jugendweihe070511

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Erwachsen werden
Ist vielleicht gar nicht so schlimm…
Es ist ein Kreuz. Da wird man nicht nur fortwährend älter, sondern soll auch noch so
ganz nebenbei erwachsen werden, ohne dass man das in irgendeiner Form erklärt
bekäme. Dass daraus natürlich in erster Linie Missverständnisse erwachsen, liegt auf
der Hand.
Anrede
„Du wirst jetzt Erwachsen.“ sagen die Eltern gedankenschwer zu ihrem Kind. So als
ob das heißt: „Du darfst nicht mehr fröhlich sein!“ Dabei sind Erwachsene ständig
fröhlich, manchmal sogar albern und verrückt. Oder wie soll man es anders
Verstehen, wenn sich erwachsene Männer am Ende eines Fußballspiels Bier über
den Kopf gießen und mit einer Polonaise über den Rasen ziehen. Man stelle sich die
selben Szenen auf Eurer letzten Klassenfahrt vor.
Als Kind wird man manches mal vertröstet, das dürfe man erst, wenn man
Erwachsen sei. Also wann ist man in Deutschland erwachsen? Die volle
Geschäftsfähigkeit erlangt man mit dem 18. Lebensjahr. Die volle Straffähigkeit tritt
zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr ein. Bundespräsident darf man übrigens erst
ab dem 45. Lebensjahr werden. Bis zu diesem Zeitpunkt ist man für den Job noch
nicht Erwachsen genug!
Natürlich sind die Altersgrenzen willkürlich, in verschiedenen Ländern gibt es
entsprechend unterschiedliche Altersgrenzen und jeder Mensch entwickelt sich in
einem anderen Tempo, doch die Idee des Gesetzes hat den richtigen Ursprung:
Erwachsen ist man wenn man sein Leben selber bestimmt und die Konsequenzen
seines Handelns selber trägt. Das kann man in der Regel aber erst dann, wenn man
vom elterlichen Geldbeutel unabhängig ist. So ist die Jugendweihe eher der
Übergang zur Jugend und die Jugendzeit ist die Zeit der Erwachsenwerdens. Im
angelsächsischen Raum hat man dafür den Begriff „Teenager“ geprägt.
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Was ist wichtig im Leben und wie finde ich es heraus?
Geld! Ansehen! Macht! Das sind die gängigen Definitionen von Erfolg. Dabei sind es
oft ganz andere Dinge im Leben, die uns dauerhaft mit Stolz und Glück erfüllen.
"Alles was ich heute tue, ist wichtig, gebe ich doch einen ganzen Tag meines
Lebens dafür." sagt George Bernhard Shaw
Dieses Zitat dürfte manch einen stutzen lassen, denn tatsächlich sind viele
Menschen nicht der Ansicht, etwas wirklich Wichtiges zu tun. Sie folgen ihrem Alltag,
tun was sie immer tun – nichts Besonderes also und schon gar nichts Wichtiges.
Ich denke, es lassen sich zwei Botschaften aus diesem Zitat ableiten, die wir mit in
unseren Alltag nehmen können:
1. Es macht Sinn, sich hin und wieder zu fragen, womit man wirklich seine Zeit
verbringen will und
2. tut es gut, sich klarzumachen, wie viel von dem, was wir täglich tun, uns
tatsächlich wichtig ist.
Das ist die Freiheit etwas freiwillig zu tun!
Man kann den ganzen Tag herumtrödeln oder etwas Sinnvolles machen!
Man kann sein Taschengeld auf den Kopf hauen oder etwas davon sparen.
Man kann Lügen, um sich zunächst Unannehmlichkeiten zu ersparen, man kann
aber auch die Wahrheit sagen, und zu seiner Handlung stehen.
Es liegt in Eurer Hand, mit dieser Freiheit verantwortungsvoll umzugehen!
Klar! Wird der ein oder andere jetzt denken. Der muss uns jetzt ein bisschen ins
Gewissen reden. Dafür haben die den als Redner engagiert. Ich tue das aber nicht
nur für Euch sondern will auch ein wenig an die appellieren, die Euch täglich
begleiten: Eure Eltern!
Die haben es auch nicht immer leicht! Sie sollen und wollen Euer Kompass am
Anfang Eures Lebens sein. Eltern ermahnen Ihre Kinder, um sie zu schützen, sie vor
Fehlern zu bewahren. Das nennt man Erziehen und ist verdammt schwer. Ich erlebe
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das jeden Tag. Den Elternberuf kann man nicht erlernen. Man kann nur auf die
eigenen Erfahrungen vertrauen und aus den Fehlern der eigenen Eltern lernen. Und
man macht ständig Fehler. Angetrieben ist man von der Sorge um das Wohl der
Sprösslinge und die wollen gar nicht so viel Fürsorge. Sie wollen ihren eigenen Weg
finden. Meine Frau und ich haben uns entschlossen für unsere Kinder die
Leitplanken rechts und links auf der Straße ins Leben zu sein. Je Älter die Kinder
werden, um so breiter werden die Straßen. Gelegentlich stoßen Sie an die
Leitplanken an. Wie bei einer richtigen Straße schwenken auch die Leitplanken mit
der Straße mit, ohne aber die grobe Richtung zu verlieren. Manchmal bauen wir
Geschwindigkeitsbegrenzungen ein und gelegentlich haben wir auch schon mal eine
Hindernis von der Straße geräumt. Aber Fahren, dass müssen unsere Kinder alleine.
„Welchen Weg soll ich nehmen?“ fragt Alice im Wunderland an einer Kreuzung die
Katze. „Das hängt davon ab, wohin Du willst!“
Erwachsen werden heißt: Sich Ziele setzen. Was soll aus mir werden. Wo will ich in
fünf oder zehn Jahren stehen.
Ich will Euch von der jungen Frau erzählen, die zum Abschluss der 10. Klasse mit
einem mittelmäßigen Zeugnis da stand und sich zum Ziel gesetzt hatte , Försterin zu
werden. Der Haken an der Sache war, dass man dafür Abitur haben musste und
eigentlich kaum Frauen diesen Beruf ergriffen. Was tun? Wie alle anderen Mädchen
ihres Jahrganges Bürokauffrau lernen? Sie entschied sich an dieser Weggabelung
ihres Lebens für den langen Weg mit steilen Aufstiegen. Den Leiter des
Forstbetriebes überzeugt sie, dass auch Mädchen den Beruf des Waldarbeiters
lernen können. Er gab ihr die Chance. An drei Abenden in der Woche ging sie in die
Volkshochschule und holte ihr Abitur nach. Als sie nach drei Jahren ihre Ausbildung
abgeschlossen hatte und ein halbes Jahr später auch das Abitur erreichte, bewarb
sie sich an der Fachhochschule. Heute ist sie Försterin mit eigenem Revier und hat
sich mit dem ökologischen Waldumbau schon wieder ein neues Ziel gesetzt.
Ich erzähle diese kleine Geschichte, weil sie Euren Blick ein wenig schärfen soll, für
die wichtigen Dinge im Leben: Warum sollte ich mich abmühen, mich plagen, Energie
und Zeit investieren, wenn ich nicht weiß wofür? Wenn es keinen Sinn gibt?
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Setzt Euch realistische Ziele und arbeitet darauf hin. Scheut euch dabei nicht auch
Umwege in Kauf zu nehmen.
Sind Erwachsene ernster?
Erwachsenwerden findet im Kopf statt. Man beginnt sich Gedanken zu machen. Über
seine Mitmenschen, die Liebe, Politik, das Leben. Man ist nicht mehr so
unbeschwert, wie in den Kindertagen.
Ich erinnere mich noch ganz genau, als 1986 –ich war gerade 15 geworden- das
Atomkraftwerk in Tschernobyl in die Luft gegangen war. Erstmals beschlich mich
eine gewisse Zukunftsangst. Eine ähnliche Situation erlebt Ihr zur Zeit in Japan.
Soll man deshalb den Kopf in den Sand stecken?
Nein! Das wäre falsch. Ihr habt unendliche viele Möglichkeiten der Information. Nutzt
diese. Macht Euch selber ein Bild und bildet Euch eine eigene Meinung. Und was
ganz wichtig ist: Mischt Euch ein, stellt Fragen und seit manchmal auch unbequem.
Was könnt Ihr von der Zukunft erwarten?
Der lebenslange Arbeitsplatz bei ein und dem selben Unternehmen wird in der
modernen Wirtschaft immer mehr zum Auslaufmodell. Das Arbeitsleben wandelt sich
zu einer bunten Biografie, bei der sich verschiedene Tätigkeiten in unterschiedlichen
Berufen und Unternehmen aneinander reihen. Mehr denn je ist der wirtschaftliche
Wandel im 21. Jahrhundert Euer steter Begleiter. Wenn Ihr Euch rechtzeitig darauf
einstellt, braucht ihr keine Angst davor zu haben. Sicherlich wird nicht jeder seinen
Traumberuf erlernen. Das ist den Wenigsten gelungen. Jeder hat aber Möglichkeit
die Chancen darauf zu verbessern. Man kann seinem Glück auch auf die Sprünge
helfen.
Ihr werdet Veränderungen des Klimas erleben und das wir nicht mehr Kohle, Gas
und Erdöl in gigantischen Mengen verbrennen können. Das ist ein Grund zur
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Besorgnis, aber nicht zur Angst. Alle wichtigen Erfindungen, um dem zu begegnen,
sind bereits gemacht. Wir wissen, dass man Strom und Wärme aus Sonne, Wind und
Wasserkraft gewinnen kann. Wir müssen nur den Mut haben, diese Techniken
konsequent weiterzuentwickeln und einzusetzen. Ihr werdet dabei sein und das
Erleben. Bringt Euch auch hier ein. Sagt laut, dass Ihr in 60 und 70 Jahren noch da
seit.
Anrede
Ihr könnt in Eurem Leben unendlich viel erleben, wenn Ihr Mut habt und Euren
Fähigkeiten vertraut. Habt auch den Mut, besser als andere zu sein! Ihr dürft auf
Erfolge auch stolz sein.
Bildet Euch Eure eigene Meinung und vertretet sie. Schaut nicht weg, wenn Ihr
Unrecht und Gewalt seht.
Ein letzter Tip: Seid fröhlich, wann immer Euch danach ist!
Mit dem heutigen Tag schließt sich eine Tür, nämlich die zur Kindheit.
Gleichzeitig öffnet sich eine andere, nämlich die Tür zur Jugend und zum
Erwachsenwerden.
Ich danke Euch, dass Ihr mir so geduldig zugehört habt. Ich wünsche Euch einen
schönen Tag mit Euren Familien und für Eure Zukunft alles Gute.
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