Vierling Christian T..

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Tagesprotokoll vom 04.01.05
Protokollant: Christian Vierling
BewohnerInnen:
Die erste Begegnung mit den Bewohnern suchten wir nach einer kurzen Orientierung
im Wintergarten des dritten Stocks. Wir trafen auf eine Frau im Rollstuhl, die
abwesend den Schlaf vor der Kommunikation mit uns gewählt hat. Eine Frau mit
einem Stofftierhund erschien, zeigte sich schon eher zum Gespräch bereit, aber
mehr als ein paar schüchterne Fragen und Antworten bekam man durch die
gegenseitige Fremdheit, geistig, sozial und altersbedingt. Sie setzte sich in einen
Sessel und beobachtete den Raum, in dem sich die meiste Zeit über nichts bewegte,
bis auf die naheliegenden Fahrstühle. Die sich als Fremdkörper fühlenden Studenten
suchten das Gespräch mit sich gegenseitig, um die Ruhe zu durchbrechen. Eine
Frau erschien. Auf sich aufmerksam machte sie, in dem sie einen Stuhl den
Rollstuhlfahrerweg zur Außentür des Wintergartens vor sich nach oben schob. Sie
setzte sich später zu uns an den Tisch, unansprechbar, nicht mehr fähig zu einem
Gespräch; In ihre Welt versunken, teilte sie uns mit „wie schön“ doch die Tischdecke
sei, ob sie bestickt wäre, wie schön die Dekoration ist. Als sie wieder an der
Außentür stand, betrachtete sie intensiv den davor aufgestellten Weihnachtsbaum,
um ihn laut zu bestauen, wie schön er doch wäre.
Die Bewohner kehrten langsam zurück auf ihr Stockwerk, so dass wir uns aufteilten,
um uns zu ihnen zu setzen. Ich sprach, nachdem ich mich den im Aufenthaltsbereich
anwesenden Bewohnern vorgestellt hatte, wieder mit der Frau mit dem „Hund“. Sie
erzählte das gleiche wie zuvor im Wintergarten; dass ihr Mann tot sei, sie nur noch
diesen für sie echten Hund hätte, der mich nach ihren Worten interessiert beobachte,
weil er mich nicht kannte - sie hielt ihn unter den Tisch auf ihrem Schoß, dass nur der
Kopf zu sehen blieb. Mit Blick zu mir. Es war schwer ihr zu folgen, da sie ständig das
Thema wechselte. Bei beim Servieren des darauffolgenden Mittagessens half ich, die
Teller, die ein MA füllte, zu verteilen und einer im Zimmer essenden Bewohnerin die
Schürze anzuziehen. Darauf half ich einer Frau im Rollstuhl, die mir schon zuvor
etwas akustisch unverständliches erzählen wollte, beim Essen. Ich schnitt ihr das
Essen klein, wie ich es zuvor auch schon bei anderen Bewohnern tat, und half ihr,
weil sie dazu scheinbar unfähig war, das Essen auf die Gabel, oder den Löffel – was
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sie gerade wählte – zu schieben. Irgendwann aß sie nicht mehr, so dass ich,
nachdem der MA ihr eine volle Gabel in Mund geschoben hatte, sie fütterte. Während
dessen erzählte – besser: flüsterte - sie lächelnd weiter Unverständliches. Nachdem
wir Mittag gegessen hatten, hielten die Bewohner Mittagschlaf auf ihren Zimmern.
Wir warteten, bis wir sie zur Veranstaltung in den Mehrzweckraum im Erdgeschoss
brachten. Nach deren Ende suchten wir nach Bewohnern, denen wir Gesellschaft
spenden konnten. Ich unterhielt mich mit einer Frau im zweiten Stock, die es wie sie
sagte schwer hatte zu sprechen, im allgemeinen es vorzog, auf meine Fragen nicht
zu antworten und durchs Fenster nach draußen zu starren. Von meinem Platz neben
ihr verscheuchte mich einen andere Frau, deren Stammplatz das wohl ist. Für die
beiden lies ich das Jalousie auf die ihnen gerechte Position herunter, so dass sie
zwar aus dem Fenster starren konnten, aber doch nicht von der Sonne geblendet
wurden. Wie schon im dritten Stock beobachtete ich, dass die Bewohner sich
untereinander nicht unterhielten, höchstens ihre Anwesenheit feststellten, wie zum
Beispiel als eine Frau im Rollstuhl ein laufendes Radio während der Fahrt umstieß,
damit aber nicht umzugehen wusste, in dem sie verwirrt sich auf der Stelle bewegte
und das Radio ansah.
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