Nichts mehr unter dem Hut halten

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Nichts mehr unter dem Hut halten!
Kommentar der anderen, D. Walch, der Standard 5. April 2016,
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Die nun aufgekommenen Praktiken in Panama sind sicherlich keine Einzelfälle: Die
Verflechtungen zwischen politischen und wirtschaftlichen Eliten unterstützen dieses System aus
äußerst zwielichtigen Geschäften – und zwar weltweit. Die Offshore-Enthüllungen PanamaLeaks sind keine Überraschung. Seit vielen Jahren ist bekannt, welch unglaubliche Summen an
privatem Finanzvermögen offshore gehalten werden. Konservative Schätzungen sprechen von
21.000 bis 32.000 Milliarden US-Dollar.
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Während den Staaten jährlich weltweit hunderte Milliarden Dollar durch Steuerbetrug der
Reichen und Superreichen verloren gehen, nimmt man in Europa lieber den Sozialstaat ins Visier
oder plant wie in Österreich Kürzungen bei der finanziellen Unterstützung für die Schwächsten
der Gesellschaft. Man wusste seit Jahren, dass Panama rund 350.000 geheime Briefkastenfirmen
beherbergt. Doch selbst mit dieser unglaublichen Zahl liegt das Land noch hinter Hongkong und
den British Virgin Islands (welche ironischerweise auf einer "weißen Liste" der OECD zu finden
sind). Gleichzeitig liegt Panama "nur" an 13. Stelle der Rangliste der intransparentesten
Finanzplätze. All das zeigt, dass das globale Finanzsystem in weiten Teilen noch immer eine
sehr wenig transparent ist. Wie ist das möglich?
Auf den ersten Blick zeigen die Recherchen eine erschreckende Verstrickung korrupter
politischer Eliten. Doch die Skandalisierung und Personalisierung dieser besonders
medientauglichen Fälle darf nicht vom grundsätzlichen demokratiepolitischen Ausmaß des
Problems ablenken: Denn es sind die ganz "legalen" Verflechtungen zwischen politischen und
wirtschaftlichen Eliten, die dieses System ermöglichen. Offshore-Kanzleien arbeiten nicht
isoliert. Um ihre grenzüberschreitenden Strukturen anbieten zu können, benötigen sie
Steuerberatungskanzleien oder Banken als Vermittler.
Die großen Fische im Panama-Kanal sind europäische Banken aus der Schweiz, Luxemburg oder
Großbritannien. Deren enge Beziehungen zur Politik sind vielfach dokumentiert. Eine Folge
davon ist, dass Strafandrohungen für Finanzinstitute, die in zwielichtige Geschäfte involviert
sind, meist viel zu niedrig sind. Die großen Steuerberatungskanzleien wiederum entwickeln nicht
nur fragwürdige Steuersparmodelle für Konzerne, sondern sitzen auch in zahlreichen EUExpertengruppen zu steuerpolitischen Fragen. In der EU-Plattform für verantwortungsvolles
Handeln im Steuerwesen ist neben dem größten europäischen Industriellenverband Business
Europe auch die Steuerberatungskanzlei Pricewaterhouse-Coopers vertreten. Und der
Chefkonstrukteur der wichtigsten EU-Steueroase, nämlich Luxemburg, hat es bekanntlich zum
Chef der EU-Kommission gebracht.
Pläne unzureichend – Die Panama-Leaks zeigt erneut, wie unabdingbar es ist, die wahren
wirtschaftlichen Eigentümer hinter Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen offenzulegen.
Derartige Konstruktionen haben keine Existenzberechtigung – es sei denn, man hat etwas zu
verbergen. Attac und viele andere fordern seit Jahren Register, welche die wahren Eigentümer
solcher Konstrukte nennen – umgesetzt sind sie bis heute nicht. Wie wenig die EU selbst an
Transparenz interessiert ist, zeigt die in Umsetzung befindliche EU-Geldwäsche-Richtlinie:
Medien und Zivilgesellschaft sollen keinen vollen öffentlichen Zugang erhalten. Auch die neuen
internationalen OECD-Regeln zum automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden
bleiben lückenhaft. Länder wie Panama oder die USA verweigern die Teilnahme – ohne dass sie
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politischen Druck oder wirtschaftliche Sanktionen zu befürchten hätten. Dabei haben die USA
vorgemacht, wie schnell mit dem nötigen Nachdruck sogar das eiserne Schweizer
Bankgeheimnis zu knacken ist. Doch viele der intransparentesten Finanzplätze sind selbst
OECD-Staaten oder – wie im Falle britischer Inseln – von ihnen abhängige Gebiete. Sanktionen
wären daher ein Schuss ins eigene Knie. Auf technischer Ebene erschwert es der
Informationsaustausch zwar ab 2017/18, im Ausland geparktes Geld zu verstecken. Dennoch
existieren zahlreiche Schlupflöcher – das ‚Tax Justice Network‘ listet 35 auf! Steuerbetrüger und
Kriminelle können sehr einfach Konten in nichtteilnehmenden Staaten eröffnen. Einige
intransparente Konstruktionen sind zudem gänzlich vom Austausch ausgenommen. Der
Grenzwert, ab dem Finanzinstitute Informationen übermitteln müssen, ist mit 250.000 Dollar
sehr hoch und lässt sich leicht umgehen. Und ausgerechnet den ärmsten Ländern wird die
Teilnahme am Austausch erschwert. Sie haben oft nicht die Kapazitäten, selbst automatisch
Daten liefern zu können, und dürfen daher auch keine erhalten.
Test für Demokratien - Die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft zeigen klar: Die
Regierungen haben wenig Interesse, Licht ins Dunkel zu bringen. Die politische Rhetorik hat
sich zwar verändert – doch auch sieben Jahre nach den vollmundigen Versprechen der G20 ist
das Offshore-System lebendig wie eh und je. Wir sind daher weiterhin auf Whistleblower,
geleakte Geheimdokumente, NGOs und Journalisten angewiesen, um dieses System
aufzubrechen. Panama-Leaks bietet eine weitere Gelegenheit, den öffentlichen Druck auf
Regierungen zu erhöhen. Der Kampf gegen Steuerhinterziehung der Reichen und gegen eine
Politik für das "eine Prozent" ist ein entscheidender Test für unsere Demokratien.
David Walch ist Sprecher von Attac Österreich. Die "association pour la taxation des transactions financières et pour
l'action citoyenne" (Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger) ist eine
globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation.
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