Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis Mk 12, 41-44

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SOZIALREFERAT DER DI ÖZESE LINZ
Sozialpredigthilfe 254/09
32. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Sie vertraute ihren Lebensunterhalt nicht dem Geld an
Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis Mk 12, 41-44
Autorin: Mag.a Dorothea Schwarzbauer-Haupt
SCHRIFTTEXTE
Lesung. 1 Kön 17,10-16
Evangelium Mk 12,38-44
EINFÜHRUNG
Die heutige Evangelienstelle ist ziemlich bekannt. Eine Witwe wird von Jesus gelobt, weil
sie ihr gesamtes Geld in den Opferkasten wirft. Die Reichen hingegen geben zwar viel,
aber es ist von ihrem Überfluss, es tut ihnen nicht weh. Die Witwe lebt nicht von ihrem
wenigen Geld, sondern von ihrem Gottvertrauen.
Auch wir sind uns oft unserer Abhängigkeit von Einkommen und Vermögen nicht bewusst.
Wenn wir genug Geld haben, fühlen wir uns sicher und unabhängig. Wenn es weniger
wird bekommen wir Angst und werden knauserig.
KYRIE
Gott, du bist in unserer Mitte und zeigst uns den Weg in die Freiheit der Kinder Gottes: Wir
rufen zu dir:
Jesus, du hast gesagt, sorgt euch nicht ängstlich, denn euer väterlich-mütterlicher Gott im
Himmel weiß, was ihr zum Leben braucht. Befreie uns von der Angst um uns selber.
Herr, erbarme dich
Jesus, wie zu dir sagt Gott auch zu uns: du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich
Gefallen gefunden. Hilf uns diese Zusage zu glauben.
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Erntedank „Sich im Gegenüber finden“
Christus, erbarme dich.
Jesus, du hast gesagt, selig sind die, die arm sind vor Gott. Zeige uns den Reichtum, den
materiell Bedürftige besitzen.
Herr, erbarme dich.
PREDIGTGEDANKEN
Diese kurzen Verse über die arme Witwe, die ihren ganzen Lebensunterhalt in den
Opferkasten wirft und dafür von Jesus gelobt wird, sind recht bekannt. Sie werden
meistens als Vorbild für großzügiges und fundamentales Teilen hingestellt. Diese
moralisierende Deutung hat als Nebenwirkung in der Regel ein schlechtes Gewissen bei
den Wohlhabenden zur Folge und steigert so das Spendenaufkommen.
Wer sich aber intensiver auf diesen Text einlässt, bekommt schnell ein mulmiges Gefühl:
Was wäre, wenn das alle machen, wenn die Reichen geben, bis sie selber nichts mehr
haben? Bespiele fallen einem/einer ein von KlientInnen bei der Caritas, die um
Unterstützung bitten, weil sie ihr ganzes Einkommen, ihre ganze Sozialhilfe an die armen
Verwandten im Ausland überwiesen haben. Das kann doch nicht gemeint sein, dass
großzügige Menschen dann der Gemeinschaft auf der Tasche liegen und von ihr
durchgefüttert werden wollen.
Unser Blick ist von einer bestimmten Wahrnehmung geleitet, der auf die Summen, um die
es geht, schaut. Alles geben, auch wenn das wenig ist, wird dem vom Überfluss abgeben,
auch wenn das viel ist, gegenüber gestellt. Dieser Blick führt in eine Sackgasse.
Es macht Sinn uns zu fragen, warum diese Witwe alles, was sie hat, eingeworfen hat.
Offenbar hat sie im Tiefsten ihren Lebensunterhalt nicht dem Geld anvertraut, nicht vom
Geldbesitz abhängig gemacht. Diese Witwe gewinnt ihr Sicherheitsgefühl nicht dadurch,
dass sie Geld hat, sie erliegt nicht der Illusion, dass uns Vermögen vor den Gefahren,
Mühen und Schicksalsschlägen des Lebens bewahren könnte.
Das Leben von Menschen, die Geld haben, verläuft nicht zwangsläufig glücklicher,
zufriedener und sinnvoller als das von Menschen, die wenig haben. Und Jesu Bemerkung,
dass die Reichen nur von ihrem Überfluss abgegeben haben, heißt dann, dass er
wahrgenommen hat, dass diese Menschen ihr Vertrauen auf die Sicherheit durch Besitz
nicht in Frage gestellt haben.
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Erntedank „Sich im Gegenüber finden“
Sie gaben nach dem Motto: Das, was überbleibt, wenn ich mein Leben durch Geld gut
abgesichert habe, das gebe ich gerne ab. Aber im tiefsten hängen mein Herz und mein
Vertrauen an der Überzeugung, dass mich Geld vor den Stürmen des Lebens bewahren
und deren Folgen abmildern kann.
Die Witwe hingegen hat, wahrscheinlich nicht freiwillig, diese Möglichkeit gar nicht, weil sie
so arm ist. Sie musste, lernen ihr Leben auf ein anderes Fundament zu stellen und sie
stellte es auf ihr Vertrauen in Gott, der mit ihr einen Bund geschlossen hat und auf dessen
rettende Fürsorge sie ihr Leben baut.
Die Parteinahme Gottes für die Waisen und Witwen hat im Judentum eine lange Tradition.
Der Umgang mit ihnen ist der Prüfstein, ob das Volk vor Gott bestehen kann oder nicht.
Das bedeutet, dass die Witwe sehr wohl die Verantwortung für ihr auch materielles
Fortkommen übernimmt. Sie ist keine Sozialschmarotzerin, die gut da steht, während
andere für sie zahlen. Diese Witwe ist ein Mensch, der frei geworden ist von der Angst um
sich selber, um ihr Fortkommen und ihre Zukunft. Sie hat die Illusion sich mit Geld
autonom gegen die Wechselfälle des Lebens schützen zu können hinter sich gelassen.
Sie hat ein positives Verhältnis zu jenen fundamentalen Abhängigkeiten unseres Dasein
gefunden, die man um Geld nicht kaufen kann: Saubere Luft zum Atmen, fruchtbaren
gesunden Boden auf dem unsere Nahrung gedeiht, Liebe und Angenommensein durch
Menschen, Zufriedenheit und Lebenssinn.
Sie vertraut sich Gott an mit dieser Bedürftigkeit, sie glaubt an die Kraft solidarischer
Netzwerke, sie ist überzeugt, dass genug für alle da ist, wenn niemand seinen Besitz
hortet, andere ausgegrenzt werden und Autonomie nicht mehr zum höchsten Wert
erhoben wird.
Diese Frau zum Vorbild nehmen wäre für uns eine Herausforderung unser
Sicherheitsbedürfnis und unsere Beziehung zu Geld und Besitz einmal genauer
anzuschauen.
Was bedeutet mir mein Einkommen, mein Bankkonto, mein Haus, meine Wohnung oder
mein Auto? Nütze und genieße ich diese Güter im Wissen, dass mein Lebensglück nicht
davon abhängt?
In unserer Zeit wird intensiv dafür geworben alles versichern zu lassen. Viele Menschen
glauben deshalb, dass Geld und Besitz sie vor den Wechselfällen des Lebens wirklich
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Erntedank „Sich im Gegenüber finden“
schützen können und vernachlässigen das Bemühen und die Investitionen in das
solidarische Beziehungsnetz zu ihren Mitmenschen.
Das heutige Evangelium ist eine Einladung unser Leben, wie diese Witwe, unter einem
neuen Blickwinkel wahrzunehmen. Das Einkommen und Vermögen von Menschen ist
verschieden. Ihre Möglichkeit davon abzugeben und zu spenden auch.
Aber Gerechtigkeit und Solidarität können nur entstehen, wenn wir zugeben, dass wir in
unserer Bedürftigkeit und unserer Angewiesenheit auf andere alle gleich sind.
Und alle sind wir Kinder des väterlichen - mütterlichen Gottes. Gott will gutes Leben, ja
Fülle des Lebens für alle Menschen möglich machen. Gott schenkt uns Fähigkeiten und
seine/ihre Liebe ohne Vorbedingungen, ohne Wohlverhalten zu verlangen einfach, weil wir
da sind.
In diesem Bewusstsein können wir die Verantwortung übernehmen für ein gutes Ein- Ausund Fortkommen aller Menschen zu sorgen, unabhängig von unserer finanziellen Situation
und unseren Vermögenswerten.
FÜRBITTEN
Gütiger Gott, du wendest dich uns zu und schenkst uns deine Liebe. Wir bitten dich:
+ für die Reichen in unserem Land um den Mut ihre Beziehung zum Besitz zu
hinterfragen.
+ für die Bedürftigen um die Erfahrung, dass sie Fähigkeiten und Gaben besitzen mit
denen sie andere bereichern können.
+ für die Verantwortlichen in der Politik, um Entschiedenheit bei der Verwirklichung einer
gerechten Einkommensverteilung.
+ für die in der Werbewirtschaft Tätigen um Einsicht, wie gefährlich es ist, den Wert der
Menschen über ihren Besitz zu definieren.
+ für alle denen das Gefühl sich zu wenig leisten zu können Angst macht um die
Erfahrung jener Werte im Leben, die man nicht kaufen kann.
+ für die Witwen und Witwer, die ohne ihren Partner weiter leben müssen, um
Mitmenschen, die sie unterstützen.
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Erntedank „Sich im Gegenüber finden“
BESINNUNGSTEXT
Dieser Text kann zur Einstimmung oder Meditation als Illustration der Gedanken
eingesetzt werden.
Die Rose
Von Rainer Maria Rilke gibt es aus der Zeit seines ersten Pariser Aufenthaltes diese
Geschichte:
Gemeinsam mit einer jungen Französin kam er um die Mittagszeit an einem Platz vorbei,
an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne zu irgendeinem Geber je
aufzusehen, saß die Frau immer am gleichen Ort. Rilke gab nie etwas; seine Begleiterin
gab häufig ein Geldstück.
Eines Tages fragte die Französin verwundert nach dem Grund, warum er nichts gebe, und
Rilke gab zur Antwort: »Wir müssten ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.«
Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte Rose mit, legte sie in die offene,
abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen. Da geschah etwas Unerwartetes:
die Bettlerin blickte auf, sah den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach
der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon.
Eine Woche lang war die Alte verschwunden. Nach acht Tagen saß sie plötzlich wieder
wie früher am gewohnten Platz. Sie war stumm wie damals.
»Aber wovon hat sie denn all die Tage, da sie nichts erhielt, nur gelebt?«, fragte die
Französin. Rilke antwortete: »Von der Rose...«
Quelle Internet
Sozialreferat der Diözese Linz, Kapuzinerstr. 84, 4020 Linz, Tel. 0732/7610-3251
e-mail: [email protected]
Weitere Sozialpredigten unter: www.dioezese-linz.at/soziales
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