Die Entspannung - 1962 bis 1975 1) Die Bedingungen für die Entspannung 1.1 Die Folgen der Kuba-Krise Nach der friedlichen Lösung der Kuba-Krise ergaben sich sowohl für die USA als auch für die Sowjetunion außenpolitische Neuorientierungen, die in eine „Entspannungspolitik“ einmündeten. Beide Supermächte sahen die Notwendigkeit einer verbesserten Kommunikation ein, durch welche die Entstehung ähnlicher Konfliktsituationen wie vor und während der Kubakrise von vornherein vermieden werden sollte. Der erste Schritt war am 20. Juni 1963 in Washington und Moskau die Einrichtung eines „Roten Telefons“, über das die Regierungschefs in Krisenzeiten direkt und umgehend miteinander verhandeln konnten. Ebenfalls als Lehre aus der Kubakrise verabredeten Kennedy und Chruschtschow gemeinsame Schritte zur Rüstungskontrolle und eine Einschränkung der Atomwaffenversuche. Ein erster Erfolg in dem Versuch, die gefährliche Spirale des atomaren Wettrüstens zu beenden, zeigte sich in dem „Atomteststopp-Abkommen“, das am 5. August 1963 zwischen den USA, der Sowjetunion und Großbritannien geschlossen wurde. Das Abkommen erlaubte nur noch unterirdische Versuche mit Atomwaffen und hatte vor allem das Ziel, das Anzahl der Atommächte nicht zu vergrößern. Dabei hatten die beteiligten Mächte vor allem die Volksrepublik China im Auge. Im Oktober 1964 zündeten die Chinesen dennoch ihre erste Atombombe. Der Begriff „Entspannung“ wurde von den Supermächten unterschiedlich interpretiert. In der Vorstellung der Sowjetunion sollte die Entspannung der Sicherung ihres Imperiums und der Anerkennung als gleichberechtigter Weltmacht neben den USA dienen. Im Verständnis der USA war die Entspannung ein dynamischer Prozess, der die Überwindung des Ost-West-Konflikts zum Ziel hatte. Auch während der ersten Entspannungsphase rüsteten sowohl die USA als auch die Sowjetunion weiter auf. Erst als die Sowjetunion Ende der sechziger Jahre im Bereich der Interkontinentalraketen einen nuklearen Gleichstand mit den USA erzielt hatte, kamen beide Seiten zu der militärstrategischen Einsicht, dass das „Gleichgewicht des Schreckens“ eine weitere Anhäufung von Waffen sinnlos mache. 1.2 Das Rissigwerden der Blöcke > Im Westblock: der französische Präsident De Gaulle entwickelt eine Politik nationaler Unabhängigkeit (Verweigerung des Einganges des Vereinigten Königreichs in der EWG, unabhängige nukleare Streitkraft, Anerkennung des kommunistischen China, Verurteilung der US-Intervention in Vietnam und Entzug 1966 der NATO.) > Im sozialistischen Block: innerliche Spannungen mit China, das stalinistisch bleibt und die Entspannung ablehnt. Im Jahre 1964 wird das Land seinerseits eine nukleare Macht. Es streitet die Führungsrolle der UdSSR im kommunistischen Block und stützt sich dafür auf die Bewegung der Blockfreien Staaten. 2) Die Aspekte der Entspannung 2.1 Diplomatische Aspekte USA-UdSSR: Reise 1972 und 1974 des Präsidenten Nixon nach Moskau und des Generalsekretär Breschnew 1973 nach Washington. USA-China: UNO-Beitritt 1971 vom kommunistischem China und Besuch des Präsidenten Nixon in Peking 1972 (insbesondere, um über den Vietnamkrieg dort zu diskutieren). Die BRD und die DDR erkennen sich gegenseitig als zwei verschiedene Staaten (Grundlagenvertrag 1972) und treten zusammen in der UNO 1973 ein. „Ostpolitik“ des deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt, der Beziehungen mit den osteuropäischen Ländern schafft und die Annäherung mit der DDR ermöglicht („Wandel durch Annäherung“). 1975 Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE): an der Konferenz nehmen 7 Staaten des Warschauer Paktes, 13 neutrale Länder und die 15 NATO-Staaten teil. Die Beteiligung der USA und Kanadas erfolgt auf ausdrücklichen Wunsch der EG-Staaten. Nach zweijährigen Verhandlungen in Genf wird die KSZE-Schlussakte am 1. August 1975 in Helsinki unterschrieben. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich in dieser Absichtserklärung zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Außerdem wird die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt vereinbart. (V.l.n.r.: Helmut Schmidt, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Erich Honecker, Erster Sekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Gerald Ford Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Bruno Kreisky, Bundeskanzler der Republik Österreich) Jedem Block gelingt es Schlüsselpunkte aufzudrängen: die Anerkennung der europäischen Grenzen (besonders die territorialen Gewinne der UdSSR 1945 und die Unantastbarkeit der Oder-Neisse-Linie) ist ein Erfolg für den kommunistischen Block, den Respekt der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ein Erfolg für den Westblock. Es wird sich sobald im Osten Gruppen der Menschenrechte bilden, die den „Dissidenten“ die Möglichkeit geben werden, ihren Gegensatz zu den kommunistischen Regierungen bekannt zu machen. Die Rivalität im Weltaum geht weiter: die USA erreichen schließlich einen überragenden weltweiten Erfolg im Juli 1969 mit Neil Armstrong, der 1. Mensch auf dem Mond. Auch in diesem Gebiet setzt sich die Zusammenarbeit 1975 mit dem 1. gemeinsamen Weltraumflug durch. 2.2 Militärische Aspekte: die Rüstungskontrolle. 1963 Erlass der nuklearen Versuche in der Atmosphäre (Moskauer „AtomteststoppAbkommen“). 1968 Vertrag der Nichtverbreitung der Atomwaffen (Ablehnung Frankreichs und Chinas) 1972 Unterschrift durch Nixon und Breschnew des Abkommens SALT 1 (Strategic Arms Limitation Talks), das, angesichts der Gefahren und den Kosten des Rüstungswettlauf, die Anzahl der nuklearen Raketen begrenzt. US-Doktrin der „graduierten Riposte“. 2.3 Wirtschaftliche Aspekte Öffnung eines Ost-West-Handels: zwischen den USA und der UdSSR unterzeichnete Verträge insbesondere auf dem Getreidekauf durch die UdSSR. 3) Die Grenzen der Entspannung Die Entspannung beschränkt sich auf die zwei Supermächte. 3.1 Jede Supermacht erhält ihre Kontrolle in ihrer Einflußzone aufrecht. Sowjetischer Block: 1968 - „Prager Frühling“ (Tschechoslowakei). Wie 1956 in Ungarn wollte die tschechoslowakische Kommunistische Partei unter Alexander Dubček im Frühjahr 1968, ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm durchsetzen (der „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“). Wie in Ungarn kam es zur gewaltsame Niederschlagung dieses Versuchs am 21. August 1968 durch einmarschierende Truppen des Warschauer Paktes. Westlicher Block: am 11. September 1973 putschte das Militär in Chile. Der drei Jahre zuvor demokratisch gewählte sozialistische Präsident Salvador Allende nahm sich das Leben, nachdem die Luftwaffe begonnen hatte, den Präsidentenpalast La Moneda zu bombardieren und Putsch-Militär in den Palast eingedrungen war. La Moneda wird durch Luftstreitkräfte angegriffen. Eine Militärjunta unter der Führung von Augusto Pinochet regierte Chile daraufhin bis zum 11. März 1990 als Diktatur. Der Putsch wurde von den USA politisch und finanziell unterstützt und war ein zentrales Ereignis im Kalten Krieg, mit ähnlich symbolhafter Bedeutung wie die Revolution in Kuba. 3.2 Permanenz der peripherischen Konflikte. Beispiel : der Vietnamkrieg Der Vietnamkrieg war ein Teil eines über dreißig Jahre andauernden Konflikts in Indochina. Dieser begann 1945 mit dem Widerstand der vietnamesischen Kommunisten und anderer Gruppierungen gegen die damalige französische Kolonialmacht und setzte sich als Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südvietnam ab 1957 fort. Ab den 1960er Jahren begannen die Vereinigten Staaten mit der Unterstützung des westlich orientierten Südvietnams, anfangs nur mit Militärberatern, ab 1965 auch mit dem massiven Einsatz eigenen Militärs. 1973 zogen sich die USA zurück, und 1975 wurde Südvietnam durch nordvietnamesische Truppen besetzt und das Land wiedervereinigt. Der Vietnamkrieg war ein so genannter Stellvertreterkrieg im Kontext des Kalten Krieges. Seit der Indochinakonferenz 1954 war Vietnam in einen kommunistischen Norden und einen antikommunistischen Süden geteilt, was zunächst als Provisorium gedacht war. Der Süden wurde nur wenige Jahre später Schauplatz eines Bürgerkriegs zwischen der Regierung und den durch Nordvietnam unterstützten Aufständischen, der kommunistisch dominierten „Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams“ (FNL – „Front National de Libération“ –, im allgemeinen Sprachgebrauch „Vietcong“ genannt). Diese Entwicklung interpretierten die Vereinigten Staaten als Bedrohung ihrer Interessen (siehe Dominotheorie). Die offene Intervention der USA begann mit der Bombardierung Nordvietnams am 2. März 1965. Am 8. März 1965 landeten die ersten regulären USKampftruppen im Land. Zuvor war das südvietnamesische Regime bereits mit einem kontinuierlich verstärkten Kontingent von „Militärberatern“ gegen die Guerilla der FNL unterstützt worden. Die Sowjetunion und die Volksrepublik China stellten Nordvietnam militärische Hilfe zur Verfügung. Ab 1970 weiteten die Vereinigten Staaten ihre militärischen Aktionen, insbesondere die verheerenden Bombardierungen, auf die Nachbarstaaten Kambodscha und Laos aus. Die USA konnten ihr Ziel – Stabilisierung des Südens – allerdings nicht erreichen, sodass ab 1969 bis zum März 1973 die US-Truppen wieder aus Südvietnam abgezogen wurden. Der Krieg endete mit der Einnahme Sàigòns am 30. April 1975 durch nordvietnamesische Truppen und hatte die Wiedervereinigung des Landes zur Folge. Der Vietnamkrieg forderte auf vietnamesischer Seite etwa drei Millionen Todesopfer, davon waren zwei Millionen Zivilpersonen. Weitere 2 Mio. Menschen wurden verstümmelt und zusätzlich 2 Mio. Menschen giftigen Chemikalien ausgesetzt. Auf amerikanischer Seite starben etwa 58.000 Soldaten. Der Widerstand gegen den Krieg innerhalb der USA war erheblich, es entstand eine große Antikriegs-Bewegung vor dem Hintergrund der 68er-Bewegung. Der Staat antwortete darauf mit deren groß angelegter illegaler Überwachung durch die Operation CHAOS des Auslandsgeheimdienstes CIA, mit Repression im Rahmen der Operation COINTELPRO des FBI, und mit Gewalt, bis hin zum tödlichen Schusswaffengebrauch gegen Demonstranten beim Kent-State-Massaker. Der „Frieden“ : Nixon und sein Berater Kissinger mussten ihre Außenpolitik gänzlich ändern: Annäherung mit China (Anerkennung, Beitritt der UNO und offiziellem Besuch). 1. amerikanische militärische Niederlage seit 1945 und politische Schwächung der USA. Vietnam wird durch das kommunistische Regime des Nordens wiedervereinigt, und schließlich wird die ganze französische ex-Kolonie Indochina kommunistisch: > Kambodscha: Die roten Khmer ergreifen die Macht 1975 und stellen eine Diktatur einer extremen Gewalt auf, die beauftragt wurde, in einem autarkischen Rahmen, eine kommunistische Gesellschaft ohne Klassen zu gründen, die vom westlichen kapitalistischen und kolonialen Einfluss sowie von der Religion gereinigt sein sollte. Dieser Prozess umfasste auch die fast vollständige Vertreibung der Bevölkerung der Hauptstadt Phnom Penh und mündete in einem Massenmord an der kambodschanischen Bevölkerung, der weltweite Bekanntheit erlangte. Bis zum Ende ihrer Herrschaft 1978 fielen den roten Khmer nach den verbreitetesten Schätzungen etwa 1,7 bis 2,2 Millionen Kambodschaner zum Opfer. Die Roten Khmer waren eine maoistisch-nationalistische Guerillabewegung. Ihr Name leitet sich von der mehrheitlichen Ethnie Kambodschas, den Khmer ab. Nach ihrer Vertreibung durch vietnamesische Invasionstruppen wurden die Roten Khmer erneut zu einer Untergrundbewegung und dabei zeitweise von verschiedenen, auch westlichen Ländern unterstützt, bis sie sich 1998 endgültig auflösten. Die wirksame juristische Aufarbeitung der Verbrechen während ihrer Herrschaft kam erst spät in Gang und dauert bis heute an. > In Laos erreichte auch die kommunistisch orientierte Guerillabewegung Pathet Lao die Macht im Jahre 1975. Diese Bewegung hatte enge Verbindungen mit den Vietcong und NordVietnam. 1975 erzwangen sie in Laos die Errichtung einer Republik nach volksdemokratischem Muster.