Heart Protection Study 06.07.2002 | THE LANCET • Vol 360 • July 6, 2002 Kommentar P. Prock, 2002 Die Ergebnisse dieser weiteren, groß angelegten Vitaminstudie stehen in Übereinstimmung zu bereits seit Jahren vorhandenen Vitaminstudien wie die ATBC- oder CARET-Studie. In den Medien werden die Ergebnisse der Heart Protection Study unter Schlagzeilen wie „Vitaminpillen - reine Geldverschwendung“ dargestellt. Die Studie wurde einmal mehr an einem Hochrisikokollektiv durchgeführt. Es wurden Probanden mit koronarer Herzkrankheit , anderen okklusiven Gefäßerkrankungen und Diabetes ausgewählt. Von daher handelt es sich nicht um eine Untersuchung zur Prüfung von (primär-) präventiven Effekten von antioxidativen Vitaminen, sondern um eine Untersuchung zum sekundärpräventiven bzw. sogar therapeutischen Einsatz dieser Vitamine! Auf diese Problematik wird durch Epidemiologen und Präventivmedizinern auch immer wieder hingewiesen. Das Spektrum der in dieser Studie verabreichten Vitamine ist denkbar gering. Es wurden lediglich drei antioxidative Vitamine (Beta-Carotin, Vitamin C und Vitamin E).eingesetzt Demgegenüber ist es heute bereits als erwiesene Tatsache anzusehen, dass ein protektiver Effekt von Mikronährstoffen in der Synergie von einerseits Vitaminen und andererseits Stoffen wie Spurenelemente und besonders auch sekundäre Pflanzenstoffe aus Obst und Gemüse zu suchen ist, und eben nicht durch einzelne, isolierte und synthetische Vitamine zu erreichen ist. Die Vitamine wurden in Dosierungen verabreicht, die sich einerseits schon in früheren Studien als nicht effektiv bzw. sogar kritisch erwiesen haben (Beta-Carotin 20mg) oder aber in einem völlig unphysiologischen Bereich (Vitamin E 600mg) bewegen. Einzig die Dosierung von Vitamin C war mit 250mg in einem moderaten Bereich. Ein Supplementations- und Beobachtungszeitraum von 5 Jahren ist für den sichtbaren Effekt von Mikronährstoffen als äußerst kurz anzusehen. Mikronährstoffe werden normalerweise als Bestandteile der Ernährung ¸über Jahrzehnte eingenommen, und können dadurch einen schützenden Effekt in ganz unterschiedlichen Systemen ausüben. Zu glauben, dass durch die Einnahme von Vitaminen, in Anlehnung an pharmakologische Effekte von Medikamenten, innerhalb weniger Jahre dramatische Effekte zu erwarten sind, scheint ein absolut falscher Ansatz Bemerkungen Dr. Peter Prock, Juli 2002 zu sein. Dies wird z.B. durch eine Untersuchung ¸über den Zusammenhang von Folsäureeinnahme und Coloncarcinom unterstützt, welche im Rahmen der Nurses’ Health Study durchgeführt wurde. Dort wurde eine wirklich dramatische Reduktion des Krankheitsrisikos (nämlich nur noch 25% gegenüber der Beobachtungsgruppe) erst nach 20 jähriger Einnahme beobachtet! Als Ergebnis der Heart Protection Study kann festgehalten werden: Der Einsatz der Vitamine C, E und Beta-Carotin in supraphysiologischen Dosen zur Sekundärprävention bei Hochrisikopatienten zeigte in einem 5-Jahres- Beobachtungszeitraum keine Effekte! (Auf der anderen Seite zeigt die Studie aber, dass durch Vitamineinnahme keine negativen Effekte zu verzeichnen waren - dies im Gegensatz zu den oben erwähnten Studien). Das bedeutet aber keineswegs, dass der Einsatz von sinnvoll zusammengesetzten Multivitaminpräparaten zur Primärprävention sinnlos oder überflüssig sei. Die American Medical Association (JAMA, Ausgabe vom 19. Juni 2002) hat den Einsatz von Multivitaminpräparaten ausdrücklich empfohlen! Zuletzt muss betont werden, dass bei der Frage nach sinnvollen Multivitaminpräparaten solche, die aus tatsächlichen Nahrungsmitteln hergestellt werden, jenen, die eine (willkürliche?) Mischung von fragmentierten Einzelbestandteilen sind, eindeutig der Vorzug zu geben ist. Bemerkungen Dr. Peter Prock, Juli 2002