Christian North, 0011236 Maximilian Schönhofer, 0011505 PFLICHTANGEBOT UND ANGEMESSENER PREIS HAUSARBEIT Graz, Mai 2005 Inhaltsverzeichnis I. Das Pflichtangebot .......................................................................................... 4 A. Allgemeines ................................................................................................. 4 B. Kontrollierende Beteiligung .......................................................................... 5 C. Das ein Pflichtangebot auslösende Merkmal ............................................... 5 1. § 22 Abs 1 ÜbG ....................................................................................... 5 2. § 22 Abs 2 ÜbG ....................................................................................... 5 3. § 22 Abs 3 ÜbG ....................................................................................... 6 4. § 22 Abs 4 ÜbG ....................................................................................... 6 D. Die 1. Übernahmeverordnung ( 1. ÜbV) ...................................................... 6 E. Sondervorschriften bei Pflichtangeboten gegenüber freiwilligen öffentlichen Angeboten .......................................................................................................... 8 F. Die Wirkung von Höchststimmrechten auf die Ermittlung übernahmerechtlicher Schwellenwerte ............................................................... 9 1. Höchststimmrechte .................................................................................. 9 2. Die Kontrollvermutungen der §§ 1 Z 1, 2 Abs 1 und 3 Abs 1 der 1. ÜbV 10 G. Ausnahmen von der Angebotspflicht ......................................................... 12 H. Gemeinsames Vorgehen ......................................................................... 12 1. Anzeigepflicht nach § 25 Abs 1 ÜbG...................................................... 13 2. Kontrollwechsel innerhalb einer Gruppe iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG .......... 14 3. Ermächtigung der Übernahmekommission nach § 25 Abs 2 ÜbG ......... 15 4. Ein- und Austritt von Syndikatsmitgliedern ............................................. 16 I. II. Die 2. Übernahmeverordnung ................................................................... 17 Der angemessene Preis ................................................................................ 18 A. Die Vorbilder der österreichischen Preisbildungsregeln ............................ 18 B. Regelungsziel der Preisbildungsregeln...................................................... 18 C. Durchschnittlicher Börsekurs und Paketabschlag ...................................... 19 1. Stammaktien und andere Beteiligungspapiere ....................................... 22 2. Bewertung der Gegenleistungen ............................................................ 24 3. Offenlegung der erheblichen Umstände................................................. 26 4. Antrag auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Preises ........................... 27 5. Verordnung der Übernahmekommission ................................................ 27 2 6. D. „Opting in“ .............................................................................................. 28 Die Preisbildung beim freiwilligen Angebot ................................................ 29 Literaturverzeichnis……………………………………………………………………..31 3 I. DAS PFLICHTANGEBOT A. Allgemeines1 Die Vorschriften über das Pflichtangebot betreffen Situationen, in denen jemand auf anderem Weg, als durch ein (freiwilliges) öffentliches Übernahmeangebot eine kontrollierende Beteiligung an einer Aktiengesellschaft erlangt, also durch außerbörslichen Erwerb eines Aktienpakets (von einem bisherigen Aktionär oder anlässlich einer Kapitalerhöhung), durch sukzessiven Aktienerwerb an der Börse oder durch den Abschluss eines Syndikatsvertrages. Das Übernahmegesetz sieht vor, dass nun der neue, die AG kontrollierende Gesellschafter aufgrund eines derartigen kontrollebegründenden Umstandes allen übrigen Aktionären ein Angebot zur Übernahme ihrer Aktien muss (Pflichtangebot). Beim freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebot ist das Angebot das Mittel zur Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung; beim Pflichtangebot stellt die kontrollierende Beteiligung hingegen die Tatbestandsvoraussetzung dar, an die das Übernahmegesetz als Rechtsfolge die Verpflichtung zur Stellung des Angebotes (hinsichtlich der noch nicht im Eigentum des kontrollierenden Aktionärs befindlichen Aktien) knüpft. Die beiden zentralen Fragen, die im Zusammenhang mit Pflichtangeboten auftreten, sind, erstens, ab welcher Beteiligungsschwelle ein Pflichtangebot gestellt werden muss, und, zweitens, wie hoch der im Pflichtangebot angebotene Übernahmspreis für die Aktien sein muss. 1 Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90 4 B. Kontrollierende Beteiligung Gemäß § 22 Abs 1 ÜbG muss derjenige, der eine kontrollierende Beteiligung an einer Gesellschaft erlangt, ein Angebot zum Erwerb aller Aktien stellen und dies innerhalb von 20 Börsetagen der Übernahmekommission anzeigen. C. Das ein Pflichtangebot auslösende Merkmal2 1. § 22 Abs 1 ÜbG Gemäß Abs 1 leg. cit. muss ein Pflichtangebot machen, wer eine kontrollierende Beteiligung an der Zielgesellschaft erlangt3. Die Beteiligungspapierinhaber können somit die Gesellschaft nicht nur verlassen, wenn erstmals eine kontrollierende Beteiligung entsteht, sondern auch, wenn sie auf einen neuen Inhaber wechselt. Dies kann, wie bereits erwähnt, zB durch vorangehenden Pakethandel, Aufkauf an der Börse oder durch Abschluss eines Syndikatsvertrages geschehen. 2. § 22 Abs 2 ÜbG § 22 Abs 2 ÜbG definiert den Tatbestand der „kontrollierenden Beteiligung“ mit der Möglichkeit des Bieters, „allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern“ einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft auszuüben. Auf die tatsächliche Ausübung kommt es gar nicht an, es genügt bereits die „Ermöglichung“ der Beherrschung. Der Begriff der Beherrschung indiziert eine wirtschaftliche Betrachtungsweise; konsequenterweise bezieht das Gesetz daher alle „Rechtsträger“ ein, die mit dem Bieter gemeinsam vorgehen (dazu gehören gemäß dem weitgefassten § 23 Abs 1 ÜbG nicht nur Konzernunternehmen, sondern auch zu Dritten bestehende vertragliche Rechte, wie zB Optionen, die dem Bieter den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft ermöglichen, und überhaupt unter den Begriff des „abgestimmten Verhaltens“ einzureihende Fälle). 2 Dorda, ecolex 1998, 843 3 Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 10 zu § 22 5 3. Als § 22 Abs 3 ÜbG weiteres Merkmal der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist eine kontrollierende Beteiligung auch gegeben, wenn „Anteilsrechte oder sonstige Rechte an einem anderen Rechtsträger als der Zielgesellschaft bestehen, die mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft ermöglichen“ 4, also zB der Anteilswechsel bei einer Holding GmbH, in die vor dem Kontrollwechsel das Mehrheitspaket der börsenotierten Zielgesellschaft eingebracht wurde. Der mittelbare beherrschende Einfluss kann nicht nur durch Anteilsrechte, sondern auch „sonstige Rechte an einem Rechtsträger“ (zB Privatstiftungen) entstehen.5 4. § 22 Abs 4 ÜbG Eine kontrollierende Beteiligung liegt gemäß § 22 Abs 4 ÜbG jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 244 Abs 2 Z 1 – 3 HGB vor. Demnach verfügt derjenige über eine kontrollierende Beteiligung, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, dem das Recht zur Bestellung oder Abberufung der Mitglieder des Verwaltung-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans oder das Recht zur Ausübung eines beherrschenden Einflusses zusteht.6 D. Die 1. Übernahmeverordnung ( 1. ÜbV) Die Übernahmekommission hat diese Kontrolltatbestände in der ersten Verordnung zum Übernahmegesetz (1. ÜbV) durch zwei Tatbestände ergänzt, bei deren Vorliegen eine kontrollierende Beteiligung (widerleglich) vermutet wird. Gemäß § 2 Abs 1 1. ÜbV begründet eine Beteiligung, die mindestens 30 vom Hundert der Stimmrechte vermittelt, die Vermutung des Vorliegens einer kontrollierenden Beteiligung. Gleiches gilt gem § 3 Abs 1 1. ÜbV für eine Beteiligung, die zwischen 20 und 30 vom Hundert der Stimmrechte vermittelt und die in den letzten drei ordentlichen Hauptversammlungen die Mehrheit der 4 § 22 Abs 3 ÜbG 5 Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90 6 Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 15 zu § 22 6 anwesenden Stimmrechte dargestellt hätte7. Ergänzend dazu ist zu beachten, dass die Satzung der Zielgesellschaft – in noch strengerer Weise – vorsehen kann, dass bereits eine Beteiligung im Ausmaß von 20 vom Hundert der Stimmrechte die Vermutung des Vorliegens einer kontrollierenden Beteiligung begründet8. Bei der Berechnung der Beteiligungsschwellenwerte (20 Prozent, 20 - 30 Prozent) sind nicht nur die dem Beteiligten zustehenden Stimmrechte zu berücksichtigen, diesen sind vielmehr auch Stimmrechte hinzuzurechnen, die mit Aktien Dritter verbunden sind und die aufgrund besonderer, in der 1. ÜbV ausdrücklich genannter Umstände auf der Grundlage einer wirtschaftlichen, an tatsächlichen Einflussmöglichkeiten orientierten Betrachtungsweise eine Einheit mit den Aktien des Beteiligten bilden9. Die Kontrolle muss nicht einem Aktionär allein zustehen, um die Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebotes auszulösen. Erlangen mehrere Aktionäre gemeinsam einen beherrschenden Einfluss – sei es durch ein gemeinsames Vorgehen beim Aktienerwerb oder bei der Stimmrechtsausübung - , so sind sie zur Stellung eines gemeinsamen Pflichtangebotes verpflichtet10. Die 1. ÜbV listet fünf Vermutungstatbestände auf, bei deren Vorliegen eine gemeinsame Beherrschung bzw Kontrolle vermutet wird, so zB bei Bestehen einer kontrollierenden Beteiligung zwischen zwei Aktionären bzw einer sonstigen Verbindung, die gemäß § 228 HGB zur Aufnahme in den Konzernabschluss einer Muttergesellschaft führt oder bei Bestehen eines Stimmbindungs- bzw Syndikatsvertrages, der auf einheitliche Stimmabgabe bei der Aufsichtsratsbesetzung oder bei sonstigen wichtigen Beschlussangelegenheiten gerichtet ist11. Eine Widerlegung der Vermutung des gemeinsamen Vorgehens wird bei gleicher Konzernzugehörigkeit kaum möglich sein, nachdem es selbst in Fällen, in denen die verbundenen Aktionäre bei ihrer Stimmabgabe tatsächlich unabhängig agieren, jederzeit möglich ist, eine 7 Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 19, 20 zu § 22 8 § 27 Abs 1 Z 1 iVm § 22 Abs 5 ÜbG 9 § 5 Abs 1 Z 1 - 7 1. ÜbV 10 § 22 Abs 2, § 23 ÜbG 11 § 9 1. ÜbV 7 Gleichrichtung bzw Koordinierung der Stimmabgabe herbeizuführen und damit Kontrolle über die Zielgesellschaft auszuüben. Mangels besonderer Vorkehrungen in der Angebotsunterlage haften die gemeinsam vorgehenden Aktionäre, deren Rechtsverhältnis untereinander häufig als GesBR anzusehen sein wird, als Gesamtschuldner für die Einbringung der im Pflichtangebot vorgesehenen Gegenleistung12. Auch die Erlangung der (unmittelbaren) Kontrolle über einen Rechtsträger, der seinerseits die Zielgesellschaft kontrolliert, und die dem Bieter damit eine mittelbare (indirekte) Kontrolle bzw Beherrschungsmöglichkeit vermittelt, löst die Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebotes aus13. Der Erwerb der Kontrolle über eine ausländische Muttergesellschft verpflichtet daher zum Pflichtangebot hinsichtlich aller Aktien ihrer börsenotierten österreichischen Tochtergesellschaft. E. Sondervorschriften bei Pflichtangeboten gegenüber freiwilligen öffentlichen Angeboten Auf das Pflichtangebot finden grundsätzlich die Vorschriften des 2. Teils des ÜbG über freiwillige öffentliche Übernahmeangebote Anwendung14. Auf folgende Besonderheiten ist jedoch hinzuweisen: Der Bieter hat den Erwerb einer kontrollierenden Beteiligung unverzüglich bekanntzumachen und der Zielgesellschaft mitzuteilen15 Die angebotene Leistung muss stets auf Barzahlung oder (zusätzlich) auf Tausch in andere Wertpapiere lauten16. Die Übernahmerichtlinie erlaubt hingegen, dass ein Bieter auch ausschließlich den Austausch in Wertpapiere der übernehmenden 12 Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90 13 § 22 Abs 3 ÜbG 14 § 22 Abs 7 ÜbG 15 § 5 Abs 3 Z 3 ÜbG 16 § 22 Abs 8 ÜbG Gesellschaft anbieten kann 8 (Papierangebot)17. Obwohl die Richtlinie dies nicht verlangt, erwägt die im Justizministerium tagende Reformkommission die Zulassung von reinen Tauschangeboten18. Es muss stets auf Übernahme aller übrigen Beteiligungspapiere gerichtet sein19. Das Pflichtangebot ist grundsätzlich bedingungsfeindlich, dh Bedingungen sind nur zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (zB Abwarten kartellrechtlicher Genehmigung des angemeldeten Zusammenschlusses) zulässig20 21 F. Die Wirkung von Höchststimmrechten auf die Ermittlung übernahmerechtlicher Schwellenwerte22 1. Höchststimmrechte Höchststimmrechte sind Instrumente der Begrenzung von Stimmkraft und Einflussmöglichkeiten von Großaktionären zu Gunsten des Streubesitzes, über deren Einführung die Hauptversammlung im Wege einer Satzungsänderung entscheidet23. Die betroffenen Aktionäre werden jedoch nur in ihren ausübbaren Stimmrechten beschränkt; ihr kapitalmäßiger Einfluss bleibt unberührt: Ihre Beteiligung am Grundkapital ist weiterhin bei der Berechnung der von Gesetz oder Satzung vorgesehenen Kapitalmehrheiten zu berücksichtigen. Die tatsächliche stimmkraftsbeschränkende Wirkung einer Höchststimmrechtsregelung hängt einerseits von der individuellen Ausgestaltung der Satzungsbestimmung, vor allem 17 Art 5 Abs 5 Übernahmerichtlinie 18 www.derstandard.at, 8.3.2005 19 § 22 Abs 1 ÜbG; man beachte aber die opt-out Möglichkeit für künftige Substanzpapiere ohne Stimmrecht durch entsprechende Satzungsgestaltung gemäß § 27 Abs 1 Z 3 ÜbG 20 § 22 Abs 10 ÜbG 21 Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 27 zu § 22 22 Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23 23 § 114 Abs 1 iVm § 146 Abs 1 AktG 9 von der Höhe des Grenzwertes, andererseits von der Struktur der Beteiligungsverhältnisse ab. Bei der übernahmerechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes sind statutarische Stimmrechtsbeschränkungen in zweifacher Hinsicht zu berücksichtigen: Wie wirkt sich eine Stimmrechtsbeschränkung auf die Berechnung der Kontrollschwellen24 sowie der für die Widerlegungstatbestände maßgeblichen Anteilsschwellen aus? Welche übernahmerechtlichen Konsequenzen sind aus der Beseitigung einer Höchststimmrechtsregelung abzuleiten, wenn deren Resultat das erstmalige Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung oder ein Kontrollwechsel ist? 2. Die Kontrollvermutungen der §§ 1 Z 1, 2 Abs 1 und 3 Abs 1 der 1. ÜbV25 Die Kontrollvermutung des § 1 Z 1 1. ÜbV ist unwiderleglich, dh ein Beteiligter, der eine tatbildliche Stimmenmehrheit erlangt hat, muss in jedem Fall ein Pflichtangebot stellen. Bei der Ermittlung der Kontrollschwelle sind nach dem Wortlaut des § 1 Z 1 1. ÜbV nur Aktien mitzuzählen, die auch tatsächlich das Stimmrecht gewähren. Höchststimmrechte sind also „automatisch“ zu berücksichtigen; es ist also nicht auf die dem Beteiligten abstrakt zustehenden Stimmrechte abzustellen, sondern auf dessen effektive Stimmkraft. Wie bereits gesagt, begründet eine Beteiligung, die mindestens 30 Prozent der Stimmrechte vermittelt, die Vermutung des Vorliegens einer kontrollierenden Beteiligung26. Gleiches gilt gem § 3 Abs 1 1. ÜbV für eine Beteiligung, die zwischen 20 und 30 Prozent der Stimmrechte vermittelt und die in den letzten drei ordentlichen Hauptversammlungen die Mehrheit der anwesenden Stimmrechte dargestellt hätte. 24 25 26 § 1 bis 3 der 1. ÜbV Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23 § 2 Abs 1 1. ÜbV 10 Nach § 4 Satz 2 1. ÜbV können die Kontrollvermutungen nach §§ 2 und 3 1. ÜbV durch den Nachweis widerlegt werden, dass Höchststimmrechtsregelungen existieren, welche die Ausübung eines beherrschenden Einflusses verhindern (generalklauselartige Formulierung). Satz 2 leg cit beschränkt sich auf das Verfehlen der Hauptversammlungsmehrheit infolge einer Höchststimmrechtsregelung (spezieller Widerlegungstatbestand)27. Statutarische Stimmrechtsbeschränkungen sind nicht automatisch zu berücksichtigen, sondern eröffnen nur im Einzelfall die Möglichkeit zur Widerlegung. Der Nachweis hiefür obliegt primär, aber nicht ausschließlich dem potentiellen Bieter. Die Pflicht der Übernahmekommission, Widerlegungstatbestände auch von Amts wegen wahrzunehmen, ergibt sich aus dem im Übernahmeverfahren generell geltenden Grundsatz der materiellen Wahrheit28. Statutarische Stimmkraftsbeschränkungen werden also im Übernahmerecht nicht einheitlich berücksichtigt: Der wesentliche Unterschied zur Anteilsermittlung zwischen § 1 Z 1 1. ÜbV und den §§ 2 Abs 1 und 3 Abs 1 1. ÜbV liegt darin, dass Stimmrechte, die der Beteiligte aufgrund einer Höchststimmrechtsregelung nicht ausüben kann, bei der Ermittlung nach § 1 Z 1 1. ÜbV automatisch bei Berechnung der Kontrollschwelle berücksichtigt werden; in den Fällen der §§ 2 Abs 1 und 3 Abs 1 1. ÜbV berechtigen Höchststimmrechte allenfalls zur Widerlegung der Kontrollvermutung29. Stichhaltige Gründe für diese divergierende Behandlung sind jedoch nach Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23 nicht ersichtlich und eine „Beseitigung dieser systematisch fragwürdigen unterschiedlichen Berücksichtigung von Höchststimmrechtsregelungen bei der Ermittlung von Kontrollschwellen bleibt somit dem Normsetzer vorbehalten“. 27 Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23 28 Winner, RdW 1999, 509 29 Winner, RdW 1999, 509 11 Ausnahmen von der Angebotspflicht30 G. Beruht die kontrollierende Beteiligung auf einem familien- oder erbrechtlichem Sachverhalt (Schenkung zwischen Angehörigen, Vermögensteilung nach einer Scheidung, Erbgang), wird sie auf eine „Familienstiftung“ oder innerhalb ein und desselben Konzerns auf einen anderen Rechtsträger übertragen, so muss mangels des vom Gesetzgeber in diesen Fällen geleugneten Schutzbedürfnisses der Minderheitsaktionäre kein Angebot an alle übrigen Aktionäre gestellt werden31. Die 1. ÜbV nennt darüber hinaus für Kreditinstitute Voraussetzungen, bei deren Vorliegen sie von der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebotes entbunden sind 32 33. Keine Angebotspflicht besteht weiters unter den Voraussetzungen des § 25 ÜbG (zB vorübergehender oder unbeabsichtigter, kontrollevermittelnder Stimmrechtserwerb, Aktienerwerb bloß zu Sanierungs- oder Sicherungszwecken). Der Übernahmekommission ist in diesen Fällen – anders als unter den Verhältnissen des § 24 ÜbG – der Eintritt eines derartigen Umstandes jedoch binnen 20 Börsetagen mitzuteilen; gegebenenfalls kann sie dann die Stellung eines Pflichtangebotes anordnen. H. Gemeinsames Vorgehen 34 35 Die übernahmegesetzliche Verpflichtung zur Legung eines Pflichtangebotes gilt nicht nur, wenn der Bieter allein eine kontrollierende Beteiligung an der Zielgesellschaft erlangt, sondern auch, wenn er gemeinsam mit anderen Rechtsträgern vorgeht36. Anteile, die von 30 Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90 31 § 24 ÜbG 32 § 23 Abs 2 ÜbG, § 10 1.ÜbV 33 Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 7,8 zu § 23 34 § 23 ÜbG 35 Schärf, Übernahmegesetz, 140f, 145ff 36 § 23 Abs 1 ÜbG Syndikatspartnern an der 12 Zielgesellschaft gehalten werden, sind dem Bieter zuzurechnen. Diese Zurechnung mittelbarer Beteiligungen zu den Anteilen des Bieters soll eine Umgehung des Übernahmerechtes verhindern. Eine kontrollierende Beteiligung liegt jedenfalls auch dann vor, wenn seitens des Bieters Anteilsrechte oder sonstige Rechte an einem anderen Rechtsträger als der Zielgesellschaft bestehen, die mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft ermöglichen37. 1. Anzeigepflicht nach § 25 Abs 1 ÜbG Abweichend von der Angebotspflicht bei Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung, die es dem Bieter allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern ermöglicht, einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft auszuüben, werden in § 25 Abs 1 ÜbG Ausnahmen geschaffen. Wird einer der Tatbestände des § 25 Abs 1 Z 1 - 4 ÜbG erfüllt, genügt die Anzeige des Sachverhalts binnen 20 Börsetagen an die Übernahmekommission. Dahinter steht die Überlegung, bei mittelbaren Beteiligungen eine Anzeigepflicht vorzusehen, wobei aber nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft nicht zu besorgen sein darf. Tritt eine solche Gefährdung ein, kann die Übernahmekommission in den Fällen des § 25 Abs 1 Z 1 - 4 ÜbG die Stellung eines Pflichtangebotes aussprechen38 39. Eine bedeutende Ausnahme stellt § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG dar: Werden Aktien innerhalb einer Gruppe von Aktionären iSd § 23 Abs 1 ÜbG übertragen und ändert sich die Zusammensetzung der Gruppe nur geringfügig, dann ist nur eine Anzeige an die Übernahmekommission zu erstatten. 37 § 22 Abs 3 ÜbG 38 § 25 Abs 2 ÜbG 39 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 13 2. Kontrollwechsel innerhalb einer Gruppe iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG40 Die Übernahmekommission stellt fest, dass eine Änderung in der Zusammensetzung, die nicht als „geringfügig“ iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG zu qualifizieren ist, einem Kontrollwechsel gleichzuhalten ist. Diese Auffassung ergibt sich daraus, dass ein Pflichtangebot iSd § 22 ÜbG nur bei einem Kontrollwechsel zu erfolgen hat. Nach der Systematik des ÜbG, nach der immer dann ein Pflichtangebot zu legen ist, wenn ein Kontrollerwerb oder ein Kontrollwechsel stattfindet, ist diese Auffassung der Übernahmekommission richtig41. Die Wortwahl des Österreichischen Gesetzgebers in § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG scheint jedoch wenig geglückt. Es wäre vorteilhafter, auf die Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung oder das vorliegen eines Kontrollwechsels innerhalb einer Gruppe von Aktionären anstelle der nicht näher definierten „geringfügigen Änderung der Zusammensetzung“ abzustellen42. Das vorliegen eines Kontrollwechsels kann anhand zweier Beispiele illustriert werden: Wenn zwei Personen, die gemeinsam eine Zielgesellschaft mittels eines Syndikatsvertrages kontrollieren, ihre Anteile auf einen der beiden übertragen, so liegt jedenfalls ein Kontrollwechsel vor. Nachdem es sich nicht um eine geringfügige Änderung der Zusammensetzung der Gruppe handelt, ist nach § 22 ÜbG ein Pflichtangebot zu legen. Scheidet jedoch im anderen Fall ein Mitglied aus einem Syndikat aus, das aus drei gleichberechtigten Mitgliedern besteht und in dem Entscheidungen innerhalb des Syndikats aufgrund des Syndikatsvertrages mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefällt werden, und überträgt dieses Mitglied seine Anteile zu gleichen Teilen an die beiden anderen, liegt grundsätzlich kein Kontrollwechsel vor. Nach wie vor müssen zwei Mitglieder zustimmen, um einen positiven Beschluss zu erwirken. Insofern ergibt sich zur Lage vor Austritt des Mitglieds keine Änderung43. 40 Schärf, Übernahmegesetz, 145ff 41 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 42 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 43 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 14 In der Praxis ist jedoch eine eingehende Untersuchung der Machtverhältnisse innerhalb des Syndikats unumgänglich. Das Vorliegen einer kontrollierenden Beteiligung des Syndikats an der Zielgesellschaft ist Voraussetzung für die Anwendung des § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG. Die Frage der Kontrolle verlagert sich von der Zielgesellschaft auf das Syndikat. In dem Zusammenhang geht die Übernahmekommission unter Zugrundelegung des konkreten Syndikatsvertrages von der Annahme aus, dass ein Kontrollwechsel innerhalb eines Syndikats mit der Erlangung der Mehrheitsbeteiligung innerhalb des Syndikats verbunden sein muss oder einem Syndikatsmitglied eine Sperrminorität eingeräumt wird. Nur dann, wenn ein Syndikatspartner das gesamte Syndikat kontrolliert, können auch die Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft beeinträchtigt werden44. Liegt kein Kontrollwechsel vor, kommt bei Übertragung innerhalb eines Syndikats, wobei auch die Übertragung an Dritte und der Austritt von Syndikatsmitgliedern erfasst sind, § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG zur Anwendung. Es genügt somit eine Anzeige an die Übernahmekommission. „Geringfügig“ iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG ist als qualitativer, nicht als quantitativer Begriff des Kontrollwechsels zu verstehen45. 3. Ermächtigung der Übernahmekommission nach § 25 Abs 2 ÜbG Nach § 25 Abs 2 ÜbG kann die Übernahmekommission in den Fällen des § 25 Abs 1 ÜbG die Stellung des Pflichtangebotes an die Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft anordnen. Die Übernahmekommission hat ihre Entscheidung insbesondere davon abhängig zu machen, ob nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft 44 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 45 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 15 zu besorgen ist und hat auch die Möglichkeit, diese Entscheidung auch erst nach einem gewissen Beobachtungszeitraum zu treffen46. Die Übernahmekommission geht davon aus, dass ein Pflichtangebot nicht angeordnet werden kann, wenn sich die Zusammensetzung der Gruppe nur geringfügig ändert. Die Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung kann daher niemals „geringfügig“ iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG sein, eine geringfügige Änderung im Syndikat kann keinen Kontrollerwerb darstellen. § 25 Abs 2 1. Satz ÜbG, gemäß dem die Übernahmekommission auch in den Ausnahmefällen des § 25 Abs 1 ÜbG ein Pflichtangebot anordnen kann, ist iSd Bindung des Pflichtangebotes an die Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung einschränkend auszulegen. Die Normierung eines Pflichtangebotes ohne Kontrollerwerb kann nach Ansicht der Übernahmekommission dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden47. Die anderen Fälle des § 25 Abs 1 ÜbG bleiben von diesen Ausführungen unberührt. ISd § 25 Abs 2 ÜbG kann die Übernahmekommission in den Fällen des § 25 Abs 1 Z 1, 3 und 4 ÜbG bei Vorliegen eines Kontrollerwerbs und gleichzeitiger Gefährdung der Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren ein Pflichtangebot anordnen. 4. Ein- und Austritt von Syndikatsmitgliedern48 Nach der Ansicht von Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582, kann es für die Anwendung von § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG keinen Unterschied machen, ob Anteile nur innerhalb der Gruppe übertragen werden, Dritte zur Gruppe hinzutreten oder jemand aus der Gruppe ausscheidet oder der Syndikatsvertrag geändert wird, wenn es nicht auch zur Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung kommt. In all diesen Fällen hat jedenfalls eine Mitteilung an die Übernahmekommission zu erfolgen, da es sich um der Sache nach gleichwertige Vorgänge handelt. Die Übernahmekommission hat den angezeigten Sachverhalt dahingehend zu prüfen, ob tatsächlich nur eine 46 Schärf, Übernahmegesetz, 147 47 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 48 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 16 geringfügige Änderung der Zusammensetzung der Gruppe vorliegt, oder ob ein Pflichtangebot iSd § 22 ÜbG zu legen ist. Der reine Ein- oder Austritt kann unter den oben genannten Kriterien der Geringfügigkeit des § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG nicht zur obligatorischen Legung eines Pflichtangebotes führen. I. Die 2. Übernahmeverordnung Die 2. Übernahmeverordnung zum Creeping-in regelt den schleichenden Ausbau einer kontrollierenden Beteiligung und sieht die Pflicht zur Legung eines Pflichtangebotes vor, wenn innerhalb von 12 Monaten mehr als 2 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft erworben werden. Die Verordnungsermächtigung erteilt § 22 Abs 6 ÜbG der Übernahmekommission49. Gemäß § 2 Abs 2 2.ÜbV genügt eine Mitteilung über einen Sachverhalt gemäß § 25 ÜbG, wenn einer der Tatbestände des § 25 Abs 1 ÜbG vorliegt. Die 2. ÜbV findet daher auf den Ausbau einer kontrollierenden Beteiligung innerhalb eines Syndikats und auch bei einer bloß mittelbaren Beteiligung50 keine Anwendung, wie auch von den Erläuternden Bemerkungen klargestellt wird. Erwirbt hingegen ein Syndikatspartner mehr als 2 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft von Dritten hinzu, so ist auf diesen Sachverhalt die 2. ÜbV anzuwenden, wobei Voraussetzung ist, dass das Syndikat über eine kontrollierende Beteiligung an der Zielgesellschaft verfügt, ihm aber nicht die Mehrheit der Stimmrechte zusteht. Gleiches gilt, wenn zwei oder mehrere Syndikatspartner gemeinsam die Grenze von 2 Prozent der Stimmrechte überschreiten. Wenn ein Syndikat daher bereits über 75 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft verfügt, ist zutreffend von der Nichtanwendbarkeit der 2. ÜbV auszugehen, da Voraussetzung für die Anwendung der 2. ÜbV ist, dass dem Bieter nicht die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft zusteht51. 49 Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 22 zu § 22 50 § 22 Abs 3 ÜbG 51 Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582 17 II. DER ANGEMESSENE PREIS A. Die Vorbilder der österreichischen Preisbildungsregeln Das Übernahmegesetz lehnt sich in Bezug auf die Preisbildungsregeln für Pflichtangebote und freiwillige öffentliche Angebote in erster Linie an den britischen City Code on Takeovers and Mergers, in mehreren Punkten auch an das Schweizer Börsegesetz und den Deutschen Übernahmekodex an. Auf EUEbene diente der Geänderte Vorschlag für eine 13. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote als Vorbild.52 Der City Code ist kein Gesetz, sondern ein als freiwillige Selbstkontrolle entwickelter Verhaltenskodex der britischen Finanzwirtschaft.53 Ebenso war der Deutsche Übernahmekodex eine von der deutschen Börsesachverständigenkommission erstellte Empfehlung für die an freiwilligen öffentlichen Übernahmeangeboten beteiligten Parteien.54 Dieser Kodex wurde mit 4. März 2002 von der Börsesachverständigenkommission außer Kraft gesetzt, da mit 1. Jänner 2002 das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) in Kraft getreten war.55 B. Regelungsziel der Preisbildungsregeln Es liegt im Interesse des gesamten österreichischen Kapitalmarkts, dass nicht nur Kernaktionäre, die für ihre Aktienpakete aufgrund deren höheren Marktwert einen Paketzuschlag erhalten, sondern alle Inhaber von Beteiligungspapieren von diesem Zuschlag profitieren. Dadurch soll die Beteiligung an österreichischen 52 Dorda, DAS NEUE ÖSTERREICHSICHE ÜBERNAHMEGESETZ, ecolex 1998, 843. 53 Stern, Übernahmeangebote im englischen Recht - The City Code on Takeovers and Mergers (Teil I), ÖBA 1992, 1065. 54 http://www.deutsche-bank.de/lexikon/1152_ENG_HTML.html. 55 http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/binary/gdb_content_pool/imported_files/ public_files /10_downloads/11_about_us/KodexAbloesung.pdf. 18 Aktiengesellschaften attraktiver werden. Ein am Paketpreis orientierter und daher meist deutlich über dem Börsekurs liegender Preis verteuert eine Übernahme für inländische wie für ausländische Bieter gleichermaßen und verwirklicht somit, mehr oder weniger, den dem Übernahmegesetz innewohnenden Grundsatz der Gleichbehandlung der an der Zielgesellschaft Beteiligten.56 Die Preisbildung beim Pflichtangebot C. Durchschnittlicher Börsekurs und Paketabschlag § 26 Abs. 1 Satz 1 ÜbG normiert eine Preisbestimmung, bei der zwei kumulativ anzuwendende Grenzwerte zu berücksichtigen sind. Erstens muß der Preis mindestens dem durchschnittlichen Börsekurs des jeweiligen Beteiligungspapiers während der letzten sechs Monate vor Erlangen der kontrollierenden Beteiligung entsprechen. Zweitens wird eine Untergrenze festgesetzt: Die höchste vom Bieter oder von einem mit ihm gemeinsam vorgehenden Rechtsträger innerhalb der letzten zwölf Monate in Geld gewährte oder vereinbarte Gegenleistung für dieses Beteiligungspapier der Zielgesellschaft darf um höchstens 15 Prozent unterschritten werden.57 Der zweite Grenzwert geht vom Regelfall des Pakethandels aus und normiert, dass auch die übrigen Aktionäre am Kontrollbonus partizipieren sollen, der für den Erwerb der kontrollierenden Aktienmehrheit bezahlt wurde. In der Praxis kann der Verkäufer eines großen Aktienpakets oft einen deutlich über dem Börsekurs liegenden Preis erzielen, wenn der Käufer zugleich die Kontrollmöglichkeit über die Gesellschaft erwirbt. Dieser höhere Marktwert der kontrollierenden Beteiligung darf entgegen dem sonst strengen Gleichbehandlungsgrundsatz durch einen Paketabschlag von 15 Prozent vom Preis berücksichtigt werden.58 Durch diese rechtspolitische Entscheidung wurde den Interessen der potentiell verkaufswilligen Paketinhaber, den Kernaktionären, zu Lasten der Minderheitsaktionären Rechnung getragen. Hingegen würde ein möglichst 56 Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage des ÜbG, 1276 BlgNR 20. GP. 57 ErlRV zu § 26 Abs. 1 ÜbG. 58 ErlRV zu § 26 Abs. 1 ÜbG. 19 geringer Paketabschlag im Interesse der übrigen Aktionäre und des österreichischen Kapitalmarktes liegen.59 Einerseits mindert dieser Paketabschlag den Aufwand des Bieters, den Paketzuschlag, den er bei freiem Spiel der Marktkräfte eigentlich nur für das Erreichen der Kontrolle aufbringen müßte, allen Beteiligungspapierinhabern zukommen zu lassen, andererseits mindert er womöglich die Attraktivität des österreichischen Kapitalmarkts.60 § 26 Abs. 1 Satz 2 ÜbG normiert, dass die für den Bieter vorgesehenen Gegenleistungen für die von ihm geschriebenen Put-Optionen und die ihm eingeräumten Call-Optionen ebenso zu berücksichtigen sind.61 Put-Optionen räumen dem Optionsinhaber das Recht, aber nicht die Verpflichtung ein, am oder bis zum Verfallstag die Aktien zum Ausübungspreis zu verkaufen.62 Call-Optionen räumen dem Optionsinhaber das Recht, aber nicht die Verpflichtung ein, am oder bis zum Verfallstag die Aktien zum Ausübungspreis zu kaufen.63 Die Übernahmerichtlinie normiert zum Schutz der Minderheitsaktionäre, dass ein Pflichtangebot zu einem angemessenen Preis gestellt werden muss. Als angemessener Preis gilt nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 Satz 1 Üb-RL der höchste Preis, der vom Bieter oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person in einem von den Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraum von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten vor dem Angebot gemäß Art. 5 Abs. 1 Üb-RL für die gleichen Wertpapiere gezahlt worden ist. Erwirbt der Bieter oder eine mit ihm gemeinsam handelnde Person nach Bekanntmachung des Angebots und vor Ablauf der Annahmefrist Wertpapiere zu einem höheren als dem Angebotspreis, so muss gemäß Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 Satz 2 Üb-RL der Bieter sein Angebot 59 ErlRV zu § 26 Abs. 1 ÜbG. 60 Dorda, ecolex 1998, 843. 61 ErlRV zu § 26 Abs. 1 ÜbG. 62 Müller-Möhl, Optionen und Futures4, 52 ff. 63 Müller-Möhl, Optionen und Futures4, 52 ff. 20 mindestens auf den höchsten Preis erhöhen, der für die dergestalt erworbenen Wertpapiere gezahlt wurde. 64 Als neues, für die Mitgliedstaaten Minderheitsaktionärsschutz aber fakultatives, Instrument zum statuiert Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 Üb-RL eine Ermächtigung der nationalen Aufsichtsbehörden zur einseitigen Korrektur des Höchstpreises. Unter Wahrung der allgemeinen Grundsätze des Art. 3 Abs. 1 ÜbRL und unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nach eindeutig festgelegten Kriterien kann die Aufsichtsstelle den Höchstpreis nach oben oder nach unten korrigieren. In der Richtlinie findet sich eine meines Erachtens demonstrative Aufzählung solcher Voraussetzungen: gemeinsame Vereinbarung des Höchstpreises zwischen Käufer und Verkäufer, Manipulation der Marktpreise der betreffenden Wertpapiere, Beeinflussung des Marktpreises der betreffenden Wertpapiere allgemein oder im Besonderen durch außergewöhnliche Umstände oder Beeinflussung zur Ermöglichung der Rettung der in Schwierigkeiten befindlichen Zielgesellschaft.65 Die Mitgliedstaaten werden auch ermächtigt, die in diesen Fällen zur Bewertung heranzuziehenden Kriterien mE demonstrativ zu bestimmen: durchschnittlicher Marktwert während eines bestimmten Zeitraums, den Liquidationswert der Gesellschaft oder andere objektive Bewertungskriterien, die allgemein in der Finanzanalyse verwendet werden.66 Hier besteht nun Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Statt dem durchschnittlichen Börsekurs während der letzten sechs Monate vor Erlangen der kontrollierenden Beteiligung, ist nun der höchste Preis, den der Bieter oder eine mit ihm gemeinsam handelnde Person im Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten vor dem Pflichtangebot bezahlt hat, zur Bemessung des Preises des Pflichtangebotes heranzuziehen. Außerdem werden nun der Bieter und die mit ihm gemeinsam handelnde Person gezwungen den Preis des Pflichtangebots zu 64 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, Abl L 142/12. 65 Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 10 f. 66 Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 11. 21 erhöhen, wenn sie im Zeitraum zwischen Veröffentlichung des Pflichtangebots und vor Ende der Annahmefrist Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zu einem höheren als dem Angebotspreis erworben haben. Zukünftig ist auch kein genereller Paketabschlag mehr möglich, was nun endlich die Gleichbehandlung aller Beteiligungspapierinhaber sicherstellt.67 Neben die zivil- und verwaltungsrechtlichen Sanktionen kann, sofern der Gesetzgeber von dieser Option Gebrauch macht, nun auch die Ermächtigung der Übernahmekommission treten, wie sich mE aus dem Wortlaut der Üb-RL ergibt, per Bescheid den Preis des Übernahmeangebots unter den oben angeführten Voraussetzungen nach oben oder nach unten zu korrigieren. 1. Stammaktien und andere Beteiligungspapiere § 26 Abs. 2 ÜbG bestimmt, dass der für andere Beteiligungspapiere zu bietende Preis auch in einem angemessenen Verhältnis zu der für die Stammaktien gewährten Gegenleistung stehen muß. Dies sei zum Beispiel dann wichtig, wenn nur Vorzugsaktien börsenotiert sind. Auch das typische Verhältnis der Börsekurse, zum Beispiel von Stamm- und Vorzugsaktien, sei zu berücksichtigen, wenn es nicht durch besondere Umstände verzerrt ist.68 Es entspricht diesbezüglich der Erfahrung, dass typischerweise bei Vorzugsaktien gegenüber Stammaktien Bewertungsabschläge von 15 bis 25 Prozent veranschlagt werden.69 Die Übernahmekommission hat in ihrem Bescheid GZ 2000/2/6 - 81 bei der Bemessung des angemessenen Werteverhältnisses von Stamm- und Vorzugsaktien ein flexibles System und nicht ein ausschließliches Abstellen auf den Börsekurs als Bewertungsinstrument gefordert. Generell seien Vorzugsaktien niedriger als Stammaktien zu bewerten. Das Aufleben des Stimmrechts und das Bestehens von Nachzahlungsansprüchen aufgrund von rückständigen Vorzugsdividenden habe aber nur zur Folge, dass sich der Abschlag für Vorzugsaktien vermindert, ein einheitlicher Preis für Stamm- und Vorzugsaktien 67 Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 10. 68 ErlRV zu § 26 Abs. 2 ÜbG. 69 Nowotny, Zur Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien, RdW 2002/124. 22 sei aber in aller Regel auszuschließen. Grund dafür sei, dass Vorzugsaktien bei rückständigen Vorzugsbeträgen lediglich temporär ein Stimmrecht verleihen.70 Art. 5 Abs. 1 Üb-RL schreibt nun vor, dass das Pflichtangebot unverzüglich allen Wertpapierinhabern für alle ihre Wertpapiere zu einem im Sinne des Art. 5 Abs. 4 Üb-RL angemessenen Preis gemacht werden muss. Art. 5 Abs. 4 Unterabschnitt 1 Satz 1 Üb-RL spricht von „gleichen Wertpapieren“. Schon aus den Erwägungsgründen, insbesondere Erwägungsgrund 11 Satz 2, ergibt sich, dass auch die Üb-RL zwischen Beteiligungspapieren, die Stimmrechte verleihen, und solchen, die keine verleihen, differenziert. In den Allgemeinen Grundsätzen, die in Art. 3 der Üb-RL statuiert werden, normiert der Abs. 1 lit. a, dass alle Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft, die der gleichen Gattung angehören, gleich zu behandeln sind. Daher bemißt sich die Preisbildung für stimmrechtslose Vorzugsaktien ebenso nach dem höchsten Preis, der vom Bieter oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person im Zeitraum vor dem Angebot für solche Beteiligungspapiere bezahlt worden ist. Ebenfalls müsste der Bieter oder die mit ihm gemeinsam handelnde Person im Falle eines Zwischenerwerbs zu einem höheren Preis, das Pflichtangebot auf diesen erhöhen. Stimmrechtslose Vorzugsaktien gewähren nur dann ein Stimmrecht wenn der Vorzugsbetrag bei der Verteilung des Gewinns in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt und der Rückstand im darauffolgenden Jahr nicht neben dem vollen Vorzug dieses Jahres nachgezahlt wurde, und zwar so lange bis diese Rückstände nachgezahlt sind.71 Somit ist es im Regelfall nicht notwendig die stimmrechtslosen Vorzugsaktien zu kaufen um eine kontrollierende Beteiligung zu erwerben. Die Übernahmerichtlinie berücksichtigt diesen Fall meiner Ansicht nach nicht. Nun stellt sich aber die Frage, von welchem Preis auszugehen ist, wenn im Zeitraum vor dem Pflichtangebot weder vom Bieter noch von einer mit ihm 70 Übernahmekommission 15.01.2001, 2000/2/6 - 81. 71 Vgl. §§ 115 ff AktG. 23 gemeinsam handelnden Person stimmrechtslose Vorzugsaktien gekauft wurden. Hier liegt meines Erachtens eine planwidrige Regelungslücke vor. Zwar sieht die Richtlinie in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 vor, dass die Mitgliedstaaten ihre Aufsichtsstellen, für Österreich die Übernahmekommission, ermächtigen können, den Angebotspreis, der nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 ÜbRL zu bilden ist abzuändern, jedoch nicht selbständig einen Angebotspreis originär festzusetzen. Art. 5 Abs. 6 Üb-RL ermächtigt die Mitgliedstaaten zusätzlich zum Schutz gemäß Abs. 1 leg. cit. weitere Instrumente zum Schutz der Interessen der Wertpapierinhaber vorzusehen, sofern diese Instrumente den normalen Gang eines Angebots nicht behindern. So sollte weiterhin der für diese Beteiligungspapiere gebotene Preis in einem angemessenen Verhältnis zu der für die Stammaktien gewährten Gegenleistung stehen und auf den jeweiligen Inhalt der verbrieften Rechte Bedacht nehmen.72 2. Bewertung der Gegenleistungen § 26 Abs. 3 ÜbG regelt den Fall, dass der Bieter als Gegenleistung nicht nur Geld angeboten hat. So ist gemäß Satz 1 leg. cit. der Gesamtwert aller Gegenleistungen der Berechnung des Preises zugrunde zu legen. Häufig wird der Bieter, wenn er selbst eine Gesellschaft ist, neben Bargeld dem Veräußerer als Gegenleistung Anteilsrechte gewährt haben. Mit diesen sind auch die „sonstigen Vorteile“, darunter sind die beim Pakethandel häufig übernommenen Haftungen zu verstehen, bei der Ermittlung des Gesamtwertes zu berücksichtigen. Alle diese Zahlungen und Vorteile müssen nicht zwischen den Vertragsparteien fließen, sondern nur im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erlangen der kontrollierenden Beteiligung stehen.73 § 26 Abs. 3 Satz 2 ÜbG bestimmt, dass der Preis des Pflichtangebotes unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Absätze 1 und 2 leg. cit. angemessen festzulegen ist wenn: nach Ziffer 1 die Angebotspflicht durch Erwerb von Anteilsrechten oder sonstigen Rechten an einem Rechtsträger, der an der Zielgesellschaft unmittelbar oder 72 Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 34. 73 ErlRV zu § 26 Abs. 3 Satz 1 ÜbG. 24 mittelbar eine kontrollierende Beteiligung hält, ausgelöst worden ist und dieser Rechtsträger auch andere Vermögensgegenstände außer der Beteiligung an der Zielgesellschaft hält oder Schulden hat. (Dies bedeutet, dass die, für die Aktien dieser kontrollierenden Gesellschaft bezahlte, Gegenleistung nur dann als Bewertungsmaßstab herangezogen werden kann, wenn das Vermögen dieser Gesellschaft nur in der Beteiligung an der Zielgesellschaft besteht.74) nach Ziffer 2 die vom Bieter innerhalb der letzten zwölf Monate gewährte oder vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung besonderer Umstände festgelegt wurde; (Hiermit möchte der Gesetzgeber eine allgemeine Berücksichtigung besonderer Umstände ermöglichen, insbesondere einen durch familiäre Verbundenheit stark vom Marktwert abweichenden Preis.75) nach Ziffer 3 sich die Verhältnisse innerhalb der letzten zwölf Monate wesentlich geändert haben. (Hierbei führen die Erläuternden Bemerkungen als Beispiel einen starken Kursrückgang in jüngster Vergangenheit, der auf eine Branchenkrise oder auf eine plötzlich bekanntgewordene Unternehmenskrise zurückzuführen ist, an.76) Gemäß Art. 5 Abs. 5 Üb-RL kann der Bieter als Gegenleistung Wertpapiere, eine Geldleistung oder eine Kombination aus Beiden anbieten. Besteht die angebotene Gegenleistung nicht in liquiden Wertpapieren, so besteht die Verpflichtung wahlweise eine Geldleistung anzubieten. Bei Parallelerwerb von Wertpapieren, die innerhalb einer vom Mitgliedstaat gemäß Abs. 4 leg. cit. festgesetzten Frist von mindestens sechs und längstens zwölf Monaten vor dem Angebot mindestens 5 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft verleihen, besteht ebenfalls die Verpflichtung, alternativ eine Geldleistung anzubieten. Die Mitgliedstaaten könne anordnen, dass wahlweise immer eine Geldleistung anzubieten ist.77 74 ErlRV zu § 26 Abs. 3 Satz 2 Z 1 ÜbG. 75 Vgl. ErlRV zu § 26 Abs. 3 Satz 2 Z 2 ÜbG. 76 Vgl. ErlRV zu § 26 Abs. 3 Satz 2 Z 3 ÜbG. 77 Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 9. 25 Nun ergibt sich das Problem, dass die Preisbildungsregeln von Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 und 2 Üb-RL nicht greifen, wenn gemäß (dem noch geltenden) § 26 Abs. 3 Z 1 ÜbG die Kontrolle der Zielgesellschaft durch Übernahme der Kontrolle an einem Unternehmen, welches an der Zielgesellschaft beteiligt ist (kontrolliertes Unternehmen), erlangt wird. Es wird für die Wertpapiere der Zielgesellschaft kein Preis bezahlt, jedoch sehr wohl die Angebotspflicht ausgelöst.78 Diesbezüglich könnte der nationale Gesetzgeber eine Kompetenz der nationalen Aufsichtsbehörde zur Festlegung eines angemessenen Preises statuieren. Hierbei wäre Bedacht zu nehmen auf die Preisbildungsregeln des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 Üb-RL und auf das analog anwendbare Erkenntnis des VfGH zu § 102a Abs. 4 BWG, in dem er für die Preisermittlung die Maßgeblichkeit des Börsenkurses über längere Zeit und die gerichtliche Überprüfbarkeit eines Angebotes postuliert.79 3. Offenlegung der erheblichen Umstände Gemäß § 26 Abs. 4 ÜbG haben der Bieter sowie die mit ihm gemeinsam vorgehenden Rechtsträger alle für die Angemessenheit des Preises erheblichen Umstände dem Sachverständigen iSd § 9 ÜbG unverzüglich nach seiner Bestellung sowie der Übernahmekommission gleichzeitig mit der Anzeige gemäß § 10 Abs. 1 ÜbG offenzulegen. Da die Preisfestsetzung oft von nicht eindeutigen Begleitumständen abhängig ist, kommt der Überprüfung durch den Sachverständigen und der Transparenz gegenüber der Übernahmekommission besondere Bedeutung zu. Die Offenlegungspflicht gegenüber dem Sachverständigen steht im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit., wonach der Sachverständige insbesondere auch die Gesetzmäßigkeit des Angebots hinsichtlich der Gegenleistung zu überprüfen hat, die gerade beim Pflichtangebot von besonderer Bedeutung ist. Dies hat auch im schriftlichen 78 Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 11. 79 VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636. 26 Bericht und im abschließenden Bestätigungsvermerk des Sachverständigen Niederschlag zu finden.80 Bei § 26 Abs. 4 ÜbG besteht meines Erachtens kein Reformbedarf, da Art. 6 ÜbRL die unverzügliche Unterrichtung der nationalen Aufsichtsstelle postuliert. 4. Antrag auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Preises § 26 Abs. 5 ÜbG ermöglicht den Inhabern von Beteiligungspapieren iSd § 33 Abs. 2 Z 4 ÜbG, das sind Beteiligungspapierinhaber, die allein oder gemeinsam mit anderen Beteiligungspapierinhabern über Aktien mit einem Nennbetrag oder anteiligen Betrag von 1 Prozent des Grundkapitals oder über Beteiligungspapiere im anteiligen Betrag von mindestens 70 000 Euro verfügen, die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des angebotenen Preises innerhalb von drei Monaten ab Veröffentlichung des Ergebnisses eines Übernahmeangebots zu beantragen. Wenn die im § 33 Abs. 2 Z 4 ÜbG genannten Voraussetzungen nur durch Zusammenzählung der Papiere mehrerer Beteiligungspapierinhaber entsteht, müssen sie einen gemeinsamen Vertreter bestellen.81 In der Üb-RL ist meines Erachtens kein solches Überprüfungsverfahren verpflichtend für die Mitgliedstaaten vorgeschrieben. So könnte es durchaus als Instrument zum Schutz der Interessen der Wertpapierinhaber iSd Art. 5 Abs. 6 ÜbRL verstanden werden, wobei die zukünftige Judikatur zeigen wird, ob ein solches Überprüfungsverfahren „den normalen Gang eines Angebots behindert“. 5. Verordnung der Übernahmekommission Gemäß § 26 Abs. 6 ÜbG kann die Übernahmekommission durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Ermittlung des Mindestpreises des Pflichtangebots erlassen. Diese Verordnung könnte zum Beispiel klären, ob und wie die gehandelten Umsatzmengen bei der Ermittlung des Durchschnittskurses gewichtet werden.82 80 ErlRV zu § 26 Abs. 4 ÜbG. 81 ErlRV zu § 26 Abs. 5 ÜbG. 27 Diese Verordnungsermächtigung verstößt gegen die Üb-RL, da die Richtlinie in ihrem Art. 5 Abs. 4 die Preisbildungsregeln in taxativer Weise aufzählt und darin nur die Ermächtigung der Mitgliedstaaten vorhanden ist, ihre nationalen Aufsichtsstellen zu ermächtigen den Angebotspreis zu korrigieren. Der Wortlaut deutet hierbei aber auf einen individuellen und nicht generellen, normativen, hoheitlichen Rechtsakt. Somit ist diese Norm aus dem österreichischen Rechtsbestand zu entfernen. 6. „Opting in“ Gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 ÜbG kann die Zielgesellschaft in ihrer Satzung vorsehen, dass der in § 26 Abs. 1 vorgesehene Abschlag von 15 Prozent bei Bestimmung des Preises für das Pflichtangebot ausgeschlossen oder mit einem niedrigeren Hundertsatz festgelegt wird. Diese vorgeschlagenen Satzungsbestimmungen sollen die österreichischen börsenotierten Aktiengesellschaften zu einem Wettbewerb der Satzungen aufrufen.83 Wie im britischen City Code, nach dem allen Aktionären der gleiche Preis, unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung, zu bieten ist84, kann hier die Satzung vorsehen, das der kontrollierende Aktionär die „Kontrollprämie“ vollständig an alle Beteiligungspapierinhaber weiterzugeben hat. In diesem Fall ist dem Pflichtangebot als Preis der durchschnittliche Börsekurs während der letzten sechs Monate oder die höchste in den letzten zwölf Monaten gewährte oder vereinbarte Gegenleistung für Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zugrunde zu legen. Es kann nach dieser Satzungsbestimmung aber auch ein geringerer als ein 15-prozentiger Abschlag vorgesehen werden.85 82 ErlRV zu § 26 Abs. 6 ÜbG. 83 ErlRV zu § 27 ÜbG. 84 Vgl. Stern, Übernahmeangebote im englischen Recht - The City Code on Takeovers and Mergers (Teil II), ÖBA 1993, 27. 85 ErlRV zu § 27 Abs. 1 Z ÜbG. 28 Nachdem die Übernahme-Richtlinie generelle Paketabschläge nicht vorsieht und das neue österreichische Übernahmerecht ihr folgen muss, ist zukünftig eine „Opting in“ Norm nicht mehr notwendig und kann aus dem österreichischen Rechtsbestand ausgeschieden werden. D. Die Preisbildung beim freiwilligen Angebot Das Übernahmegesetz unterscheidet hier zwischen zwei Ausgangssituationen: Der Bieter hat keine oder wenigstens keine kontrollierende Beteiligung an der Zielgesellschaft und will eine (weiterhin) nicht kontrollierende Beteiligung erwerben. Somit unterliegt er den Bestimmungen für freiwillige öffentliche Übernahmeangebote, also dem zweiten Teil des ÜbG. Somit ist er frei in der Preisbemessung. Der Bieter hat noch keine kontrollierende Beteiligung, aber sein freiwilliges Angebot ist so angelegt, dass er, ausreichende Annahmen vorausgesetzt, eine kontrollierende Beteiligung erlangen könnte. Gemäß § 22 Abs. 11 Satz 1 ÜbG findet auf solche Gebote der dritte Teil des ÜbG Anwendung. Sein Angebot steht gemäß Satz 2 leg. cit. unter der gesetzlichen Bedingung, dass er nach Ablauf des Übernahmeangebots tatsächlich über die Kontrolle, und zwar über mehr als 50 Prozent der Stimmrechte, verfügt. Gleichzeitig muss er sein Angebot wie ein Pflichtangebot ausgestalten.86 Gemäß Art. 5 Abs. 2 Üb-RL besteht keine Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots gemäß Abs. 1 leg. cit., wenn die Kontrolle auf Grund eines freiwilligen, den Regelungen des Pflichtangebotes entsprechenden Vollangebotes erlangt wird.87 Statuiert der Gesetzgeber eine Kompetenz der Übernahmekommission zur Festlegung eines angemessenen Preises, so wäre wie auch beim Pflichtangebot auf die Regelungen des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 Üb-RL, auf das Erkenntnis des VfGH zu 102a Abs. 4 BWG88 und damit auf die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Börsenkurses bei der Preisermittlung sowie auf ein ausreichendes Verfahren 86 Dorda, ecolex 1998, 843. 87 Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 12. 88 VfGH 28.9.2002, G 286/01, VfSlg 16.636. 29 wie etwa nach § 33 Abs. 6 ÜbG Bedacht zu nehmen. Jedoch sollte ein freiwilliges Angebot, das auf den ersten Kontrollerwerb gerichtet ist, nur als Vollangebot, das heißt als Angebot für alle Beteiligungspapiere, zulässig sein. 89 89 Vgl. Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 35. 30 Literaturverzeichnis Albert Birker/Thomas Zivny, Pflichtangebot bei Änderungen im Syndikat, ecolex 2000, 582 (Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582) Christian Dorda, Das neue Österreichische Übernahmegesetz, ecolex 1998, 843 (Dorda, ecolex 1998, 843) Christian Hausmaninger/Christoph Herbst, Übernahmegesetz Kurzkommentar (1999) (Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Gesetzesstelle Randzahl) Peter Huber, DER PREIS DES PFLICHTANGEBOTES (§ 26 ABS 1) IM ENTWURF DES ÜBERNAHMEGESETZES, ecolex 1997, 763 (Huber, ecolex 1997, 763) Waldemar Jud, Übernahmerecht, Thesen Graz zur (2005) Reformdiskussion (Jud, Thesen zur im österreichischen Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, Seite) Waldemar Jud/Johannes Zollner/Bernd Terlitza, Höchststimmrechte bei der Ermittlung übernahmerechtlicher Schwellenwerte, NZ 2002/23 (Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23) Ernst Müller-Möhl, Optionen und Futures - Grundlagen und Strategien für das Termingeschäft in Deutschland, Österreich und in der Schweiz4 (1999; Deutschland) (Müller-Möhl, Optionen und Futures4, Seite) Christian Nowotny, Zur Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien, RdW 2002/124; (Nowotny, Zur Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien, RdW 2002/124) Wolf-Georg Schärf, Übernahmegesetz, Verlag Österreich, Wien 2001 (Schärf, Übernahmegesetz, Seite) 31 Elisabeth Stern, Übernahmeangebote im englischen Recht - The City Code on Takeovers and Mergers (Teil I), ÖBA 1992, 1065; (Stern, Übernahmeangebote im englischen Recht - The City Code on Takeovers and Mergers (Teil I), ÖBA 1992, 1065) Elisabeth Stern, Übernahmeangebote im englischen Recht - The City Code on Takeovers and Mergers (Teil II), ÖBA 1993, 27; (Stern, Übernahmeangebote im englischen Recht - The City Code on Takeovers and Mergers (Teil II), ÖBA 1993, 27) Peter Stockenhuber, Die Grundzüge des Übernahmegesetzes (Teil II), JAP 1999/2000, 90 (Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90) Martin Winner, Die 1. Übernahmeverordnung, RdW 1999, 509 (Winner, RdW 1999, 509) 32