Demokratiebegriff des Bundesverfassungsgerichts

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Demokratiebegriff des Bundesverfassungsgerichts
Freiheitlich-demokratische Grundordnung und Demokratiebegriff des GG
SRP- und KPD-Urteil
Die Urteile im Parteiverbotsverfahren gegen die Sozialistische Reichspartei (vom 23Oktober 1952 - BVerfGE 2, S. 1 ff.) und gegen die KPD (vom 17. August 1956 BVerfGE 5, S. 85 ff.) gaben dem Bundesverfassungsgericht Gelegenheit zu
grundlegenden Ausführungen über den Begriff der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung und zum Demokratiebegriff des Grundgesetzes. Im SRP-Urteil heißt
es dazu: ...
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So läßt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung
bestimmen, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine
rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des
Volkes nach dem Willen del jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit
darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu
rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor
allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die
Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit de Regierung, die
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das
Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem
Recht au verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
(BverfGE 2,1ff)
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An dieses Ausführungen knüpft das BverfG im KPD – Urteil an:
Diese freiheitliche demokratische Ordnung nimmt die bestehenden, historisch
gewordenen staatlichen und gesellschaftliche Verhältnisse und die Denk- und
Verhaltensweisen der Menschen zunächst als gegeben hin. Sie sanktioniert1 sie weder
schlechthin noch lehnt sie sie grundsätzlich und im ganzen ab; sie geht vielmehr
davon aus, dass sie verbesserungsfähig und -bedürftig sind. Damit ist eine nie
endende, sich immer wieder in neuen Formen und unter neuen Aspekten stellende
Aufgabe gegeben; sie muß in Anpassung an die sich wandelnden Tatbestände und
Fragen des sozialen und politischen Lebens durch stets erneute
Willensentschließungen gelöst werden. Die freiheitliche Demokratie lehnt die
Auffassung ab, daß die geschichtliche Entwicklung durch ein wissenschaftlich
erkanntes Endziel determiniert2 sei und daß folglich auch die einzelnen
Gemeinschaftsentscheidungen als Schritte zur Verwirklichung eines solchen
Endziclcs inhaltlich von diesem her bestimmt werden könnten. Vielmehr gestalten
die Menschen selbst ihre Entwicklung durch Gemeinschaftsentscheidungen, die
immer nur in größter Freiheit zu treffen sind. Das ermöglicht und erfordert aber, daß
jedes
Glied
der
Gemeinschaft
freier
Mitgestalter
bei
den
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Gemcinschaftsentscheidungen ist. Freiheit der Mitbestimmung ist nur möglich , wenn
1
Hier: für einzig richtig halten
vorherbestimmt; aufgrund einer Weltanschauung verbindlich festgelegt
3
in der Regel sind damit Wahlen bzw. Volksabstimmungen gemeint.
2
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die Gemeinschaftscntscheidungen - praktisch Mehrheitsentscheidungen - inhaltlich
jedem das größtmögliche Maß an Freiheit lassen, mindestens aber ihm stets zumutbar
bleiben. Anstelle eines vermeintlich vollkommenen Ausgleichs in ferner Zukunft 4
wird ein relativer ständiger Ausgleich schon in der Gegenwart erstrebt.
Wenn als ein leitendes Prinzip aller staatlichen Maßnahmen der Fortschritt zu
sozialer Gerechtigkeit aufgestellt wird, eine Forderung, die im Grundgesetz mit
seiner starken Betonung des „Sozialstaats“ (Art 20 GG, MB) noch einen besonderen
Akzent erhalten hat, ist auch das ein der konkreten Ausgestaltung in hohem Maße
fähiges und bedürftiges Prinzip Was jeweils praktisch zu geschehen hat, wird also in
ständiger Auseinandersetzung aller an der Gestaltung des sozialen Lebens beteiligten
Menschen und Gruppen ermittelt. Dieses Ringen spitzt sich zu einem Kampf um die
politische Macht im Staat zu. Aber es erschöpft sieh nicht darin. Im Ringen um die
Macht spielt sich gleichzeitig ein Prozeß der Klärung und Wandlung dieser
Vorstellungen ab. Die schließlich erreichten Entscheidungen werden gewiß stets
mehr den Wünschen und Interessen der einen oder anderen Gruppe oder sozialen
Schicht entsprechen; die Tendenz der Ordnung und die in ihr angelegte Möglichkeit
der freien Auseinandersetzung zwischen allen realen und geistigen Kräften wirkt aber
(...) in Richtung auf Ausgleich und Schonung der Interessen aller. Das Gesamtwohl
wird eben nicht von vornherein gleichgesetzt mit den Interessen oder Wünschen einer
bestimmten Klasse; annähernd gleichmäßige Förderung des Wohles aller Bürger und
annähernd gleichmäßige Verteilung der Lasten wird grundsätzlich angestrebt. Es
besteht das Ideal der „sozialen Demokratie in den Formen des Rechststaates“.
(BverfGE 5, S. 85ff)
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Etwa eine zukünftige Gesellschaft, in der alle gleich sind.
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Demokratieverständnis des Grundgesetzes
(Die 4 Prinzipien in Art. 20:"...demokratischer und sozialer Bundesstaat. ...
Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und
die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.")
Demokratisches Prinzip
konkurrierende
Willensbildung in frei
gebildeten Parteien
und Verbänden;
Opposition ist
fundamentaler
Bestandteil
Grundrechte dürfen nicht in
ihrem Wesensgehalt angetastet
werden.
Änderungen der Grundsätze in
Art. 1 und 20 sind unmöglich.
repräsentativ gewählte
Parlamente
gewaltenteiliger
Verfassungsstaat mit Stärkung
aller drei Gewalten:
 Unabhängigkeit der Gerichte
und zentrale Bedeutung des
BVG
 Parlament
Parteienstaatsprinzip
 Regierung (starke Stellung
des Kanzlers)
Allgemeine Rechtssicherheit
Primat des rechts
Anspruch auf rechtliches Gehör
Gesetzliche Begründung aller
Maßnahmen des Staates
„streitbare
Demokratie“
(wertgebunden)
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Rechtsstaatlichkeitsprinzip
Aufgabe:
Versucht die vom Verfassgericht für verbindlich erklärten Merkmale der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erläutern. Was bedeutet es, dass
die Bundesrepublik kein für alle verbindliches Ziel der Gesellschaftlichen
Entwicklung kenne. Wo liegt der Unterschied zwischen einem solchen
verbindlichen Ziel und dem Prinzip des "allgemeinen Wohls"?
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