Pressezentrum Dokument: 1/123 PF Sperrfrist: Donnerstag, 14, Juni 2001; 16:30 Uhr Programmbereich: Themenbereich 1: In Vielfalt glauben Veranstaltung: Feministisch-theologische Basisfakultät Evi, die Effizienz und das Evangelium – oder wie die Göttin Moneta die Kirche verzaubert Referent/in: Dr. Sabine Plonz, Theologin, Saarbrücken; Martina Dröttboom, Frauenreferentin, Dortmund Ort: Titusforum Saalbau, Theatersaal, Nordwestzentrum Evi, die Effizienz und das Evangelium – oder wie die Göttin Moneta die Kirche verzaubert 1. Prolog (aus dem Off) (Eine Einstimmung in das Thema der Veranstaltung in Anlehnung an das Buch Hiob...) Es war eine fromme Gemeinschaft im deutschen Lande , die hieß Evangelische Kirche. Sie war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied das Böse. Und sie war eine gute Freundin für alle, die im Land das Sagen hatten und sie hatte ein Herz für alle, die schwach und sündig waren. Und sie hatte viele Söhne und Töchter, die ihr dienten, die Töchter dienten ihr mehr als die Söhne; die Söhne aber bestimmten, was gottesfürchtiges Leben ist und sie verfügten über alle Güter der Kirche. Die Gemeinschaft besaß Tausende von Grundstücken und Häusern, Zehntausende von Kapitalanlagen, Hunderttausende von frommen Dienerinnen, die nichts forderten als ein Dankeschön, Millionen von Mitgliedern, die nichts begehrten als schön verheiratet und anständig beerdigt zu werden und Zehntausende von Beamten, die dankbar waren, dass sie nicht dem wilden Arbeitsmarkt ausgesetzt sind und ihr Leben in Frieden und Frömmigkeit in den Apparaten und auf den Pfarrstellen fristen können. Und die Söhne der Kirche gingen hin und machten ein Festmahl ein ums andere Mal, sie feierten mit den Schwestern ihre Herzensdemut, ihre Bedeutsamkeit im öffentlichen Leben und was da mehr war an Gott wohlgefälligen Dingen. Und wenn die schönen Feiertage vorbei waren, wenn Weihnachten vorüber war, der Kirchentagsschlussgottesdienst aus war, die Parlamente mit ökumenischen Gottesdiensten eröffnet waren, dann ging die Ev. Kirche hin, lobte und heiligte das Tun ihrer Kinder und war zugleich zerknirscht, denn sie dachte: Meine Söhne könnten gesündigt haben und Gott abgesagt haben in ihren Herzen. So ging es allezeit. Es begab sich aber eines Tages, da die Söhne eines anderen Gottes kamen vor den Herrn der Kirche und mit ihnen auch der Satan, der Versucher und Widersacher Gottes. Der Herr sprach zu Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. Der Herr sprach zum Satan: Hast du auf meine Magd acht gehabt, die Ev. Kirche in Deutschland? Denn es ist ihresgleichen nicht auf Erden, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse. Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Meinst du, dass die Kirche Gott umsonst fürchtet? Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. 2 Hast du sie doch, ihre Häuser, ihre Werke, alles was sie hat, beschützt. Du hast das Werk ihrer Hände gesegnet und ihren Besitz ausgebreitet im Lande. Du hast ihr das Kirchensteuersystem geschenkt und das Subsidiaritätsprinzip, nach dem ihre Diakonie große Mengen Geldes vom Staat bezieht, du hast ihr den Pluralismus des Grundgesetzes geschenkt, nachdem sie Bildungsarbeit die Menge betreiben und staatlich refinanzieren kann. Du hast ihr Weisheit geschenkt, dass sie ihre Gottesfurcht auch außerhalb der Kirchenmauern leben lässt, in Betrieben und Akademien, in der Jugendarbeit und mit Arbeitslosen, in der Politikberatung und mit Flüchtlingen. Du hast ihr die treuen Mitglieder geschenkt, die sich auf sie verlassen haben, auch wenn sie von ihr verlassen wurden, die Frauen, die Arbeiter, die Intelligenz, die alten Menschen. Aber strecke deine Hand aus und taste alles an, was sie hat. Was gilt’s, sie wird dir ins Angesicht absagen. Der Herr sprach zum Satan: Siehe alles, was sie hat, sei in Deiner Hand, nur lege deine Hand nicht an sie selbst. Da ging der Satan hinaus von dem Herrn und dachte bei sich. Wohlan, ich will ihren Besitz schmälern, ihre Einnahmen will ich unsicher machen, eine Plage von Andersgläubigen und Ungläubigen soll über ihr Land kommen, den sozialen Frieden der fetten Jahre will ich antasten und der Neoliberalismus soll Staat, Gewerkschaften, Diakonie und alle Leute ohne Macht in die Enge treiben. Und ich will sie in die Wüste führen. Wenn sie dann vom Fasten müde geworden und ihre Sinne von der Glitzerwelt der Werbung, des Designs und der Erlebnisgesellschaft getrübt sind, will ich ihr etwas zeigen: Ich will ihr alle Besitztümer und alle Macht zeigen, die ich ihr erhalte, wenn sie mich anbetet. Und ich will eine Woge von Zweiflern über sie kommen lassen, die ihr einreden sollten, dass sie nicht mehr tauge für das Evangelium, sondern nur noch taugt, wenn sie effizient und kundenorientiert ist. Und ich will ihren Söhnen und Töchtern den Kopf verdrehen, bis sie ihren Besitz an Häusern und staatlicher Förderung mit dem Evangelium verwechseln und bis sie das Event für die Feier ihres Gottes halten. Ich will ihre Söhne gegen ihre Töchter aufhetzen, bis sie bereit sind, ohne Lohn zu arbeiten und ich will ihre guten Taten schlecht reden, bis sie sich nicht mehr trauen, von den Werken und Werten ihres Gottes zu reden und bis sie die Gerechtigkeit seiner Gesetze nicht mehr achten, sondern sich dem Markt und seiner Erfüllung beugen. Und Gott der Herr sprach: wohlan, wir werden sehen, aber an meine Kirche selbst wirst du nicht Hand anlegen. Da lachte der Satan und sprach: was gilt’s , ich will sie zur Anbetung an die Göttin Moneta führen; sie wird verschlungen werden vom Zauber der Göttin Moneta – da wird sie selbst Hand an sich legen und sie wird ein Apparat ohne Profil und ohne Charisma sein, und Evi, ihre treue Tochter, wird auf ewig ohne Heimat sein. 2. Thesen: Zur feministisch-theologischen Herausforderung durch die Monetarisierung und Effizienzrevolution in der Kirche (von Sabine Plonz) Die Ökumenische Dekade: Kirchen in Solidarität mit den Frauen forderte die Gleichberechtigung von Frauen in kirchlichen Strukturen und betonte die theologische Relevanz weiblicher Lebenszusammenhänge. Übersetzt auf die deutsche Situation heißt das: Leitbildreform ist eine Grundanliegen feministischer Theologie. Aber die innerkirchliche Werte- und Strukturreformbewegung hat sich von Fraueninteressen und ökumenischen Einsichten abgekoppelt. Deshalb besteht der Verdacht, dass diese Prozesse auf Kosten der Frauen gehen. Wenn das Gesicht der Kirche bei den Hauptamtlichen, besonders bei den Theologen und in Leitungszusammenhängen über die letzten Jahre weiblicher geworden ist, so liegt es daran, dass Kirche ein Arbeitsmarkt wird, der für die Eliten und für viele erwerbsarbeitende Männer nicht mehr interessant genug ist. (Er sinkt im gesellschaftlichen Ansehen. Die Kirche hat trotz der siebziger und achtziger Jahre keine Reformen hinbekommen, die sie wirklich als Alternative attraktiv machen.) Aber das bedeutet nicht, dass die männlichen dominierten Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. 3 Strukturen und Netzwerke nicht mehr funktionieren. Im Gegenteil: Die verbliebene restliche Männerkirche organisiert jetzt eine Revolution von oben, deren Kennzeichen sind: Modernisierung als Selbstzweck und Ausmerzung von Inhalten. Möglich wird das durch eine Koalition aus Konservativen, die klerikal und amtsbezogen denken, mit den neuen Evangelisten einer sogenannten Managementkultur. Ökonomisch gesehen mischen sich in der Kirche in Deutschland Elemente der vormodernen Haus- und der modernen Erwerbswirtschaft. Daraus resultiert ein Konflikt, der zur Zeit gegen die Hauswirtschaft durchgespielt wird. Von der alt gewordenen Kirche bleibt das Patriarchat. Dessen Vertreter sind mit ihrem Denken nicht richtig in der Moderne angekommen und werden unter dem Druck zur Wirtschaftlichkeit sprachlos. Daher rührt das vielfach beklagte Versagen der aktuellen Kirche, ihre Inhalte zu formulieren und zu vermitteln. Einzig in Modernisierung und dem Erhalt der Institution finden sie ihren Halt. Diese werden zum Selbstzweck. Ob sie es weiß oder nicht: Kirche lebt aus einem geschichtlichen Erbe. Lehre, Ethik und Strukturen sind gewachsene Größen. Deshalb ist jede Kirche unterschwellig geprägt von einem dreifachen Erbe: von einem Gesellschaftstyp der Vormoderne, von den Randsiedlern der Gesellschaft und von der Kritik der herrschenden Ordnung. Das fängt bei den biblischen Wurzeln an, geht über die Reformationszeit und ist auch heute weltweit Realität der Mehrheit der Kirchen. Im Zuge der Leitbild und Strukturreformbewegung versucht Kirche dieses Erbe – sei es die Sozialethik, die Befreiungstheologie oder den Feminismus – zu verabschieden. Jede Kritik gegenüber den strukturellen Ungerechtigkeiten der kapitalistischen Marktgesellschaft hat sie aufgegeben und ist blind für die ideologische Überhöhung ihrer Werte geworden. Die mühsam erkämpften Einsichten, dass Kirche auch durch ihre eigenen Strukturen das Evangelium bezeugt und Christsein durch eine Mitwirkung an politischen und sozialen Konflikten gelebt wird, gerät aufs Abstellgleis (vgl. dazu Barmer Theologische Erklärung, Thesen 3 und 4) Angesichts der Stärke des modernen Kapitalismus ist Kirche gleichsam in Ohnmacht gefallen. Sie passt sich unkritisch dem gesellschaftlichen Trend an, dass nur zählt, was sich zählen lässt. Modern sein heißt, die Welt der Werbung in die Kirchenräume zu holen, den Anspruch auf kritische Auseinandersetzung und eigene Gedanken aufzugeben und die Entsolidarisierung zur Leitlinie der Beschäftigungspolitik zu machen. Sie will Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Kriterien sein, ein Unternehmen, das am Markt mithalten kann und alles, was kostet, auf andere abwälzt. Aber wir wissen längst, dass eine solche Ökonomie zerstörerisch und keine Gerechtigkeitsorientierung kennt. Deshalb ist die Beteiligung der Kirche daran fatal. Entgegen ihrer hier und da noch aufrecht erhaltenen Funktion als Mahnerin für mehr soziale, ökologische und geschlechtergerechte Politik, macht sie sich abhängig von einer Ökonomie der Ungerechtigkeit. In diesem Rahmen wirken ihre ethischen Einwände stabilisierend anstatt kritisch. Die Herausforderung für die feministische Theologie liegt zunächst auf dem Feld der Bewusstseinsarbeit: Sie muss das soziale, politische, ökonomische und ideologische Umfeld verdeutlichen, in dem die Reden von Gemeinschaft und Partnerschaft der Geschlechter gehalten werden. Die Gemeinschaft von Frauen und Männern oder auch das gleichberechtigte Miteinander stellt Kirche auf den Prüfstand: Wo kommt es bei der Leitbilddiskussion und den Strukturreformen in den Verfahren der Meinungsbildung, den Entscheidungsprozessen, den synodalen Weichenstellungen zu einer konsequenten Umsetzung dieses Kriteriums? „Evi“ muss gegen die patriarchalisch kapitalistische Modernisierung aufbegehren – sie befördert nämlich frauenpolitisch ein Rollback. Konservative Rollenzuschreibungen an Frauen und Männer setzten sich unter dem Deckmantel des Sparzwanges machtvoll gegen den Anspruch auf Gleichberechtigung durch. Dagegen fordern wir eine feministischbefreiungstheologische Modernisierung: Kirche trifft neben der Option für die Armen eine Option für die Frau. Sie entwickelt sich selbst zu einem Tätigkeitsraum, in dem Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit und soziales Engagement ohne frauenfeindliche Normen auskommen. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. 4 Mirjam muss ihre Pauke wieder hervorholen, um Ross und Reiter zu benennen: Die Göttin Moneta sitzt heute auf dem Thron von Pharao. Mirjams Gegenwehr besteht nicht darin, diesen neuen Götzen anzubeten, sondern mit jedem Trommelschlag bekannt zu machen, was passiert. Anders gesagt: Strukturen der Kirche, Frauenarbeit, Geld und Kapitalismus sind Themen der feministischen Theologie, will sie nicht am Leben vorbei, der Modernisierung auf dem Leim und den Frauen selbst aus dem Weg gehen. Im Kontext von Ökonomisierung und Entsolidarisierung brauchen wir deshalb eine feministische Sozialethik. Sie muss im Kontakt mit feministischer Politik und Wissenschaft auf der Höhe der Zeit sein. Sie kann bei der Suche nach Zukunft das vorkapitalistische Erbe der Bibel stark machen, auch wenn sie kritisch damit umgeht. Eine feministische Sozialethik kann sich inspirieren lassen vom biblischen Gottesbild. Denn die Befreiungsgeschichten erzählen von göttlichem aufbegehren und Rechtschaffen. Die Bibel kultiviert ein Ethos der Gerechtigkeit und der Fürsorge, das beide Geschlechter beansprucht. Feministische Sozialethik lässt den patriarchalischen Missbrauch von Gerechtigkeit und Erbarmen in der Schrift, der Tradition und der modernen Kirche hinter sich und belebt deren befreiende Kräfte. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn diese nicht Impulse zu einer kraftvollen Leitbild- und Strukturreform von Evis Kirchen geben würden. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers.