Annales de l’oral 2007 (choix) Textes Demografie : "Das ist Politik mit der Angst", Stern, 2. 5. 07 Rente mit 67? Kollabierende Sozialsysteme? Kinderlosigkeit? Thomas Etzemüller, Historiker an der Uni Oldenburg, hält die Demografie-Debatte für völlig übertrieben. Herr Professor Etzemüller: Ist das Ende der Deutschen nun nahe oder nicht? Für mein neues Buch habe ich mir die Bevölkerungsdiskussion seit 1798 angeschaut und bin darauf gestoßen, dass immer wieder dieselben Fragen und Prognosen auftauchen: Wir überaltern, überfremden und sterben aus. Das sind genau die Klagen, die wir auch heute täglich zu hören bekommen. Mir ist gleichzeitig aufgefallen, dass es zwar einen starken Geburtenrückgang gegeben hat, die Sterblichkeit aber ebenfalls zurückging. Über die Jahrhunderte betrachtet lag die Geburtenrate immer über der Sterblichkeitsrate. Deshalb ist die Bevölkerung auch permanent gewachsen und nicht ausgestorben, wie schon im frühen 20. Jahrhundert prophezeit. Meine dritte wesentliche Erkenntnis: Der demografische Diskurs ist eine Wissenschaft der Angst, in der die Apokalypse der Welt vorhergesagt wird, aber wie wir wissen, hat sie nie stattgefunden. Also ist alles nur Panikmache und wir sterben gar nicht aus. Ich habe im Moment allerdings nicht den Eindruck, dass wir aussterben. Es ist eher so, dass sich die Altersstruktur ändert. Und dem können sich soziale Institutionen anpassen. Wann begann die Diskussion um die Demografie? In der frühen Neuzeit war allein die Antwort darauf wichtig: Haben wir genügend Soldaten, haben wir genügend Arbeiter. Man hatte zu wenig oder man hatte genug. Zu viele gab es nicht. Dann legte der britische Ökonom Thomas Robert Maltus 1798 mit seinem "Essay on the principle of population" den Grundstein. Richtig los ging der Bevölkerungsdiskurs in den 1870ern, also mit der Industrialisierung und den elenden Lebensbedingungen der Menschen. Weil die als asozial und unmoralisch geltenden Unterschichten zu viele Kinder bekamen, hat man angefangen, Bevölkerung als Problem zu sehen. Das war völlig neu. Es drohte ein enormer Bevölkerungsanstieg der Unterschicht, von dem die bürgerliche Gesellschaft Angst hatte, überflutet zu werden. Eine Parallele dazu ist wohl heute die Dritte Welt? Ja, denn es geht nicht immer um zu wenig, sondern auch um zu viel Bevölkerung: Die "Falschen", früher die Unterschicht, heute die dritte Welt, bekommen zu viele Kinder. Die "Richtigen" zu wenig. Das ist die bürgerliche Mittelschicht oder die westliche Bevölkerung im Vergleich zur Dritten Welt. Diese Diskussion wird seit über 100 Jahren geführt. Neues Paar, neues Glück© ZEIT online 16.5.2007 - 19:55 Uhr Von Alain-Xavier Wurst Für seinen ersten Auslandsbesuch reist der französische Präsident nach Deutschland - wie üblich. Was darf sich die Achse Paris-Berlin von Nicolas Sarkozy erhoffen? Kommt nun nach der Freundschaft die wahre Liebe? Das wäre nicht der richtige Begriff, zumindest nicht für die persönliche Sicht Sarkozys. Im Wahlkampf überspielte er seine Distanz zum Nachbarland und erwähnte oft seinen jüdischen Großvater, den er „über alles“ geliebt habe. Und vor seinem Besuch in Berlin wird Nicolas Sarkozy französischen Widerstandskämpfern seine Ehre erweisen, die 1944 von der Gestapo erschossen wurden. […] Die Ungeschicktheit des Anfängers, wahrscheinlich. Was kann man von Sarkozy erwarten oder erhoffen für die deutschfranzösische Achse Europas? Seit zwölf Jahren, beginnend mit dem Duo Schröder-Chirac, hat sich das Verhältnis der beiden Nationen diesseits und jenseits des Rheins normalisiert und ist darüber fast in Gleichgültigkeit versunken. Schuld daran, wenn man so will, war der Wille Schröders, sich von der drückenden Last dieser Freundschaft zu emanzipieren, die nach dem Mauerfall in ihrer Form ein wenig anachronistisch anmutete. Das Bündnis zwischen Deutschen und Franzosen hatte sein Ziel erfüllt: einen europäischen Raum des Friedens und des Wohlstands zu schaffen. Nun hat es seinen einzigartigen Charakter verloren und andere Herausforderungen lauern, namentlich die Erweiterung und Integration Europas. […] Viele gemeinsame Einsichten verbinden Sarkozy und Merkel. Er ist ein überzeugter Transatlantiker. Zwar ist jeder französische Präsident Gaullist, weil die Fünfte Republik einfach gaullistisch ist, jedoch ist Sarkozys Zuneigung zu Amerika und generell zur angelsächsischen Welt stark ausgeprägt, und damit befindet er sich meilenweit entfernt von Mitterrands und Chiracs Vorstellungen. Was die türkische Frage angeht, teilt Sarkozy ebenfalls die Meinung Merkels. Die Türkei könne keine Vollmitgliedschaft beanspruchen, eine bevorzugte Partnerschaft sei die Alternative. Auch gegenüber Russland zeigt der neue französische Präsident Vorbehalte. Mit Sarkozy tritt ein Pragmatiker an, der die Interessen Frankreichs weiter hartnäckig verteidigen wird, selbst wenn er sich vermutlich von der inoffiziellen französischen Doktrin über Europa – schwache europäische Institutionen – verabschiedet hat. Vom Kamingespräch zur Weltpolitik Wirtschaftsmächte treffen sich seit 1975 - Breite Protestszene gegen G8-Gipfel von Kathrin Klöpfer Gegen kaum ein Treffen von Politikern gibt es so viel Widerstand wie gegen die G8-Gipfel. […] Wegen ihres ökonomischen Ursprungs wurden die Treffen der Gruppe Weltwirtschaftsgipfel genannt. Doch bald ging es um mehr: In den 80er Jahren bestimmten politische Themen wie der Kalte Krieg die Agenda, in den 90ern kam die Armutsbekämpfung auf die Tagesordnung. Wenn sich vom 6. bis 8. Juni 2007 Angela Merkel, Nicolas Sarkozy, Tony Blair, Romano Prodi, George W. Bush, Stephen Harper, Wladimir Putin und Shinzo Abe in Heiligendamm treffen, steht mehr als ein gemütliches Kamingespräch an. Neben der Wirtschaft sind der die Armutsbekämpfung und der Klimawandel Themen der Arbeitssitzungen. "Wachstum und Verantwortung" heißt das Motto. "Wir wollen deutlich machen, dass die G8 unverändert große Verantwortung für die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft trägt", sagt Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach, der für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Gipfel vorbereitet hat. Und um Wirtschaft geht es auch beim zweiten Gipfelschwerpunkt, der Armutsbekämpung in Afrika. Die G8 wolle dem Kontinent eine Partnerschaft anbieten, erklärt Pfaffenbach. Ziel sei eine gute Regierungsführung - denn die sei Voraussetzung für mehr Investitionen in Afrika. Rund 100 Millionen Euro wird das Treffen kosten, den Großteil davon muss wohl Mecklenburg-Vorpommern bezahlen. 16.000 Polizisten aus mehreren Bundesländern sichern den Gipfel, dazu kommen Bundespolizisten und rund 1100 Bundeswehrsoldaten. Sie werden auf Globalisierungskritiker mit zahlreichen Anliegen treffen: "Die Politik der G8 steht für Kriege, Umweltzerstörung und die Vergrößerung der sozialen Unterschiede, sowohl innerhalb der Staaten, als auch zwischen Nord und Süd", beklagt etwa Attac. Die Organisation hält die Gruppe an sich für illegitim: Acht Staaten, in denen nur 13 Prozent der Bevölkerung leben, machten Politik, die die ganze Welt betreffe - und das ohne jede demokratische Legitimation, so die Position von Attac. So umfangreich die Kritik, so vielfältig sind die Gipfel-Proteste: Zu einer GroßDemo am 2. Juni in Rostock werden 100.000 Protestierer erwartet, viele von ihnen zelten bis zum Ende des Gipfels in Camps in der Region. Auf einem Alternativgipfel erarbeiten Kritiker in Workshops Gegenpositionen zur G8Politik, bei Aktionstagen geht es um Gentechnik, Flüchtlinge und Krieg. Während ein Teil der Globalisierungskritiker Blockaden plant, kündigen christliche G8-Gegner Gottesdienste und Gebetsketten an. Merkel attackiert Transrapid-Planungen für Iran – Spiegel 2. 6. 07 Heftiger Widerstand gegen eine mögliche Transrapid-Trasse in Iran: Ungewöhnlich scharf wendet sich Kanzlerin Merkel gegen deutsche Planungsarbeiten für das Regime in Teheran. Ein Münchner Ingenieurbüro prüft derzeit den Bau einer 800 Kilometer langen Strecke für islamische Pilger. Merkel sagte dem SPIEGEL, sie lehne eine Zusammenarbeit mit Iran beim Bau des Transrapids entschieden ab. "Ich halte deutsche Hilfe beim Bau des Transrapids in einem Land, dessen Präsident unentwegt verkündet, dass er Israel vernichten will, für völlig inakzeptabel." Das Münchner Ingenieurbüro muss nach dieser Ankündigung der Bundeskanzlerin wohl mit heftigen Widerständen rechnen. Das Büro wollte bisher eine Machbarkeitsstudie erstellen, um die Chancen für den Bau einer Transrapid-Trasse in Iran auszuloten. (mehr...) Die iranische Regierung habe 1,5 Milliarden Dollar als "Anschubfinanzierung" für eine Verbindung zwischen Teheran und der Pilgerstadt Maschhad bereitgestellt, erklärte vor wenigen Tagen der Geschäftsführer des Ingenieurbüros, Harald Späth. Eingesetzt werden sollte der Schwebezug, um Pilgern den beschwerlichen Weg vom Großraum Teheran ins 800 Kilometer entfernte Maschhad zu erleichtern. Ziel sei es, 12 bis 15 Millionen Gläubige pro Jahr zu transportieren. Bisher wird der Transrapid nur im chinesischen Shanghai kommerziell genutzt. Eine geplante Strecke in München ist heftig umstritten. Einem früheren Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge ging der Geschäftskontakt nach Iran auf einen Besuch des damaligen bayerischen Wirtschaftsministers Otto Wiesheu (CSU) im Mai 2004 in Teheran zurück. Wiesheu, der Ende 2005 aus der bayerischen Regierung ausgeschieden und als Vorstand zur Deutschen Bahn gegangen war, räumte aber ein, dass sich das Projekt in Iran noch in einer sehr frühen Phase befindet. "Iran ist zweifelsohne ein schwieriges Land." Das Transrapid-Projekt halte er dennoch für machbar: "Der Transport von Pilgern in Iran ist sicherlich kein Projekt, das politischen Boykottmaßnahmen unterläge." Eine deutsche Richterin beruft sich auf den Koran, um einen gewalttätigen Ehemann zu entschuldigen Auslöser des Skandals war der Scheidungsantrag, den eine junge 26-jährige, aus Marokko stammende Frau eingereicht hatte, weil sie Opfer von Gewalt in der Ehe geworden war. Die junge Frau, die von ihrem marokkanischen Ehemann terrorisiert wurde, hatte eine Beschleunigung des Verfahrens beantragt. Am 12. Januar 2007 hat die Familienrichterin diesen Antrag zurückgewiesen, wobei sie auf das Prügelstrafrecht im Koran hinwies. „Und was diejenigen betrifft, deren Ungehorsam ihr fürchtet, ermahnt sie, wendet Euch von ihnen im Bett ab und schlagt sie.“ Als die Anwältin der Klägerin der Richterin Parteilichkeit vorwarf, erklärte diese in einem Schreiben vom 8. Februar 2007 ihre Argumente noch genauer. „In diesem kulturellen Milieu (der Ehepartner) ist es nicht ungewöhnlich, dass der Mann, das Recht seine Frau zu bestrafen ausübt. Als die deutsche Presse diese Angelegenheit am Mittwoch, dem 21. März, in die Öffentlichkeit trug, war das Gericht gezwungen, der Richterin diesen Fall zu entziehen und eine interne Unter suchung zu veranlassen. Sämtliche politischen Parteien, Vereinigungen der Frauenrechte und muslimische Organisationen haben einstimmig das unerträgliche und absurde Verhalten der Richterin verurteilt. „Wenn der Koran über das Grundgesetz gestellt wird, kann ich nur sagen : Gute Nacht, Deutschland,“ reagierte Ronald Pofalla, der Generalsekretär der CDU darauf in der Bildzeitung. Günther Beckstein (CSU), Innenminister in Bayern, ging noch weiter : „Das Grundgesetz gilt für alle Menschen, unabhängig von der Tatsache ob er Muslim, Christ, Buddhist oder atheistisch ist. Die muslimischen Vereinigungen haben ebenfalls protestiert : „Die körperliche Züchtigung einer Frau durch ihren Mann wird nicht vom Islam gerechtfertigt/gedeckt,“ unterstrich der Präsident des Islamrates, Ali Kizilkaya. Wenn die Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) auch behauptet, hier handle es sich um einen Einzelfall, so sehen doch viele in diesem Skandal das Beispiel einer gefährlichen Neigung zu einem kulturellen Relatisvismus. Airbus an der Subventionsfessel Von Marcus Theurer 20. Februar 2007 FAZ-NET Die Krise beim europäischen Flugzeugbauer Airbus spitzt sich immer weiter zu. Dass sich das schon vor vielen Wochen angekündigte Sanierungsprogramm für das Unternehmen verzögert, ist eine Blamage. Sie zeigt ein weiteres Mal, wie groß die Gefahr ist, dass Airbus zwischen den Mühlsteinen nationaler Interessen zermahlen wird. Trotz monatelanger Verhandlungen konnten sich Deutschland und Frankreich noch immer nicht einigen, ob und wie die Fertigung des neuen Modells A350 zwischen den verschiedenen Standorten aufgeteilt werden soll. Dass Politiker um die Arbeitsplätze kämpfen, deren Schaffung sie seit den siebziger Jahren mit Milliardensubventionen für Airbus unterstützt haben, ist verständlich. Klug ist solches Beharren nicht. Airbus muss im knallharten Wettbewerb mit dem straff geführten amerikanischen Konkurrenten Boeing bestehen und ist gleichzeitig gefesselt durch betriebswirtschaftlich irrelevante Standorterwägungen. Damit ist der Fall Airbus auch ein Lehrstück über das Gift staatlicher Subventionen. Lange Zeit galt der Flugzeugbauer in der öffentlichen Diskussion als Beispiel dafür, dass die Hilfen hier - entgegen den Warnungen vieler Ökonomen - gut eingesetztes Geld seien. Doch mit den Milliarden hat sich das Unternehmen von der Politik abhängig gemacht. Airbus wird daran zerbrechen, wenn die deutsche und die französische Seite so weitermachen wie bisher. Zwei Mörder klopfen an die Tür zur Freiheit, Welt, 22. 1. 07 Mehr als 30 Jahre lang mordeten sie, um das „imperialistische System“ zu bekämpfen und möglichst zu beseitigen. Jetzt streben zwei der vier noch einsitzenden RAF-Häftlinge die Freiheit an: Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar. Frankurt/Main - Die terroristische deutsche Rote Armee Fraktion (RAF) und nahe stehende Gruppen verfolgten ihre unmenschlichen Ziele mit gnadenloser Brutalität und brachten seit Anfang der 70er bis Ende der 90er Jahre 34 Menschen um. Jeder Tod eine Tragödie, auch für die Angehörigen der Terroristen, auf deren Seite 27 Menschen starben. Die Opfer der RAF waren Richter und Ankläger, Banker, Industriebosse, Politiker und mit ihnen Chauffeure, Polizisten, US-Soldaten, Personenschützer, Unbeteiligte. Jetzt streben zwei der vier noch einsitzenden RAF-Häftlinge die Freiheit an: Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar. Beide sitzen seit 24 Jahren im Gefängnis, beide galten als ideologisch besonders starrköpfige Antiimperialisten, beide sind mehrfache Mörder. Christian Klar allein erschoss neun Menschen. Seine Strafe betrug fünf Mal lebenslänglich. Das Urteil für Mohnhaupt, im „Deutschen Herbst“ 1977 Rädelsführerin bei der Entführung und Tötung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer, lautete ebenfalls auf fünf Mal lebenslang plus 15 Jahre. Mohnhaupt hat in wenigen Tagen den für sie entscheidenden Termin. Dieses Mal freilich könnte Mohnhaupt Glück haben, denn der Senat setzte damals die Mindestverbüßungsdauer auf 24 Jahre fest. Und die sind jetzt abgelaufen. Anders verhält es sich im Fall Christian Klar, der mindestens 26 Jahre einsitzen muss, bevor er an Bewährung auch nur denken kann. Dies wäre 2009, weshalb er vor Jahren schon einen anderen, für ihn vielleicht erfolgversprechenderen Weg einschlug. Er ersuchte den damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau um Begnadigung. […] Ob Antrag auf Bewährung oder Gnadengesuch – der Bundespräsident, aber auch die zuständigen Richter stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Einerseits sind Wiederholungstaten nicht zu erwarten, auf der anderen Waagschale liegen die vielen Morde. Dem Gebot der Menschlichkeit, das auch den schlimmsten Täter umschließt, steht das unstillbare Leid der Angehörigen gegenüber, die sich durch die Freilassung der Mörder verhöhnt fühlen könnten. Kultur(politik) in Europa - Anmerkungen von Max Fuchs zu einer national wie international komplizierter gewordenen Kulturpolitik Jean Monnet wird der Satz zugeschrieben, dass er mit Kultur und nicht mit Wirtschaft beginnen würde, wenn er eine neue Chance zur politischen Integration Europas bekommen könnte. Stimmt aber die These, mit Kultur wäre die europäische Integration besser und schneller gelungen als mit Wirtschaft? Wer sich die nationale Ebene anschaut, wird einige Zweifel an dieser Behauptung bekommen, denn jedes (europäische) Land hat heute gerade im Bereich der kulturellen Integration erhebliche Probleme. Zwar gibt es nicht überall Debatten über eine jeweils nationale "Leitkultur", zumindest nicht unter dieser Überschrift. Aber fast nirgendwo gelingt eine Integrationspolitik – etwa in Hinblick auf Zuwanderer oder ethnische Minderheiten –, ohne dass es zu größeren Konflikten oder Auseinandersetzungen kommt. Es scheint, dass die gewollte Einheit in der Vielfalt immer leichter beschworen (évoquer) als durchgesetzt wird. In der Realität steht die Differenz und nicht das Gemeinsame im Vordergrund. Ein Teil der Schuld hat dabei auch eine falsche Vorstellung über "Kultur", die immer noch eher als monolithisch, als homogen und statisch verstanden wird. Daran haben weder die Entwicklungen in der Kulturtheorie noch die vielen programmatischen Schriften des Europa-Rates oder der UNESCO ("Kultur als Fluss") etwas Wesentliches geändert. Integration bedeutet für viele die Forderung nach Assimilation, der sich die Zuwanderer nicht so ohne weiteres beugen (plier) können und wollen. Empörung über Kaczynski-Äußerung, taz, 24. 6. 07 Warschau lässt im Streit um Stimmgewicht in der EU nicht locker: Polnische Tote im Zweiten Weltkrieg müssten berücksichtigt werden, so Premier Kaczynski. BERLIN taz/dpa/rtr/afp In der Auseinandersetzung über ein höheres Stimmengewicht für Polen in der EU hat Polens Regierungschef Jaroslaw Kaczynski die Berücksichtigung der Opfer des Zweiten Weltkriegs ins Spiel gebracht. Die polnischen Vorschläge für mehr Einfluss orientierten sich an der Bevölkerungszahl, die das Land ohne den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen heute hätte, sagte Kaczynski dem polnischen staatlichen Rundfunk. Der Sender bestätigte am Donnerstag entsprechende Äußerungen des Regierungschefs vom Dienstag. "Wir verlangen nur das, was uns genommen wurde", sagte Kaczynski danach in einem Interview. "Hätte Polen nicht die Jahre 1939 bis 1945 durchgemacht, wäre es heute ein Staat mit einer Bevölkerung von 66 Millionen, wenn man sich auf demographische Kriterien beruft." Während des Zweiten Weltkriegs, der mit einem deutschen Überfall auf Polen begann, waren etwa 6,5 Millionen Menschen getötet worden, darunter drei Millionen polnischer Juden. Das entspricht einem Anteil von einem Viertel der Vorkriegsbevölkerung. Polen hat derzeit knapp 38 Millionen Einwohner. Die Äußerungen Kaczynskis stießen auf deutliche Kritik. Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen sagte am Rande eines Treffens der europäischen Liberalen in Brüssel, es sei "absurd", wie Kaczynski die polnische Forderung nach einem höheren Stimmgewicht in der EU begründe. Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker sagte dem "Handelsblatt": "Die bitterbösen Argumente, die in dieser Debatte von polnischer Seite aus geführt werden, sind nicht akzeptabel." Seit Helmut Kohl hätten alle deutschen Kanzler viel für Polen getan. Gegen Bedenken anderer EU-Staaten hatte sich Deutschland für die schnelle Aufnahme Polens in die EU eingesetzt. 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