RE_art110

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EUROPÄISCHES PARLAMENT
2009 - 2014
Plenarsitzungsdokument
9.2.2011
B7-0107/2011
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
zum Mediengesetz in Ungarn
Lothar Bisky, Rui Tavares, Eva-Britt Svensson, Patrick Le Hyaric, Willy
Meyer, Jean-Luc Mélenchon, Jürgen Klute, Nikolaos Chountis, MarieChristine Vergiat
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
RE\856686DE.doc
DE
PE459.639v01-00
In Vielfalt geeint
DE
B7-0107/2011
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Mediengesetz in Ungarn
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union1, die Charta der Grundrechte
der Europäischen Union2 und die Europäische Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten3, vor allem deren Artikel zur Achtung, Förderung
und zum Schutz der Grundrechte und der Freiheit der Meinungsäußerung und
Informationsfreiheit und insbesondere des Rechts auf Medienpluralismus,
– in Kenntnis der Richtlinie 2010/13/EU vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Erbringung
audiovisueller Mediendienste (AVMD-Richtlinie),
– in Kenntnis des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen über Medienpluralismus
in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (SEK(2007)0032), des von der
Kommission festgelegten Konzepts zum Medienpluralismus in drei Schritten und der für
die Kommission erstellten und 2009 abgeschlossenen unabhängigen Studie,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 25. September 2008 zur
Medienkonzentration und zum Medienpluralismus in der Europäischen Union sowie vom
22. April 2004 zu Gefahren der Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und
Informationsfreiheit in der EU, vor allem in Italien,
– in Kenntnis der Erklärungen der Kommission und der eingereichten parlamentarischen
Anfragen sowie der Aussprachen im Europäischen Parlament am 8. Oktober 2009 und am
8. September 2010 sowie im LIBE-Ausschuss am 17. Januar 2011,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Europäische Union die Freiheit der Meinungsäußerung und die
Informationsfreiheit gewährleistet und fördert, wie sie in Artikel 11 der Charta der
Grundrechte und Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind,
wofür Medienfreiheit und -pluralismus eine wesentliche Vorbedingung sind, und in der
Erwägung, dass zu diesen Rechten die freie Meinungsäußerung und die Freiheit gehören,
Informationen ohne Einmischung oder Druck seitens staatlicher Stellen zu erhalten und
weiterzugeben,
B. in der Erwägung, dass Medienpluralismus und Medienfreiheit in der EU und in ihren
Mitgliedstaaten weiterhin Anlass zu ernster Sorge geben, wie an der Kritik deutlich wird,
die vor kurzem von internationalen Organisationen wie der OSZE und vom
1
2
3
Insbesondere Artikel 2 EUV und diejenigen Artikel, die sich auf die Achtung, die Förderung und den Schutz
der Grundrechte beziehen, sowie die Artikel 11, 25, 49, 56, 103, 107, 114 und 167 EGV.
Insbesondere Artikel 11.
Insbesondere Artikel 10.
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Menschenrechtskommissar des Europarates, von Berufsverbänden von Journalisten,
Herausgebern und Verlegern, von nichtstaatlichen Menschenrechts- und
Bürgerrechtsorganisationen sowie von Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission
an den Mediengesetzen in Ungarn geübt wurde, die zwischen Juni und Dezember 2010
eingeführt wurden,
C. in der Erwägung, dass die Kommission Bedenken angemeldet hat und die ungarische
Regierung um Informationen in Bezug auf die Vereinbarkeit der ungarischen
Mediengesetze mit der AVMD-Richtlinie, insbesondere hinsichtlich der allen Anbietern
audiovisueller Mediendienste auferlegten Pflicht zu einer ausgewogenen
Berichterstattung, des Herkunftslandprinzips und der Registrierungsvorschriften ersucht
hat, und in der Erwägung, dass die ungarische Regierung darauf reagiert hat, indem sie
weitere Informationen vorgelegt und ihre Bereitschaft erklärt hat, die Gesetze zu
überprüfen und abzuändern,
D. in der Erwägung, dass die OSZE ernsthafte Zweifel in Bezug auf den Anwendungsbereich
der Rechtsvorschriften (materieller und räumlicher Anwendungsbereich), die Freiheit der
Meinungsäußerung und die Regulierung von Inhalten, die nationale Medien- und
Telekommunikationsbehörde und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk1 zum Ausdruck
gebracht und darauf hingewiesen hat, dass die neuen Rechtsvorschriften den
Medienpluralismus untergraben, die politische und finanzielle Unabhängigkeit öffentlichrechtlicher Medien beseitigen und negative Bedingungen für freie Medien langfristig
zementieren, dass die Medienbehörde und der Medienrat politisch homogen sind2 und
eine beherrschende und zentralisierte politische Kontrolle aller Medien durch die
Regierung ausüben; in der Erwägung, dass weitere Bedenken sich unter anderem auf die
unverhältnismäßigen und extremen Sanktionen aus fragwürdigen und nicht näher
definierten Gründen, den fehlenden automatischen Suspensiveffekt für Sanktionen, wenn
gegen von der Medienbehörde verhängte Sanktionen bei Gericht Rechtsbehelfe eingelegt
werden, die Verletzung des Grundsatzes der Vertraulichkeit journalistischer Quellen und
den Schutz der Werte der Familie beziehen,
E. in der Erwägung, dass der Menschenrechtskommissar des Europarates die ungarischen
Staatsorgane aufgefordert hat, bei der Überprüfung ihrer Mediengesetze den Normen des
Europarates über die freie Meinungsäußerung und den Medienpluralismus sowie den
einschlägigen Empfehlungen des Ministerkomitees und der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates, insbesondere den in der Europäischen
Menschenrechtskonvention und in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte enthaltenen rechtsverbindlichen Normen, Rechnung zu tragen, und er auf
unklare Definitionen hingewiesen hat, die zu fehlerhaften Auslegungen führen könnten,
die Einrichtung eines politisch unausgewogenen Regulierungssystems mit
unverhältnismäßigen Befugnissen und fehlender umfassender richterlicher Aufsicht, die
Gefahren für die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Erosion
des Schutzes journalistischer Quellen; in der Erwägung, dass er betont hat, dass alle
Interessengruppen, einschließlich der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft, in der
1
2
Analyse und Bewertung eines Paketes von ungarischen Gesetzen und Gesetzesentwürfen im Bereich Medien
und Telekommunikation für die OSZE von Dr. Karol Jakubowicz.
Schreiben des OSZE-Vertreters für die Medienfreiheit an den Vorsitzenden des LIBE-Ausschusses des EP
vom 14.1.2010.
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Lage sein müssen, sich in sinnvoller Weise an der Überprüfung dieser Rechtsvorschriften
zu beteiligen, die einen so grundlegenden Aspekt für das Funktionieren einer
demokratischen Gesellschaft regulieren1,
F. in der Erwägung, dass die Mediengesetze infolgedessen dringend auf der Grundlage der
Bemerkungen und Vorschläge der Kommission, der OSZE und des Europarates überprüft
werden sollten, damit sichergestellt ist, dass sie in vollem Umfang mit dem EU-Recht und
den europäischen Werten und Normen über die Medienfreiheit und den
Medienpluralismus im Einklang stehen,
1. ist der Auffassung, dass das neue ungarische Mediengesetz die Freiheit der
Meinungsäußerung und den Medienpluralismus nicht angemessen garantiert und dass eine
Überregulierung der Medien kontraproduktiv für einen effektiven Pluralismus im
öffentlichen Raum ist;
2. fordert die ungarischen Staatsorgane mit Nachdruck auf, Medienfreiheit und
Medienpluralismus wirksam zu garantieren;
3. fordert die ungarischen Behörden auf, das Gesetz auf der Grundlage der Bemerkungen
und Vorschläge der OSZE, des Menschenrechtskommissars des Europarates, des
Ministerrates und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
entweder aufzuheben oder erheblich abzuändern und eine offene und transparente Debatte
mit allen Interessengruppen, NRO und Bürgerinnen und Bürgern zu führen;
4. fordert die Kommission auf, ihre gründlichen Untersuchungen rasch und zügig
durchzuführen und einen Zeitplan aufzustellen, innerhalb dessen sie ihre Empfehlungen
dazu bekannt gibt, wie die ungarischen Mediengesetze in Einklang mit den europäischen
Rechtsvorschriften gebracht werden können;
5. fordert die Kommission auf, eine strenge Frist für ihre Vorschläge festzulegen, die die
ungarischen Staatsorgane annehmen müssen, um das Gesetz in den von ihr angeführten
Punkten abzuändern, und ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn die Frist
nicht eingehalten wird;
6. fordert die Kommission auf, vor Ablauf des Jahres eine Debatte über Medienfreiheit und
Medienpluralismus anzustoßen, um die Unzulänglichkeiten des EU-Rechtsrahmens für die
Medien zu beseitigen, damit wenigstens die Mindestvoraussetzungen festgeschrieben
werden, die alle Mitgliedstaaten einhalten müssen, wenn sie die Informationsfreiheit und
einen effektiven Medienpluralismus gewährleisten, garantieren und fördern wollen;
7. beauftragt seinen Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE), rasch eine Anhörung über
Medienfreiheit und Medienpluralismus in der EU zu veranstalten und
Journalistenverbände und Bürgerorganisationen, die OSZE und den Kommissar für
Menschenrechte des Europarates einzuladen;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem
Europarat, den Regierungen und nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Agentur
1
http://www.coe.int/t/commissioner/News/2011/110201Hungary_en.asp
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für Grundrechte und der OSZE zu übermitteln.
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