Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Juristische Fakultät - Dr. Ekkehart Reimer Grundkurs Verfassungsrecht II / Übung im Öffentlichen Recht für Anfänger Wintersemester 2005/06 Hausarbeit Nach Medienberichten haben einzelne Mitglieder des Deutschen Bundestages Geldbeträge aus dem Bereich der privaten Wirtschaft entgegengenommen, ohne dafür gleichwertige Dienstleistungen erbracht zu haben. Um dem Verdacht der Käuflichkeit von Parlamentariern für die Zukunft entgegenzuwirken, bringen 50 Abgeordnete der Opposition den anliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unabhängigkeit der Mitglieder des Deutschen Bundestages (AbgUnabhG) in das Gesetzgebungsverfahren ein. Der Bundesminister des Innern äußert erhebliche Zweifel an der materiellen Verfassungsmäßigkeit dieses Entwurfs. Der Minister wird dabei vom Bundeskanzler und weiteren Kabinettsmitgliedern unterstützt. Sie weisen auf fundamentale Unterschiede zwischen Legislative einerseits und Exekutive und Judikative anderseits hin. Das Gesetz führe zu einer unerträglichen Gängelung der Abgeordneten. Zudem schrecke es vermögende Honoratioren und Verantwortungsträger aus dem Bereich der Wirtschaft von vornherein von einer Kandidatur für den Bundestag ab. Demgegenüber vertritt der Bundespräsident in einem ausführlichen, eigens zu diesem Thema aufgenommenen Fernsehinterview die Auffassung, das Gesetz sei in vollem Umfang verfassungsmäßig. Die Demokratie sei auf die Unabhängigkeit der Parlamentarier, aber auch auf eine möglichst lückenlose öffentliche Kontrolle angewiesen. Schließlich müssten die Wähler wissen, mit wem sie es zu tun haben. Er kündigt an, das Gesetz – wenn es eine Mehrheit finde – auf jeden Fall ausfertigen zu wollen. Das Interview wird wenige Tage vor der dritten Lesung des Gesetzentwurfs ausgestrahlt. Daraufhin stimmen im Bundestag außer den Abgeordneten der oppositionellen O-Fraktion überraschend auch einige Mitglieder der Regierungsfraktionen für den Entwurf, so dass das Gesetz mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen wird. Der Bundeskanzler und der Bundesminister des Innern bleiben allerdings bei ihrer Meinung, das Gesetz sei verfassungswidrig. Sie lehnen es daher ab, das Gesetz gegenzuzeichnen und es dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorzulegen. Vermerk für die Bearbeiter: In einem Rechtsgutachten, das die Grundrechte außer Betracht lässt, sind folgende Fragen zu beantworten: 1. Die O-Fraktion möchte, dass das Gesetz doch noch in Kraft tritt. Kann sie dies mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich durchsetzen? 2. Die Bundesregierung ist empört über die Interviewäußerungen des Bundespräsidenten. Kann sie mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich gegen ihn vorgehen? Formalia: Die Ausarbeitung darf einschließlich der Fußnoten einen Umfang von 20 Seiten (DIN A4; Seitenrand rechts und links zusammen 9 cm; Schriftgrad im Haupttext 12 Punkt, in den Fußnoten 10 Punkt; Zeilenabstand im Haupttext 1,5) nicht übersteigen. Zu ergänzen sind Deckblatt, Gliederung und Literaturverzeichnis. Die Verfasser haben ihre Arbeit mit Namen zu unterschreiben und ihnen die Versicherung beizufügen, dass sie sie selbständig angefertigt und andere Quellen und Hilfsmittel als die angegebenen nicht benutzt haben (§ 4 Abs. 4 ZwPrO). Abgabe spätestens am Freitag, 14. Oktober 2005, während der Öffnungszeiten an der Pforte des Juristischen Seminars, Friedrich-Ebert-Anlage 6-10, 69117 Heidelberg oder Zusendung per Post (Poststempel spätestens 14.10.2005) an die Juristische Fakultät der Universität Heidelberg, Institut für Finanz- und Steuerrecht, z. Hd. Herrn Dr. Ekkehart Reimer, Friedrich-Ebert-Anlage 6-10, 69117 Heidelberg. Anlage: AbgUnabhG § 1. Besorgnis der Befangenheit. (1) 1Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Mandatsausübung zu rechtfertigen, so hat der betroffene Abgeordnete den Bundestagspräsidenten zu unterrichten. 2Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Bundestagspräsidenten, so hat dieser den Ältestenrat zu unterrichten. (2) 1Der Bundestag entscheidet darüber, ob für den betroffenen Abgeordneten die Besorgnis der Befangenheit besteht. 2Der betroffene Abgeordnete darf an dieser Entscheidung nicht mitwirken. 3Sieht der Bundestag die Besorgnis der Befangenheit als gegeben an, darf der betroffene Abgeordnete bei der weiteren Beratung und Beschlussfassung nicht zugegen sein. (3) Absatz 2 findet auch Anwendung, wenn eine Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages das Vorliegen eines Grundes im Sinne von Absatz 1 behaupten. § 2. Treuhänderische Vermögensverwaltung. (1) Mitglieder des Deutschen Bundestages, deren Privatvermögen am Tag ihrer Wahl einen Verkehrswert von mehr als 100.000 Euro hat, haben sämtliche mit Ausnahme der zum Lebensbedarf erforderlichen Vermögensgegenstände für die Zeit ihrer Mitgliedschaft einem vom Präsidenten des Deutschen Bundestages zu ernennenden Treuhänder zu übertragen. (2) 1Der Treuhänder ist an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. 2Er hat das Vermögen mündelsicher anzulegen und nach seinem Ermessen umzuschichten. 3Die Früchte verbleiben im Treuhandvermögen. (3) 1Der Treuhänder hat dem Treugeber nach dessen Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag umfassend Rechenschaft abzulegen. 2Vorher ist er nicht berechtigt, dem Treugeber Mitteilungen über den Bestand oder die Veränderungen seines Vermögens im ganzen oder einzelner Vermögensgegenstände zu machen. § 3. Anzeigepflichten. (1) 1Mitglieder des Deutschen Bundestages haben dem Bundestagspräsidenten sämtliche Einnahmen in Geld und in Geldes Wert anzuzeigen, die sie während ihrer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erzielen. 2Entsprechendes gilt für ehemalige Mitglieder des Deutschen Bundestages im Hinblick auf Einnahmen, die durch die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag veranlasst sind. 3Als Einnahmen gelten auch ersparte Aufwendungen. 4Nicht anzuzeigen sind Einnahmen, die im Treuhandvermögen verbleiben (§ 2 Abs. 2 Satz 3). (2) Die Anzeigepflicht umfasst 1. den Wert des empfangenen Gegenstandes, 2. Name und Anschrift des Leistenden, 3. Name und Anschrift Dritter, soweit die Leistung in ihrem Auftrag oder auf ihre Rechnung erbracht wird, 4. den Rechtsgrund der Zahlung, gegebenenfalls einschließlich Art und Inhalt einer von dem Mandatsträger erbrachten Gegenleistung. (3) 1Die Angaben sind bis zum 31. März eines Jahres für das vorangegangene Kalenderjahr zu machen. 2 Der Bundestagspräsident veröffentlicht diese Angaben. § 4. Verstöße. (1) Vermögen, das unter Verstoß gegen § 2 nicht auf einen Treuhänder übertragen wird, ist dem Haushalt des Bundes zuzuführen. (2) Mitglieder des Bundestages, die Einnahmen im Sinne des § 3 nicht ordnungsgemäß anzeigen, haben einen Geldbetrag im dreifachen Wert dieser Einnahmen dem Haushalt des Bundes zuzuführen. (3) § 44a Abs. 3 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) in der Fassung des Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes gilt entsprechend. § 5. Übergangs- und Schlussbestimmungen. (1) [Aufhebung entbehrlich werdender Vorschriften des Abgeordnetengesetzes] (2) [Inkrafttreten]