Mitteilung des BVA Referat Recht Justitiar Kl. Joh. Willms Mainz-City Telefon: 06131/ 61 81 71-73 Datum 15.05.16 Einrichtung von Selbstzahlersprechstunden Möglichkeiten und rechtliche Grenzen bei der Ausdehnung privatärztlicher Tätigkeit durch Schaffung spezieller Sprechstunden Es gibt keine gesetzliche Regelung, die es dem Kassenpatienten verbietet, privatärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Allerdings darf der Vertragsarzt von dem Kassenpatienten eine Vergütung nur fordern, wenn der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dieses mit dem Vertragsarzt schriftlich vereinbart. Im Bundesmantelvertrag für Ärzte ist lediglich geregelt, daß Leistungen, für die eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht besteht, nur im Rahmen einer Privatbehandlung erbracht werden kann, wenn mit den Versicherten vor Beginn der Behandlung ein schriftlicher Behandlungsvertrag abgeschlossen worden ist. Mit der Einführung von individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) bestehen nunmehr klare Vorgaben bei der privatärztlichen Behandlung von Kassenpatienten. Soweit der Kassenpatienten eine privatärztliche Behandlung wünscht, schließen Sie mit ihm folgende Vereinbarung: -2- Referat Recht 15.05.16 Vereinbarung über eine gewünschte Privatbehandlung Herrn/Frau.................... wünscht die Untersuchung ............................. als privatärztliche Behandlung. Es ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und ist nach der amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu vergüten. Auf die Pflicht zur Kostenübernahme (deren zu erwartende Höhe sich aus der Anlage ergibt) wurde ich hingewiesen. Datum, Unterschrift Patient, Unterschrift des behandelnden Arztes Die zu erwartenden Arztkosten sollten sich aus einer Anlage ergeben, die wie eine GOÄAbrechnung aufgebaut ist. Als Freiberufler steht es dem niedergelassenen Augenarzt frei, private oder andere Sprechstunden, wie Kontaktlinsen-, Schiel- oder Refraktive- Sprechstunden einzurichten. Weder die Krankenkasse, noch die KV kann dem niedergelassenen Augenarzt eine bestimmte Organisationsform aufzwingen. Die Organisation und die Entscheidung, welche speziellen augenärztlichen Leistungen angeboten werden, obliegt allein dem Praxisinhaber, zumal er die gesamte Verantwortung für seine Praxis trägt. Allerdings ist der Praxisinhaber im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit verpflichtet, die Sprechstundenzeiten so einzurichten, daß sie dem Erfordernis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung im Sinne des SGB V der Kassenpatienten genügt. Das Verhältnis zwischen dem Anteil an Sprechstunden für Kassenpatienten und der privatärztlichen Behandlung hängt entscheidend von dem jeweiligen Klientel ab und ist von Praxis zu Praxis höchst unterschiedlich zu bewerten. Nach der Zulassungsordnung gilt der Grundsatz, daß die vertragsärztliche Tätigkeit als aufgenommen gilt, wenn diese zumindest über einen halben Tag hinaus ausgeübt wird. Grundsätzlich gilt ein Arzt nach den Zulassungsregeln für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit als nicht geeignet, wenn er wegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder wegen anderer nicht ehrenamtlicher Tätigkeit für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht im erforderlichen Maße zur Verfügung steht. -3- Referat Recht 15.05.16 Desweiteren ist in der Zulassungsordnung geregelt, daß bei der Verteilung der Sprechstunden auf die Besonderheiten des Praxisbereiches, die Bedürfnisse der Versicherten (z.B. durch Sprechstunden am Abend oder am Samstag) zu berücksichtigen sind. Zwar sind allgemein zugängliche Sprechstundenzeiten (unter anderem auf dem Praxisschild) anzubieten, dies schließt aber nicht aus, vorzugsweise die Organisationsform einer Bestellpraxis zu wählen. Neben den allgemein zugänglichen Sprechstundenzeiten ist dann die Verteilung nicht so offenkundig. Die allgemein zugänglichen Sprechstundenzeiten können so auf wenige Stunden am Tag, jeweils auf den Vor- und Nachmittag begrenzt werden. Andererseits dürfen die Privatsprechstunden offiziell angekündigt werden. Zulässig ist auch die Einrichtung eines zusätzlichen privaten Wartezimmers. Die Präsenzpflicht der Berufsordnung verlangt die Erreichbarkeit des Praxisinhabers, so wie es der Krankheitszustand seiner in Behandlung befindlichen Patienten erfordert. Dies gilt insbesondere für die Nachsorge bei operativ tätigen Praxisinhabern. In einer Gemeinschaftspraxis bietet es sich an, die Sprechstundenzeiten für Kassenpatienten jeweils zeitversetzt von den jeweiligen Praxisinhabern wahr zu nehmen, um so die Sicherstellung der kassenärztlichen Tätigkeit, verbunden mit der Präsenzpflicht, zu gewährleisten. Einzelpraxen sollten sich mit ihren Kollegen/Kolleginnen absprechen, damit gewährleistet ist, daß jeweils ein Vertragsarzt erreichbar ist. So gilt für eine Normpraxis, daß eine ausreichende zweckmäßige vertragsärztliche Versorgung immer dann gewährleistet ist, wenn der Vertragsarzt unter Beachtung der oben angeführten Grundgedanken die erforderlichen Sprechstunden für die Kassenpatienten bereithält. Die übrige Zeit kann mit besonderen Privatsprechstunden bzw. einer Selbstzahlersprechstunde belegt werden. Bei der privatärztlichen Behandlung von Kassenpatienten ist darauf zu achten, daß die ärztliche Leistung stets über das Maß der Kassenleistung hinausgeht. Bei den IGeL Leistungen ist dies immer eindeutig gegeben. Allerdings sind die Grenzen fließend, insbesondere dann, wenn die Beratung, wie es gern im Rahmen einer Selbstzahlersprechstunde angeboten wird, über eine allgemeine kassenärztliche Beratung (der Ordinationsgebühr) hinaus geht, weil vom Patienten ein zusätzlicher Beratungsinhalt eingefordert wird, der nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung fällt. Bei den IgeL-Leistungen wurde dies vom BVA stets mit berücksichtigt. Kürzere Wartezeiten können oftmals ein Motiv für den Patienten sein, die Selbstzahlersprechstunde zu nutzen, dürfen aber aus kassenärztlicher Sicht kein Argument für das Angebot sein. Auch der Kassenpatient hat einen Rechtsanspruch auf einen zeitnahen Termin, es sei denn, alle vorläufigen Termine sind bereits vergeben, so dass die Übernahme einer Behandlung bei neuen Patienten generell abgelehnt werden muss. Bereits in der Behandlung befindliche Patienten, sind weiter zu behandeln. -4- Referat Recht 15.05.16 Erforderlich ist aus rechtlichen Gründen eine klare Trennung zwischen der vertragsärztlichenund der privatärztlichen Tätigkeit. Gerade aus abrechnungstechnischen Gründen sollte nicht am selben Tag sowohl eine kassenärztliche als auch eine privatärztliche Leistung abgerechnet werden. Dies gilt gleichermaßen für die Brillenverordnung, die im Rahmen einer privatärztlichen Sprechstunde nicht als Kassenleistung ausgestellt werden darf. Zuzahlungen zu den vertragsärztlichen Leistungen sind generell unzulässig. Daher ist eine strikte Trennung beider Leistungsbereiche unumgänglich. So steht es dem niedergelassenen Augenarzt frei, in einem angemessenen Umfang private Sprechstundenzeiten einzurichten, ohne damit zugleich seine vertragsärztlichen Pflichten zu verletzen. In einer Informationsschrift kann in der Praxis auf den besonderen Service der Selbstzahlersprechstunde hingewiesen werden. Sie sollte nur den Patienten angeboten werden, die wirklich eine privatärztliche Behandlung wünschen. Das Angebot muß auch stets über eine kassenärztliche Leistung hinausgehen. Es darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, daß ein unzufriedener Patient sich mit Sicherheit bei seiner Krankenkasse unter dem Vorwand beschwert, anders keine Behandlung bekommen zu können. Die Krankenkassen sehen darin die Verletzung einer vertragsärztlichen Pflicht und werden in wiederholten Fällen den Antrag auf ein Disziplinarverfahren bei der KV stellen. Auf diese rechtliche Möglichkeit der Kassen muß hingewiesen werden, gerade dann, wenn die Krankenkasse diese Einrichtung mißbräuchlich in Anspruch nimmt. Es ist daher mit der Einrichtung der Selbstzahlersprechstunde behutsam umzugehen, den Patienten nicht zu verärgern, ihm aber einen verbesserten Service anzubieten, verbunden mit einer grösseren zeitlichen Zuwendung und der Gewährung von Wunschterminen. Klaus Joh.Willms - Justitiar -