Marktbericht 06.04.2008 / zuhören und diskutieren Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns? (Ernst Bloch) Die Börsen spielen verrückt: Der Schweizer Franken verkauft sich plötzlich teurer als der US-Dollar, eine angesehene US-Investmentbank wird zum symbolischen Preis verhökert, weil ihr niemand mehr Geld leihen will. Die globale Finanzwirtschaft rutscht in eine tiefe Vertrauenskrise, bei der offenbar immer mehr Anleger das Gehirn ausschalten und panisch handeln. Die amerikanische Notenbank (Fed) haut uns da schon raus - irgendwie. Die hat doch genug Geld. Und zur Not wirft sie einfach die Notenpresse an. So sprangen Investoren monatelang mit der gärenden Finanzkrise um. Doch nun zeigt sich: Wird das Geld auch noch so billig, Vertrauen lässt sich nicht kaufen. Vertrauen aber ist das höchste Gut an den Finanzmärkten. Die entscheidende Frage ist nun, ob es den führenden Zentralbanken dieser Welt tatsächlich gelingt, dieses bös angeknackte Vertrauen wieder zu festigen. Zweifel sind angebracht. Leider hat sich die Fed in den vergangenen zwei Jahrzehnt so oft als vermeintlicher Retter hingestellt, dass nun auch noch so harte Drogen an den verwöhnten Finanzmärkten abblättern. Jetzt enthüllt sich, wie falsch diese Politik war. Die Lehren daraus müssen allerdings zu einem späteren Zeitpunkt gezogen werden - nämlich dann, wenn der globale Vertrauensbruch zugekittet und abgewendet werden konnte. Wir setzen uns nicht mehr mit den Dingen auseinander. Jeder hat zwar eine Uhr, einen Kalender und tauscht seine Zeit gegen Geld. Zeitpläne bestimmen, wann wir uns ausruhen, arbeiten, feiern und lustig sind. Alles im Takt. So viel Ordnung - so wenig Zeit. Alles wird schneller. Und nichts geht mehr. Haben wir verlernt, einander zuzuhören? Müssen wir einfach tiefer und nachdenklicher über alles reden, ganz offen? Nein, nicht bei einem Tässchen Kamillentee beim locker plaudernden Frauenkränzchen, sondern eher bei einem Glas Wein nüchtern abwägend, wohin es uns verschlägt. Merkwürdig: In Zeiten der Euphorie sind wir nicht gewillt, scharf zu überlegen und kritische Fragen zu stellen. Nur zu gern lassen wir uns einlullen von süssen, luftigen Träumen. Klar alle leiden wir unter Stress, niemand findet mehr die Zeit über die alten Probleme des Kapitalismus in seiner Rohform nachzusinnen und zu diskutieren: Gier, Masslosigkeit und Vertrauensbruch. Wem hilft da der Glaube an die langfristige Überlegenheit der Aktie, wenn überall geschummelt wird, wenn Analysten, Wirtschaftsprüfer und Investmentbanker die Zahlen so lange schönreden und schönbiegen, bis der Börsenkurs erst explodiert und dann brutal zusammenkracht? Kein Wunder, dass selbst bei ermutigenden Nachrichten die Skepsis überwiegt. Alles könnte wie ein schöner Traum zerplatzen. Alte Werte wie Musse, Vertrauen, Wahrheit zusammen mit einer geschützten Privatsphäre entpuppen sich mehr und mehr als knappes Gut in dieser wild um sich schlagenden Welt. Was jetzt zählt sind die drei Vs: Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortungsgefühl! Nun werden wir zurückgeschleudert in die Realität, die wir unterdrückten, weggeschoben, und vielleicht - lernen wir wieder, Bescheidenheit zu üben. Das Träumen, die Euphorie, die Trunkenheit, die Ausgelassenheit und die Sorglosigkeit verdampfen. Die flotte Wunderwirtschaft kippt. Unser Leben ist ein chaotisches, unentwirrbares Ineinanderwirken von Aktionen und Reaktionen, Tun und Lassen, Auf und Ab, Vor und Zurück, Um- und Abwegen - all das widerspiegelt sich in unserem Leben und all das entdecken wir auch in den Finanzmärkten. Der Kapitalismus zeigt sich immer wieder als janusköpfiges Wesen - er schafft Wachstum und Wohlstand in kaum erahnten Dimensionen, dies jedoch um den Preis periodischer und oftmals schmerzenden Anpassungszwänge. So etwas wie nicht zu durchlöchernde Sicherheitspolster gibt es auf einem dynamischen Markt einfach nicht. Wir müssen die Risiken wieder in den Griff kriegen, sie abschätzen, ausloten und verwalten. Wir müssen uns von der so bequemen Illusion verabschieden, zu glauben, die Finanzmärkte einzäunen zu können. Die Börsen nehmen keine Rücksicht auf die Kapitalanleger. Sie interessieren sich nicht für den Einzelnen und tun ihm keinen Gefallen. Hoffnungsvoll operierende Investoren wirken hilflos, denn sie warten auf Wunder, die sich ihnen höchst selten offenbaren. Aber das Allerwichtigste: Der Privatanleger sollte sich ein überschaubares Portfolio zusammenstellen, mit dem er sich - auch in düsteren Stunden - identifizieren kann! Die Welt wächst immer näher zusammen. Und es fällt uns immer schwerer, beim Vermögensaufbau die Risiken so zu streuen, dass wir auch in borstigen Zeiten Schutz finden. Viele Marktteilnehmer hätten "die Korrelation der Ausfallwahrscheinlichkeiten stark unterschätzt", schrieb die deutsche Bundesbank in ihrem letzten Bericht zur Finanzstabilität. Lege niemals alle Eier in einen Korb das aber ist leichter gesagt als getan! Die Frage nach der Andersartigkeit verschiedener Investmentvehikels gehört zu den wichtigsten Themen bei Anlageentscheidungen. Natürlich schälten sich im Laufe der Jahre einige Grundregeln heraus, die sich bewährt haben. Etwa, dass es auf die richtige Mischung aus Aktien und Obligationen ankommt. Aktienkurse steigen, wenn die Wirtschaft aus allen Rohren brummt, und Anleihen verteuern sich, wenn die Konjunktur stockt. Doch darüber hinaus wird es schon kniffliger. So erweist sich die geographische Distanz kaum mehr als Garant für Unabhängigkeit Der internationale Handel schweisst die Märkte zusammen, die Weltwirtschaft ist über vielfältige Netze miteinander und ineinander verwoben. Betrachten wir Europa, dann wir uns allen klar, dass dieser Prozess durch den gemeinsamen Binnenmarkt und die einheitliche Währung noch deutlich verstärkt wird. Kaum ein ernst zu nehmender Experte glaubt, dass sich unser Schweizer Aktienmarkt dauerhaft von der Entfaltung der europäischen und amerikanischen Börsen abzukoppeln vermag. Die jüngsten Turbulenzen sprechen hier eine unmissverständliche Sprache. Die Wissenschaft bestätigt diese Beobachtung: Die Korrelation zwischen den europäischen und den amerikanischen Aktien- und Obligationenmärkten hat, gemäss verschiedenen Studien, in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die Streuung von Vermögen über unterschiedliche Länder hinweg mit dem Ziel, das Risiko einzuschnüren, wird immer wirkungsloser. Die Liberalisierung der Finanzmärkte und die überbordenden Innovationen auf dem Kreditsektor förderten diese Entwicklung. Die uns alle aufwühlende und verwirrende US-Immobilienkrise traf europäische Geldinstitute deshalb so hart, weil es moderne Verbriefungs- und Verpackungstechniken ermöglichen, Kreditforderungen zu bündeln und an Investoren in der ganzen Welt zu verkaufen. "Die Banken und weitere Finanzinstitute sind heute in einem Masse voneinander abhängig, wie dies in der Vergangenheit unbekannt war", erklärt Jan Pieter Krahnen, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Frankfurt. Die Suche nach Vermögenswerten, die sich nicht gleichlaufend verhalten, gestaltet sich also zur Sisyphosarbeit. Hedge-Fonds werben damit, genau diese Produkte an den Mann zu bringen. Schliesslich verdienen einige von ihnen dank ausgefallenen Anlagestrategien auch bei fallenden Kursen. Das Problem: Wie genau die Fonds ihre Gelder anlegen, ist kaum bekannt, weshalb niemand weiss, wie sich ihre Portfolios bei aufziehendem Sturm verhalten. Studien zeigen, dass auch die Hedge-Fonds-Branche unter dem Strich dann die kräftigsten Gewinne einfährt, wenn die Weltwirtschaft rund läuft und die Kredite sprudeln. Das gilt übrigens auch für Private-EquityGesellschaften. Nach Jahren des unaufhaltsamen Booms ist dieser Markt aber heute so gut wie ausgetrocknet. Es taucht aber noch ein weiteres, grundsätzliches Hindernis auf: Das Verhalten der Kapitalanleger. Der Preis einer Finanzanlage fusst auf Angebot und Nachfrage. Langfristig und in "normalen Zeiten" orientieren sich diese an realwirtschaftlichen Grössen: Der Kurs einer Aktie steigt, wenn ein Unternehmen solide Gewinne erzielt und eine Währung wird durch eine boomende Wirtschaft aufgewertet. Doch die Zeiten sind nicht immer normal, und Investoren neigen immer wieder dazu, irrationalen Strömungen zu verfallen. Oft zwingt eine Störung in einem Segment des Finanzmarktes institutionelle Anleger - aus Angst vor neuen Verlusten - dazu, weitere Risiken zu meiden und ihr Geld zu horten. Eine völlig von ihrem Umfeld unabhängige Finanzanlage gibt es schlicht und einfach nicht. Vorsicht ist deshalb geboten, wenn Finanzdienstleister damit werben, durch eine breite Streuung von Anlagen Verluste auszuschliessen. Dennoch kann man sich auf die Suche nach den feinen Unterschieden begeben, die sich auch in einer Welt des Gleichaufs aufspüren lassen. Eine schwere Rezession in den USA wird an den Schwellenländern zwar nicht spurlos vorübergehen, doch vieles deutet darauf hin, dass diese nicht so stark unter Druck geraten wie noch vor einigen Jahren - und wahrscheinlich erst mit einiger Verzögerung. Staaten wie China oder Indien wachsen zunehmend aus sich selbst heraus und sitzen auf enormen Devisenreserven als Sicherheitspolster. Und langsam entblättern sich Trends, die das Auf und Ab der Konjunktur überdauern dürften - etwa bei den Rohstoffen. Keine Frage - wenn sich die Weltkonjunktur abkühlt, geht auch die Nachfrage nach Öl zurück. Doch die aufstrebenden Entwicklungsländer gieren geradezu nach diesem Schmiermittel. Und es ist klar, dass es irgendwann zur Neige geht. Damit ist ein deutlicher und anhaltender Preisrückgang eher unwahrscheinlich. Die Suche nach diesen feinen Unterschieden ist ein mühseliges Unterfangen. Doch es kann sich auszahlen. Der Verzicht darauf ist jedenfalls riskant - wie die Milliardenverluste der Banken zeigen. Gesundheitsmarkt im Umbruch: Wir leben gesundheitsbewusster, mehr medizinische Leistungen werden in Anspruch genommen, die Kosten schnellen in die Höhe. Alle Völker und Kulturen streben nach Gesundheit. Sie gilt als unser wertvollstes Gut. Im Normalfall ist die Gesundheit der Menschen ein Zeichen für den Wohlstand einer Gesellschaft. Laut einer Studie (Gesundheitstrends 2010) des Zukunftsinstituts von Matthias Horx mutieren Wohlfühlen und Gesundheit derzeit aber zum Konsumgut und zum Lifestyle-Produkt. "In der Health Society" wird Gesundheit zur exklusiven Signatur von Wohlstand und Modernität", so die Trendforscher. Wer aber wird sich die "Ware" Gesundheit in Zukunft noch leisten können? Auch die Nahrungsmittel- und Sport(artikel)industrie haben das körperliche Wohlbefinden längst als zentrales Vermarktungsthema aufgegriffen. Der immer noch anhaltende Wellness-Boom hat bewiesen, dass sich mit Gesundheit Milliarden verdienen lässt. Die Gesundheit entwickelt sich zum gesellschaftlichen Mittelpunkt und entlarvt sich als Dauerbrenner in den Medien: Ratgebersendungen, Net-Doktoren, eigenständige TV-Gesundheitskanäle und ein breit gefächertes Angebot auf dem Printsektor helfen mit, Patienten aufzuklären und aus ihnen selbstbewusste Kunden und Konsumenten zu machen. Ausserdem beobachten wir eine verstärkte Tendenz zu mehr Selbstverantwortung und Selbstständigkeit. Gesundheit für alle? Die Trend- und Zukunftsforscher glauben, das Ende der Versorgungs- und Symptombekämpfungsmedizin zu sehen. Wir stossen an Grenzen. Medizinische Versorgung und Budget driften immer mehr auseinander, doch mit Blick auf die Demographie wird das Thema Gesundheit immer wichtiger. Längst ist die Rede von der Zwei-Klassen-Medizin. Technologie-Riesen haben sich bereits auf dem Gesundheitsmarkt positioniert - denn das Krankenhaus der Zukunft wird eng mit High-Tech-Unternehmen zusammenarbeiten. Elektronische Patientenakten, mobiles Patienten-Monitoring, Health-Care-Dienste und Webcams, die den Patienten nach der Operation überwachen - das sind die Bausteine der Telemedizin. "Mit Hilfe von technologischen Innovationen können vor allem Herzkranke sowie Asthma- und Diabetespatienten ortunabhängig überwacht werden, um auf diese Weise teure stationäre Behandlungen zu vermeiden", so das Zukunftsinstitut.