III. Die muslimische Kultur und ihr Einfluß in der spanischen Sprache

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1
I.
Einleitung
Die arabische Kultur und die Beziehung zwischen Christen und Moslems auf der
Iberischen Halbinsel zeigt sich symptomatisch in einer Vielzahl von arabischen
Wörtern, die ins Spanische vorgedrungen sind.
Diese Arbeit verfolgt die Absicht, eine Zeit zu fassen und Begleiterscheinungen
anzugeben, unter denen spanische Arabismen entstanden sind. Folgende Analyseschritte
sollen zu diesem Ziel führen:
1.
Um die Arabismen in einen historischen Kontext einordnen zu können,
beginne ich mit einem Abriß über die Conquista und die Reconquista in
Spanien.
2.
Der Umgang zwischen Arabern und Nichtarabern soll dargestellt werden.
Möglicherweise könnte ein „eiserner Vorhang“ existiert haben, der Christen
und Muslime voneinander abschottet.
3.
Welche sozialen Gruppierungen der autochthonen Bevölkerung führen
Arabismen in ihre Volkssprache ein? Von der Lebensweise auf der
Iberischen Halbinsel sollen Rückschlüsse gezogen werden auf den
historischen Sprachkontakt von einander so fremden Sprachen wie der
romanischen Volkssprache und dem Arabischen.
4.
Mit Hilfe von Beispielen aus der Onomastik will ich den Grad der
Arabisierung in Spanien veranschaulichen und historisch reflektieren.
5.
Die Form des speziellen Sprachkontaktes soll herausgearbeitet werden. Es
stellt sich die Frage welche Rolle eine Zweisprachigkeit hierbei übernimmt.
Das wissenschaftliche Interesse hat sich dieser Aufgabenstellung bereits zugewendet.
Deshalb wird auf die Auswertung von historischen Quellen verzichtet; die Basis meiner
Arbeit besteht aus sprachwissenschaftlicher und historischer Forschungsliteratur. Als
besonders hilfreich haben sich Reinhold Kontzis Aufsatz „Das Zusammentreffen der
arabischen Welt mit der romanischen und seine sprachlichen Folgen“ sowie Gustav
Edmund von Grunebaums Abhandlung „Der Islam“ erwiesen.
II.
Der historische Hintergrund
Die Geschichte der maurischen Herrschaft in Spanien soll unter dem Gesichtspunkt der
territorialen Ausdehnung beschrieben werden. Im Jahre 711 leitet der muslimische Sieg
über die Westgoten die Conquista ein; schon 718 ist die Iberische Halbinsel bis auf
wenige nördliche Gebiete von den Arabern erobert worden.
2
711 unternahm ein Unterführer des Mūsà, sein Berber-»Klient« Tāriq, einen
Beutezug in das südliche Spanien, der ... binnen weniger Jahre zur Eroberung
von etwa vier Fünfteln der Halbinsel führen sollte.1
Um 720 beginnt die Reconquista; sie breitet sich keilförmig nach Süden aus und endet
erst 1492 in Granada.
So steht einer nur wenige Jahre dauernden ... Conquista eine sich letztlich über
fast 8 Jahrhunderte erstreckende ... Reconquista gegenüber.2
Unter dem nach Norden geflüchteten Westgoten Pelayo (ca. 718 bis 737) haben die
Christen in einer fast unzugänglichen asturischen Felsengegend3 „bei Covadonga ...
einen ersten eher symbolischen als folgenreichen Sieg gegen die erfolgsgewohnten
Moslems“4errungen. Die arabische Herrschaft in Spanien stabilisiert sich, als die
Omajaden von Córdoba einen mächtigen Staat gründen, der seine höchste Blüte im 10.
Jahrhundert erreicht. In ihm wächst „die maurische Kultur und Zivilisation zu
Eigenständigkeit und Glanz empor“5.
Im 8. Jahrhundert ist das kaum bevölkerte Tal des Duero noch eine Art Niemandsland
zwischen Asturien und Al-Andalus gewesen, doch „die gotischen Spanier [gewinnen]
mit dem Anbruch des neuen Jahrtausends für immer die Duerolinie: Galizien, Asturien,
Leon, Castilien, ... Navarra, Aragon, Catalonien ... wurden selbständig.”6
Aufgrund von Bürgerkriegen endet die omajadische Epoche im Jahre 1031, und der
bisher zentral regierte maurische Herrschaftsbereich zerfällt in kleine Emirate, sog.
Taifas.7Dies vermittelt der Reconquista neue Schubkraft.
Die Eroberung Toledos durch König Alfons VI. von Kastilien und León im
Jahre 1085 ... stellte ... den übrigen Fürsten kraß ihre Unsicherheit vor Augen.
Mu’tamid von Sevilla, dessen Territorium das Ziel Alfons’ sein mußte, verband
sich mit den Fürsten von Badajoz und Granada und rief die Almoraviden um
Hilfe an.8
Grunebaum, Gustav Edmund von: „Der Islam“. S. 70.
Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische Sprachwissenschaft. S.
160, 161.
3
Vgl. Seybold, Christian: „Die arabische Sprache in den romanischen Ländern“. S. 515.
4
Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische Sprachwissenschaft. S.
161.
5
Lautensach, Hermann: Maurische Züge im geographischen Bild der Iberischen
Halbinsel. S. 34.
6
Seybold, Christian: „Die arabische Sprache in den romanischen Ländern“. S. 516.
7
Vgl. Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 6.
8
Grunebaum, Gustav Edmund von: „Der Islam“. S. 160.
1
2
3
1086 besiegen die nordafrikanischen Almoraviden Alfons VI. und schaffen die
Kleinstaaterei ab; bis 1092 sind alle Reyes de Taifas abgesetzt, einige nach Marokko
verbannt worden.9
Im 12. Jahrhundert verliert die Almoravidendynastie die Herrschaft über Al-Andalus an
die marokkanischen Almohaden, wodurch die Christen von ihrem endgültigen
Durchbruch nach Süden aufgehalten werden.
Die Almohaden hatten schon 1145 begonnen, auf der Halbinsel Fuß zu fassen.
Im nächsten Jahr fiel ihnen Cádiz zu. Dann aber verging mehr als ein Jahrzehnt,
ehe Südspanien einschließlich Granadas in ihrer Hand zusammengefaßt und
Almería den Christen wieder entrissen war. Sevilla wurde die spanische
Hauptstadt der Almohaden ... .10
Im Jahre 1212 werden die Almohaden bei Las Navas de Tolosa entscheidend
geschlagen, hier hat „die letzte große Schlacht der Muslime in al-Andalus“11
stattgefunden. Die vereinigten christlichen Heere12öffnen Kastilien den Weg zur
Wiedereroberung Niederandalusiens. Als 1236 Córdoba und 1248 Sevilla zurückerobert
worden sind, gelingt Kastilien unter König Alfons X. (Alfons der Weise, 1252 bis 1284)
auch noch der Sieg in Cádiz (1262) und Murcia (1266).13Nur im äußersten Süden kann
sich Granada als letztes maurisches Reich halten – allerdings noch zweieinhalb
Jahrhunderte lang. Kastilien und Aragón annektieren es 1492.14
III.
Die muslimische Kultur und ihr Einfluß in der spanischen Sprache
Es stellt sich die Frage, inwiefern die muslimische Eroberung die Lebensweise auf der
Iberischen Halbinsel prägt. Die kulturelle und zivilisatorische Durchdringung von
Eroberern und Eroberten wird im folgenden besonders herausgearbeitet, da sie auch die
sprachliche Beeinflussung erklären soll.
9
Vgl. Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 8.
10
Grunebaum, Gustav Edmund von: „Der Islam“. S. 167.
11
Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 9.
12
Es handelt sich hier um die vereinigten Streitkräfte Alfons VII. von Kastilien, Pedros
II. von Aragón und Sanchos VII. von Navarra, die durch portugiesische, leonesische
und französische Kontingente verstärkt worden sind. Vgl. Kiesler, Reinhard: Kleines
vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im Iberoromanischen und Italienischen. S.
9.
13
Vgl. Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische
Sprachwissenschaft. S. 163.
14
Vgl. ebenda.
4
Auch wenn das „Heer, das Spanien eroberte, zum großen Teil aus halbwilden
Berberkriegern bestand“15, muß die mitgebrachte muslimische Kultur als sehr
hochentwickelt eingestuft werden. Das Arabische ist neben dem Berberischen die
Sprache der Herrscher, seine Ausbreitung in Spanien ist von der Arabisierung der Städte
und der Besiedlung des Landes abhängig. Ohne Zweifel hat die arabische Invasion
anfänglich Verwüstung und Zerstörung angerichtet. Dennoch erreicht die islamische
Kultur ab dem 9. und 10. Jahrhundert eine glanzvolle Blüte.
In Al-Andalus messen sich die Omajaden Córdobas mit ihrem politischen Erzfeind:
dem Kalifat der Abbasiden in Bagdad.
Dementsprechend „tat ‛Abd ar-Rahmān III. … 929 den unerhörten Schritt, seinen Titel
amir, »Befehlshaber«, gegen den eines Kalifen und amīr al-mu’minīn
einzutauschen.“16Er erhebt sein omajadisches Emirat zum Kalifat, wodurch „das
Freitagsgebet ... nun in seinem Namen, nicht mehr in dem des Abbasidenkalifen ...
verrichtet“17wird.
In der islamischen Welt hat sich herumgesprochen, daß in Bagdad eine hochstehende
und eigenständige Kultur unter der Herrschaft der Abbasiden entstanden ist, da jeder
Muslim in seinem Leben mindestens einmal nach Mekka wallfahren muß, wo er seine
Glaubensgenossen aus aller Welt trifft.18Deshalb imitieren die Omajaden Bagdads
orientalischen Lebensstil und versuchen ihn sogar zu übertreffen. Hierauf bezüglich
erwähnt Reinhard Kiesler den „[irakischen] Musiker ‛Alī b. Nāfi ‛Ziryāb ..., der nach
Córdoba gerufen wurde, um dort den Lebensstil des Hofes von Bagdad einzuführen.“19
Mit zunehmender Orientalisierung nimmt das Berberische in Al-Andalus eine
bedeutungslose Rolle ein:
Todo parece indicar que, una vez establecidos, estos beréberes de la península
Ibérica se arabizaron rápidamente, hasta el punto de abandonar incluso sus
dialectos de origen.20
Einzig das Arabische ermöglicht sozialen Aufstieg; es wird als Hoch- und
Verwaltungssprache verwendet.21Nach Kieslers Ansicht machen die zum Islam
konvertierten Einheimischen (im folgenden Muladíes genannt) die größte
15
Tagliavini, Carlo: Einführung in die romanische Philologie. S. 249, 250.
Grunebaum, Gustav Edmund von: „Der Islam“. S. 115.
17
Ebenda.
18
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 408.
19
Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 5.
20
Zitiert nach: ebenda. S. 25.
21
Vgl. ebenda. S. 25, 26.
16
5
Bevölkerungsgruppe aus; sie erhalten einen besseren Status als die tributpflichtigen
Christen und beherrschen neben ihrer eigenen romanischen die arabische Sprache.22
Sogar in der Zeit des politischen Niedergangs repräsentieren sich Kunst und Kultur in
höchster Blüte. Als das omajadische Kalifat in kleine Hofhaltungen zerfallen ist, ist man
in Al-Andalus auch unter den verschiedenen sich gegenseitig bekämpfenden Reyes de
Taifas auf Verfeinerung des Lebens bedacht:
Dabei wurden ... die kulturellen Interessen nicht nur von den meist kurzlebigen
Dynasten gepflegt, sondern auch von einem klugen Mäzenatentum in bleibende
Leistungen umgesetzt.23
Christian Seybold verweist auf eine „Masse arabischer Wörter, welche schon allein,
selbst wenn wir keine geschichtlichen Nachrichten über die glänzende Herrschaft der
Araber in Spanien hätten, uns zeigen würden, welches Volk einst das herrschende
war“24.
Viele Arabismen würden aus dem Bereich der arabischen Verwaltung stammen, so auch
span. alcalde ‘Bürgermeister’, span. aduana ‘Zoll, Zollamt’ und span. alcazaba
‘Tribut’.25
Ferner ist eine große Zahl von Sachbezeichnungen der Agrikultur arabischen
Ursprungs.
Vollkommen neu für die einheimische Bevölkerung ist die Technik der Bewässerung
mit dem Göpel, d. i. ein Schöpfrad. Mit nicht gekannten Techniken sind auch
entsprechend neue Bezeichnungen entstanden. Reinhold Kontzi macht darauf
aufmerksam, daß arabische Wasserwerke Ausgangspunkt für einen Aufschwung in der
iberischen Landwirtschaft gewesen seien und stellt hierauf bezüglich u. a. diese
Arabismen zusammen: span. aceña ‘Wasserschöpfrad’, span. noria ‘Wasserschöpfrad’,
span. azud ‘Wasserpumpe, Wasserrad, Flußwehr’ und span. acequia
‘Bewässerungsgraben’.26
Die in Al-Andalus lebenden Christen heißen Mozárabes (entstanden aus arab.
Mustacrab ‘arabisiert’).27Ihre Anzahl ist hoch, denn in religiösen Fragen sind die Araber
22
Vgl. Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 26, 27.
23
Grunebaum, Gustav Edmund von: „Der Islam“. S. 119.
24
Seybold, Christian: „Die arabische Sprache in den romanischen Ländern“. S. 517.
25
Vgl. ebenda.
26
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 431.
27
Vgl. Tagliavini, Carlo: Einführung in die romanische Philologie. S. 250.
6
recht tolerant gewesen. Dementsprechend behauptet Seybold, es habe allein im
maurischen Toledo sechs Kirchen gegeben.28
Trotzdem „[kam es als] Reaktion auf die Orientalisierung ... zu einer verstärkten
Selbstbehauptung von seiten der Mozaraber, ja zu Widerstand ... gegen den Islam.
Darauf gingen die muslimischen Behörden schärfer gegen die Mozaraber vor.“29Kontzi
berichtet, zahlreiche Mozárabes seien aus Al-Andalus in die christlichen Reiche
Nordspaniens geflüchtet und dort sehr willkommen gewesen, denn das von den
romanischen Fürsten einstweilen zurückeroberte Gebiet zwischen dem „Duero ... und
dem Kantabrischem Gebirge ... [sei] ... eine große Wüstenei.“30
Antonio Tovar spricht hierauf bezüglich von „einer wirklichen »strategischen Wüste«
(desierto estratégico)“31. Sie sei zunächst fast menschenleer gewesen, im 9. und 10.
Jahrhundert dagegen „mit Leuten aus dem Norden und Flüchtlingen aus dem
maurischen Spanien wiederaufgebaut“32worden.
Die Mozárabes haben ihre romanische Mundart trotz der Orientalisierung im
muslimischen Hispanien nicht verloren, aber den arabischen Lebensstil angenommen.
Sie „waren zweisprachig, Träger der arabischen Kultur und besaßen viele technische
Fertigkeiten.“33
Ihre Rolle als sprachvermittelnde Gruppe ist bewiesen.
Gómez-Moreno hat in Dokumenten von Klöstern, die im besagten Gebiet der desierto
estratégico gegründet worden sind, 170 Arabismen entdeckt: Span. alumnia ‘Garten mit
Haus’ habe sich herausgebildet aus arab. al-munya; span. aldía, aldea ‘Bauernhof’ aus
arab. ad-dayca ‘Domäne, kleines Dorf’; auch span. alcor ‘Hügel’, das entstanden sei aus
arab. al-qūr, erscheint in den Dokumenten.34Diese Lehnwörter seien ins Kastilische
gelangt durch die von der arabischen Sprache und Kultur durchdrungenen Mozárabes,
die sich im dünnbevölkerten Norden Spaniens niedergelassen hätten.35
Vgl. Seybold, Christian: „Die arabische Sprache in den romanischen Ländern“. S.
517.
29
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 409.
30
Ebenda.
31
Tovar, Antonio: Einführung in die Sprachgeschichte der Iberischen Halbinsel. S. 79.
32
Ebenda.
33
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 409.
34
Vgl. ebenda. S. 410.
35
Vgl. ebenda.
28
7
Die durch die Jahrhunderte langen Kämpfe zwischen Mohammedanern und Christen
erzeugte Ablehnung darf nicht überschätzt werden; sie ist nicht stark genug, um die
arabische Zivilisation zu verwerfen. Hermann Lautensach betont:
Es kam gelegentlich vor, daß christliche Fürsten im Bündnis mit maurischen
gegen andere christliche Fürsten zu Felde zogen.36
Er verweist auf einen „Bündnisvertrag (1302) zwischen Mohammed II. von Granada
und Jakob II. von Aragonien gegen Kastilien“.37
Daß die Muslime eine findige Streitmacht gewesen sind, zeigt sich symptomatisch in
einigen Arabismen des Militärwesens: Span. alcazaba ‘Zitadelle’ sei entstanden aus
arab. al-qasába.38
Sicherlich ist eine maurische Burg neben einer Zitadelle, d. i. ein letzter
Widerstandskern in einer Festung, auch mit einem Bergfried ausgestattet gewesen.
Möglicherweise hat er einen bleibenden Eindruck auf die Christen hinterlassen; Kontzi
jedenfalls hebt hervor, es handele sich bei span. atalaya ‘Warte, Wachturm,
Aussichtsturm’ um einen Arabismus.39Diesbezüglich informiert er auch über arab. addarb ‘Weg, Gasse’, aus dem sich span. adarve mit der Bedeutung ‘Wehrgang’ ergeben
habe.40
Als Toledo und das dazugehörige Gebiet 1085 zurückerobert worden sind, gelangt ein
großes arabisches Kulturzentrum unter christliche Herrschaft.41Auch wenn die Muslime
gezwungen werden, an den Stadtrand bzw. aufs Land zu ziehen, gibt man ihnen die
Erlaubnis, in ihrem Heimatland zu bleiben.
Man konnte und wollte sie nicht vertreiben, denn wie hätte Aragonien ein Land
mit Christen besiedeln sollen, das fünfmal so groß war wie Aragonien vor den
Eroberungen?42
Jahrhundertelang verfügen sie als sog. Mudéjares (span. mudéjar ‘Muslim unter
christlicher Herrschaft’ sei entstanden aus arab. mudáğğan ‘dem erlaubt ist, zu
bleiben’)43über eine maßgebende Bedeutung in der spanischen Gesellschaft.
36
Lautensach, Hermann: Maurische Züge im geographischen Bild der Iberischen
Halbinsel. S. 36.
37
Ebenda.
38
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 432.
39
Vgl. ebenda. S. 433.
40
Vgl. ebenda.
41
Vgl. Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische
Sprachwissenschaft. S. 149.
42
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 415.
43
Vgl. Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 29.
8
Arabischer Städte sind mit einem Luxus und einer Pracht ausgestattet, welche die
Christen bewundern und nachahmen wollen. Die Mudéjares erweisen sich als in der
arabischen Baukunst erfahrene und qualifizierte Handwerker; aufgrund ihres Knowhows und ihrer Kunstfertigkeit gelingt ihnen eine bestimmte Bauweise, die der
Architektur maurischer Häuser nicht unterlegen ist: der sog. Mudéjarstil.44
Anhand zahlreicher Beispiele legt Kontzi dar, daß man im Laufe von Jahrhunderten „in
Spanien im Mudéjarstil [gebaut hat.]“45Dies habe Anlaß zu zahlreichen Entlehnungen
gegeben: span. albañil ‘Maurer’ sei entstanden vom arab. al-bannā, span. alarife
‘Baumeister’ aus arab. al-carif ‘der Sachverständige’, span. almocárabe ‘schmückender
Stalaktit, der von Decken, Bögen oder Kuppeln herabhängt’ aus arab. muqarbas
‘geschnitztes Ornament’ usw.46In Toledo und anderen von den Romanen
zurückeroberten Städten baue man weiterhin im muslimischen Stil – also im Stil der
Besiegten: „Die Muslime waren besiegt und erobern mit ihrer Kultur nun die
Sieger.“47Folgerichtig sei der Alcázar von Sevilla unter Peter I. (1350-1369)
größtenteils von Baumeistern aus dem noch maurischen Granada hergestellt worden.48
IV.
Die Toledaner Übersetzungsschule
In den bisher geschilderten Fällen ist die autochthone Bevölkerung in ihrem gesamten
Lebensraum mit Menschen arabischer Sprache konfrontiert gewesen. Jetzt wird am
Beispiel der Übersetzungsschule von Toledo eine punktuelle Berührung zwischen dem
Spanischen und dem Arabischen dargelegt. Der Sprachkontakt ergibt sich lediglich
punktuell, d. h. er findet in einer gesellschaftlichen Schicht statt, nämlich bei den
Gelehrten.
Mit der Übersetzungsschule in Toledo sind zwei Generationen verbunden.
Unter dem Erzbischof Raymond (1126 bis 1151) beginnt man mit der Übersetzung
arabischer Bücher ins Lateinische.49Er bevorzugt Handschriften mit der Fachrichtung
Medizin, Geometrie, Botanik und Philosophie.50
44
Vgl. Lautensach, Hermann: Maurische Züge im geographischen Bild der Iberischen
Halbinsel. S. 54.
45
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 420.
46
Vgl. ebenda.
47
Ebenda. S. 416.
48
Vgl. ebenda. S. 419.
49
Vgl. ebenda. S. 417.
50
Vgl. ebenda.
9
Da ist in der Folge Alfons der Weise (1252 bis 1284) zu nennen; er läßt die arabischen
Quellen auch ins Kastilische übersetzen.51Unter ihm kommen auch neue Themengebiete
hinzu wie z. B. Ackerbau, Gesteinskunde, Astronomie, Mathematik, Brettspiele und
Schöne Literatur.52
Die erste Generation ist also lateinisch orientiert, die zweite spanisch.
Die Übersetzung unter Erzbischof Raymond geht folgendermaßen vonstatten:53
Jemand, der das Arabische beherrscht, liest das Werk auf spanisch übersetzt vor.
Mit Hilfe der spanischen Fassung wird der Text von einer zweiten Person mit
entsprechender Sprachkenntnis auf Latein redigiert. „Die Übersetzung [ins Spanische]
war nur ein Hilfsmittel.“54Sie ist nicht veröffentlicht worden.
Während des 13.Jahrhunderts fängt das Kastilische an, sich zu etablieren.
Unter Alfons dem Weisen ist es „de facto zur Amtssprache des vereinigten Königreichs
Kastilien-León geworden.“55In seiner königlichen Kanzlei wird auf Kastilisch
verhandelt; entsprechend werden ihre fueros, das sind verbriefte Sonderrechte, in
kastilischer Sprache verfaßt.56
Wie bereits gezeigt worden ist, macht die Reconquista in diesem Jahrhundert dank der
Überlegenheit Kastiliens gewaltige Fortschritte.57Sicherlich ergibt sich auch aufgrund
von militärischem Erfolg ein Prestigegewinn für das Kastilische.
In der Toledaner Übersetzungsschule soll es unter Alfons dem Weisen einen höheren
Stellenwert erhalten. Deshalb entscheidet er sich für eine andere Übersetzungstechnik:
Eine Person übersetzte mündlich laut vom Arabischen ins Kastilische, die zweite
Person übersetzte ins Lateinische wie bisher. Zugleich hielt ein weiterer
Schreiber die Übertragung ins Kastilische schriftlich fest, so daß am Ende zwei
schriftliche Übersetzungen vorlagen, eine lateinische und eine kastilische.58
Das Kastilische wird nun für würdig befunden, Sprache der wissenschaftlichen Prosa zu
sein.59Das ist ein Novum und könnte bereits von einer Art Nationalstolz zeugen. Die
Verfahrensweise unter Alfons dem Weisen ähnelt jedoch der des Erzbischofs Raymond
in der Hinsicht, daß mehr nach dem beim Vorlesen gehörten Text als nach der Schrift
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 417.
52
Vgl. ebenda.
53
Vgl. ebenda.
54
Ebenda. S. 418.
55
Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische Sprachwissenschaft. S.
167.
56
Vgl. ebenda.
57
Vgl. S. 3.
58
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 418.
51
10
übersetzt wird. Dadurch gelangen zahlreiche Entlehnungen aus der arabischen
Wissenschaft ins Kastilische, weil ein großer Teil des arabischen Fachwortschatzes
übernommen wird.
Daß erstmals in diesem Zeitraum eine außerordentliche Menge an spanischen
Arabismen belegt ist, bestätigt Kiesler mit seiner Untersuchung. Darin stellt er 400
arabische Lehnwörter vor und kommt bezüglich ihrer Chronologie zu dem Resultat, daß
„[die] absolut höchste Zahl von Erstbelegen ... für das Spanische ... im 13. Jahrhundert
[liegt]“60. Dies bekräftigt William T. Pattersons Ergebnis: „Half of the Arabic loan
words are attested in the 13th century“61.
Stellvertretend für zahlreiche wissenschaftlichen Ausdrücke, die auf gelehrtem Wege
aus dem Arabischen ins Kastilische vorgedrungen sind, sollen abschließend jeweils
zwei Arabismen aus der Astronomie und der Mathematik genannt werden:62
Aus arab. samt ‘Scheitelpunkt’ sei span. cenit ‘Zenit’, aus arab. auğ ‘höchster Punkt’
span. auge ‘Erdferne’ entstanden.63
Span. cifra ‘Ziffer’ leite sich ab aus arab. şifr ‘leer, null’.64Span. álgebra ‘Algebra’ gehe
zurück auf arab. al-ğabr, was wörtlich übersetzt ‘Wiederherstellung, Einrenkung’
bedeute;65es sei entstanden aus dem arab. Ausdruck cilm al-ğabr wa-l-muqābala
‘Wissenschaft der Reduktionen und Vergleiche’.66
V.
Arabismen aus der Onomastik
Wie bereits dargelegt worden ist, breitet sich die Reconquista Schritt für Schritt gen
Süden aus.67Je weiter man also nach Süden gelangt, desto länger haben die Regionen
Spaniens zur islamischen Welt gehört. Im folgenden wird eine Abfolge von Arabismen
59
Vgl. ebenda.
Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 78.
61
Zitiert nach: ebenda.
62
Die Aufzählung arabischer Fachtermini, die das Spanische entlehnt hat, ließe sich
beliebig lang fortsetzen. Vgl. Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die
spanische Sprachwissenschaft. S. 152. Vgl. Seybold, Christian: „Die arabische Sprache
in den romanischen Ländern“. S. 521.
63
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 418.
64
Vgl. ebenda. S. 419.
65
Vgl. Tagliavini, Carlo: Einführung in die romanische Philologie. S. 251.
66
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 418.
67
Vgl. S. 2.
60
11
aus dem Bereich der Onomastik vorgestellt. Auch wenn sie bei weitem nicht vollständig
ist, soll sie die Intensität der Arabisierung auf der Iberischen Halbinsel
veranschaulichen.
Im Norden Spaniens fließt der Duero durch die Region Castilla y León. Gustav
Ineichen betont, es handele sich hier um einen rein romanischen Flußnamen; in der Zeit
der Besatzung durch die Römer habe der Strom entsprechend ähnlich lat. Durius
geheißen.68Der Name Duero ist nicht arabisiert. Dies hat historische Gründe, die Tovar
erklärt:
Die Ebenen von León und Kastilien, für die arabische Eroberer immer von
geringer Anziehungskraft, waren von Anfang an den Angriffen der Christen
ausgesetzt und blieben menschenleer, wie uns die Chronisten berichten. Die
Mozaraber suchen Zuflucht in Galicien und in den kantabrischen Bergen; die
Mauren ziehen sich nach Süden zurück.69
Im mittleren Teil der Iberischen Halbinsel fließt der Guadiana. Carlo Tagliavini macht
deutlich, daß Guad- in spanischen Flußnamen arab. wādī ‘Fluß, Tal’ zur Grundlage
habe.70Ineichen informiert, der römische Name von Guadiana laute lat. Anas.71
Hierbei handelt es sich also um eine Verbindung von arab. wādī mit der lateinischen
Bezeichnung des Flusses.72Der Name Guadiana ist arabisiert, in ihm durchdringt sich
das Arabische mit dem Romanischen.73
Im heutigen Andalucía durchkreuzt der Guadalquivir Córdoba. Lautensach stellt fest,
dieser Flußname sei eine rein arabische Bildung aus arab. wādī al-kabīr ‘der große
Fluß’.74
Schon an diesen drei Beispielen aus der Hydronymie zeigt sich symptomatisch der Grad
der Arabisierung in Spanien.
Auch anhand von Toponymen läßt sich aufführen, daß die Dichte arabischer
Lehnnamen mit der Dauer der Herrschaft des Islam nach Süden zunimmt.
Es ist bereits belegt worden, daß es sich bei span. atalaya um einen Arabismus
handelt.75Lautensach ist aufgefallen, daß Atalaya gerade als Ortsname ungemein häufig
68
Vgl. Ineichen, Gustav: Arabisch-orientalische Sprachkontakte in der Romania. S. 24.
Tovar, Antonio: Einführung in die Sprachgeschichte der Iberischen Halbinsel. S. 79.
70
Vgl. Tagliavini, Carlo: Einführung in die romanische Philologie. S. 256.
71
Vgl. Ineichen, Gustav: Arabisch-orientalische Sprachkontakte in der Romania. S. 24.
72
Vgl. ebenda.
73
Lautensach spricht diesbezüglich von hybriden Namen: „Die hybriden Namen ...
setzen sich aus einem arabischen und einem nichtarabischen Element zusammen.“
Lautensach, Hermann: Maurische Züge im geographischen Bild der Iberischen
Halbinsel. S. 14.
74
Vgl. ebenda. S. 30. „Der lateinische Name war BAETIS.“ Ineichen, Gustav:
Arabisch-orientalische Sprachkontakte in der Romania. S. 24.
75
Vgl. S. 7.
69
12
sei. In Spanien komme dieser Lehnname aus dem Arabischen insgesamt 31 mal vor:76
„Die Häufigkeit ... nimmt aber ... nach Süden sehr stark zu.“77
In Granadas Gibraltar hat die arabische Herrschaft mit etwa 780 Jahren am längsten
gedauert.78Dort sei nach Tāriq – jenem Feldherrn der Araber, der mit seinem Sieg über
die Westgoten die Conquista begonnen hat79– ein Felsen benannt worden. Seybold
behauptet, daß Tāriq auf diesen „Felsen von Gibraltar (Ğebel Tāriq) die Fahne des
Propheten aufgepflanzt“80habe. Der Lehnname span. Gibraltar gehe zurück auf arab.
ğebel Tāriq ‘Tāriq-Berg’.81
VI.
Das Arabische als Adstrat
Die bereits herausgearbeitete zivilisatorische Durchdringung von Eroberten und
Eroberern sowie die durch sprachliche Beeinflussung entstandenen Arabismen sollen
nun Einblick in die besondere Form des historischen Sprachkontakts zwischen dem
Arabischen und dem Mozarabischen geben. Man könnte zunächst annehmen, die
Einheimischen gäben wegen des größeren Prestiges der arabischen Sprache ihre eigene
auf. Im folgenden wird jedoch deutlich, daß die Orientalisierungsbestrebungen82weder
zur Verdrängung der romanischen Dialekte noch zur Aufgabe des Arabischen geführt
haben.
Schon beim Eindringen arabischer Elemente ins Spanische erweist sich die
Zweisprachigkeit als entscheidender Faktor. Die Gruppen, welche wesentlichen Anteil
an der gegenseitigen Beeinflussung des Arabischen und der iberoromanischen Sprachen
haben, sind zweisprachig.
So wird das Mozarabische, jene romanische Mundart im Bereich des muslimischen
Hispanien, „nicht nur von den Christen in Al-Andalus verwendet, sondern auch von den
Muladíes und z. T. sogar von den Arabern“83:
76
Vgl. Lautensach, Hermann: Maurische Züge im geographischen Bild der Iberischen
Halbinsel. S. 21.
77
Ebenda.
78
Vgl. S. 2, 3.
79
Vgl. S. 2.
80
Seybold, Christian: „Die arabische Sprache in den romanischen Ländern“. S. 515.
81
Vgl. Tagliavini, Carlo: Einführung in die romanische Philologie. S. 255.
82
Vgl. S. 4.
83
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 407.
13
Al-Andalus war damals zweisprachig, fast jeder Bewohner des Landes konnte
Arabisch und Mozarabisch. Auch die Juden verwandten diese beiden
Sprachen.84
Auf der Iberischen Halbinsel hat sich ein religiös nicht diskriminierter Bilinguismus
herausgebildet. Daher geben die Romanen selbst dann das Mozarabische nicht auf,
wenn sie konvertieren. Wie vertraut ihnen das Arabische gewesen ist, zeigt sich in der
verzweifelten Scheltrede von Alvarus Paulus, die etwa 860 geschrieben worden ist:
Meine Glaubensgenossen lesen die Gedichte und Erzählungen der Araber gern.
Sie studieren die Schriften der Theologen, nicht um sie zu widerlegen, sondern
um an ihnen einen guten Stil zu lernen. Alle durch ihre Begabung
hervorragenden jungen Christen kennen nur die arabische Sprache und Literatur.
Sie lesen und studieren mit dem größten Eifer arabische Bücher. Sie geben viel
Geld aus für riesige Bibliotheken und verkünden überall, wie wunderbar diese
Literatur sei ...Welch ein Jammer!85
Doch darf dieser Ausbruch nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Romanische
trotzdem seinen Platz behalten hat.
Die arabische und die mozarabische Sprache stehen zueinander in keinem
Dominanzverhältnis, denn praktisch sind beide Volksgruppen zweisprachig. Deshalb
läßt sich diese Form des Sprachkontaktes mit dem durch M. Valkhoff eingeführten
Fachbegriff Adstrat umschreiben.86
Diese Adstratsituation bleibt lange Zeit stabil.
Kontzi macht darauf aufmerksam, daß „die Reconquista in den ersten dreieinhalb
Jahrhunderten nur ganz langsam voranschritt“87, so daß „sich die muslimische
Bevölkerung ... immer rechtzeitig absetzen [konnte.]“88
Auch die desierto estratégico nördlich des Duero bis zum mittleren Ebro könnte dazu
beigetragen haben, daß sich das Adstratverhältnis stabilisiert, da sie vorerst den
maurischen Herrschaftsbereich vom christlichen getrennt hat.89
Als der Reconquista im Jahre 1085 mit der Zurückeroberung Toledos ein großer
Durchbruch gelungen ist, geraten Gebiete unter christliche Herrschaft, in denen eine
Vielzahl von Muslime wohnt.90
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 412.
85
Zitiert nach: ebenda. S. 408.
86
„Man sollte von Adstrat sprechen, wenn eine Berührung und Beeinflussung nicht zu
einem Dominanzverhältnis wird, bei dem die eine Sprache mit der Zeit aufgegeben
wird.“ Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische
Sprachwissenschaft. S. 140.
87
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 415.
88
Ebenda.
89
Vgl. S. 6.
84
14
Doch auch hier sind die Romanen nicht in den Arabern aufgegangen, und das Arabische
ist auch nicht durch das Mozarabische verdrängt worden:
Es ist bemerkenswert, daß die Mozaraber in Toledo noch während zwei
Jahrhunderten nach der Rückeroberung das Arabische auch als Schriftsprache
benutzten.91
Letztendlich wird das Mozarabische durch das aus dem Norden keilförmig vorrückende
Kastilische verdrängt, da die Mozárabes in den kastilischen Reconquistadores
aufgehen.92
Mithin bildet das Mozarabische das Substrat des Kastilischen und das Adstrat des
Arabischen.
Mit dem dargestellten Bilinguismus ist ein Code-switching verbunden; es findet seine
Entsprechung in der Dichtung, und zwar in den Harğas aus Al-Andalus.
Harğa ist die Bezeichnung für den mozarabisch abgefaßten Endrefrain eines in
arabischer oder hebräischer Sprache formulierten Strophengedichts, das Muwaššah
genannt wird.93
In der arabischen Lyrik sind ursprünglich Strophen mit Refrain nicht üblich gewesen:
„Das klassische arabische Gedicht kennt nur den das ganze Gedicht durchlaufenden
Reim.“94In Al-Andalus ist die arabische Dichtung von den Gedichten der
Einheimischen angeregt worden, so daß eine besondere lyrische Gattung entsteht, in der
sich romanische und arabische Elemente vermischen: das Muwaššah.95
„Der erste Muwaššah-Dichter war Muhammad ibn Mucafā aus Cabra bei Córdoba, der
um 900 lebte.“96Daher kristallisiert sich die Diglossie in Al-Andalus auch in den
Strophengedichten heraus.
VII. Abschließende Bemerkungen
Die in jeder Hinsicht, in Kultur und Wissenschaft, nicht nur im Krieg überlegenen
Araber üben einen außergewöhnlichen Einfluß auf Sprache, Bildung und Lebensweise
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 7.
91
Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 27.
92
Vgl. Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische
Sprachwissenschaft. S. 150.
93
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 414.
94
Ebenda.
95
Vgl. ebenda.
96
Ebenda.
90
15
der Romanen aus. Die von Alvarus Paulus kritisierte Anziehungskraft des Arabertums
als einer der romanischen Überlieferung überlegenen Kultur zeigt sich in dem Fehlen
rein romanischer Literaturdokumente. Die Harğas „bieten ... uns ... Beispiele einer
volkssprachlichen Dichtung, die die älteste der Romania ist“97, doch stellen sie lediglich
einen Bestandteil eines hispanomuselmanischen Gedichtes dar: „Der ganze Gedichtteil
vor der Harğa ist hocharabisch.“98Daher sind in ihr besonders oft Arabismen zu
finden.99
Damit die kulturelle Einwirkung des Arabertums im Romanischen ihren Ausdruck
finden kann, muß sie über ein hohes Ansehen in der Gesamtbevölkerung verfügen.
Wie sehr das Sprachliche in einen großen Kulturzusammenhang hineinverwoben ist,
wird deutlich, als die von der arabischen Zivilisation durchdrungenen Mozárabes aus
Al-Andalus in den kulturell kaum entwickelten Norden flüchten. Sie werden dort als
Träger der muslimischen Kultur für überlegen gehalten, deshalb imitiert man ihre
Sprach- und Lebensgewohnheiten. Dabei spielt das Prestige des Arabertums eine
entscheidende Rolle.
Eminent wichtig für die Entstehung von Arabismen ist auch der Bilinguismus. Alle
sozialen Gruppierungen, die an dem Sprachkontakt zwischen der romanischen
Volkssprache und dem Arabischen beteiligt gewesen sind, zeichnen sich durch ihre
Zweisprachigkeit aus. Die sprachliche Beeinflussung geschieht dort, wo Menschen
verschiedener Sprache gemeinsam leben. Dies führt zur Zweisprachigkeit, die
wesentlich zur Arabisierung des Romanischen beigetragen hat.
Die Arabismen häufen sich in bestimmten Begriffsfeldern, insbesondere bei den
Bezeichnungen der Verwaltung, des Handels100, der Agrikultur, des Militär- und
Wohnungswesens sowie der (vorzugsweise exakten) Wissenschaften und der
Onomastik.
Die arabische Sprache hat lediglich den Wortschatz des Spanischen angereichert:
Grammatik und Aussprache sind ... ganz unberührt geblieben, was nach dem zu
verschiedenen Genius beider Sprachen und der Sprachstämme, denen sie
angehören, dem semitischen und indogermanischen, leicht erklärlich ist; und
wenn man von ... »maurischer Färbung des Spanischen« gesprochen hat, so sind
das blosse [sic] Phantasien.101
97
Tovar, Antonio: Einführung in die Sprachgeschichte der Iberischen Halbinsel. S. 70.
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen
und seine sprachlichen Folgen“. S. 414.
99
Vgl. ebenda.
100
Kontzi benennt viele Arabismen, die dem Bereich des Handels zuzuordnen sind.
Vgl. ebenda. S. 432.
101
Seybold, Christian: „Die arabische Sprache in den romanischen Ländern“. S. 517.
98
16
Die Ausstrahlung der muslimischen Kultur führt dazu, daß auf der Iberischen Halbinsel
neben den zahlreichen durch die Araber eingeführten Gegenständen auch deren
Bezeichnungen übernommen werden. Die Entstehung der Arabismen im Spanischen
erweist sich als Folge der Übernahme einer Sachkultur.
Vorwiegend werden Bezeichnungen konkreter Begriffe entlehnt, „welche die Spanier
von den namentlich in materieller Kultur so weit überlegenen Arabern mit den Sachen
von diesen übernommen haben. ... Direkt aufgenommene Verben sind sehr selten.“102
Die Arabismen bezeichnen Sachen, welche die Romanen zunächst nicht gekannt haben.
Deshalb handelt es sich vorwiegend um entlehnte Substantive.
Sie weisen viele Ableitungen auf, daher ist die Anzahl der Arabismen nicht einfach zu
bestimmen:
Nach Solà-Solé ... kennt das Spanische etwa 850 direkte Arabismen, die gleiche
Zahl nennt Lapesa ... , nach dem es zu diesen direkten Arabismen etwa 780
spanische Ableitungen gibt; wenn man dazu noch die formalen Varianten, noch
nicht gesicherte Arabismen und die Ortsnamen – über 1000 sichere und fast 500
wahrscheinliche – zählt, kommt man auf die häufig mißverstandene Zahl von
über 4000 »Arabismen« im Spanischen ... .103
Die Ableitungen richten sich alle nach den Regeln der spanischen Wortbildung.
Entsprechend läßt sich von dem Arabismus span. azúcar ‘Zucker’ durch Anhängen
eines spanischen Suffixes das Verb azucarar ‘zuckern’ ableiten.104
Auffallend ist auch, daß das jeweilige arabische Substantiv zusammen mit dem
arabischen Artikel al- entlehnt und in den spanischen Arabismus integriert wird.105
Diese funktionslose Agglutination mit dem Artikel fehle bei italienischen und
französischen Arabismen: „So haben wir z. B. it. zucchero, frz. sucre, aber sp.
azúcar“106.
Viele der zitierten Arabismen sind heute selbst Spaniern fremd, weil diese Wörter zu
selten benutzt werden. Der direkte Sprachkontakt mit dem Arabischen ist abgebrochen;
seitdem die Mudéjares nach einer Zeit der Unterdrückung und Zwangsbekehrungen im
Jahre 1609 ausgewiesen worden sind.107Diese zum Christentum gezwungenen
Seybold, Christian: „Die arabische Sprache in den romanischen Ländern“. S. 517,
518.
103
Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen. S. 69.
104
Vgl. Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische
Sprachwissenschaft. S. 150.
105
„[Dabei] wird l nach einer gemeinarabischen Regel vor einigen Konsonanten
assimiliert“. Tagliavini, Carlo: Einführung in die romanische Philologie. S. 256.
106
Ebenda.
107
Vgl. Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der
romanischen und seine sprachlichen Folgen“. S. 422.
102
17
Mudéjares werden Moriscos genannt, die meisten von ihnen sind in die
nordwestafrikanischen Barbereskenstaaten geflohen.108Die durch die Araber in Spanien
bekannt gewordenen Techniken wie z. B. deren Wasserschöpfeinrichtungen sind damals
fortschrittlich gewesen, gehören aber gegenwärtig zu den Fertigkeiten, die ihrerseits
wiederum erneuert worden sind.
Nur wenige Arabismen sind wie der Arabismus span. azafata ‘Kammerfrau’ durch die
moderne Technik aktiviert worden; mit dem Entstehen der modernen Luftfahrt hat er
die neue Bedeutung ‘Stewardess’ erhalten.109
108
Kontzi verweist hierauf bezüglich auf die von den Moriscos in Spanien
zurückgelassene Aljamiado-Literatur, die viele Arabismen enthält. Vgl. Kontzi,
Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen und seine
sprachlichen Folgen“. S. 422.
109
Vgl. Dietrich, Wolf, Geckeler, Horst: Einführung in die spanische
Sprachwissenschaft. S. 150.
18
VIII. Literaturverzeichnis
Dietrich, Wolf, Geckeler Horst: Einführung in die spanische Sprachwissenschaft. Ein
Lehr- und Arbeitsbuch von Wolf Dietrich und Horst Geckeler. 2. , durchgesehene
Auflage. Berlin: Erich Schmidt 19932.
Grunebaum, Gustav Edmund von: „Der Islam“. In: Mann, Golo (Hg.), Nitschke, August
(Hg.): Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte. Bd. 5: Islam. Die
Entstehung Europas. Berlin, Frankfurt am Main: Propyläen 1986, 21-180.
Ineichen, Gustav: Arabisch-orientalische Sprachkontakte in der Romania. Ein Beitrag
zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Tübingen: Max Niemeyer 1997 (Romanistische
Arbeitshefte 41).
Kiesler, Reinhard: Kleines vergleichendes Wörterbuch der Arabismen im
Iberoromanischen und Italienischen von Reinhard Kiesler. Tübingen, Basel: Francke
1994.
Kontzi, Reinhold: „Das Zusammentreffen der arabischen Welt mit der romanischen und
seine sprachlichen Folgen“. In: Kontzi, Reinhold (Hg.): Substrate und Superstrate in
den romanischen Sprachen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1982, 387450.
Lautensach, Hermann: Maurische Züge im geographischen Bild der Iberischen
Halbinsel. Bonn: Ferd. Dümmler 1960 (Bonner Geographische Abhandlungen 28).
Seybold, Christian: „Die arabische Sprache in den romanischen Ländern von Christian
Seybold“. In: Gröber, Gustav (Hg.): Grundriß der romanischen Philologie. Zweite
verbesserte und vermehrte Auflage. Bd. 1. Straßburg: Karl J. Trübner 19052, 515-523.
Tagliavini, Carlo: Einführung in die romanische Philologie. Aus dem Italienischen
übertragen von Reinhard Meisterfeld und Uwe Petersen. Tübingen, Basel: Francke
19982.
Tovar, Antonio: Einführung in die Sprachgeschichte der Iberischen Halbinsel. Das
heutige Spanisch und seine historischen Grundlagen. Übersetzt und herausgegeben von
Hansbert Bertsch. Tübingen: Gunter Narr 19893.
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