordert eine umfassende und gleichberechtigte Einbindung des
Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente in wirtschaftspolitische Fragen;
2. verurteilt die Sparpolitik der EU und fordert den Rat auf, diese rückgängig zu machen;
erachtet die von der Kommission vorgeschlagenen neuen und bestehenden Maßnahmen
als völlig unzureichend, um die Krise zu bewältigen und eine Wandlung der EUMitgliedstaaten hin zu demokratischen und inklusiven Gesellschaften zu vollziehen, von
denen alle Bürger profitieren;
3. fordert die Kommission auf, neue Studien eingehend zu berücksichtigen, die
beispielsweise vom IWF veröffentlicht wurden und aus denen hervorgeht, dass die
Sparpolitik nicht nur für Griechenland, sondern für die gesamte EU verheerende Folgen
hatte, da sich wirtschaftliche Annahmen zum Multiplikatoreffekt fiskalpolitischer
Maßnahmen als unzutreffend erwiesen haben; betont, dass das Schuldenniveau in der EU
von 18 % im Jahr 2008 auf 25 % im Jahr 2012 angestiegen ist, die Reichen gleichzeitig
aber immer reicher geworden sind;
4. verurteilt alle Versuche, die im Fiskalpakt enthaltenen wirtschaftlich falschen und
rechtlich zweifelhaften Vereinbarungen in EU-Rechtsvorschriften umzusetzen; lehnt alle
Auflagen, Hindernisse und Beschränkungen ab, die das souveräne Recht der Menschen
verletzen, über ihre Wirtschaftspolitik zu entscheiden;
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5. verurteilt den als Solidaritätsmechanismus getarnten Ansatz von „Zuckerbrot und
Peitsche“, der im sogenannten Instrument für Konvergenz- und Wettbewerbsfähigkeit
enthalten ist, das lediglich darauf abzielt, Menschen zu bestechen, damit sie den falschen
politischen Maßnahmen zustimmen, die darauf ausgerichtet sind, Arbeitnehmerrechte und
soziale Rechte zu untergraben, und die die Kluft zwischen Armen und Reichen weiter
vergrößern werden;
6. fordert den Rat auf, seine in den Paketen zur wirtschaftspolitischen Steuerung (dem
Sechserpaket und dem Zweierpaket) enthaltenen fehlgeschlagenen Maßnahmen
zurückzunehmen und weitere Vorschläge der Kommission, die derselben Logik folgen,
abzulehnen;
7. lehnt die länderspezifischen Empfehlungen der Kommission als Teil der Sparpolitik ab, da
sie weitgehend die Fortsetzung einer gescheiterten Politik darstellen; ist zutiefst betroffen
darüber, dass die Umsetzung dieser Empfehlungen unweigerlich dazu führen wird, dass
die sozioökonomischen Unterschiede noch größer werden und sich der Wohlstand noch
ungleicher verteilt; fordert daher den Rat auf, diese Empfehlungen nicht umzusetzen;
8. fordert die Mitgliedstaaten auf, sich für eine wirkliche Konvergenz einzusetzen, indem
Steuerflucht bekämpft, Steueroasen auch in ihren Hoheitsgebieten verboten,
Vermögenssteuern eingeführt, die Einkommensteuer auf Spitzeneinkommen erhöht,
wirksame Unternehmenssteuern erhoben und der Finanzsektor und seine spekulativen
Finanzprodukte besteuert werden;
9. erachtet die Vorschläge zur Bankenunion und dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus,
mit dem eine undemokratische Einrichtung – die EZB –, die hauptsächlich im Interesse
des Finanzsektors handelt, ins Zentrum der Finanzaufsicht gestellt wird, als grundlegend
fehlerhaft, und betrachtet sie nicht als Antwort auf die massiven Probleme, die sich in den
vergangenen Jahrzehnten auf den Finanzmärkten angehäuft haben;
10. ist der Überzeugung, dass eine radikale Verkleinerung der Finanzbranche zusammen mit
der Schaffung einer demokratischen Aufsicht eine Voraussetzung für die Erholung der
Wirtschaft darstellt; fordert den Rat auf, sich auf ein wirksames Konjunkturprogramm zu
einigen und dafür Sorge zu tragen, dass endlich Unternehmen und einfache Menschen
anstelle von Banken und Spekulanten von der expansiven Währungspolitik der EZB
profitieren;
11. fordert eine Überprüfung des EZB-Statuts;
12. fordert, dass die Schulden der Banken nicht der Bevölkerung aufgebürdet werden, und
besteht darauf, dass keine weiteren Bankenrettungspakete aus öffentlichen Mitteln
finanziert werden und dass alle weiteren ESM-Interventionen unter umfassender
demokratischer Kontrolle stattfinden müssen;
13. fordert die Aufhebung der sogenannten Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und
der Troika sowie der sich daraus ableitenden Maßnahmen; fordert des Weiteren die
Auflösung der Troika; ist der festen Überzeugung, dass die Mitgliedstaaten ihre
Staatsverschuldung, die Verlängerung der Fristen für die Schuldenrückzahlung, Zinsen
und Beträge neu verhandeln müssen;
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14. weist den Rat auf die Zusage der Eurogruppe vom Juni 2012 hin, Banken- und
Staatsschulden zu trennen, der bisher noch nicht nachgekommen wurde; fordert den Rat
auf, sicherzustellen, dass Altlasten für Rekapitalisierungen durch den ESM in Frage
kommen;
15. fordert das Primat der Politik und Demokratie in der Entwicklung, indem
wirtschaftspolitische Entscheidungen den demokratischen Beschlüssen in der Politik
untergeordnet werden;
16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den
Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
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