BUDDHA LIEBE WEISHEIT GLÜCK DAS GOLDENE FUNDAMENT (Ausgabe in zwei Bänden) Dschinpa Losang Die vier Unermesslichen erzeugen Mögen alle Lebewesen glücklich und voller Liebe sein. Mögen alle frei von Leiden sein. Möge niemand je von Glück getrennt sein. Mögen alle Gleichmut besitzen, frei von Hass und Anhaftung. (© JeremyRichards – Fotolia.com) BUDDHA LIEBE WEISHEIT GLÜCK DAS GOLDENE FUNDAMENT (Ausgabe in zwei Bänden) Dschinpa Losang Impressum Copyright © 2013 Dschinpa Losang Carl-Georg-Koch-Ring 24, 38667 Bad Harzburg [email protected] Texte: Dschinpa Losang Coverfoto: © Ernst Cerjak – Fotolia.com ISBN-Druckausgabe: 978-1479120437 Inhaltsverzeichnis Vorwort Autoren Grundbegriffe Häufig anzutreffende Fehler Das goldene Fundament Die Lehre von der Selbstlosigkeit Zwei Methoden zur Erzeugung von Bodhicitta Die zwei Flügel: Weisheit und Methode Der Weg Der Lehrer Vorwort Dieses Buch stieß seit seinem Erscheinen 2012 auf sehr großes Interesse. Bei iBooks belegte es sogar mehrfach den ersten Bestsellerplatz in seiner Kategorie. Anlässlich der dritten Neuauflage wurde es nochmals sorgfältig überarbeitet. Der Ratgeber enthält nun noch mehr Erläuterungen. Jeder Teil kann eigenständig gelesen werden. Die heutige Welt verändert sich rasant. Menschen hinterfragen diesen Prozess. Sie vermissen in einer Zeit, in der es fast nur noch um Äußerlichkeiten geht, den tieferen Sinn ihres eigenen Lebens. Oft sind sie ratlos. Einige wissen dabei nicht einmal, was sie genau wollen und flüchten sich in gewöhnliche Angebote und die Arbeit. Manche glauben sogar, dass diese die Essenz unseres westlichen Lebens wäre. Solche Regungen fühlen sich wie ein Sehnen des Unterbewusstseins an. Man kann es schwer deuten. Das Innere vermisst jedoch Spiritualität und eine Antwort auf die Frage nach dem wirklichen Sinn des eigenen Lebens. 9 Der Zeitgeist, die heutige Lebenswelt, das was die meisten für Wert erachten, Traditionen, Familie und ihre sogenannten „eigenen“ Vorstellungen stehen ihnen dabei jedoch oft als Stolpersteine im Wege. Sind aber Arbeit und Erfolg, Spass und Vergnügen, das Streben nach Dauerjugend oder Ruhm wirklich ein Weg, der zum Glücklichsein führt? Sicher nicht! Aus der buddhistischen Perspektive stellen gerade diese gewöhnlichen Lebensziele und Bestrebungen die Schlingen Maras (Symbolfigur der Verblendung) dar, da sie die Ich-Bezogenheit des Einzelnen nur noch verstärken. Es ist also Zeit darüber nachzudenken. Unerwartet und schnell kann das eigene Leben enden. Das ist eine häufig verdrängte Tatsache. Zumeist werden die wenigen Lebensjahre mit nutzlosen Dingen verschwendet. Nur wenn wir dieser Zeit einen nachhaltigen Sinn verleihen, leben wir wirklich eine menschliche Existenz. Spiel, Spaß, Essen, Trinken, Sorge um die Familie, Sex, Fortpflanzung, Nahrungssuche und -erwerb 10 unterscheiden uns gerade nicht von den Tieren, sondern stellen uns mit diesen nur auf eine Stufe. Besonders gebildeten Menschen erscheint der Buddhismus oft als ein prüfenswerter Ersatz zur Altreligion oder zu dem bisher gelebten Materialismus. Viele werden so zu Sympathisanten der Lehre oder beginnen sie auf ihre Art in ihr Leben zu integrieren. Die Einsteiger erhoffen sich grundsätzlich eine Verbesserung der eigenen Lebenssituation. Sie wollen einfach glücklich sein. Der Mehrheit wird aus verschiedenen Gründen jedoch nicht bewusst, dass ihre aufgenommene Praxis eigentlich gar nicht buddhistisch ist. Treten dann die erwünschten Ergebnisse nicht ein, geben sie zuweilen sogar dem Dharma (siehe Begriffe) die Schuld. Am schwierigsten ist und bleibt immer die Selbstanalyse. Latenter Egoismus, unsere Selbstverliebtheit und der damit zusammenhängende Stolz stehen dem Glücklichsein zuvorderst im Wege. Man kann zwar ein äußerlich schönes Haus errichten, aber ohne ein korrektes Fundament wird es 11 keinen Bestand haben und früher oder später einstürzen. Den Interessierten soll deswegen geholfen werden, sich in dem heutigen Dschungel von Schriften und Angeboten eine Grundorientierung zu verschaffen, mit der sie das Beachtenswerte erkennen und ihre Praxis auf eine korrekte Basis stellen. Nur so wird das gewünschte Ziel auch erreicht. Der kompakte Ratgeber ist auf die heutige westliche Situation zugeschnitten. Die Vielfalt der Traditionslinien des Buddhismus, dessen Komplexität, seine ungewohnten Begriffe, die Menge verschiedenster Praktiken, die vielen halbbuddhistischen Lehrer und die Anpasser der Lehre an den Zeitgeist, verwirren den Einsteiger schnell. Oft wird fälschlich versprochen, dass nur diese eine Praxis den Erfolg bringt und dass nur dieser eine charismatische Lehrer es allein genau weiß. Der sendet dann auch seine Jünger in Scharen aus, um gutgläubige Schafe in seine Herde zu integrieren. Es wäre traurig, wenn die Menschen durch ein falsch gesetztes Fundament nie wirkliche Ergebnisse erfahren. 12 Dieser ehrliche Ratgeber öffnet jedem Leser die Augen für das Erkennen von spiritueller Scharlatanerie. Es wird nichts Neues erfunden oder eine weitere sinnlose Mischmaschlehre verbreitet, sondern das ins richtige Licht gerückt, was wesentlich und nutzvoll ist. Die Ausführungen basieren klar und rein auf der buddhistischen Lehre. Sie enthalten viele Hinweise großer und geübter buddhistischer Meister zu Yoga und Tantra. Alles wird dabei leicht verständlich und nachprüfbar erklärt. Mit ein bisschen gutem Willen und Aufmerksamkeit ist der Wert dieser grundlegenden, aber entscheidenden Ratschläge leicht zu erfassen. Authentische buddhistische Werke unterstellen oft erhebliches Vorwissen und folgen historisch gewachsenen Traditionen bei der Abfolge der Themen. Sie wurden in einer Zeit oder in einem Umfeld geschrieben, wo Werk, Leben und die Lehre Buddhas eine andere Präsenz hatten. Der traditionelle Aufbau erschwert teilweise dem heutigen Leser den Zugang. Auch die Übersetzungen wurden zumeist von Menschen verfasst, die mit dem grundlegenden Kanon des Buddhismus aus wissenschaftlicher Sicht vertraut waren. 13 So mancher Einsteiger interpretiert durch fehlendes Grundwissen dann Falsches in die korrekten Ausführungen hinein. Er glaubt etwas zu verstehen, was dann doch ganz anders ist. Verstärkt wird dies noch durch die „Geheimsprache“ im buddhistischen Tantra. Die dortigen Hinweise und Anleitungen sind teilweise so verfasst, dass nur Personen einer bestimmten Erkenntnisstufe die Bedeutungen relativ exakt erfassen können. Dies sollte gerade vor Fehlern in der Praxis schützen. Das goldene Fundament ist also ein kleiner, äußerst kompakter Ratgeber für das Glücklichsein und somit auch für eine korrekte Praxis des Buddhismus. Zentrale Begriffe, die für ein Verständnis unumgänglich sind, werden in einem Minilexikon rein aus dem Gedächtnis heraus erklärt. Dadurch wird der Leser nicht durch die enorme Wissenschaftlichkeit des Buddhismus irritiert. So kann er sich schnell eine Grundorientierung verschaffen oder diese wieder herstellen. Das ist allemal bedeutsamer als ein umfangreiches buddhistisches Detailwissen, welches häufig von 14 Personen überbewertet wird, denen in Wirklichkeit das eigentliche Fundament fehlt. Es gibt inzwischen zwar viele belesene Praktizierende, aber trotzdem sehr wenig Buddhisten im eigentlichen Sinn. Die Lehre ist zwar logisch, einfach und auch leicht zu praktizieren, aber gerade das macht es erstaunlicherweise vielen Menschen schwer, in dem Trümmerhaufen heutiger Konzepte, die entscheidenden Grundlagen zu erkennen. Viele stellen sich nach dem Lesen dieses Ratgebers sogar die Frage: Kann es so simpel sein, das eigene Glück zu finden? Das liegt daran, dass sie durch diesen Blitzkurs ein klares Grundverständnis gewonnen haben. Es ist wichtig dieses aufrecht zu erhalten. Damit die Ausführungen nicht nur auf einem Blickwinkel beruhen, sind die Erfahrungen einer zweiten Autorin (Lhamo Losang) eingeflossen. Sie meditierte längere Zeit in einem buddhistischen Kloster spezielle buddhistische Yoga Praktiken. 15 Autoren Dschinpa Losang Meine Familie hatte mütterlicherseits eine christliche und väterlicherseits eine materialistische Denktradition. Das sind die zwei im Westen am meisten verbreiteten Traditionen. Eine spirituelle Neigung führte dazu, dass ich mich sehr früh mit philosophischen sowie religiösen Positionen beschäftigte, diese hinterfragte und auf ihren Nutzen hin untersuchte. Zu Beginn meines vierten Lebensjahrzehnts hatte ich ein Aha-Erlebnis. Es handelte sich um eine anfängliche Realisation des Nutzens und der Bedeutsamkeit der buddhistischen Lehre. Die Zeit zeigte, dass diese Erkenntnis kein Strohfeuer war und eine große Wirkung entfaltete. Fortan beschäftigte ich mich kontinuierlich mit der Lehre und drang immer tiefer in diese ein. Meine Bemühungen setzte ich bis heute fort. Das war richtig und erfüllt mich mit wirklicher Freude. 16 Die anfängliche Glut wurde durch weitere Studien, Praxisübungen, Meditationen und den daraus resultierenden Erkenntnissen kontinuierlich geschürt. Gelehrte sagen, Buddhist durch Glauben zu sein ist gut, aber viel besser ist es, dies aus Wissen sowie Erkenntnissen heraus zu sein. Unwissender Glaube kann sehr schnell erschüttert werden, da er nun einmal keine andere Basis als veränderliche Gefühle hat. Das ist es auch, was jeden Menschen mit gesundem Verstand an Fanatikern gleich welchen Glaubens stört. Diese verabsolutieren das gefühlsmäßig „Geglaubte“ fälschlich als eine korrekte Erkenntnis, die sie dann durch ein übersteigertes Gefühl der eigenen Wichtigkeit anderen als angeblich unbezweifelbares Wissen oder Erfahrung aufzwingen wollen. Solche selbsternannten Propheten gab und gibt es leider in jeder Religion. In Folge der Bemühungen nahm ich dann buddhistische Zuflucht, legte Laien- und andere höhere Gelübde ab. Seitdem bezeichne ich mich als einen Buddhisten. Während des Zufluchtsrituals gab der Lehrer mir den Namen Dschinpa Losang. 17 Als Buddhist ist man Zeit seines Lebens ein Schüler in Bezug auf den Dharma. Ich hatte das Glück auf Lehrer zu stoßen, die mir die Augen, den Verstand und das Herz öffneten. Natürlich sind sie für mich die bedeutsamsten Personen. Die Belehrungen und Einweihungen in verschiedene Yogapraktiken und buddhistische Gottheiten erhielt ich durch Lamas der tibetischen Gelugpa-, Kagyü- und Sakya-Tradition. Aus der letzteren stammt auch mein Hauptlehrer. Er vermag den Dharma korrekt zu lehren und wird von den größten buddhistischen Gelehrten der Welt als ein einzigartiges Juwel des Wissens geschätzt wird. Doch nicht dieser Ruhm macht ihn zu einem korrekten Lehrer. Man erkennt einen großen Lehrer daran, dass er sich nicht auf seinen Namen, den seines Lehrers oder sein Ansehen beruft, sondern daran, dass er selbst eine Überprüfung seiner Aussagen anhand der authentischen Schriften fordert. Das meiste erlernte ich also von ihm. Auf der Straße wirkt er wie ein ganz gewöhnlicher und unauffällig gekleideter alter Mann. 18 Manchmal zweifle ich noch immer daran, dass er mich als einen seiner Schüler betrachtet. Er hat es mir aber einmal versichert. Was sollte er als guter Mensch auch auf meine direkte Frage hierzu sonst antworten? Darauf stütze ich mich nun seit Jahren. Ich habe nie gewagt, ein zweites Mal zu fragen. Mehr Lob kann ich ohnehin nicht erhalten. Durch seine guten Ratschläge, eigene Überlegungen sowie dem Verständnis, dass das tägliche Leben das Hauptfeld der eigenen Bemühungen sein sollte, hob ich die innerliche sowie äußerliche Abgrenzung zwischen buddhistischer Praxis, Familie und Arbeit auf. Die erhaltenen Hinweise versuchte ich so gut wie möglich umzusetzen und als persönliche Anweisungen zu begreifen. Im Rückblick ist es erstaunlich, wie sich mein gesamtes Leben in allen Bereichen seit meiner grundsätzlichen Entscheidung positiv veränderte. Ich bin heute ein sehr zufriedener und glücklicher Mensch. Mit den Abläufen in den westlichen buddhistischen Zentren und auch tibetischen Klöstern verschiedenster Richtungen bin ich gut vertraut. Natürlich begegnete ich in meinem Leben auch 19 sehr viel Scharlatanerie, Verfälschungen, sinnlosen Ergüssen von selbsternannten Lehrern sowie immer wieder dem materiellen Ausnutzen von Schülern in verschiedenster Form. 20 Lhamo Losang Unter dem Pseudonym Tatana Fedorovna veröffentliche ich sehr erfolgreich humorvolle und spannende Bücher. In meinen Reihen „Zarin der Vampire“ und „Hexen Kuss“ beziehe ich auch buddhistische Vorstellungen in die Gestaltung des literarischen Stoffes ein. Mein buddhistischer Name ist Lhamo Losang. Dieser verdeutlicht, dass ich die Zuflucht in der Linie Tsongkhapas, dem Begründer der GelugpaTradition, genommen habe (siehe Begriffe). Bis zu meinem 24. Lebensjahr lebte ich in der Hauptstadt von Weißrussland. Der dort verbreitete russisch orthodoxe Glaube blieb für mich ein oberflächliches Lippenbekenntnis. Lange Zeit sah ich deswegen vor allem Spaß und Unterhaltung als den eigentlichen Sinn meines Lebens an. Diese Einstellung ist sowohl in meiner früheren Heimat, als auch hier im Westen weit verbreitet. Auf den ersten Blick schien es, dass ich aus buddhistischer Sicht zu den Menschen „ohne Anstand und Schamgefühl“ gehörte, die „auch wenn 21 sie die Makel von Samsara sehen … keinen Überdruss“ entwickeln und „auch wenn sie ausgesprochen viele schlechte Taten praktizieren … nicht die geringste Reue zeigen.“ (Asanga: in Gampopa: Juwelenschmuck ...S. 18) Leider verstarben meine Mutter als ich elf und mein Vater, als ich achtzehn Jahre alt war. Für ein Kind ist das ein kaum zu verarbeitender Einschnitt, der den vorgegaukelten Glauben an die Beständigkeit der Welt und des Lebens erschüttert. Der frühe Tod der Eltern hinterließ in mir ein dauerhaftes Gefühl von Unsicherheit, Existenzangst und ließ mich schon früh die Endlichkeit unseres kurzen Daseins erkennen. Spirituelle Leere und die Angst vor dem Tod führten bei mir zur Suche nach irgend etwas, das Hoffnung gibt. Ich erinnerte mich dabei, einmal eine Nachricht von einem wieder Geborenen (Dalai Lama) gelesen zu haben. In Weißrussland war seine Heiligkeit nicht so bekannt wie hier. Die Beschäftigung mit dessen Person sowie der Lehre Buddhas, ließen mich dann in meinem dritten Lebensjahrzehnt das von mir Gesuchte finden. 22 Durch die Freude, den Sinn meines Lebens nun entdeckt zu haben, in Kombination mit meiner mangelnden Erfahrung, bemerkte ich zuerst nicht, dass ich auch in sektiererischen Gruppen Veranstaltungen, Retreats sowie Einweihungen besuchte und man mich dort persönlich und finanziell vereinnahmen wollte. Dies gibt es leider sehr häufig und beruht auf einer Verfälschung des Dharma. Das hat nichts mit dem Buddhismus an sich zu tun, sondern ausschließlich mit der Selbstsucht und Unwissenheit der Menschen. Einige Zeit praktizierte ich auch intensiv direkt in einem buddhistischen Kloster. Gute karmische Umstände sowie das Finden eines korrekten Lehrers, bewahrten mich - im Gegensatz zu anderen Mitgliedern dieser Gruppen - vor Irrwegen und falschen Entscheidungen. Meine positiven und negativen Erfahrungen auf dem Weg zu einer Buddhistin wurden deswegen auch in diesem Ratgeber berücksichtigt, da sie helfen, typische Fehler aufzuzeigen oder diese zu vermeiden. Ich hoffe, dass Du dadurch Umwege vermeidest, einen glücklichen Geist entwickelst und ein zufriedenes Leben führen wirst. 23 Grundbegriffe Grundbegriffe sind Schlüssel für die Tore des Wissens. In das Minilexikon wurden auch einige nicht zum Buddhismus gehörende Schlagworte aufgenommen, um deutlich zu machen, was wirklich zur Heilslehre gehört und was nicht. In sich Verschiedenes sollte nicht unwissend vermischt werden. Das ist leider eine heute häufig anzutreffende Tendenz, die dazu führt, dass keine buddhistischen Ergebnisse erzielt werden. Dadurch wird sogar noch die Unwissenheit und Verwirrung verstärkt. Die Lehre des Buddhas ist etwas ganz Besonderes. Erklärt man diese zu einer Philosophie oder Religion, wäre dies ein überhebliches Überstülpen vorhandener westlicher Konzepte auf eine Lehre, die eigentlich nur der Beseitigung der persönlichen Leiden dient. Die wahrgenommenen Bedeutungen der beiden Begriffe (Religion und Philosophie) entsprechen aber ausschließlich unseren Denkkonzepten. Zerbrich Dir deswegen nicht den Kopf darüber, ob die Lehre Buddhas eine Philosophie oder eine 24 Religion darstellt. Solche Überlegungen sind etwas für Wissenschaftler und ein bedeutungsloser Nebenschauplatz. Buddha wies im Cūlamālunkya Sutta (Der Sohn der Malunkya I Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung M. 63. (VII,3)) darauf hin, dass ein gerade von einem giftigen Pfeil Verwundeter nicht erkunden sollte, welche Art die Federn des Geschosses, seine Farbe, das Holz und so weiter seien. Es gäbe in diesem Moment (des kurzen Lebens) wahrlich Wichtigeres zu tun. Es ist für die meisten zu Beginn aus verschiedenen Gründen nicht möglich, die teilweise sehr subtilen Aspekte und wirklichen Bedeutungen der ganzen Lehre und ihrer Elemente zu verstehen, da sie sich natürlich diesen mit den erlernten westlichen Denkmustern und Konzepten nähern. Das kann im schlimmsten Fall sogar zum Aufgeben der Beschäftigung mit der neuen Lehre führen, da sich so mancher plötzlich sehr dumm innerhalb dieses neuen Denkgebäudes fühlt. Vielen gelingt es anfangs auch nicht, die äußerst logikbetonten Gedankengängen bis zu ihrem Ende zu verfolgen. Zudem werden alle bisherig gelebten Werte und Vorstellungen permanent in Frage gestellt. 25 Der Buddhismus wendet sich aber nicht nur an äußerst intelligente Personen oder erfordert für sein korrektes Verständnis solche. Höchste Realisationen erlangten Menschen aus allen Schichten und mit verschiedenen intellektuellen Fähigkeiten. Historisch zeichnete sich der Buddhismus gerade dadurch aus, dass er keine Kastengrenzen akzeptierte und die Erleuchtung grundsätzlich für jedermann möglich hielt. Intelligenz ist wiederum keinesfalls hinderlich, sondern durchaus sehr hilfreich, wenn sie mit Weisheit gepaart ist. Wenn Du also ein Gelehrter werden möchtest, ist das auch in Ordnung, sofern Du die grundlegenden Aspekte und die Anwendung der Lehre im Leben dadurch nicht aus den Augen verlierst. Zum besseren Merken wurde das folgende Lexikon sehr einfach und nur aus dem Gedächtnis heraus erklärt. Schlage ruhig die Schlagworte danach auch in verschiedenen Lexika nach. Dabei werden oft auch unterschiedliche Aspekte deutlich, da diese von Schule zu Schule variieren. Buddhismus ist vielfältig, wie der Charakter von Menschen. Seine Essenz ist aber in seinen verschiedenen Schulen gleich, sonst würde diese eben nicht zur Heilslehre 26 gehören. Karma: Die Lehre vom Karma ist von zentraler Bedeutung. Karma ist universell und nicht, wie laienhaft oft fälschlich angenommen wird, nur für Buddhisten oder Hindus gültig. Im Westen wird zwar allgemein und besonders für den Bereich der Wissenschaften akzeptiert, dass Auswirkungen Ursachen haben. Menschen die an Karma glauben, werden trotzdem im Gegenzug oft belächelt. Dies sind aber identische Sachverhalte. Westliche Menschen tun ständig Dinge, weil sie sich davon in der Zukunft positive Auswirkungen erhoffen. Es ist somit reine Überheblichkeit, wenn sie die von ihnen angewandte Lehre ohne tiefere Kenntnis ungeprüft ablehnen. Die Karma-Lehre erkennt und beschreibt die Zusammenhänge und Auswirkungen von Taten, Ursachen und Auswirkungen sowie umgekehrt. Der Nichtbuddhist erfährt logischerweise ebenfalls die Auswirkungen seiner Handlungen. Grundsätzlich kann nach der Karma-Lehre nur jeder die Vorteile derjenigen Handlungen erfahren, die er ausführt oder ausgeführt hat. Wer also einmal positive Auswirkungen erfahren möchte, sollte bewusst dafür Ursachen schaffen. Die Lehre hat ihren Fokus somit 27 auf das heutige Handeln und will jedem Menschen dessen hohe Bedeutung klar machen. Sutra-Lehren: Lehren des Hinayana und Mahayana, die auf den überlieferten Sutras (Berichten) beruhen und nicht tantrisch sind. Tantra: Dieses wird auch Vajrayana genannt. Das buddhistische Tantra ist ein Bestandteil des Mahayana. Es ist eine wichtige, teilweise geheime buddhistische Praxis für fortgeschrittene Praktizierende mit günstigem Karma, der besondere Kraft und Geschwindigkeit zugeschrieben wird. In allen tibetischen Traditionslinien und sonst fast nur noch in Japan wurde zuletzt Tantra praktiziert. Buddhistisches Tantra sollte nicht mit den hinduistischen verwechselt oder gleichgestellt werden. Diesen fehlt die Anwendung des Prinzips der Selbstlosigkeit. Das ist der entscheidende Unterschied. Insofern kann nicht-buddhistisches Tantra allenfalls eine Zwischenstufe abbilden, aber keine wirkliche Befreiung aus dem Daseinskreislauf und dessen Problemen bieten. Das buddhistische Tantra kann also allein schon aus logischen Gründen 28 von keiner anderen Form übertroffen werden oder höhere Ergebnisse bringen. Keine andere Meditationsform kann den Praktizierenden Erleuchten und zu einem Buddha machen. Buddhistische Tantras werden je nach Traditionslinie in Gruppen eingeteilt. Das Anutarayogatantra gilt im tibetischen Buddhismus als höchste Form und unterliegt strenger Geheimhaltung, sowie der Weitergabe von Mund zu Ohr, also vom Lehrer zum Schüler um Verfälschungen und Fehlinterpretationen auszuschließen. Mahamudra: Ein Übungskomplex der zugleich die Hauptpraxis der Kagyü-Tradition ist, welcher ruhiges Verweilen, tantrische Elemente und spezielle Vorbereitungspraktiken verbindet, um auf diese Weise äußerst schnell Fortschritte auf dem buddhistischen Pfad zu erlangen. Auch andere Traditionslinien praktizieren Mahamudra. Sadhana: So heißt der Text für die rituelle Meditation. Er wird oft fälschlich für einen reinen Gebetstext gehalten. Dieser enthält zwar auch Gebete, aber vor allem geht es um die Vorbereitung 29 und Durchführung der jeweiligen Meditation unter Beachtung der Selbstlosigkeit. Der Inhalt leitet den Übenden in der Meditation an, damit dieser nicht zu viel falsch macht. Die Abfolge der darin enthaltenen Praktiken sind so ausgerichtet, dass das jeweilige Meditationsergebnis am Ende theoretisch erzielt werden kann. Ein reines Ablesen der Texte oder sprechen von Mantras, deren Sinn oft vom Praktizierenden nicht einmal verstanden wird, ist so sinnlos wie das Nachplappern menschlicher Worte durch einen Papagei. Auch das Gesinge, das viele dabei gern wie in einem Kirchenchor leisten, bringt einem dem wirklichen Ziel kaum näher. Es ist also äußerst wichtig, genau zu verstehen, was und wozu man etwas im Sadhana macht. Jeder Abschnitt hat eine auf das Endergebnis gerichtete Funktion. Hierüber sollte man sich durchaus mit dem Lehrer oder sehr erfahrenen Praktizierenden einmal detailliert austauschen. Erläutern diese nur den Inhalt und setzten das nicht in Bezug zu Methode und Weisheit ist das nicht genug. Leider hat hier der Praktizierende oft nicht genug Basiswissen, um die tiefere Bedeutung sofort zu erfassen. Das ist auch als Prozess zu verstehen und nicht irgendwann abgeschlossen. Nur die Erleuchtung wäre der Beweis der korrekten Meditation und des korrekten endgültigen Verständnisses. 30 Lamrim: Von Atisha entwickelte, äußerst wirkungsvolle und berühmte Meditationsfolge, die alle wesentlichen Themen und Praktiken des Buddhismus vereint. Die Übung dieser Meditationsthemen ist unbedingt zu empfehlen. Die damaligen indischen Gelehrten (Panditas) setzte diese essenzielle Zusammenfassung der 84000 Belehrungen Buddhas in Erstaunen. Niemand hatte geglaubt, dass ein solches Vorhaben überhaupt möglich ist. Damit konnten nun auch weniger gelehrte Personen, den gesamten Buddhismus korrekt praktizieren. Methode: Der Begriff ist ein Synonym für die Entwicklung von Bodhicitta. Weisheit: Der Begriff ist ein Synonym für das Erkennen der Selbstlosigkeit der Phänomene und für den Begriff der Leerheit. Verblendung: Die durch 31 Unwissenheit hervorgerufenen falschen Wahrnehmungen und Schlüsse des Bewusstseins (Geistes). Es gibt verschiedene Formen und Stufen. Die Verblendungen trüben den Geist, wie Milch das Wasser. Es ist das Ziel jeder buddhistischen Praxis, diese zu beseitigen. Sind die Verblendungen beseitigt, ist automatisch die Buddhaschaft erlangt. Da die Beseitigung aber durch die Übungen des Hinayana äußerst schwierig und sehr langwierig ist, versucht das Tantra diesen Prozess mit geschickten Mitteln zu beschleunigen. Geist: Man verwendet das Wort in Übersetzungen als Synonym für das Bewusstsein. Damit ist zumeist kein Geistwesen gemeint. Der Geist hat verschiedene, immer subtiler werdende Stufen. Gedanken und Gefühle treten auf der gröbsten und somit verunreinigten Ebene des Geistes auf. Die Gedanken und Gefühle, so bedeutungsvoll sie dem einzelnen Menschen auch erscheinen, stehen immer mit Verblendungen, also mit der Unwissenheit in Beziehung. Insofern ist alles Gesagte und alle Theorien und Erklärungen von Wissenschaftlern, Gelehrten und Prominenten nichts als ein Ausfluss des groben, somit verblendeten Bewusstseins. Daher 32 ist auch die eingehende Beschäftigung damit letztlich nur verschwendete Zeit. Der wirkliche buddhistische Pfad beginnt jenseits des groben (verunreinigten) Bewusstseins. Das ist einer der Gründe, warum der Buddhismus so sehr die Meditation einbezieht. Hier wird versucht, die subtileren Schichten des Bewusstseins, die weniger verblendet sind, zu nutzen. Irgendwann muss man also die buddhistischen Bücher beiseite legen, da natürlich auch diese mit der konventionellen Ebene des Bewusstseins kommunizieren, und meditieren. Samsara: Die von Leiden und Unwissenheit durchzogene, vom Bewusstsein der Lebewesen erfahrene Welt. Nirvana: So bezeichnet man das Ergebnis buddhistischer Praxis. Es ist das Gegenstück zu Samsara (unsere Welt des Leidens). Somit ist Nirvana die von Unwissenheit und Leiden gereinigte Welt. Sowohl Samsara als auch Nirvana werden immer geistig, also vom jeweiligen Bewusstsein individuell, erfahren. 33 Entsagung: Der geistige Wunsch, dem Leidenskreislauf Samsaras zu entfliehen. Die Bedeutung wird oft falsch verstanden. Anfänger denken oft, dass Entsagung das Aufgeben liebgewonnener Dinge erfordert und mit Askese gleichzusetzen ist. Zahlreiche Scharlatane benutzen diesen zentralen Begriff oftmals, um unerfahrenen Einsteigern zu suggerieren, sie sollten den Besitz, die Familie und Freunde (die sie eventuell sogar instinktiv vor wesentlichen Fehlern bewahren) heroder aufgeben. Natürlich eignen sich diese dann diesen an. Das sind aber keine Buddhisten, sondern gewiefte Betrüger, die über ein gewisses oberflächliches Wissen verfügen und so gutgläubige und naive Personen ausnutzen. Das ist auch kein spezifisches Problem des Buddhismus. Zwölf Glieder des abhängigen Entstehens: Es handelt sich hierbei um äußerst tiefgründige - für Menschen ohne ausgeprägtes logisches Denkvermögen jedoch schwer verständliche Erklärung des Buddha zu den Zusammenhängen (unserer Welt) Samaras. Mit zunehmendem Wissen gewinnt man ein immer besseres Verständnis dieser 34 komplexen Erklärung. Der edle achtfache Pfad: Damit meint man Verhaltensregeln, die vom Buddha empfohlen wurden. Sie sollten gleichzeitig geübt werden und bestehen aus drei Gruppen. Die Weisheitsregeln sind: Strebe nach rechter Erkenntnis und nach rechter Gesinnung. Die Sittlichkeitsregeln sind: Rede recht, handle recht und führe einen rechten Lebenswandel (ohne Töten, Lügen und Betrügen). Die Vertiefungsregeln sind: Entwickle rechtes Streben, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung. Gottheiten: Dies sind Meditationshilfen für Tantra-Praktizierende, die verschiedene Aspekte des Geistes von Buddha symbolisieren. Sie stehen meist in Bezug zu den zentralen Kategorien von Methode und Weisheit. Aufgrund der jeweiligen Teilaspekte werden sie sogenannten (5) Buddha-Familien zugeordnet. Sie haben keine wirkliche (inhärente) Existenz, sind also aus buddhistischer Sicht ohne ein Selbst, also selbstlos. 35 Götter: Buddha hat die Existenz von Göttern, Halbgöttern, Geistwesen u.s.w. nie in Frage gestellt. Es handelt sich hier aber nicht um außerhalb unserer Welt stehende Wesen oder einen Schöpfergott, wie in einigen monotheistischen Religionen, sondern ausschließlich um in Samsara eingebundene Wesen, die dem Daseinskreislauf genauso wie der Mensch unterworfen sind. Nur ein Buddha überwindet Samsara und überragt somit die Götter. Es ist also ein Sprachkonvention für eine bestimmte Art von Lebewesen innerhalb unseres von Leiden geprägten Daseinskreislaufes. Retreat: Der Begriff bezeichnet das Zurückziehen zur vertiefenden Übung und Erkenntnisgewinnung. Für einen selbst festgelegten Zeitraum entkoppelt sich der Praktizierende so weit wie möglich aus seinen samsarischen Verwicklungen und versucht tiefere Erkenntnisse zu gewinnen. Die Zeitdauer kann von wenigen Tagen bis zum Ende des Lebens reichen. Yoga: Buddhistische Yogas sind verschieden von den allgemein bekannteren indischen Yogapraktiken 36 und werden vor allem im Zusammenhang mit den Tantras geübt. Diese sollte man darum nicht miteinander verwechseln, gleichstellen oder vermischen. Postuliert der Buddhismus ein Nichtselbst (anatta in Pali oder anatman in Sanskrit) so gehen die indischen Yogapraktiken überwiegend von einem inhärenten Selbst (atta oder atman) aus. Da die verschiedenen indischen Yoga ein in sich komplexes System darstellen, dass auch geistige Aspekte immer einbezieht, gibt es hier also eine klare Trennlinie. Buddhistische Yogas sind dagegen überwiegend geistige, auf die Erkenntnis gerichtete Übungen. Es gibt aber auch hier körperliche Übungen, die die ersteren verstärken sollen. Solange man klar zwischen den geistigen Aspekten von indischen und buddhistischen Yogas zu unterscheiden vermag, dürfte es nicht kontraproduktiv sein, bestimmte indische Asanas auch als Buddhist zu praktizieren. Da indische Yogaübungen auch den Geist nach Innen richten, unterstützen diese bis zu einem gewissen Grad die notwendige Abwendung von Außen nach Innen. Auch körperliches Wohlbefinden ist gut für eine kontinuierliche buddhistische Praxis. Sehr oft finden auch Menschen über die Beschäftigung mit den indischen Yogas zum Buddhismus. 37 Karmamudra: Im Buddhismus gehört dieses Thema zu den äußerst geheimen tantrischen Lehren. Die Karmamudra gibt es sowohl als wirkliche äußere, wie auch als vorgestellte geistige Karmamudra. Die Methode (siehe Begriffe) gilt im Buddhismus als männlich, die Weisheit als weiblich. Da beide für die endgültige Erkenntnis vereinigt werden müssen, symbolisiert die Vereinigung von Praktizierendem und äußerer Karmamudra diesen Vorgang. Aus sehr verschiedenen Gründen ist vielen Praktizierenden ein Zugang zu einer äußeren Karmamudra nicht möglich, da diese auch bestimmte Voraussetzungen besitzen oder erwerben sollte. Mönche haben zudem ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Diese Personengruppen können die Karmamudrapraxis somit nur geistig vollziehen. Es ist korrekt, dass diese Praxis nur für Praktizierende des Anutarayogatantras (höchste buddhistische Tantra) geeignet ist. Tantra kann jeder entsprechend seiner karmischen Voraussetzungen auch schon in jungen Jahren beginnen. Durch die Abläufe in vielen Zentren dauert es jedoch oft viele Jahre, bis Einsteiger überhaupt in die Nähe solcher Informationen kommen. Zudem erhalten sie hierzu oft keine Auskünfte. Einer der größten 38 Mönchsgelehrten (Tsongkhapa) bestätigte die Notwendigkeit dieser Praxis bei den höheren yogischen Übungen im Tantra der Vollendungsstufe für alle geeigneten (auch jungen) Personen. Karmapa: Der Begriff bezeichnet das Oberhaupt der Kagyü Traditionslinie. Es wurden nach dem Tod des letzten Karmapa 1981 gleich zwei XVII. Karmapas inthronisiert und dadurch die Linie gespalten. Der vom Dalai Lama anerkannte Karmapa floh vor einigen Jahren aus China und lebt nun ebenso im indischen Exil. Tibet: War bis zur gewaltsamen Invasion 1950 durch China ein eigenständiger Staat. Der XIV. Dalai Lama war dessen staatliches Oberhaupt und zugleich religiöses Oberhaupt der Gelugpa Traditionslinie. Durch eine strikte Abschottung des Staates gegen die Nachbarstaatenwar der Buddhismus in allen Facetten (Hinayana, Mahayana, Tantra) fast nur noch in Tibet vorhanden gewesen. Es existierten hier noch ununterbrochene Traditionslinien (Weitergabe der Lehre und des Segens von Mund zu Mund) bis zu Buddha. Das 39 macht den tibetischen Buddhismus so einzigartig. Reinkarnation: Darunter wird zumeist die Wiedergeburt eines Wesens oder Bewusstseins verstanden. Hierzu gibt es sehr verschiedene Vorstellungen. Als Buddhist sollte man genau verstehen, von welcher Wiedergeburt Buddha sprach. Buddhistische Vorstellungen von der Wiedergeburt sind von anderen zu unterscheiden. Viele werden aus Angst vor dem Verlieren des Ich (als inhärent -von sich aus bestehend- vorgestellt) durch den Tod naiv Buddhisten, weil sie glauben, sie sicherten sich durch den Beitritt (das Bekenntnis) zum Buddhismus eine Wiedergeburt. Insofern wäre das schlicht ein Glaube ohne Wissensgrundlage und kein Buddhismus. Wiedergeburt ist jedoch nicht vom Glauben abhängig. Vom Glauben kann es jedoch abhängig sein, ob man sie akzeptiert oder verleugnet. Andere große Religionen akzeptieren häufig unlogische Vorstellungen und begründen dies dann einfach mit Glauben. Der Buddhismus ist eine Lehre, fast eine Wissenschaft der Logik und wendet diese strikt an. Insofern ist Glauben im Buddhismus theoretisch unnötig. In der Erleuchtung hat Buddha die Wiedergeburten gesehen und bestätigt. Für 40 Buddhisten ist die von Buddha dargelegte Vorstellung von der Wiedergeburt somit ein klarer Fakt, da Buddha nachprüfbar niemals die Unwahrheit gesagt oder sich geirrt hatte. Es wird aus buddhistischer Perspektive nicht das vorgestellte Selbst dieses Lebens wiedergeboren, sondern der letzte Moment dieses Lebens ist die Ursache des ersten Momentes des nächsten Lebens. Hier ist begrifflich ein Kontinuitätsstrom von Ursachen und Wirkungen festzustellen, der sich auf den geistigen Bereich bezieht. Der letzte Moment dieses Lebens und die angesammelten karmischen Taten (nicht nur dieses Lebens) führen dann zur Bildung eines neuen illusionären (also wieder verblendeten) Selbst. So ist grob die buddhistische Wiedergeburt zu verstehen. Die in letzter Zeit häufig angewandte Reinkarnationstherapie, wo Patienten in Hypnose versetzt werden (oder sich selbst versetzen lassen) und über frühere Leben sprechen, bestätigt inzwischen wissenschaftlich die Korrektheit der von Buddha dargestellten Reinkarnation. Alle Menschen erzählen dort von ihren früheren Leben, sind jedoch in diesen nicht mit der heutigen Person identisch. Durch die im Westen vorhandenen religiösen und kulturell gelebten Konzepte und Weltbilder machen hier aber sogenannte „Wissenschaftler“ oft ihre 41 Augen zu und wollen diese, durch Hypnose gewonnene Erkenntnis nicht intellektuell akzeptieren, wenden sie aber gleichsam in der westlichen Medizin an. Das ist in sich widersprüchlich. In Asien, dem menschenreichsten Kontinent, gibt es natürlich keinerlei Akzeptanzprobleme dieses wissenschaftlichen Fakts. Bei aller gelebten Toleranz, glauben (!) sich die europäischen, voreingenommenen Zweifler natürlich trotzdem im Recht. Einsicht oder Toleranz wird nur dann gezeigt, wenn es in das eigene Weltbild passt. Es gibt im Textabschnitt zur Selbstlosigkeit weitere Hinweise. Hypnose: Eine bekannte Technik, mit der ein Hypnotiseur in tiefere Schichten des Bewusstseins eindringt und dort Suggestionen für eine Verhaltensänderung einpflanzt. Je tiefer (in Bezug auf die Bewusstseinsebene) die Suggestion gesetzt wird, um so erfolgreicher ist diese (Tiefenhypnose). Die Hypnose bestätigt indirekt die buddhistische Auffassung von den verschiedenen Schichten des Bewusstseins. Der buddhistische Meditierende versucht mit seiner Übung ebenso subtile Bewusstseinsebenen zu erreichen und 42 Verhaltensänderungen herbeizuführen. Ein entscheidender Unterschied ist natürlich, dass der Meditierende selbst handelt und dagegen der Patient sich bei der Hypnose auf die Fähigkeit eines Fremden verlassen muss. Jeder Fremdeingriff beherbergt natürlich auch gewisse Gefahren. Auch die Arbeitsmethoden unterscheiden sich voneinander. Unvoreingenommen muss man aber auch Parallelen anerkennen. Psychologie: Sie wird zumeist als empirische westliche „Seelenkunde“ verstanden und im Westen teilweise auch als Wissenschaft betrachtet. Westliche Psychologie und östlicher Buddhismus gehen jedoch von ganz verschiedenen Grundannahmen aus. Während westliche Medizin und Denken immer von dem Bestehen eines Selbst beim Menschen ausgehen und bei Problemen sogar wieder herstellen wollen, ist der Glaube an ein Selbst ja gerade eine der vom Buddha erkannten grundlegenden Verblendungen. Diese ist vielmehr die Ursache aller Probleme. Insofern ist Rat westlicher Psychologen für Buddhisten zumeist sinnlos und nicht hilfreich. Psychologie beschäftigt sich also aus buddhistischer Sicht mit den verblendet wahrgenommenen 43 Erscheinungen und nicht mit grundlegenden Ursachen. Sie kann so die krank machenden Verstrickungen nicht erkennen und auflösen. Esoterik: Sie ist eine philosophische, zumeist europäische Lehre/Lehren, die eigentlich nur einem kleinen Personenkreis zugedacht war(en). Insofern ist Buddhismus keinesfalls esoterisch, auch wenn der Buddhismus einen inneren Erkenntnisweg, nach dem auch die Esoterik sucht, aufzeigt. Kundalini: Die sogenannte „Schlangenkraft“ ist kein buddhistisches Yoga oder Tantra. In den tantrischen indischen Schriften wird sie als eine ätherische Kraft bezeichnet, die im untersten Chakra als schlafende und zusammengerollte Schlange wohnt. Sie kann durch spezielle yogische Praktiken erweckt werden und steigt dann durch die höheren Chakren bis in das oberste. Dann verschmilzt das Bewusstsein angeblich mit der kosmischen Energie. Durch Visionen und überweltliche Erfahrungen wird dann ein yogisches höheres Selbst erfahren. Auch solche Erfahrungen sind aber immer noch Verblendungen eines sich selbst wahrnehmenden 44 Geistes. Buddhistische Meditationsziele gehen darüber weit hinaus, da die Erkenntnis des Nichtselbst (anatman) am Ende stehen sollte. Chakren: So bezeichnet man Energiezentren, die sowohl im hinduistischen Tantra als auch im buddhistischen Vajrayana sowie im Yoga erklärt werden. Sie sind durch Energiekanäle verbunden und sind nicht organischer, sondern astraler Natur. Ihre Positionen werden entlang der Wirbelsäule angesiedelt. Im wesentlichen sind sie also Meditationshilfen. Durch Konzentration auf diese Bereiche, wird die Hinwendung nach Innen verstärkt und bestimmte Meditationserfahrungen gesammelt. Zumeist werden sieben Chakren benannt, manchmal auch weniger. Anzahl, Farbe und die Positionen stehen bei den verschiedenen Meditationsanleitungen natürlich in Bezug zum jeweiligen System. Für den Erfolg ist es vielmehr wichtig, diese nicht bunt zu vermischen, da die historischen Gurus genau mit den überlieferten Yogas ihren Erfolg erzielten. Ein Problem besteht heute darin, dass selbsternannte Lehrer ohne wirkliche Erfahrungen hier etwas angeblich „Eigenes“, „Modernes“ kreieren und unbedeutende Fantasieerlebnisse zu wirklichen Realisationen 45 erklären. Es ist sinnvoll sich konsequent an ein überliefertes System zu halten. Feng Shui: Das heißt Wind und Wasser und ist ein Teil der chinesischen daoistischen Philosophie. Mit der Anwendung der spezifischen Regeln sollen die Geister von Luft und Wasser besänftigt werden. Die Lehre ist also kein Bestandteil des Buddhismus. Im Westen wird sie für die Harmonisierung bei der Gestaltung der Wohn- und Lebensräume angewandt. 46 Häufig anzutreffende Fehler 1. Die Wesen, der Buddha und die Phänomene werden als mit einem Selbst versehen betrachtet oder wahrgenommen. 2. Die Hinweise zur Selbstlosigkeit werden nicht wirklich verstanden und es wird dadurch nicht buddhistisch zu praktiziert. 3. Man vertraut falschen oder nicht geeigneten Lehrern, bindet sich zu früh oder lässt sich von diesen materiell ausnutzen. 4. Es wird sektiererischen Vorstellungen gefolgt. 5. Die Orientierung geht verloren, weil zu viel ausprobiert oder unsachgemäß vermischt wird. 6. Authentische Schriften werden nicht von kommerziellen unterschieden. 7. Die Selbstanalyse erfolgt zu oberflächlich. 8. Durch zu geringes Wissen wird der Dharma falsch interpretiert und inkorrekte Handlungsweisen abgeleitet. 47 9. Es ist nicht bekannt, wie, was und warum meditiert werden sollte oder es wird zu wenig oder zu lang, falsch oder kraftlos oder nur zur Entspannung geübt. 10. Es entsteht Stolz. 11. Praxis und Alltagsleben werden voneinander wie Beruf und Hobby getrennt. 48 Das goldene Fundament Teil: Buddha Liebe Weisheit Glück Die Lehre von der Selbstlosigkeit Zwei Methoden zur Erzeugung von Bodhicitta Die zwei Flügel: Weisheit und Methode Der Weg Der Lehrer 49 50 (©:Ernst Cerjak – Fotolia.com) 51 Weiße Tara (eine tantrische Gottheit) (© Svetlana Nikolaeva – Fotolia.com) 52 5. Die Lehre von der Selbstlosigkeit Die Lehre von der Selbstlosigkeit ist die zentrale Klammer, welche alle buddhistischen Traditionen miteinander verbindet. Sie steht ist also der Kern der buddhistischen Lehre. Das Herzsutra, das auch den Namen „Die Essenz der Erhabenen Vollkommenheit der Weisheit“ trägt, beschreibt die Selbstlosigkeit aller Phänomene. Gleichzeitig erklärt die Schrift, wie auf den Pfaden der Ansammlung und der Vorbereitung zu üben ist. Vier tiefgründige Anweisungen werden dort erklärt: 1. Form ist leer. 2. Leerheit (Selbstlosigkeit) ist Form. 3. Form ist nichts anderes als Leerheit. 4. Leerheit ist nichts anderes als Form. 53 Diese sind die Grundlage des buddhistischen Verständnisses der Selbstlosigkeit. Nichts ist also wirklich so, wie es uns in unserem Geist erscheint. Das individuelle Bewusstsein zaubert seine illusionäre eigene, karmisch bedingte Welt. Westliche Neurowissenschaftler, die sich mit dem Thema beschäftigen, bestätigen diese uralte buddhistische Erkenntnis inzwischen auch durch moderne Untersuchungen. Viele Menschen glauben aber trotzdem, dass die Dinge tatsächlich so wären, wie sie ihnen erscheinen, also ein Selbst hätten. Das ist jedoch mit Sicherheit falsch. Eine logische Untersuchung zeigt dies schnell. Schon in der Schule lernt jeder Schüler, dass die Bilder eigentlich im Auge auf der Netzhaut kopfüber abgebildet werden. Unser Geist lässt uns dies aber vollkommen anders wahrnehmen. Einzelne Lichtpixel werden zusammen mit den anderen Sinneseindrücken (Gehör, Geruch, Geschmack...) zu einem künstlichen Ganzen 54 zusammengesetzt und in die bisherige eigene Welt als angenehm, unangenehm, neutral in Bezug auf das ebenso vom Bewusstsein erzeugte illusionäre Selbst gesetzt. Dies führt dazu, dass wir manche Eindrücke als schön, hässlich u.s.w. bewerten. Kommt es dabei zwischen den Menschen zu unterschiedlichen Auffassungen, versuchen viele, die eigene als die einzig richtige darzustellen. Das verdeutlicht schon einmal die „Selbst“-sucht, das automatische höher Bewerten, des vorgestellten „Ichs“. Rote Röcke sind schön, nein die gelben sind es, nein die gepunkteten! Obwohl jeder nur über ausschließlich geistig und individuell Erfahrenes spricht, verteidigt er dies, als wäre es tatsächlich äußerlich so für jeden gleich existent. Buddha erkannte bei seiner Erleuchtung, das sowohl Personen als auch Phänomene kein reales Selbst haben, dass diese also nichts als illusionäre Projektionen des jeweiligen individuellen Geistes sind, die nur in Abhängigkeit entstehen. Dieses Thema wird sehr häufig anfangs nicht 55 verstanden, da es vielen Menschen, die kein philosophischen Vorwissen haben, auch heutzutage noch neu erscheint, obwohl die Erkenntnis nun schon 2500 Jahre alt ist. Der tief verwurzelte Glaube an ein Selbst in unserer Kultur führt zudem zu der nach wie vor gelebten europäischen Überheblichkeit, die man wissenschaftlich mit Eurozentrismus bezeichnet. Die eigenen Vorstellungen werden dabei über die der anderen Kulturen, Religionen, Philosophien u.s.w. gestellt, trotz oberflächlich gelebter Toleranz. Wir (Westler) wissen es immer besser. Dies geschieht einfach automatisch. Ohne ein Verständnis der Selbstlosigkeit ist man jedoch kein Buddhist. Falsche Vorstellungen lassen uns (das eingebildete Selbst) auch vor dem Tod Angst haben. Die Belehrungen Buddhas zur Selbstlosigkeit der Person helfen zwar, Zusammenhänge zu verstehen, aber das tief verwurzelte Festhalten am Selbst lässt uns, so lange wir nicht die Erleuchtung erlangt haben und in Samsara verweilen, vor dem Tod zittern. 56 Um so mehr sollte man sich bemühen, ein immer tieferes Verständnis der Selbstlosigkeit zu entwickeln, denn nur durch dieses werden dem Altern, der Krankheit und dem Tod der Schrecken genommen. Diese Weisheit ist die Medizin gegen die Angst und den Schrecken. Es gibt also nur illusionäre Vorstellungen von einem Selbst der eigenen Person im Geist. Alle Erscheinungen und das vorgestellte Ich sind ausschließlich Projektionen des jeweiligen Bewusstseins, das wiederum durch Unwissenheit verblendet ist. Das Suchen nach sich selbst ist somit eine sinnlose Zeitverschwendung, da die gesehene oder gesuchte Individualität ohne Essenz ist und sich die wahrgenommenen Parameter und der Geist (esstrom/Bewusstsein) unablässig ändern. Auf keinen Fall ist dieses vorgestellte Selbst etwas Statisches. Somit gibt es mit dem Tod eigentlich nichts anderes zu verlieren, als eine Illusion. Grob ausgedrückt wird nur ein der jeweiligen Person sehr wichtiger -aber falscher- Gedanke an deren 57 eingebildeter Identität aufgegeben. Wozu sich also fürchten? Wir verlieren kaum mehr als einen Gedanken. Die Schmerzen des Körpers sind ein anderes Kapitel, obwohl auch diese ohne Selbst sind und vom Geist wahrgenommen werden. Sie sind somit genauso illusionär. Den körperlichen Leiden können wir durch die Ursache unserer menschlichen Geburt im Moment nicht wirklich entgehen. Der Grad unserer Furcht verdeutlicht somit die Qualität und die Ergebnisse unserer buddhistischen Praxis. Am Ende unseres Lebens, mit zunehmender Praxis, sollte bei guter Praxis die Furcht geringer werden. Da die Stunde des Todes ungewiss ist, wäre es sinnvoll, die verbleibende Lebenszeit für nutzbringende Bemühungen zu nutzen. Manchmal werden Menschen sogar Buddhisten, weil sie sich hierdurch eine Wiedergeburt des eigenen vorgestellten Selbst erhoffen. 58 Die Wiedergeburt ist nicht das Ergebnis eines Glaubens. Der Kreislauf der Wiedergeburten wird von Buddha zusammenhängend in dem Sutra von den Zwölf Gliedern des abhängigen Entstehens erklärt. Man kann glauben, was man will. Das ändert nichts an den karmischen Abläufen. Die jetzige konkrete illusionäre Person wird nicht identisch wieder geboren. Das meinte Buddha auch nicht, wenn er von den in der Erleuchtung gesehenen eigenen vergangenen Leben sprach. Das grobe - auch selbstlose - Bewusstsein, dass die illusionäre Person erschafft, überträgt sich nicht wie eine statische Größe in ein neues Leben. Die vorgestellte Person (Selbst) ändert sich ja schon in jedem Moment dieses Lebens. Das ist eigentlich auch den meisten verständlich, da sie ja einmal Baby, Kin,d Jugendlicher und Erwachsener waren. Das grobe Bewusstsein löst sich zum Zeitpunkt des Todes in das subtile Bewusstsein auf oder man 59 könnte auch sagen, der subtile Bewusstseinsstrom verliert die Kraft, den groben zu stützen. Diese Sachverhalte sind schwierig mit Worten des groben Bewusstseins zu beschreiben, da sie ja jenseits von Worten und Erfahrungen dieser Ebene liegen. Der letzte Moment des jetzigen subtilen Geistesstromes wird zum Ausgangspunkt des ersten Momentes des subtilen Bewusstseinsstromes des nächsten Lebens und erschafft (stützt) aufgrund der karmischen Bedingungen (Verblendungen) ein neues grobes Bewusstsein und eine neue illusionäre Person. Samsara wird somit im Geistesstrom der neuen illusionären Person als Wiedergeburt fortgesetzt. Da alles Zusammengesetzte ohne Bestand ist und wieder zerfällt, sind die daraus resultierenden Leiden nicht zu vermeiden. Das sind - unter anderen - die Leiden Schmerzen der eigenen Geburt, das Leiden Krankheiten, das Leiden des Hungers, Durstes, Alterns, des Getrenntseins von Begehrtem, Sterbens u.s.w.. 60 der der des des Hat ein Übender dieses gruselige Prinzip verstanden, wird er eifrig versuchen, Samsara und somit der Wiedergeburt zu entfliehen. Dies versteht man unter Entsagung. Sie ist also nicht das Verzichten auf Dinge, die Freude bereiten oder das Verschenken des Besitzes, sondern ein geistiges Verständnis, also eine Realisation des unseligen Kreislaufs von Samsara und der Wunsch diesem zu entfliehen. Ich fasse noch einmal das Wesentliche zusammen: Diese Welt (Samsara) erscheint immer nur in dem jeweiligen, wahrnehmenden Bewusstsein. Dieses erzeugt somit „seine“ Welt, sein „Samsara“. Dieses ist somit individuell. „Groß“ gibt es nicht ohne „Klein“, „Rot“ nicht ohne „Grün“, „Gedanken“ kommen nicht aus dem „Nichts“, alle Gegenstände bestehen aus „Teilen“, wir Menschen bestehen aus Bestandteilen, unser Bewusstsein besteht aus Bestandteilen, das vorgestellte „Ich“ hat Bestandteile und besteht nur durch „Abgrenzung“ von anderen Bestandteilen (auch des Bewusstseins). Es besteht also keinesfalls etwas „allein aus sich selbst heraus“ in Samsara, 61 sondern immer nur in Abhängigkeit von anderen Teilen/Bestandteilen/Phänomenen und dem jeweiligen Bewusstsein. Das individuelle Bewusstsein schafft genau diese somit falsche- Vorstellung. Ein „Tisch“ scheint ein eigenständiges Ding, obwohl er doch nur in dem individuellen Menschenbewusstsein zu dem „Tisch“ wird. Was ist er für einen Elefanten? Genauso ist es mit der „Person“ und dem vorgestellten „Ich“. Manch einer hält sich vielleicht mit vierzig Jahren für eine „junge, vitale, nette, aufgeschlossene“ Person. Doch für andere ist diese Person etwas ganz anders. Ein Jugendlicher hält sie für alt, eine Freundin für eine „Besserwisserin“, ein Nachbar für „unfreundlich“... Daran erkennt man schon, dass die Selbsteinschätzung zumeist positiv ausfällt, die der anderen Menschen über die gleiche Person weitaus schlechter. Was ist denn nun die „wahre“ Person? Mit Logik vertraute Menschen dürften nun verstehen, dass es somit nur individuelle, von verschiedenen Gegebenheiten abhängige 62 „Gedanken“, „Illusionen“ oder „Vorstellungen“ und keine inhärenten (aus sich selbst heraus) bestehenden Phänomene gibt. Bei dieser Erkenntnis kommt es leider häufig zu einem Fehler. Es entsteht relativ automatisch eine nihilistische Bewertung. Es wird die falsche Erkenntnis (Schlussfolgerung) gezogen, dass es somit „Nichts“ gäbe. Dadurch hätte man den Boden des Buddhismus verlassen, glaubt jedoch fälschlich eine Realisation zu haben. Von dieser inkorrekten Basis zieht man nun -durch das falsche Verständnis- weitere Fehlschlüsse. Davor muss man sich hüten. Da wir ja etwas negiert haben, gibt es natürlich eine Grundlage der Negation. Es wäre also falsch zu behaupten, da wäre „Nichts“. Selbstlosigkeit bedeutet also nicht „Nichts“ und ist nicht nihilistisch. Buddhistische Selbstlosigkeit entfaltet sich also als ein negativer Aspekt eines fälschlich als „inhärent“ wahrgenommenen Phänomens. Der Buddha bezeichnete es deswegen nicht als „Nichts“ sondern als „Nicht-Selbst“. Da steckt als Basis immer noch das negierte Selbst (als Begriff) darin. Dies muss 63 man vollkommen klar verstehen. Bitte merke Dir also : Selbstlosigkeit bedeutet nicht, dass da „Nichts“ ist. Der Dalai Lama empfiehlt, wenn ein solcher Gedanke in der Meditation über dieses Thema - als angebliche Realisation - entsteht, sich ordentlich ins Bein zu kneifen. Dabei merkt man dann schon, dass da kein „Nichts“ ist und findet so zu einer ausgewogeneren Bewertung der Selbstlosigkeit (Leerheit) zurück. 64 Zwei Methoden zur Erzeugung von Bodhicitta Es gibt wunderbare authentische Schriften, die die Bedeutung von Bodhicitta und dessen Erzeugung erklären. Eine ausführliche Erklärung findet man in dem Text Shantidevas: „Die Lebensweise eines Bodhisattvas“ (Bodhissattvacharyavatara) oder in Kommentaren zu dieser Schrift und in den „Sonnenstrahlen des Geistestrainings“ von Namkha Päl. Nur durch Bodhicitta kann man den Weg zur Erleuchtung beschreiten und wirklich Mahayana praktizieren. Bodhicitta ist somit das, was das Hinayna vom Mahayana von der Essenz her trennt. Ein Praktizierender des Hinayana (Feindzerstörer) ringt in erster Linie um seine eigene Befreiung aus Samsara, einer des Mahayana um die Befreiung aller Lebewesen. Da diese von der Zahl her unermesslich sind, spricht man von einem unermesslichen Vorhaben. Ein mit der Theorie nicht Vertrauter, wird jetzt 65 üblicherweise einwenden, dass es logisch nicht möglich ist die unendliche Zahl der Lebewesen zu befreien, da deren Zahl ja unendlich ist. Aus der buddhistischen Lehre heraus, wird diese zwar auch mit unendlich angegeben, aber gleichzeitig klar gemacht, dass die eigentliche Zahl der Lebewesen gleich bleibt, sie dabei nur durch ihr Karma ihre Lebensform wechseln. Weiterhin steht beim Bodhicitta - wie bei vielen Handlungen und Meditationen - nicht das abgelieferte Ergebnis im Zentrum, sondern die Motivation. Diese geht den Gedanken voraus und ist das, was die richtige Richtung vorgibt. Ein Lebewesen, das nicht nur für sich, sondern für andere Eintritt handelt moralisch höherwertig. Nur eine solche Person, wird in der Lage sein, bestimmte Motivationen zu entwickeln, die allen Lebewesen dienen und so diesen nutzen. Ein noch immer selbstsüchtiges Lebewesen, wird in erster Linie an sich denken. Nur wer also eine so hohe qualitative ethische Entwicklungsstufe erreicht, ist somit in der Lage, die große Erleuchtung zu erreichen. Nur er erkennt ihre Bedeutung. Die Entwicklung von Bodhicitta und das Streben nach großer Erleuchtung sind also 66 verbunden. Je stärker das Bodhicitta, je intensiver werden die Bemühungen der Person sein und je näher kommt diese dem endgültigen buddhistischen Ziel. Tiefere Weisheitserkenntnisse sind also unmittelbar an die Entwicklung von Bodhicitta gekoppelt. Insofern ist buddhistisches Tantra ohne Bodhicitta sinnlos und gleicht dem Betrachten von Wörtern ohne Lesen zu können. Das buddhistische Tantra (auch Vajrayana genannt) gehört deswegen auch zum Fahrzeug des Mahayana. Wenn jemand also erkennt, warum es gut ist, Mahayana zu praktizieren und begreift, dass das Eintreten für andere von höherem ethischen und moralischen Wert ist als Egoismus, dann sollte dieser von nun an an der Erzeugung, Stabilisierung und Vergrößerung von Bodhicitta arbeiten. Durch unseren karmisch latenten Egoismus gehört das in der Praxis jedoch zu den schwierigsten Übungen. Den meisten Menschen fällt eine Reflexion der eigenen Persönlichkeit und die ehrliche Bewertung des eigenen Handelns schwer. Deswegen wird Buddhismus trotz seiner klaren Logik nicht von 67 jedem verstanden oder angenommen. Zuweilen ist das Haften an den falschen Vorstellungen über die eigene Person so stark ausgeprägt, dass schon der Gedanke des Zweifelns an sich oder den bisherigen eigenen Handlungen und Vorstellungen viele wütend, unsicher oder aggressiv macht. Man muss unbedingt verstehen, dass die fast alle erlebten Probleme letztlich aus der Überbewertung des eigenen Ichs resultieren. Den ausführlichen Erklärungen der authentischen Schriften zur Erzeugung von Boddhicitta ist eigentlich nichts Wesentliches hinzuzufügen. Bodhicitta zu erzeugen und zu vergrößern ist viel schwieriger, als zu Anfang meist angenommen wird. Wir erlangen recht schnell umfangreiches Wissen, kommen aber trotzdem nicht weiter, weil es uns an Mitgefühl (bitte buddhistische Bedeutung im Minilexikon beachten!) mangelt. Dieses entsteht auch nicht allein, sondern muss bewusst erzeugt und geübt werden. Im Wesentlichen gibt es zwei Wege den Erleuchtungsgeist (Bodhicitta) zu erzeugen. Die Praxis der 7-fachen Anweisungen ist für 68 Anfänger geeigneter als das Austauschen vom Selbst mit anderen. Die letztere ist aber wirkungsvoller. Man sollte beide Methoden genau kennen. Sehr gute Erläuterungen findet man in den „Sonnenstrahlen des Geistestrainings“ von Namkha Päl. Zuerst übt man üblicherweise die 7-fache Anweisung. Es ist aber sehr nutzvoll auch die schnellere, aber schwierigere Methode zu kennen und vielleicht auch schon zu trainieren. Diese gehört zu den geheimen Methoden und wurde bis vor wenigen Jahrzehnten noch von Mund zu Ohr weitergereicht, da ihre wirkliche Bedeutung nur von fortgeschrittenen Praktizierenden erfasst wird. Neueinsteiger oder wenig mit der Lehre Vertraute denken manchmal beim Lesen oder ersten Hören, dass das doch alles nicht so schwer sei und sie das Gelesene doch verstehen. Wenn sie dann jedoch längere Zeit praktizieren und auf ihr Anfangsverständnis zurückblicken, 69 müssen sie darüber selbst lächeln. Es ist ein gigantischer Unterschied bei einem ersten Lesen, zu begreifen, dass das Eintreten für andere höherwertig und altruistischer ist als eine gelebte Selbstsucht. Etwas ganz anderes ist es, das dann vollkommen mühelos zu praktizieren. Ein Haus brennt und darin ist eine Katze. Wer würde diese retten und dabei sein Leben in Gefahr bringen? Das Flugzeug stürzt ab und es gibt für drei Passagiere nur einen Fallschirm. Was würden Sie denken? Viele helfen zwar anderen, doch der eigentliche Gedanke ist auch dabei nur Selbstbestätigung, oder eine Bestätigung der Vorstellungen von sich selbst. Auch vordergründig hilfsbereite Menschen sind aus buddhistischer Perspektive nicht unbedingt die besseren Menschen. Sie sind auch noch keine Buddhisten dadurch. Materielle Geschenke sind ohnehin stark auf ihren Nutzen hin zu hinterfragen. Selbstsucht und die falsche Vorstellung vom Ich haben sehr viele Facetten. Aus der Ferne sieht vieles anders aus als bei unmittelbarer Betrachtung. Schuld an unseren Problemen sind nicht die anderen, sie sind auch nicht unsere Feinde. Der Buddhist weiß, das sein größter Feind immer bei ihm 70 ist. Er weiß, dass seine eigenen Vorstellungen vom Selbst, seine eigenen Verblendungen sein wirklicher Feind sind. Diese sind die Ursache der Leidenskette. Die Entwicklung von Bodhicitta hilft, diese Illusion und damit die Ursache der Leiden mehr und mehr zu zerstören. Durch das geringe Bodhicitta und oberflächliches Wissen um die Selbstlosigkeit haben wir alle bisher keine Buddhaschaft erlangt und verweilen wir noch immer in Samsara. Wie kann man sagen, die Welt wäre schön, wenn der Vogel den Wurm und wir den Vogel essen? Nur, weil wir uns vielleicht einen Moment gut fühlen, haben wir die Ignoranz die Leiden der Welt auszublenden und erklären sie wahnhaft noch für wunderbar. Bald werden wir alle, unsere Lieben, Eltern, Geschwister, Kinder, Freunde noch mehr Leiden erfahren und wahrnehmen. Du konntest allen bisher nicht wirklich helfen. Gewöhnliche Ratschläge und Hilfen sind ziemlich nutzlos, da diese die Ursachen nie endgültig beseitigen. 71 Sie sind allenfalls wie Schmerztabletten bei Krebs. Nur durch Streben nach der Erleuchtung können wir allen irgendwann wirklich helfen. Das Training des Erzeugens von Bodhicitta wird nach Gampopa zweifach untergliedert: 1. Erzeugen des Wunsches besteht aus: a) Gedanken an die fühlenden Wesen nicht aufgeben; b) Methode und Weisheit ansammeln; c) den Erleuchtungsgeist reinigen; d) acht weiße Handlungen durchführen; e) acht schwarze Handlungen aufgeben 2. Erzeugen des Erleuchtungsgeist der Anwendung (nach Gampopa) besteht aus: a) Training des außerordentlichen ethischen 72 Verhaltens; b) Training der außerordentlichen Einstellung; c) Training des außerordentlichen analytischen Wissens Sowohl die Methode der 7-fachen Anweisung über die sechs Ursachen und ihr Resultat als auch die Methode des Austauschen vom Selbst mit anderen fasst die beiden obigen Aspekte des Training des Erzeugens von Bodhicitta als jeweils eine Übung (Meditation) zusammen. Man erzeugt/realisiert also durch die Anwendung der jeweiligen Methode (egal welcher) am Ende Bodhicitta. !!-Ohne Bodhicitta schreitet man nicht auf dem Pfad voran und wird keine Erleuchtung erlangen können.-!! Es handelt sich hierbei also um einen der zwei wichtigsten Zusammenhänge (Flügel!). Erste Methode: Die 7-fache Anweisung über die sechs Ursachen und ihr Resultat 73 1) Alle Wesen als die eigene Mutter erkennen sich also bewusst machen, dass in unseren unzähligen Leben, alle gegenwärtigen Lebewesen irgendwann einmal unsere Mutter waren; 2) Sich ihrer großen Güte erinnern; 3) Den Wunsch erwidern; entwickeln, ihre Güte zu 4) Gleichmut erzeugen und alle Lebewesen in die Güte einbeziehen, da sie ja alle einmal unser Mutter waren, somit Gleichmut (buddhistisch! - also keine Einteilung der Lebewesen nach näher und ferner von mir stehend) entwickeln; 5) Mitgefühl (buddhistisches - also Bodhicitta erzeugen) entwickeln; 6) Erzeugen des Wunsches nach Erleuchtung; 7) Erleuchtungsgeist Resultat erzeugen. (der Anwendung) als Bei diesen Gedanken und der Meditation sollte man wiederum nicht vergessen, dass auch das Bodhicitta, das vorgestellte Ich, die Wiedergeburten, die Lebewesen kein wirkliches Selbst haben, sonst wäre die gesamte Praxis erneut nicht buddhistisch. 74 Die detaillierten Ausführungen zu den einzelnen Punkten können durch den „Gesang der inneren Erfahrung“ des 3. Dalai Lama mit Kommentaren des XIV. Dalai Lama vertieft werden (siehe Buchempfehlungen). Zweite Methode: Geistestraining (Austauschen zwischen sich selbst und anderen) Die folgende Darstellung der Gliederung des Geistestrainings folgt den unübertroffenen Ausführungen von Namkha Päl (siehe Buchempfehlungen). Meine Zusammenfassung hat das Ziel, dem Leser einen ersten Überblick zu verschaffen, worum es in dieser Methode geht und inwiefern sie sich von der ersten unterscheidet. Eine komplette Erläuterung würde zu einem eigenständigen Buch führen und kann keinesfalls klarer als die von Namka Päl sein. Nach dem Üben/Meditieren der ersten Methode kann man weitere Details bei Namkha Päl selbst nachlesen. Diese Aufschlüsselung erleichtert jedoch den Zugang zu dem Originaltext und dessen Inhalt 75 erheblich. 1.) Vorbereitende Übungen: a) Eine Menschenexistenz ist selten zu finden. b) Das Nachdenken über Tod und Vergänglichkeit. -Es ist sicher, dass jeder sterben wird-Es ist ungewiss, wann man sterben wird-Wenn man stirbt, kann nichts außer Dharma helfen- c) Das Nachdenken über Karma, Ursache und Wirkung. -Karma ist gewiss-Karma vermehrt sich stark-Karma erschöpft sich nicht- 76 d) Das Nachdenken über die Nachteile des Daseinskreislauf. -Der Nachteil der Ungewissheit-Der Nachteil, dass man keine Zufriedenheit erfährt-Der Nachteil, dass man immer wieder seinen Körper aufgibt-Der Nachteil, dass man immer wieder mit einer Geburt des Daseinskreislaufs in Verbindung tritt-Der Nachteil, dass sich hohes immer wieder in Niedriges verwandelt-Der Nachteil keine Freunde zu haben- 2.) Die Methode zur Übung des kostbaren Bodhicitta selbst a) 1. Stufe zur Übung des konventionellen Bodhicitta (Namkha Päl ab S. 67) und 2. Zusätzliche Unterweisungen 77 b) Stufen zur Übung des absoluten Bodhicitta (Namkha Päl ab S.133) zu 2.a) 1.) Übung des konventionellen Bodhicitta -Bodhicitta ist der einzige Zugang zum Großen Fahrzeug (Mahayana)Die zwei Stufen zur Übung des konventionellen Bodhicitta: I.) Die Übung wie man Bodhicitta unter dem Aspekt übt, für andere Nutzen anzustreben(konventionelles Bodhicitta) unterteilt sich nochmals in: 1.) Die Lehre vom Austauschen zwischen sich selbst und anderen anhand der Fehler und Vorzüge 1.1) Die Selbstsucht ist das was aufzugeben ist - Gib einem alle schuld 1.2) Die Wertschätzung anderer, das was zu praktizieren ist. 78 - Meditiere, dass alle gütig sind und 2.) Die eigentliche Übung des (konventionellen) Bodhicitta unter dem Aspekt, für andere Nutzen anzustreben.ac)Meditation der Liebe 2.1) Die Mediation der Liebe - Übe Geben und Nehmen 2.2) Meditation des Mitgefühls - Beginne das Nehmen mit Dir selbst - Lass diese beiden auf dem Atem reiten 2.3) Die Übung nach der Meditation und in den Pausen - Drei Objekte, drei Gifte, Drei Wurzeln des Heilsamen. Übe dich in allem was du tust, mit Worten. II.) Die Übungen des Bodhicitta unter dem Aspekt, Erleuchtung anzustreben 79 zu 2a) 2. Zusätzliche Unterweisungen (in Form der kurzen Erklärung, die lange führt hier zu weit) - Zu Zeiten, da Gefäß und Inhalt an Unheilsamen überkochen, verwandle widrige Umstände in den Erleuchtungsweg. zu 2.b) Die Stufen wie man das absolute Bodhicitta übt. 1) Die Schüler für diese Unterweisungen 2) Der Zeitpunkt für diese Unterweisungen 3) Die eigentliche Übung des absoluten Bodhicitta Bodhicitta muss „trainiert“ werden, da es sich äußerst selten spontan vergrößert. Die obere Aufgliederung und Erläuterung sollte man sich immer wieder anschauen. Mit der Zeit und zunehmender Praxis wird das Verständnis größer. Gelingt es, Bodhicitta zu erzeugen, so betritt man 80 die erste (von zehn) Stufen eines Bodhisattvas. Wir sollten aber auch schon vorher die Stufe „üben“ indem wir die sechs Vollkommenheiten (siehe B) praktizieren. 81 Die zwei Flügel: Weisheit und Methode Ein Buddhist sollte immer durchdenken, welche Bedeutung und Auswirkungen seine Handlungen und Gedanken aus buddhistischer Perspektive haben. Dies ist auch der Zeitpunkt um Mitgefühl (als Methode bezeichnet) durch eine der beiden zuvor genannten Möglichkeiten zu erzeugen. Mit einer solchen Motivation sollte er alles durchdringen. Dabei sollte er jedoch keinen Moment vergessen, dass alles was er unternimmt, sein eigener Geist und auch das erzeugte Bodhicitta kein Selbst (das Erkennen der Selbstlosigkeit wird als Weisheit bezeichnet) im buddhistischen Sinne haben, also selbstlos sind. Man verwendet auch den Begriff der Leerheit als Synonym dafür. Ansonsten praktiziert die Person kein buddhistisches Sutra oder Tantra, weder Mahayana, noch Hinayana sondern irgendetwas anderes. 82 Dies ist der Grund, warum es in den Schriften heißt, dass richtig Praktizierende äußerst selten zu finden sind. Das dürfte sehr wahr sein. So simpel dies einem Leser vielleicht gerade erscheint, stets auf diese beiden Flügel (Methode und Weisheit) zu achten, so schwer ist dies auf lange Sicht tatsächlich. Der Blick für das Wesentliche geht auch Erfahrenen schnell durch immer speziellere, angeblich tiefgründigere Übungen und dem dazu notwendigen Detailwissen verloren. Aus diesem Grund lehren alle großen Lehrer, dass es viel bedeutsamer ist, die Grundlagen zu verinnerlichen, als hochspezialisierte Praktiken zu üben. Das sollte man sich zu Herzen nehmen. Jeder sollte zuerst ein tragfähiges, goldenes Fundament setzen und darauf dann das restliche Haus errichten. Dadurch erhält das Leben eine ganz besondere Bedeutung im buddhistischen Sinn. Die „intelligente“ Person beschreitet dann tatsächlich den korrekten Pfad. Nimmt man an einer Belehrung teil, kann man viel über Utensilien links oder rechts, die Farbe der 83 Braue oder des Auges einer Gottheit hören. Oft erscheinen den Zuhörern diese Äußerlichkeiten als sehr bedeutsam. Es glänzen bei solchen Unterweisungen auch die Schüler, die scheinbar exaktere Kenntnisse durch Hersagen oder Hinterfragen von Besonderheiten haben. Schnell entsteht aber gerade dadurch erneut das fehlerhafte Gefühl vom Selbst der Buddhas und Gottheiten u.s.w.. Hier sollte man !sehr! aufpassen, damit die rechte Sicht nicht wieder verloren geht. Die Buddhas und Gottheiten haben kein Selbst! Gleichzeitig sollte man aber nicht in den - schon dargestellten - Fehler des Nihilismus verfallen. Die Selbstlosigkeit hat immer eine Basis, also ein zu verneinendes Objekt. Sie ist ein negatives Phänomen. Das ist insgesamt ein schwieriger Spagat, der immer wieder durchdacht und meditiert werden muss. Genau dieses korrekte Verständnis unterscheidet den richtigen von einem „falschen“ Buddhisten, der nichts als ein Gläubiger im Sinne 84 eines mystischen Glaubens ist. Mit einem falschen Verständnis ist jede Praxis ansonsten wirkungslos, auch und gerade das Tantra! In den alten Schriften heißt es, dass die Erleuchtung schon sicher ist, wenn man jemals über dieses Thema etwas gehört hat. Das Verständnis nimmt bei korrekter Praxis im Laufe der Zeit zu. Beginne also stets mit Zuflucht, dann erzeuge Bodhicitta, vergiss dieses während der gesamten Praxis nicht und betrachte wirklich alles - auch Dich - als ohne Selbst bei Vermeidung des Nihilismus. So wird die Praxis buddhistisch, der Übende sammelt Verdienste und Weisheit an und wird goldene Früchte ernten. Er errichtet sein Haus somit auf einem goldenen, unzerstörbaren Fundament. Durch diese gegenseitige Durchdringung von Methode und Weisheit wird die Entwicklung von Bodhicitta beflügelt und umgekehrt. Im Praktizierenden reift gleichzeitig ein Verständnis, was unter wirklichem Glücklichsein zu verstehen ist. Hiermit ist kein gefühlsmäßiger 85 kurzfristiger Zustand gemeint, sondern eine geistige Erkenntnis, die zur Verringerung der Leiden und zur Beseitigung der Unwissenheit und der mit dieser einhergehenden Verblendungen führt. Es geht im Buddhismus nicht um Gefühle. Diese stehen mit dem groben Bewusstsein in unmittelbarer Verbindung und sind immer Bestandteil der grundlegenden Verblendung (vom Selbst der Person). Übst jemand auf diese korrekte Weise auch Tantra, wird die Geschwindigkeit seiner Entwicklung rasant. Er schreitet zügig auf dem buddhistischen Pfad voran. Natürlich hat dies auch positive Auswirkungen auf das gesamte Leben. Mehr und mehr wird demjenigen bewusst, dass die propagierten Ziele der Menschen sehr gewöhnlich sind und einer wirklichen Entwicklung im Wege stehen. Vieles wird ihm nun durch die tiefere Einsicht lächerlich erscheinen. Man muss aber sehr vorsichtig sein, wenn man dies (auch bei guter Absicht) anderen mitteilt. Diese fühlen sich zumeist nur verletzt, da sie ihre sinnlosen Ziele (Ehre, Ruhm, Anerkennung, Reichtum, berufliches Fortkommen, Freunde) als sehr 86 bedeutsam betrachten. Jeder kann immer nur entsprechend seiner karmischen Reife voranschreiten und Einsichten entwickeln. Das ist ein schrittweiser Prozess, der nicht nur positiv verläuft. Es ist sinnvoll, immer wieder die erworbenen Verdienste, dem Wohle der anderen Lebewesen und der zukünftigen Buddhaschaft zu widmen. Dies wird mit Sicherheit positive Auswirkungen haben. Kennt jemand anfangs noch nicht die rituellen Formulierungen, so soll er das einfach mit eigenen Worten tun. 87 Der Weg Inzwischen trifft man in Europa auf Zentren verschiedenster Traditionslinien. Die tibetischen sind dabei besonders stark vertreten. Dies liegt daran, dass dieses buddhistische Volk von den kommunistischen Chinesen aus seiner Heimat zu einem großen Teil vertrieben wurde. Millionen Tibeter starben dabei. Viele Flüchtlinge wurden in der Schweiz, Frankreich aber auch in Deutschland aufgenommen. Die meisten buddhistischen Einrichtungen werden aber von westlichen Mitarbeitern geführt. Deren Verständnis entscheidet zumeist, ob in diesen authentischer Dharma oder irgendetwas vermittelt wird, ob dort korrekte Lehrer belehren oder sogar abgelehnt werden, ob dort überwiegend Dharmakurse oder dharmaferne Inhalte angeboten werden, ob neue Schüler Kontakt und Zugang zu den Lehrern erhalten oder von diesen fern gehalten werden, ob die dort Lehrenden überhaupt Mitgestaltungsmöglichkeiten haben. Üblich ist, dass die Lehrer nach den im jeweiligen 88 Zentrum üblichen Kriterien eingeladen werden und dort Einzelveranstaltungen oder Kurse abhalten. Danach unterrichten diese häufig woanders und finanzieren damit ihr Leben. Einige sind auch spirituelle Leiter oder Berater von solchen Einrichtungen. Manchmal steht aber auch nur deren berühmter Name auf dem Papier und in der Werbung. Die asiatischen Lehrer haben zumeist Klosteruniversitäten besucht und Abschlüsse, die einem hiesigen Doktorgrad ähnlich sind. Ihr Fachwissen ist zumeist sehr hoch. Die westlichen Kursleiter haben ihr Wissen dagegen zumeist autodidaktisch erworben und bezeichnen sich deswegen zumeist als Schüler, Beauftragter eines berühmten asiatischen Lehrers. Zumeist haben Sie an dessen Kursprogrammen teilgenommen. In Asien ist es teilweise Tradition, dass nur der Lehren darf, der von jemandem dazu autorisiert wurde. 89 Im Westen sind die Lehrenden in erheblicher Weise von den Organisatoren der Veranstaltungen abhängig. Die Einnahmen aus diesen werden zwischen beiden aufgeteilt. Desto berühmter der Lehrer ist, je höher sind die Zahlen der Kursbesucher und somit auch die Einnahmen. Aus diesem Grund werden gern berühmte Lehrer eingeladen. Beide Seiten benötigen gewisse Geldmittel. natürlich zwingend Die Zentren, die sich gezielt auf die Erzielung von Einnahmen positionieren, stehen äußerlich zumeist besser da. Andere, die das in den Hintergrund stellen, haben erhebliche Existenzprobleme und versinken oft in der Bedeutungslosigkeit und werden kaum wahrgenommen. Jeder Interessierte wird auf eine dieser Gemeinschaften und deren Mitglieder stoßen. Ich wünsche Dir persönlich, dass diese den Buddhismus wirklich repräsentieren. 90 Hüte Dich aber bitte unbedingt vor schneller Vereinnahmung und Euphorie, sondern prüfe längere Zeit kritisch. Ich kann nicht oft genug wiederholen, dass der Buddhismus keine Sache der Gefühle ist. Du solltest anfangs unbedingt auch weitere Gruppen besuchen. Deine Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für den Erfolg der zukünftigen Praxis und ob Du wirkliches Glück findest. Gehe nicht dorthin, wo man erklärt, dass nur diese Gruppe den Dharma korrekt interpretiert, wo Du Feindschaften erlebst, wo Du ein leichtes Gefühl des Unwohlseins verspürst, wenn Du nicht regelmäßig erscheinst, wo man Dir zu verstehen gibt, dass es nicht gern gesehen wird, wenn Du andere Zentren besuchst oder wo man Dir mit karmischen Konsequenzen oder der Hölle droht, wenn Du Dich nicht an den dortigen Lehrer bindest oder wo unmoralisches Verhalten als Aufgeben der Anhaftung dargestellt werden. Die obere Warnliste ist aus Erfahrungen recht lang. Lass Dich trotzdem nicht erschrecken, denn die 91 guten Erfahrungen überwiegen insgesamt. Man muss nur genauso achtsam, wie bei der Planung des Baues und der Finanzierung eines Hauses sein. Wenn man im Internet zentrale buddhistische Begriffe recherchierst antworten zuweilen sektiererischer Vereine an vorderen Stellen. Deren Einstiegsbücher sind oft kostenlos zu erhalten. Das verführt. Sie spüren auf diese Weise Anfänger, die noch Begriffe recherchieren müssen, auf. Diese Grundinformationen werden zumeist auch sehr richtig gegeben und schaffen dadurch ein manchmal verhängnisvolles Grundvertrauen zur Quelle der Information. Durch den dann folgenden Kontakt und das Einschreiben in immer teurer werdende Lehrprogrammen des Anbieters erfolgt dann die Vereinnahmung. Das endgültige Ziel dürfte Dir nun sicher klar sein. Es ist also wichtig, hier sehr besonnen vorzugehen, denn es sind weniger Menschen durch Vorsicht, als durch Leichtsinn zu Schaden gekommen. Buddha ließ sich bei Entscheidungen niemals von 92 seinen Gefühlen leiten, das solltest Du auch berücksichtigen. Buddhismus ist eine Lehre des Geistes und nicht der Gefühle. Oft steht einer korrekten Bewertung die eigene Anfangsbegeisterung im Wege. Die neu kennengelernten Personen sind doch alle so nett und der Leiter dieser Gruppe mag dich angeblich besonders. Dies kann Dich blind machen. Logischen Ratschlägen bist Du dann schwer zugänglich. Was spricht jedoch dagegen, dass Du einige Jahre nur ein "Besucher" bist? Stell Dich ruhig als solcher im Zentrum vor. Wenn Du das liest und erschreckt gewahr wirst, dass Du schon vereinnahmt bist, zögere keine Sekunde deine falsche Entscheidung mit allen Konsequenzen zu korrigieren. Sei kein Schaf in einer Herde, die für die Schlachtung vorgesehen ist. Grundsätzlich bieten alle authentischen Traditionslinien korrekte Pfade und haben dies mit 93 vollendeten Praktizierenden bewiesen. Jede kann dabei auf ganz individuelle Übungen verweisen. Manchmal ähneln sich diese auch. Mahamudra und Tantra werden so in der Gelugpa-, Kagyü-, Nyingma- und Sakya-Tradition mit nur geringen Unterschieden prakiziert. Es ist nun einmal so, dass nicht nur ein Weg zum Gipfel des Berges führt. Man kann wiederum auch nicht alle Wege gleichzeitig gehen. Die menschliche Lebenszeit ist in Bezug auf das bedeutende Ziel sehr kurz und unkalkulierbar. Auch aus diesem Grund ist eine Entscheidung für eine Traditionslinie sinnvoll. Diese bedeutet aber keinesfalls, dass es jemandem nach der Entscheidung verboten ist, andere Zentren zu besuchen oder Einweihungen anderer Traditionen zu verweigern. Schau Dich ruhig um, aber konzentriere Dich überwiegend auf die Erfahrungen einer Linie. Du kannst auch mehrere Lehrer gleichzeitig haben. Oder 94 glaubst Du wirklich, der Dalai Lama oder die lehrenden Rinpoches hatten nur einen Lehrer (aus einer Tradtionslinie)? Jeder Wanderer sollte sich innerlich einen für ihn geeigneten Weg aussuchen. Der eine ist in der Lage, einen steilen kurzen Weg zu beschreiten, ein anderer muss ruhig und gemächlich dem längsten, aber sichersten Weg folgen. Beide erreichen letztendlich den Gipfel und somit das Ziel ihrer Bemühungen, auch wenn die aufgewandte Zeit verschieden ist. Das inzwischen große Angebot im Westen verwirrt schnell. Zudem heißt es häufig in den jeweiligen Schriften, dass gerade oder nur diese eine Praxis ganz besonders schnell zum Ziel führe. Damit ist aber nicht gemeint, dass nicht auch andere Praktiken das Gleiche leisten. Es ist auch in Ordnung, dass man Schriften mehrerer Traditionslinien liest oder auch mal deren Praktiken ausprobiert. 95 Das sollte aber keine so sein, als ginge man zwei Wege gleichzeitig. Ein Seitenweg kann manchmal sogar eine Abkürzung zum Hauptweg sein, muss es aber nicht. Die Entscheidung für eine Traditionslinie beschleunigt in der Regel die Entwicklung und verschafft Klarheit. Es gibt inzwischen in jeder Linie so viele in unsere Sprache übersetzte Schriften, dass man sie niemals alle im jetzigen Leben bewältigen kann. Folgende Traditionslinien (unvollständige Aufzählung) sind im Westen sehr bekannt: Nyingma, Kagyü, Sakya, Zen und Gelugpa. Auch nach der Entscheidung, sollte man keinesfalls auf die anderen herabschauen und die eigene überhöhen. Das widerspräche buddhistischen Vorstellungen. 96 (© robodread – Fotolia.com) Atisha 97 Der Lehrer Dieses Thema wird aus verschiedenen Gründen immer wieder ausgiebig diskutiert und besprochen. An Lehrern, die spirituelle Freunde werden könnten, mangelt es an sich nicht. Buddhistische Schriften weisen auf folgende Vorteile hin, wenn man sich auf einen geeigneten Lehrer zu stützt: 1. Du machst Fortschritte auf dem Weg zu Erleuchtung. 2. Wir erfreuen alle Buddhas. 3. Weder Geister/Dämonen (Symbol für geistige Gifte) noch andere bösartige Einflüsse können Dir schaden. 4. Du überwindest mit Leichtigkeit Fehler und Verblendungen 5. Deine Erfahrungen und Realisationen der spirituellen Ebenen und Pfade nehmen außerordentlich zu. 98 6. Dir werden niemals spirituelle Freunde fehlen. 7. Du wirst wiedergeboren. nicht in (auch niederen zukünftig) Bereichen 8. Alle Deine vorübergehenden und endgültigen Wünsche werden leicht erfüllt. Wie in allen Religionen, werden leider manchmal auch Teile der buddhistischen Lehre zur Erlangung von persönlichen Vorteilen benutzt, obwohl sie dann kein Dharma mehr sind. Ein auf einen Zweck gerichtetes und somit einseitig interpretiertes Lehrer-Schüler-Verhältnis wird häufig dafür benutzt. Natürlich ist der Dharma von unschätzbarem Wert. Jeder wirkliche Buddhist hat das auch realisiert. Das heißt jedoch nicht, dass ich als Buddhist, Lehrer, Meister u.s.w. ihn so teuer wie möglich „verkaufe“ und mir „Haus, Hof, ein teures Auto, Aufmerksamkeiten, sklavische Bedienung u.s.w.“ damit finanzieren lasse und von den Schülern heuchlerisch fordere, dass sie an „Nichts“ haften sollen und „Geschenke“ an ...? eine besonders gute Praxis sind. Das Geben von Dana (buddhistische Gabe) ist von 99 hohem Wert für die Praxis der Freigebigkeit. Wenn aber Dana gepredigt wird, um letztlich Einnahmen zu erzielen, verliert das Geben seinen Wert. Der Grat ist also schmal und für vertrauensvolle Neueinsteiger oft schwer auszumachen. Der jetzige Lehrer wird zuweilen in tantrischen Schriften über den Buddha gestellt. den Dies aber darzustellen, um Schüler materiell an sich zu binden, ist wiederum etwas ganz anderes. Wird in der Gemeinschaft, die Du besuchst, sehr viel (mehr als üblich) über die Notwendigkeit der Bindung an einen Lehrer gesprochen, so sei achtsam und prüfe besonders kritisch. Du solltest weiterhin wissen, dass Reichtum im Buddhismus eigentlich ein positives karmisches Ergebnis ist. Selbst Padmashambhava und Atisha gaben sehr viel Gold für die Lehre. Sie besaßen es aber auch ausreichend! Es ist ein Unterschied ob jemand, der gerade über 100 die Runden kommt, seine wenigen Ersparnisse hergibt oder ob ein reicher Mensch, der weiß, dass neues Geld nachfließt eine größere Summe verschenkt. Es ist nicht sinnvoll sich sinnlos in eine Notlage zu begeben. Große Gaben haben auch im Buddhismus eine gewisse Tradition und sollen den Wert des Dharma herausstellen. Deswegen forderte auch der große Marpa bei mancher tantrischen Belehrung von seinen Schülern die Hergabe des letzten kranken Zickleins aus ihrem Besitz als Gegenleistung für den wertvollen Dharma. Marpa versorgte aber ebenso großherzig zu anderer Zeit seinen mittellosen Schüler Milarepa. Er selbst gab mehrfach seinen gesamten Besitz her, um in Indien wertvolle Schriften und Belehrungen von Naropa zu erhalten. Auch das ist eine spannende Geschichte. Reiche Geldgeber unterstützen traditionell die Klöster. Leider musste aber auch so mancher arme Mönch zusehen, wie sein reicher Mitstudent, ohne an Teilen zu denken, neben ihm seine fette Wurst aß. Das ist leider auch gelebter nicht-buddhistischer Alltag in einer äußerlich buddhistischen Gemeinschaft. Man muss da genau hinsehen und immer anhand 101 des Dharmas entscheiden, was korrekt ist. Nicht der Buddhismus trägt daran die Schuld, sondern Menschen, die eben - wie in dieser Welt üblich handeln. Hätte der Erleuchtete sein Essen geteilt? Wenn ich unsicher bin, frage ich mich immer, wie wohl der Buddha an dieser Stelle gehandelt hätte. Das erleichtert viele Entscheidungen. Es ist also sehr gut, wenn jemand etwas für die Gemeinschaft geben will, gut wenn er auch noch geben kann, besonders gut, wenn er sein Geld so einsetzt, dass es wirklich Nutzen bringt. Hat jemand wenig Besitz, so sollte er andere Dinge wie Freundlichkeit, Nettigkeit, Fleiß (damit ist kein weltlicher gemeint!) und einen offenen Geist geben. Auf die Höhe sollte es also an sich nicht ankommen, denn das Wichtigste ist die Motivation. Diese sollte rein sein. Das größte und wertvollste Geschenk ist das Geben von Dharma. Materielle Gaben haben zumeist buddhistischen Wert, oft gar keinen. geringen Ein Buddhist sollte sich deswegen vorrangig bemühen, eines Tages Dharma geben zu können. 102 Wenn jemand aus falschem Verständnis heraus verarmt, erntet er sogar Spott anstelle der gewünschten Anerkennung. Ein Lehrer ist auch deswegen nicht unbedingt ein besonders guter, weil seine Schüler ihn rühmen. Denn je größer ein Lehrer anderen Personen erscheint, um so bedeutsamer ist es, einer seiner (engen) Schüler zu sein. Wir leben eben in Samsara und die als Buddhisten bezeichneten Personen sind zumeist auch nur gewöhnliche Menschen. Sie bemühen sich aber zumindest oftmals, ihre Qualitäten zu verbessern. Das ist in der heutigen Zeit, wo viele Menschen zumeist nur an Ihren Äußerlichkeiten arbeiten, schon einmal viel wert. Neue Schüler haben im Westen oft wenig Möglichkeiten, einen direkten Kontakt mit einem Lehrer herzustellen. Oft kommt noch eine Sprachbarriere hinzu. Einen korrekt lehrenden Meister zu finden, gleicht dem Suchen einer Stecknadel in einem Heuhaufen. Vertrau hier nur Deiner gesunden Urteilskraft 103 aufgrund der Hinweise buddhistischer Schriften und nicht dem ersten Moment religiöser Begeisterung. Ein spiritueller Lehrer, der in den verschiedensten Traditionen und sogar außerhalb der buddhistischen Welt über jeden Zweifel erhaben ist, dürfte der XIV. Dalai Lama sein. Er ist sogar Friedensnobelpreisträger. Wenn jemand zu Belehrungen gehst, die er immer wieder in Europa gibt, ist auch er automatisch einer seiner Schüler. Ein richtiger Schüler wird man jedoch erst dann, wenn man die Empfehlungen seines Lehrmeisters auch befolgt. Es ist sinnvoll, sie darum als persönliche Anweisungen zu betrachten. Trotzdem sind auch diese anhand des Dharmas kritisch zu prüfen. Stimmen sie nicht mit ihm überein, sollte man ihnen auch nicht folgen. Buddha forderte nie blinden Gehorsam, sondern stets die Überprüfung. Warum sollte man also auf diese verzichten? Findest jemand vorerst 104 keinen persönlichen Wegführer, so sollte er den Buddha und den Dharma als seinen Lehrer betrachten. Damit macht er nichts falsch. So lange Du nicht Tantra praktizierst und noch einen Lehrmeister suchst, betrachte innerlich alle bisherigen Lehrer ausschließlich Dharmafreunde. Dagegen ist nichts einzuwenden. Derjenige unter diesen, der im Laufe der Zeit am meisten nutzbares Wissen und Erkenntnisse im Sinne des Dharma vermittelt, der dadurch und nicht nur durch Freundlichkeiten und Aufmerksamkeiten am gütigsten zu Dir war, wird zu Deinem Hauptlehrer. Verschaffe Dir einmal ein sogenanntes „Interview“ und sage ihm dabei, dass Du Dich inzwischen als sein Schüler fühlst und frag ihn, ob er Einwände dagegen hat. Seine Antwort wird Dir weitere Motivation verschaffen. Das Gleiche gilt für das Tantra. Hier heißt es sogar, dass Du jeden Lehrer als Buddha betrachten sollst und dass Du durch die 105 Initiation ein unzerstörbares Band knüpfst und in der Hölle landest, wenn Du ihn aufgibst. Lass Dich davon nicht erschrecken, denn Du übst im Moment nur und praktizierst eigentlich noch gar nicht wirkliches Tantra. Die obigen Hinweise beziehen sich also auf Bodhisattvas und nicht auf gewöhnliche Übende, wie wir es alle zumeist sind. Es wäre doch auch wirklich nicht nachzuvollziehen, wenn ein Bodhisattva seinen Meister aufgibt?! Mir ist kein Beispiel bekannt, wo es das jemals gegeben hat. Eine Einweihung knüpft erst dann ein Band, wenn sowohl Lehrer als auch Schüler die Einweihung komplett gegeben und genommen, miteinander meditiert, alles verstanden und verinnerlicht haben. Dies dürfte erst eintreten, wenn beide sehr weit fortgeschrittene Praktizierende - somit Bodhisattvas sind und nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Solche Gurus und Schüler dürften sehr selten zu finden sein. 106 Einweihungen können heutzutage auch gegeben werden, wenn der tantrische Meister bisher nur gewisse Erfahrungen erworben hat. Somit existiert am Anfang allenfalls ein lockeres Bändchen zwischen Dir und diesem. Auch der Dalai Lama hat sich mehrfach zu diesem Thema geäußert. Einmal sagte er sinngemäß, dass sich Schüler manchmal bei ihm über ihren Wegführer beklagen, obwohl sie sich doch den falschen Lehrer selbst ausgesucht hätten. Damit macht er deutlich, dass jeder für sich selbst die Verantwortung trägt und darum sehr sorgfältig wählen muss. Dies ist sinnvoller als hinterher zu klagen. Man muss ein haltbares Fundament errichten. Nur so wird man wirkliches Glück erfahren können. So mancher träumt davon, ein sogenannter Hauptschüler eines berühmten Lama zu werden. Dies kann der eigenen Praxis sogar im Wege 107 stehen. Tibetische Gelehrte sagen scherzhaft in Bezug auf eine gleichnamige buddhistische Schrift, dass es besser sei, seinen Guru aus der Ferne anzurufen, als in seiner Nähe zu sein. Durch diese sieht man sehr schnell gewöhnliche Fehler, denen man eigentlich keine Aufmerksamkeit schenken sollte. Es geht ja eben nicht um Äußerlichkeiten oder Höflichkeiten, sondern um ein ganz anderes Band. Ich hoffe Du hast dies inzwischen verstanden. Der Gelehrte Asanga hat die notwendigen Qualitäten eines spirituellen Meisters so zusammengefasst: 1. Sein Geist wird durch die Praxis moralischen Disziplin kontrolliert. der 2. Sein Geist ist durch die Praxis von Konzentration friedlich und unablenkbar geworden. 3. Er hat ein vermindertes Festhalten am Selbst (Ich) durch die Weisheitspraxis. 4. Sein Wissen ist größer als das seiner Schüler. 108 5. Er hat Freude daran, den Dharma zu lehren. 6. Seine Schriftenkenntnis ist hoch. 7. Er hat eine tiefe und stabile Realisation der Selbstlosigkeit (Leerheit). 8. Sein Geschick beim Erklären des Dharmas ist groß. 9. Er besitzt Mitgefühl und Liebe für die Schüler. 10. Er lehrt den Dharma begeistert und ist dabei nicht faul oder pessimistisch (in Bezug auf die Schüler). Je mehr Qualitäten Dein gewählter Lehrer aufweisen kann, um so nutzvoller wird er sein. Asiatische Lehrer verfügen zumeist über ein hohes fachliches Wissen, die Sprachbarriere ist aber nicht zu unterschätzen und kann zu Fehlinterpretationen führen. Diese Lehrer unterscheiden zuweilen auch innerlich zwischen der fachlich ausgebildeten Mönchs-Sang-ha und dem buddhistischen Volksglauben der in Asien gewohnten LaienAnhänger. Ideal ist also ein asiatisch ausgebildeter, deutsch/englisch sprechender, eventuell sogar hier 109 lebender und mit den hiesigen Problemen vertrauter Lehrer. Davon gibt es dann leider recht wenig. Der erste (rituelle) Zufluchtslama ist dies nur seltenen Fällen. So lange Du Dich auf Buddha selbst stützt und die Belehrungen „spiritueller Freunde“ als gute Schulung betrachtest, kannst Du nichts falsch machen. In der Regel findet sich dann schon im Laufe der Zeit der geeignete spirituelle Meister. Es wäre wunderbar, wenn Dir diese ehrlichen Ratschläge geholfen haben, die Grundlagen des Buddhismus besser zu verstehen, wirklich glücklich zu werden, Fehler von Anfang an zu vermeiden und ein goldenes Fundament für Deine zukünftige Praxis zu errichten. Viele der Ratschläge erschienen vielleicht bei oberflächlicher Betrachtung einfach. Dem ist jedoch nicht so. Ein korrekt Praktizierender weiß, wie hoch der Wert jedes einzelnen Hinweises ist. Wird nur einer vergessen und werden die aufgezeigten Fehler nicht vermieden, dürfte die gesamte Praxis, trotz des Lesens bedeutsamer Werke großer Meister, wirkungslos bleiben. Das Verständnis des Buddhismus spiegelt sich in 110 der täglichen Praxis und Umsetzung im normalen Leben wieder. Die Ratschläge basieren auf der traditionellen buddhistischen Lehre und erhalten gerade dadurch ihren Wert. 111 Kontrolliere Dein Wissen Was unterscheidet die kleine von der großen Erleuchtung? Welche konkreten Inhalte Erleuchtungsmeditation des Buddha? hatte die Was ist Bodhicitta? Was verstehen wir unter Mahayana und Hinayana? Welche zehn Qualitäten sollte Dein Lehrer idealerweise haben? Warum nehme ich auch Zuflucht zur Sangha und zum Dharma? Was unterscheidet den buddhistischen Begriff „Mitgefühl“ von dem weltlichen/üblichen Verständnis des Begriffes? Was sind die buddhistischen Bedeutungsinhalt der Begriffe „Entsagung“, „Mitgefühl“ und „Gleichmut“? Wodurch unterscheidet sich Buddhismus von einer Religion? 112 Was ist die Kernlehre (auch das verbindende Glied zwischen den buddhistischen Traditionslinien) des Buddhismus? Worin besteht der Unterschied zwischen buddhistischen und anderen Meditationen? Was versteht man genau unter buddhistischer Wiedergeburt? Erkläre dabei die Beziehung von gegenwärtiger und zukünftiger/vergangener Person. Du hast dieses Buch recht gut verstanden, wenn Du alle Fragen einem anderen mit eigenen Worten verständlich und logisch erklären kannst. Prüfe Dich von Zeit zu Zeit. Hinweis Der andere Teil der Reihe heißt: Glück durch Buddhismus Meditation Mitgefühl Weisheit. Er enthält die anderen Kapitel des Ratgebers. 113 Buchempfehlungen zur Vertiefung des Basiswissen Dalai Lama: Die vier edlen Wahrheiten: Die Grundlagen buddhistischer Praxis; Fischer Taschenbuch Verlag 2011. Gampopa: Juwelenschmuck der geistigen Befreiung: Das kostbare Ornament der heiligen Belehrungen, die wie ein wunscherfüllender Edelstein den Geist zur Befreiung führen; Tashi Verlag 2005. Namkha Päl: Sonnenstrahlen des Geistestrainings: Ein Kommentar zum 7-PunkteGeistestraining; Theseus Verlag 1997. Pabongka Rinpoche: 114 Befreiung in unseren Händen: Eine kurze Überweisung über den Pfad zur Erleuchtung; Diamant Verlag 1997. Ketsün Sangpo Rinpoche: Die Praxis des Tantra: Vorbereitung und Hinführung zur großen Vollendung; Diederichs 2010. Khenchen Könchog Gyaltsen Rinpoche: Der fünfteilige Mahamudra-Pfad; Otter Verlag 2004. 115 Lhamo Losang Die Koautor-in (Lhamo Losang) hat zahlreiche Bücher unter dem Pseudonym Tatana Fedorovna veröffentlicht. Immer wieder finden sich diese in den Bestsellerlisten der jeweiligen Kategorie. 116 117 Klappentext: Ist es verrückt, wenn ein steinreicher junger Erbe die große Liebe sucht? Vielleicht schon, wenn es nur die Allervollkommenste sein darf! Was hat die Suche nach ihr aber mit Werwölfen, jungen Hexen und Vampirblut zu tun? Wer ist die geheimnisvolle Galina? Dieses humorvolle Liebes-Fantasy-Abenteuer leitet die spannende Reihe ein und bietet so manche Überraschung. Leserstimmen zu bisherigen Ausgaben: -Dieses Buch ist nicht nur Fantasy sondern auch realitätsnah (Anja Schmitt) -Die Charaktere sind alle außergewöhnlich gezeichnet und jeder für sich etwas Besonderes (Bookrix-Blog) -Insgesamt ein sehr gelungenes Buch, das sich gut lesen lässt und das ich sehr empfehlen kann (Sosi) 118 Das Meisterwerk begeistert die Leser! 119 Nach einer wahren Gescheichte. 120 121