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21.11. Urbane Lebenswelten
1. ZWEI FRAGEN DER CHICAGOER SCHULE:
1. Nach welchem Muster verläuft die Stadtentwicklung?
(Frage nach den Gesetzmäßigkeiten räumlicher Strukturierung)
2. Wie leben die Individuen und Gruppen in der Großstadt: Welche Lebenswelten
entstehen in der Stadt?
(Frage nach der urbanen Lebensweise und Stadtkultur)
2. ZU FRAGE 1) MODELL DER STADTENTWICKLUNG
Das sozialökologische Entwicklungsmodell (Burgess' Grafik) ist das Modell einer
wachsenden, kapitalistisch organisierten Stadt. Die Marktkräfte von Angebot und
Nachfrage zählt Burgess zu den "natürlichen" Faktoren, die als nicht beeinflussbar
gelten. Politik und Planung, die insbesondere in den europäischen Städten im 20.
Jahrhundert eine große Bedeutung erlangen, spielen so gut wie keine Rolle für die
Erklärung der Stadtentwicklung. Modell trifft zu für eine bestimmte Phase der
Stadtentwicklung in den USA, ist nicht verallgemeinerbar.
Mechanismen der Entwicklung sind die "Anpassung an die Umwelt" und der
"Wettbewerb um Territorien" (Häußermann/Siebel 2004, 119). Soziale Gruppen
konkurrieren um Standorte bis sie ihre Präferenzen verwirklicht haben. Dadurch
kommt es zur räumlichen Trennung der Gruppen: Segregation. Ursprünglich
wurde die Entwicklung einer Stadt wie die eines Organismus' verstanden. Wie in
der Tier- und Pflanzenwelt könne durch Anpassung und Wettbewerb auch in
Städten ein Gleichgewicht entstehen.
Deshalb sozial-ökologische Theorie, oder : Humanökologie. Als ökologisch wird
diese Theorie deshalb bezeichnet, weil sie die Beziehungen und wechselseitigen
Anpassungen zwischen Aggregaten ins Zentrum stellt.
Das Gleichgewicht kann durch Zuwanderung oder andere externe Faktoren, vor
allem durch technische Entwicklungen, gestört werden. Dadurch kommen
Veränderungen zustande: Eine Nutzergruppe macht sich verstärkt im bisherigen
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Gebiet einer anderen Gruppe breit; dies wird als Invasion bezeichnet. Daraufhin
beginnen die dort Ansässigen, das Gebiet zu verlassen und allmählich wird die
eindringende Gruppe dominant, dies wird als Sukzession bezeichnet. Irgendwann
ergibt sich ein neuer Gleichgewichtszustand. Der Wandel der Nutzungen durch
Invasion und Sukzession wird von den Sozialökologen als natürlicher Prozess
bezeichnet. (vgl. Häußermann/Siebel 2004)
3. PARKS ASSIMILATIONSTHEORIE
Robert E. Parks "race-relations-cycle", vier Stufen:
1. Stufe: Kontakt
- friedlich und informationshalber
2. Stufe: Wettbewerb/Konflikt
- um Arbeitsplätze, berufliche Positionen, Wohnungen, etc.,
- Beschäftigungsnischen auf der unteren Hierarchiestufe,
- residentielle Segregation.
- Unruhen, Diskriminierung,
- langwieriger Prozess der Anpassung beginnt.
3. Stufe: Akkomodation (= erste Stufe im Prozess der Anpassung)
- Akzeptanz der dominierenden Strukturen (sh.2.),
- ethnische Arbeitsteilung,
- differentielle Benachteiligung,
- Segregation, Diskriminierung
4. Stufe: Assimilation (= vollkommene Angleichung, Verschmelzung)
- Vermischung der ethnischen Gruppen mit Mehrheitsgesellschaft,
- Auflösung der ethnischen Identifikation und Dimension.
(vgl. Treibel 1999)
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4. PARKS MARGINAL MAN
Definition: „...ein Mensch am Rande zweier Kulturen und zweier Gesellschaften,
die einander nie völlig durchdrangen und nie völlig miteinander verschmolzen“
(Park, zit. nach Lindner 1990, 203)
Migration und integration versteht Park als hoch problematische Prozesse, die von
Einwanderern viel verlangen: Ein Leben auf des Messers Schneide zu bewältigen:
zwischen Absturz und Aufstieg, zwischen Krise und Chance – Platz für
romantische Vorstellungen ist da nicht.
Merkmale
psychische Krise
Chance
Entwurzelung und Desorientierung
Verarbeitung der Krise
•weiterer Horizont – Erfahrungen
•schärferer Intellekt – Vergleiche
•rationaler, unvoreingenommener Standpunkt – stellt in Frage, was
Einheimischen selbstverständlich ist, wirkt deshalb verunsichernd (aber
auch anziehend, macht neugierig).
Forscher als experimenteller marginal man (Lindner 1990)
•gewollte Situation in die sich Forscher begeben,
•Bsp.: Ethnologen in der Feldforschung: “… das Gewohnte mit anderen
Augen zu betrachten.” (ebd.,)
•teilnehmende Beobachtung als Methode,
•die Produktivität von Außenseitern / Randseitern:
Beispiele: Freud, Marx, Simmel
5. PARKS FORSCHUNGSPROGRAMM: TO SEE LIFE
Eine zentrale Fragestellung Parks war es, wie in einer Einwanderungsstadt die
soziale Ordnung aufrecht erhalten bleiben kann. Seine Antwort: durch die soziale
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Kontrolle, die in den ethnischen Communities, den "natural areas" der
Immigranten, die sozialisierenden und schützenden Funktionen des Dorfes
übernimmt.
Wie das Leben in den verschiedenen communities mit eigenen sozialen Normen
und Institutionen entstanden ist, wie es sich aus den mitgebrachten Traditionen
und der Auseinandersetzung mit der neuen Umwelt verändert, das sind die
zentralen Interessen, die Parks Forschungen anleiten.
In der Beschreibung solcher Gebiete sind die klassischen empirischen Studien der
Chicagoer Soziologie entstanden:
The Hobo (Nels Andersen), The Gang (Frederic Thraher), The Ghetto (Louis
Wirth), The Gold Coast and the Slum (Harvey Zorbaugh) und The Jack-Roller
(Clifford Shaw) gehören zu den berühmten Studien, die zwischen 1923 und 1932
unter der Anleitung Parks entstanden sind. Park war der Mentor und Betreuer
dieser Studien, für die er selbst meistens die Vorworte schrieb.
•Methoden: Erkundungen und Beobachtungen, nach dem Vorbild des Reporters
get the feeling, the art of looking, nosing around
•Haltung des Sozlogen als neutraler Beobachter: weder die drei „c“ (charity,
crime, correction) noch Lehnstuhl-Soziologie
•Stadtkultur ist eine Kultur der Differenz, die Stadt ein Mosaik urbaner
Lebenswelten
Literatur
d'Eramo, Marco 1998: Das Schwein und der Wolkenkratzer. Eine Geschichte
unserer Zukunft. Reinbek: Rowohlt, 255-269
Lindner, Rolf 1990: Die Entdeckung der Stadtkultur: Soziologie aus der Erfahrung
der Reportage. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
Lindner, Rolf 2004: Walks on the Wild Side. Eine Geschichte der Stadtforschung.
Frankfurt/M., New York: Campus, 113-146
Park, Robert E., Ernest W. Burgess & Roderick D. McKenzie 1984 (1925): The
City. Chicago u.a.: University of Chicago Press
Treibel, Annette 1999: Migration in modernen Gesellschaften. Soziale Folgen von
Einwanderung, Gastarbeit und Flucht. Zweite Auflage. Weinheim,
München: Juventa
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