- Katholische Sozialakademie Österreichs

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Hannes Kreller Allianz für den freien Sonntag Deutschland
Der „Wettlauf der Besessenen wurde zum Advent eingeläutet“
In Deutschland zerstörte die Föderalismusreform einheitliche Regelungen für den
freien Sonntag. Einzelne Bundesländer haben in einem Schnellverfahren alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um gesetzliche Voraussetzungen für eine Rund-um-die-UhrGesellschaft an Werktagen zu schaffen und als Einstieg wurden in Berlin zehn verkaufsoffene Sonntage als „Weihegabe“ auf dem „Altar der Ladentheke“ geopfert.
Diese Entwicklung führte in Deutschland, am 3. November 2006, zur Gründung der
„Allianz für den freien Sonntag“. Die Gründungsväter und –mütter sind die Gewerkschaft ver.di, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands, die Katholische
Betriebsseelsorge Deutschlands und der Bundesverband evangelischer Arbeitnehmerorganisationen Deutschlands.
Der Sonntag ist für uns der Tag der Freiheit, d.h. der äußeren und inneren Befreiung
von Kauf- und Konsumzwang, von Arbeitswut und Leistungszwang, von Alltagsdruck
und rastloser Hetze. Diese Auffassung wird bereits deutlich aus einem Zitat aus dem
7. Jahrhundert nach Christus: „Wenn ein freier Mann nach dreimaliger Mahnung vom
Arbeiten am Sonntag nicht lässt, soll er die Freiheit verlieren und leibeigener Knecht
werden – da er am heiligen Tag nicht hat frei sein wollen.“
Diese sonntägliche Befreiung ist damit nicht nur als Befreiung von, sondern auch als
Befreiung zu gemeint – Befreiung zu notwendiger Erholung und Entspannung, zu
Arbeitsruhe und zweckfreier Muße, zu Begegnung und zu bewusster gemeinsamer
Lebensgestaltung, Befreiung also zu mehr Menschsein und Lebensqualität.
Der Sonntag dient dem Zusammenhalten, ja dem Überleben unserer Gesellschaft.
Wir sind fest davon überzeugt, dass keine Gesellschaft, kein Staat ohne den Rhythmus von Arbeit und Ruhe, von Leistung und Muße auf lange Sicht existieren kann.
Unsere hektische, atemlose, immer schneller werdende Gesellschaft braucht dringend eine fest verankerte Zeit des gemeinsamen Aufatmens – eine Zeit, die echte
Begegnungen in Familie und Freundeskreis, die wirkliche Gemeinschaft bei Festen
sowie bei kulturellen, sportlichen, politischen und kirchlichen Veranstaltungen ermöglicht und fördert. Beklagt wird, dass das soziale Miteinander immer mehr abnimmt
und die gleichen Personen verhindern durch Gesetz ein gemeinschaftsorientiertes,
ehrenamtliches Engagement als „Kitt“ einer sozialen gesellschaftlichen Entwicklung.
Allianz für den freien Sonntag Österreich
Pressekonferenz 5.12.2006
Die gemeinsame Zeit ist also der springende Punkt – eine bloß individuell verbrachte
Freizeit ist auf Dauer keine echte Lebenshilfe! Die gemeinsame Erklärung unserer
Sonntagsallianz stellt zu Recht fest: „Dass eine ganze Gesellschaft zur selben
Zeit gemeinsam innehält, ist alles andere als unzeitgemäß. Der recht verstandene Sonntag setzt ein Zeichen gegen die Auflösung von gewachsenen Gemeinschaften, die Zersplitterung der Familie, die alleinige Ausrichtung auf Produktion und Kapital.“
Damit komme ich zu einem weiteren wesentlichen Aspekt der Erhaltung des Sonntags – nämlich: Der Sonntag ist für uns der Tag des Protestes gegen das Diktat der
Wirtschaft, gegen die totale Ökonomisierung aller Bereiche unseres menschlichen
und gesellschaftlichen Lebens. Denn: Am Sonntag herrschen nicht die Marktgesetze,
sondern die Gesetze der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und Solidarität – und das
hat klare Konsequenzen für unser Handeln. Der Sonntag ist deshalb auch der
„Tag des Herrn und nicht der Tag des Hertie“.
Der Wettlauf der Besessenen wurde zum Advent eingeläutet. Die vielfältigen
Ausnahmeregelungen in verschiedenen Ländergesetzen sind löchrig und schwammig und ein „Einfallstor zum sonntäglichen Shopping“. Die zahlreichen Ausnahmeregelungen sind kein Hemmnis am Sonntag, die Läden nicht zu öffnen, sondern Aufforderung das Gesetz zu umgehen und den Sonntagsschutz auszuhebeln. Die Bundesländer, die sich dieser Entwicklung verweigert haben, geraten heftig unter Beschuss des Groß- und Einzelhandels. Befürchtet wird, dass Umsätze in Nachbarländer abfließen. Diese ökonomische Betrachtung wird als vorrangiger Maßstab für zukünftige politische Entscheidungen zum Abbau des „freien Sonntags“ gepuscht. Der
verkaufsoffene Sonntag soll als „Markt der Zukunft“ ausgebaut werden“.
Die „Allianz für den freien Sonntag“ engagiert sich gegen diese Entwicklung, denn
weder wirtschaftliche Interessen noch ein verändertes Freizeitverhalten in Teilen der
Gesellschaft rechtfertigen eine Aushöhlung und Beschädigung dieses kulturellen
Wertes. Deshalb
 werden wir unser Netzwerk ausbauen und den Aktionsgruppen, den Verbänden und Organisation eine Plattform zum Austausch und zur Information anbieten;
 prüfen wir verwaltungs- und verfassungsrechtliche Möglichkeiten, da wir der
Auffassung sind, dass der Sonntagsschutz eine Bundesangelegenheit ist und
nicht durch Landesgesetze geregelt werden kann.
Zum Abschluss ein Zitat aus einem Pressebericht einer Journalistin (Cora Rónai) in
einer Tageszeitung (O Globo), herausgegeben in Rio de Janeiro, über das Leben in
Königstein, wo zur WM 2006 das brasilianische Nationalteam Quartier bezogen hat: „
„In Königstein herrscht eine andere Dimension von Zeit und ein anderer Lebensstil,
den wir schon lange vergessen haben, als wir Brasilianer Europa den Rücken zukehrten und den American Way of Life übernahmen ...Zeit ist hier nicht Geld. Zeit ist
unendlich wertvoll. …Die Leute hier leben nicht so einen hysterischen Konsumrausch
wie bei uns. Das Leben wird zum Leben genutzt, nicht um ins Einkaufszentrum zu
gehen, wenn jemand am Feiertag etwas braucht, muss er halt warten, bis die Geschäfte wieder öffnen. Diese Leute hier verstehen zu leben“.
Allianz für den freien Sonntag Österreich
Pressekonferenz 5.12.2006
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