Inhalt Lernhilfe B I O LO G I E Traditionen und Wissenschaft THEMENASPEKTE: Humanbiologie, Genetik, Erbgänge krankhafter Merkmale BASISKONZEPTE: System, Entwicklung SCHULSTUFE: Klasse 10/11 SCHWIERIGKEITSGRAD: hoch © Friedrich Verlag I BIOLOGIE I 1 I 2008 Ausgehend von einem historischen Text sollen die Lernenden den Bedeutungsgehalt einer auf Erfahrung gegründeten Aussage zur Vererbung durch heutige wissenschaftliche Erkenntnisse der Genetik entschlüsseln. Zur Aufgabe Lernvoraussetzungen Bei der Bluterkrankheit handelt es sich um eine Erbkrankheit, die X-chromosomal-rezessiv vererbt wird. Bei den betroffenen Menschen – den Blutern – ist die Blutgerinnung gestört. Da der Gendefekt auf dem XChromosom liegt und rezessiv vererbt wird, tritt diese sogenannte Hämophilie hauptsächlich bei Männern auf. Für eine Frau (Trägerin, Konduktorin), die das fehlerhafte Gen der Bluterkrankheit trägt, selbst aber nicht Bluterin sein muss (heterozygote Frau), liegt die Wahrscheinlichkeit Söhne zu bekommen, die Bluter sind, bei 50 %. Bekommt dieselbe Frau Töchter, so liegt die Wahrscheinlichkeit wiederum bei 50 %, dass diese Töchter Träger des Gendefekts sind, ohne dabei selbst Bluter sein zu müssen. Bezüglich der Vererbung der Bluterkrankheit auf einen männlichen Nachkommen gelten dann für die Töchter dieselben Prognosen wie für ihre Mutter. Frauen sind dementsprechend seltener bzw. kaum betroffen, da sie ein zweites X-Chromosom besitzen. Genetisch erklärt sich die Entstehung der Bluterkrankheit bei Frauen (homozygote Frauen) wie folgt: Ist der Vater Bluter und die Mutter Überträgerin, so kann die Tochter Bluter sein, wenn sie von der Mutter das merkmalstragende X-Chromosom vererbt bekommt. Mit der vorgestellten Aufgabe sollen die Schüler das Schema für einen x-chromosomal-rezessiven Erbgang erarbeiten. Die Schülerinnen und Schüler müssen Kenntnisse über die Besonderheiten von rezessiven und dominanten sowie autosomalen und gonosomalen Erbgängen besitzen. Ebenso müssen sie wissen, wie man Vererbungsstammbäume erstellt. Ergänzungen/Variationen Eine mögliche Variation der Aufgabenstellung stellt die Verwendung einer anderen x-chromosomal-rezessiven Erbkrankheit dar (z. B. Rot-Grün-Sehschwäche, Fischschuppenhaut, Mangel an γ-Globulin). Literatur B. Werber, L. Stäudel: Gene – Vergangenheit und Zukunft des Lebens. Materialien zum Unterricht, Sekundarstufe I, Heft 144, Wiesbaden 2000 Diese Aufgabe wurde von A. Gissel konzipiert und von S. Mogge mit Hilfen versehen. Inhalt Lernhilfe Im Talmud, der Sammlung der Gesetze und Überlieferungen des nachbiblischen Judentums aus dem 2. Jahrhundert nach Christi Geburt findet sich folgende Vorschrift: Söhne von Frauen, die bereits zwei Söhne durch Blutung nach der Beschneidung verloren haben, dürfen nicht mehr beschnitten werden. Diese Vorschrift gilt auch für Söhne von Schwestern der Mutter. Die Vorschrift gilt aber nicht für Söhne des gleichen Vaters mit einer anderen Frau. Foto: Michaela Pschorr/Fotolia.com Aufgabe: Bei dem im Talmud geschilderten Phänomen handelt es sich um die so genannte Bluterkrankheit, eine Erbkrankheit. Menschen, die diese Krankheit aufweisen, heißen Bluter. Sie können an nicht behandelten blutenden Verletzungen durch Verblutung sterben. Erstellt anhand der obigen Angaben einen Stammbaum, der das angesprochene Phänomen verdeutlicht. Begründet aus diesem Stammbaum die Art des Erbgangs und erklärt, warum diese fast 1800 Jahre alte Vorschrift heute noch sinnvoll ist. Hinweis: Mädchen werden im Judentum nicht beschnitten. Hätte der im Talmud erwähnte Mann aber Töchter, egal mit welcher Frau, so bestünde für diese Mädchen bei einer offenen Verletzung aber auch keine Gefahr zu verbluten, anders als für die Söhne aus derselben elterlichen Beziehung. Übrigens: Der besagte Vater scheint ja bei seiner eigenen Beschneidung auch nicht verblutet zu sein! © Friedrich Verlag I BIOLOGIE I 1 I 2008 Arbeitsblatt Traditionen und Wissenschaft