Das Pflichtangebot - Heimseite von Christian North

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Christian North, 0011236
Maximilian Schönhofer, 0011505
PFLICHTANGEBOT UND ANGEMESSENER PREIS
HAUSARBEIT
Graz, Mai 2005
Inhaltsverzeichnis
I.
Das Pflichtangebot .......................................................................................... 4
A.
Allgemeines ................................................................................................. 4
B.
Kontrollierende Beteiligung .......................................................................... 5
C.
Das ein Pflichtangebot auslösende Merkmal ............................................... 5
1.
§ 22 Abs 1 ÜbG ....................................................................................... 5
2.
§ 22 Abs 2 ÜbG ....................................................................................... 5
3.
§ 22 Abs 3 ÜbG ....................................................................................... 6
4.
§ 22 Abs 4 ÜbG ....................................................................................... 6
D.
Die 1. Übernahmeverordnung ( 1. ÜbV) ...................................................... 6
E.
Sondervorschriften bei Pflichtangeboten gegenüber freiwilligen öffentlichen
Angeboten .......................................................................................................... 8
F.
Die
Wirkung
von
Höchststimmrechten
auf
die
Ermittlung
übernahmerechtlicher Schwellenwerte ............................................................... 9
1.
Höchststimmrechte .................................................................................. 9
2.
Die Kontrollvermutungen der §§ 1 Z 1, 2 Abs 1 und 3 Abs 1 der 1. ÜbV 10
G. Ausnahmen von der Angebotspflicht ......................................................... 12
H.
Gemeinsames Vorgehen ......................................................................... 12
1.
Anzeigepflicht nach § 25 Abs 1 ÜbG...................................................... 13
2.
Kontrollwechsel innerhalb einer Gruppe iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG .......... 14
3.
Ermächtigung der Übernahmekommission nach § 25 Abs 2 ÜbG ......... 15
4.
Ein- und Austritt von Syndikatsmitgliedern ............................................. 16
I.
II.
Die 2. Übernahmeverordnung ................................................................... 17
Der angemessene Preis ................................................................................ 18
A.
Die Vorbilder der österreichischen Preisbildungsregeln ............................ 18
B.
Regelungsziel der Preisbildungsregeln...................................................... 18
C.
Durchschnittlicher Börsekurs und Paketabschlag ...................................... 19
1.
Stammaktien und andere Beteiligungspapiere ....................................... 22
2.
Bewertung der Gegenleistungen ............................................................ 24
3.
Offenlegung der erheblichen Umstände................................................. 26
4.
Antrag auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Preises ........................... 27
5.
Verordnung der Übernahmekommission ................................................ 27
2
6.
D.
„Opting in“ .............................................................................................. 28
Die Preisbildung beim freiwilligen Angebot ................................................ 29
Literaturverzeichnis……………………………………………………………………..31
3
I. DAS PFLICHTANGEBOT
A. Allgemeines1
Die Vorschriften über das Pflichtangebot betreffen Situationen, in denen jemand
auf anderem Weg, als durch ein (freiwilliges) öffentliches Übernahmeangebot eine
kontrollierende Beteiligung an einer Aktiengesellschaft erlangt, also durch
außerbörslichen Erwerb eines Aktienpakets (von einem bisherigen Aktionär oder
anlässlich einer Kapitalerhöhung), durch sukzessiven Aktienerwerb an der Börse
oder durch den Abschluss eines Syndikatsvertrages. Das Übernahmegesetz sieht
vor, dass nun der neue, die AG kontrollierende Gesellschafter aufgrund eines
derartigen kontrollebegründenden Umstandes allen übrigen Aktionären ein
Angebot zur Übernahme ihrer Aktien muss (Pflichtangebot).
Beim freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebot ist das Angebot das Mittel zur
Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung; beim Pflichtangebot stellt die
kontrollierende Beteiligung hingegen die Tatbestandsvoraussetzung dar, an die
das Übernahmegesetz als Rechtsfolge die Verpflichtung zur Stellung des
Angebotes (hinsichtlich der noch nicht im Eigentum des kontrollierenden Aktionärs
befindlichen Aktien) knüpft.
Die beiden zentralen Fragen, die im Zusammenhang mit Pflichtangeboten
auftreten, sind, erstens, ab welcher Beteiligungsschwelle ein Pflichtangebot
gestellt werden muss, und, zweitens, wie hoch der im Pflichtangebot angebotene
Übernahmspreis für die Aktien sein muss.
1
Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90
4
B. Kontrollierende Beteiligung
Gemäß § 22 Abs 1 ÜbG muss derjenige, der eine kontrollierende Beteiligung an
einer Gesellschaft erlangt, ein Angebot zum Erwerb aller Aktien stellen und dies
innerhalb von 20 Börsetagen der Übernahmekommission anzeigen.
C. Das ein Pflichtangebot auslösende Merkmal2
1.
§ 22 Abs 1 ÜbG
Gemäß Abs 1 leg. cit. muss ein Pflichtangebot machen, wer eine kontrollierende
Beteiligung an der Zielgesellschaft erlangt3. Die Beteiligungspapierinhaber können
somit die Gesellschaft nicht nur verlassen, wenn erstmals eine kontrollierende
Beteiligung entsteht, sondern auch, wenn sie auf einen neuen Inhaber wechselt.
Dies kann, wie bereits erwähnt, zB durch vorangehenden Pakethandel, Aufkauf an
der Börse oder durch Abschluss eines Syndikatsvertrages geschehen.
2.
§ 22 Abs 2 ÜbG
§ 22 Abs 2 ÜbG definiert den Tatbestand der „kontrollierenden Beteiligung“ mit der
Möglichkeit des Bieters, „allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern“ einen
beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft auszuüben. Auf die tatsächliche
Ausübung kommt es gar nicht an, es genügt bereits die „Ermöglichung“ der
Beherrschung.
Der Begriff der Beherrschung indiziert eine wirtschaftliche Betrachtungsweise;
konsequenterweise bezieht das Gesetz daher alle „Rechtsträger“ ein, die mit dem
Bieter gemeinsam vorgehen (dazu gehören gemäß dem weitgefassten § 23 Abs 1
ÜbG nicht nur Konzernunternehmen, sondern auch zu Dritten bestehende
vertragliche Rechte, wie zB Optionen, die dem Bieter den Erwerb von Aktien der
Zielgesellschaft ermöglichen, und überhaupt unter den Begriff des „abgestimmten
Verhaltens“ einzureihende Fälle).
2
Dorda, ecolex 1998, 843
3
Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 10 zu § 22
5
3.
Als
§ 22 Abs 3 ÜbG
weiteres
Merkmal
der
wirtschaftlichen
Betrachtungsweise
ist
eine
kontrollierende Beteiligung auch gegeben, wenn „Anteilsrechte oder sonstige
Rechte an einem anderen Rechtsträger als der Zielgesellschaft bestehen, die
mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft ermöglichen“ 4,
also zB der Anteilswechsel bei einer Holding GmbH, in die vor dem
Kontrollwechsel
das
Mehrheitspaket
der
börsenotierten
Zielgesellschaft
eingebracht wurde. Der mittelbare beherrschende Einfluss kann nicht nur durch
Anteilsrechte, sondern auch „sonstige Rechte an einem Rechtsträger“ (zB
Privatstiftungen) entstehen.5
4.
§ 22 Abs 4 ÜbG
Eine kontrollierende Beteiligung liegt gemäß § 22 Abs 4 ÜbG jedenfalls unter den
Voraussetzungen des § 244 Abs 2 Z 1 – 3 HGB vor. Demnach verfügt derjenige
über eine kontrollierende Beteiligung, der über die Mehrheit der Stimmrechte
verfügt, dem das Recht zur Bestellung oder Abberufung der Mitglieder des
Verwaltung-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans oder das Recht zur Ausübung eines
beherrschenden Einflusses zusteht.6
D. Die 1. Übernahmeverordnung ( 1. ÜbV)
Die
Übernahmekommission
hat
diese
Kontrolltatbestände
in
der
ersten
Verordnung zum Übernahmegesetz (1. ÜbV) durch zwei Tatbestände ergänzt, bei
deren Vorliegen eine kontrollierende Beteiligung (widerleglich) vermutet wird.
Gemäß § 2 Abs 1 1. ÜbV begründet eine Beteiligung, die mindestens 30 vom
Hundert der Stimmrechte vermittelt, die Vermutung des Vorliegens einer
kontrollierenden Beteiligung. Gleiches gilt gem § 3 Abs 1 1. ÜbV für eine
Beteiligung, die zwischen 20 und 30 vom Hundert der Stimmrechte vermittelt und
die in den letzten drei ordentlichen Hauptversammlungen die Mehrheit der
4
§ 22 Abs 3 ÜbG
5
Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90
6
Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 15 zu § 22
6
anwesenden Stimmrechte dargestellt hätte7. Ergänzend dazu ist zu beachten,
dass die Satzung der Zielgesellschaft – in noch strengerer Weise – vorsehen
kann, dass bereits eine Beteiligung im Ausmaß von 20 vom Hundert der
Stimmrechte die Vermutung des Vorliegens einer kontrollierenden Beteiligung
begründet8.
Bei der Berechnung der Beteiligungsschwellenwerte (20 Prozent, 20 - 30 Prozent)
sind nicht nur die dem Beteiligten zustehenden Stimmrechte zu berücksichtigen,
diesen sind vielmehr auch Stimmrechte hinzuzurechnen, die mit Aktien Dritter
verbunden sind und die aufgrund besonderer, in der 1. ÜbV ausdrücklich
genannter Umstände auf der Grundlage einer wirtschaftlichen, an tatsächlichen
Einflussmöglichkeiten orientierten Betrachtungsweise eine Einheit mit den Aktien
des Beteiligten bilden9.
Die Kontrolle muss nicht einem Aktionär allein zustehen, um die Verpflichtung zur
Abgabe
eines
Pflichtangebotes
auszulösen.
Erlangen
mehrere
Aktionäre
gemeinsam einen beherrschenden Einfluss – sei es durch ein gemeinsames
Vorgehen beim Aktienerwerb oder bei der Stimmrechtsausübung - , so sind sie zur
Stellung eines gemeinsamen Pflichtangebotes verpflichtet10. Die 1. ÜbV listet fünf
Vermutungstatbestände auf, bei deren Vorliegen eine gemeinsame Beherrschung
bzw Kontrolle vermutet wird, so zB bei Bestehen einer kontrollierenden Beteiligung
zwischen zwei Aktionären bzw einer sonstigen Verbindung, die gemäß § 228 HGB
zur Aufnahme in den Konzernabschluss einer Muttergesellschaft führt oder bei
Bestehen eines Stimmbindungs- bzw Syndikatsvertrages, der auf einheitliche
Stimmabgabe bei der Aufsichtsratsbesetzung oder bei sonstigen wichtigen
Beschlussangelegenheiten gerichtet ist11. Eine Widerlegung der Vermutung des
gemeinsamen Vorgehens wird bei gleicher Konzernzugehörigkeit kaum möglich
sein, nachdem es selbst in Fällen, in denen die verbundenen Aktionäre bei ihrer
Stimmabgabe tatsächlich unabhängig agieren, jederzeit möglich ist, eine
7
Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 19, 20 zu § 22
8
§ 27 Abs 1 Z 1 iVm § 22 Abs 5 ÜbG
9
§ 5 Abs 1 Z 1 - 7 1. ÜbV
10
§ 22 Abs 2, § 23 ÜbG
11
§ 9 1. ÜbV
7
Gleichrichtung bzw Koordinierung der Stimmabgabe herbeizuführen und damit
Kontrolle über die Zielgesellschaft auszuüben. Mangels besonderer Vorkehrungen
in der Angebotsunterlage haften die gemeinsam vorgehenden Aktionäre, deren
Rechtsverhältnis untereinander häufig als GesBR anzusehen sein wird, als
Gesamtschuldner für die Einbringung der im Pflichtangebot vorgesehenen
Gegenleistung12.
Auch die Erlangung der (unmittelbaren) Kontrolle über einen Rechtsträger, der
seinerseits die Zielgesellschaft kontrolliert, und die dem Bieter damit eine
mittelbare (indirekte) Kontrolle bzw Beherrschungsmöglichkeit vermittelt, löst die
Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebotes aus13. Der Erwerb der Kontrolle
über eine ausländische Muttergesellschft verpflichtet daher zum Pflichtangebot
hinsichtlich aller Aktien ihrer börsenotierten österreichischen Tochtergesellschaft.
E. Sondervorschriften
bei
Pflichtangeboten
gegenüber
freiwilligen öffentlichen Angeboten
Auf das Pflichtangebot finden grundsätzlich die Vorschriften des 2. Teils des ÜbG
über freiwillige öffentliche Übernahmeangebote Anwendung14. Auf folgende
Besonderheiten ist jedoch hinzuweisen:

Der Bieter hat den Erwerb einer kontrollierenden Beteiligung unverzüglich
bekanntzumachen und der Zielgesellschaft mitzuteilen15

Die angebotene Leistung muss stets auf Barzahlung oder (zusätzlich) auf
Tausch in andere Wertpapiere lauten16. Die Übernahmerichtlinie erlaubt
hingegen, dass ein Bieter auch ausschließlich den Austausch in
Wertpapiere
der
übernehmenden
12
Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90
13
§ 22 Abs 3 ÜbG
14
§ 22 Abs 7 ÜbG
15
§ 5 Abs 3 Z 3 ÜbG
16
§ 22 Abs 8 ÜbG
Gesellschaft
anbieten
kann
8
(Papierangebot)17. Obwohl die Richtlinie dies nicht verlangt, erwägt die im
Justizministerium tagende Reformkommission die Zulassung von reinen
Tauschangeboten18.

Es muss stets auf Übernahme aller übrigen Beteiligungspapiere gerichtet
sein19.

Das Pflichtangebot ist grundsätzlich bedingungsfeindlich, dh Bedingungen
sind
nur
zur
Einhaltung
gesetzlicher
Vorschriften
(zB
Abwarten
kartellrechtlicher Genehmigung des angemeldeten Zusammenschlusses)
zulässig20 21
F. Die Wirkung von Höchststimmrechten auf die Ermittlung
übernahmerechtlicher Schwellenwerte22
1.
Höchststimmrechte
Höchststimmrechte sind Instrumente der Begrenzung von Stimmkraft und
Einflussmöglichkeiten von Großaktionären zu Gunsten des Streubesitzes, über
deren Einführung die Hauptversammlung im Wege einer Satzungsänderung
entscheidet23. Die betroffenen Aktionäre werden jedoch nur in ihren ausübbaren
Stimmrechten beschränkt; ihr kapitalmäßiger Einfluss bleibt unberührt: Ihre
Beteiligung am Grundkapital ist weiterhin bei der Berechnung der von Gesetz oder
Satzung vorgesehenen Kapitalmehrheiten zu berücksichtigen. Die tatsächliche
stimmkraftsbeschränkende Wirkung einer Höchststimmrechtsregelung hängt
einerseits von der individuellen Ausgestaltung der Satzungsbestimmung, vor allem
17
Art 5 Abs 5 Übernahmerichtlinie
18
www.derstandard.at, 8.3.2005
19
§ 22 Abs 1 ÜbG; man beachte aber die opt-out Möglichkeit für künftige Substanzpapiere ohne
Stimmrecht durch entsprechende Satzungsgestaltung gemäß § 27 Abs 1 Z 3 ÜbG
20
§ 22 Abs 10 ÜbG
21
Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 27 zu § 22
22
Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23
23
§ 114 Abs 1 iVm § 146 Abs 1 AktG
9
von
der
Höhe
des
Grenzwertes,
andererseits
von
der
Struktur
der
Beteiligungsverhältnisse ab.
Bei der übernahmerechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes sind statutarische
Stimmrechtsbeschränkungen in zweifacher Hinsicht zu berücksichtigen:

Wie wirkt sich eine Stimmrechtsbeschränkung auf die Berechnung der
Kontrollschwellen24
sowie
der
für
die
Widerlegungstatbestände
maßgeblichen Anteilsschwellen aus?

Welche übernahmerechtlichen Konsequenzen sind aus der Beseitigung
einer Höchststimmrechtsregelung abzuleiten, wenn deren Resultat das
erstmalige
Entstehen
einer
kontrollierenden
Beteiligung
oder
ein
Kontrollwechsel ist?
2.
Die Kontrollvermutungen der §§ 1 Z 1, 2 Abs 1 und 3 Abs 1
der 1. ÜbV25
Die Kontrollvermutung des § 1 Z 1 1. ÜbV ist unwiderleglich, dh ein Beteiligter, der
eine tatbildliche Stimmenmehrheit erlangt hat, muss in jedem Fall ein
Pflichtangebot stellen. Bei der Ermittlung der Kontrollschwelle sind nach dem
Wortlaut des § 1 Z 1 1. ÜbV nur Aktien mitzuzählen, die auch tatsächlich das
Stimmrecht
gewähren.
Höchststimmrechte
sind
also
„automatisch“
zu
berücksichtigen; es ist also nicht auf die dem Beteiligten abstrakt zustehenden
Stimmrechte abzustellen, sondern auf dessen effektive Stimmkraft.
Wie bereits gesagt, begründet eine Beteiligung, die mindestens 30 Prozent der
Stimmrechte vermittelt, die Vermutung des Vorliegens einer kontrollierenden
Beteiligung26. Gleiches gilt gem § 3 Abs 1 1. ÜbV für eine Beteiligung, die
zwischen 20 und 30 Prozent der Stimmrechte vermittelt und die in den letzten drei
ordentlichen Hauptversammlungen die Mehrheit der anwesenden Stimmrechte
dargestellt hätte.
24
25
26
§ 1 bis 3 der 1. ÜbV
Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23
§ 2 Abs 1 1. ÜbV
10
Nach § 4 Satz 2 1. ÜbV können die Kontrollvermutungen nach §§ 2 und 3 1. ÜbV
durch den Nachweis widerlegt werden, dass Höchststimmrechtsregelungen
existieren, welche die Ausübung eines beherrschenden Einflusses verhindern
(generalklauselartige Formulierung). Satz 2 leg cit beschränkt sich auf das
Verfehlen
der
Hauptversammlungsmehrheit
infolge
einer
Höchststimmrechtsregelung (spezieller Widerlegungstatbestand)27.
Statutarische
Stimmrechtsbeschränkungen
sind
nicht
automatisch
zu
berücksichtigen, sondern eröffnen nur im Einzelfall die Möglichkeit zur
Widerlegung. Der Nachweis hiefür obliegt primär, aber nicht ausschließlich dem
potentiellen
Bieter.
Die
Pflicht
der
Übernahmekommission,
Widerlegungstatbestände auch von Amts wegen wahrzunehmen, ergibt sich aus
dem im Übernahmeverfahren generell geltenden Grundsatz der materiellen
Wahrheit28.
Statutarische Stimmkraftsbeschränkungen werden also im Übernahmerecht nicht
einheitlich berücksichtigt: Der wesentliche Unterschied zur Anteilsermittlung
zwischen § 1 Z 1 1. ÜbV und den §§ 2 Abs 1 und 3 Abs 1 1. ÜbV liegt darin, dass
Stimmrechte, die der Beteiligte aufgrund einer Höchststimmrechtsregelung nicht
ausüben kann, bei der Ermittlung nach § 1 Z 1 1. ÜbV automatisch bei
Berechnung der Kontrollschwelle berücksichtigt werden; in den Fällen der §§ 2
Abs 1 und 3 Abs 1 1. ÜbV berechtigen Höchststimmrechte allenfalls zur
Widerlegung der Kontrollvermutung29. Stichhaltige Gründe für diese divergierende
Behandlung sind jedoch nach Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23 nicht ersichtlich
und eine „Beseitigung dieser systematisch fragwürdigen unterschiedlichen
Berücksichtigung von Höchststimmrechtsregelungen bei der Ermittlung von
Kontrollschwellen bleibt somit dem Normsetzer vorbehalten“.
27
Jud/Zollner/Terlitza, NZ 2002/23
28
Winner, RdW 1999, 509
29
Winner, RdW 1999, 509
11
Ausnahmen von der Angebotspflicht30
G.
Beruht die kontrollierende Beteiligung auf einem familien- oder erbrechtlichem
Sachverhalt (Schenkung zwischen Angehörigen, Vermögensteilung nach einer
Scheidung, Erbgang), wird sie auf eine „Familienstiftung“ oder innerhalb ein und
desselben Konzerns auf einen anderen Rechtsträger übertragen, so muss
mangels des vom Gesetzgeber in diesen Fällen geleugneten Schutzbedürfnisses
der Minderheitsaktionäre kein Angebot an alle übrigen Aktionäre gestellt werden31.
Die 1. ÜbV nennt darüber hinaus für Kreditinstitute Voraussetzungen, bei deren
Vorliegen sie von der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebotes entbunden
sind 32 33.
Keine Angebotspflicht besteht weiters unter den Voraussetzungen des § 25 ÜbG
(zB
vorübergehender
oder
unbeabsichtigter,
kontrollevermittelnder
Stimmrechtserwerb, Aktienerwerb bloß zu Sanierungs- oder Sicherungszwecken).
Der Übernahmekommission ist in diesen Fällen – anders als unter den
Verhältnissen des § 24 ÜbG – der Eintritt eines derartigen Umstandes jedoch
binnen 20 Börsetagen mitzuteilen; gegebenenfalls kann sie dann die Stellung
eines Pflichtangebotes anordnen.
H. Gemeinsames Vorgehen 34 35
Die übernahmegesetzliche Verpflichtung zur Legung eines Pflichtangebotes gilt
nicht nur, wenn der Bieter allein eine kontrollierende Beteiligung an der
Zielgesellschaft erlangt, sondern auch, wenn er gemeinsam mit anderen
Rechtsträgern
vorgeht36.
Anteile,
die
von
30
Stockenhuber, JAP 1999/2000, 90
31
§ 24 ÜbG
32
§ 23 Abs 2 ÜbG, § 10 1.ÜbV
33
Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 7,8 zu § 23
34
§ 23 ÜbG
35
Schärf, Übernahmegesetz, 140f, 145ff
36
§ 23 Abs 1 ÜbG
Syndikatspartnern
an
der
12
Zielgesellschaft
gehalten
werden,
sind
dem
Bieter
zuzurechnen.
Diese
Zurechnung mittelbarer Beteiligungen zu den Anteilen des Bieters soll eine
Umgehung des Übernahmerechtes verhindern. Eine kontrollierende Beteiligung
liegt jedenfalls auch dann vor, wenn seitens des Bieters Anteilsrechte oder
sonstige Rechte an einem anderen Rechtsträger als der Zielgesellschaft
bestehen, die mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft
ermöglichen37.
1.
Anzeigepflicht nach § 25 Abs 1 ÜbG
Abweichend von der Angebotspflicht bei Erlangung einer kontrollierenden
Beteiligung, die es dem Bieter allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern
ermöglicht, einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft auszuüben,
werden in § 25 Abs 1 ÜbG Ausnahmen geschaffen. Wird einer der Tatbestände
des § 25 Abs 1 Z 1 - 4 ÜbG erfüllt, genügt die Anzeige des Sachverhalts binnen
20 Börsetagen an die Übernahmekommission. Dahinter steht die Überlegung, bei
mittelbaren Beteiligungen eine Anzeigepflicht vorzusehen, wobei aber nach den
tatsächlichen
Verhältnissen
des
Einzelfalls
eine
Gefährdung
der
Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft
nicht zu besorgen sein darf. Tritt eine solche Gefährdung ein, kann die
Übernahmekommission in den Fällen des § 25 Abs 1 Z 1 - 4 ÜbG die Stellung
eines Pflichtangebotes aussprechen38 39.
Eine bedeutende Ausnahme stellt § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG dar: Werden Aktien
innerhalb einer Gruppe von Aktionären iSd § 23 Abs 1 ÜbG übertragen und ändert
sich die Zusammensetzung der Gruppe nur geringfügig, dann ist nur eine Anzeige
an die Übernahmekommission zu erstatten.
37
§ 22 Abs 3 ÜbG
38
§ 25 Abs 2 ÜbG
39
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
13
2.
Kontrollwechsel innerhalb einer Gruppe iSd § 25 Abs 1 Z 2
ÜbG40
Die
Übernahmekommission
stellt
fest,
dass
eine
Änderung
in
der
Zusammensetzung, die nicht als „geringfügig“ iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG zu
qualifizieren ist, einem Kontrollwechsel gleichzuhalten ist. Diese Auffassung ergibt
sich daraus, dass ein Pflichtangebot iSd § 22 ÜbG nur bei einem Kontrollwechsel
zu erfolgen hat. Nach der Systematik des ÜbG, nach der immer dann ein
Pflichtangebot zu legen ist, wenn ein Kontrollerwerb oder ein Kontrollwechsel
stattfindet, ist diese Auffassung der Übernahmekommission richtig41. Die Wortwahl
des Österreichischen Gesetzgebers in § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG scheint jedoch wenig
geglückt. Es wäre vorteilhafter, auf die Erlangung einer kontrollierenden
Beteiligung oder das vorliegen eines Kontrollwechsels innerhalb einer Gruppe von
Aktionären anstelle der nicht näher definierten „geringfügigen Änderung der
Zusammensetzung“ abzustellen42.
Das vorliegen eines Kontrollwechsels kann anhand zweier Beispiele illustriert
werden: Wenn zwei Personen, die gemeinsam eine Zielgesellschaft mittels eines
Syndikatsvertrages kontrollieren, ihre Anteile auf einen der beiden übertragen, so
liegt jedenfalls ein Kontrollwechsel vor. Nachdem es sich nicht um eine
geringfügige Änderung der Zusammensetzung der Gruppe handelt, ist nach § 22
ÜbG ein Pflichtangebot zu legen. Scheidet jedoch im anderen Fall ein Mitglied aus
einem Syndikat aus, das aus drei gleichberechtigten Mitgliedern besteht und in
dem Entscheidungen innerhalb des Syndikats aufgrund des Syndikatsvertrages
mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefällt werden, und überträgt
dieses Mitglied seine Anteile zu gleichen Teilen an die beiden anderen, liegt
grundsätzlich kein Kontrollwechsel vor. Nach wie vor müssen zwei Mitglieder
zustimmen, um einen positiven Beschluss zu erwirken. Insofern ergibt sich zur
Lage vor Austritt des Mitglieds keine Änderung43.
40
Schärf, Übernahmegesetz, 145ff
41
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
42
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
43
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
14
In der Praxis ist jedoch eine eingehende Untersuchung der Machtverhältnisse
innerhalb des Syndikats unumgänglich. Das Vorliegen einer kontrollierenden
Beteiligung des Syndikats an der Zielgesellschaft ist Voraussetzung für die
Anwendung des § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG. Die Frage der Kontrolle verlagert sich von
der Zielgesellschaft auf das Syndikat. In dem Zusammenhang geht die
Übernahmekommission unter Zugrundelegung des konkreten Syndikatsvertrages
von der Annahme aus, dass ein Kontrollwechsel innerhalb eines Syndikats mit der
Erlangung der Mehrheitsbeteiligung innerhalb des Syndikats verbunden sein muss
oder einem Syndikatsmitglied eine Sperrminorität eingeräumt wird. Nur dann,
wenn ein Syndikatspartner das gesamte Syndikat kontrolliert, können auch die
Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft
beeinträchtigt werden44.
Liegt kein Kontrollwechsel vor, kommt bei Übertragung innerhalb eines Syndikats,
wobei auch die Übertragung an Dritte und der Austritt von Syndikatsmitgliedern
erfasst sind, § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG zur Anwendung. Es genügt somit eine Anzeige
an die Übernahmekommission. „Geringfügig“ iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG ist als
qualitativer, nicht als quantitativer Begriff des Kontrollwechsels zu verstehen45.
3.
Ermächtigung der Übernahmekommission nach § 25 Abs 2
ÜbG
Nach § 25 Abs 2 ÜbG kann die Übernahmekommission in den Fällen des § 25
Abs
1
ÜbG
die
Stellung
des
Pflichtangebotes
an
die
Inhaber
von
Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft anordnen. Die Übernahmekommission
hat ihre Entscheidung insbesondere davon abhängig zu machen, ob nach den
tatsächlichen
Verhältnissen
des
Einzelfalles
eine
Gefährdung
der
Vermögensinteressen der Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft
44
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
45
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
15
zu besorgen ist und hat auch die Möglichkeit, diese Entscheidung auch erst nach
einem gewissen Beobachtungszeitraum zu treffen46.
Die Übernahmekommission geht davon aus, dass ein Pflichtangebot nicht
angeordnet werden kann, wenn sich die Zusammensetzung der Gruppe nur
geringfügig ändert. Die Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung kann daher
niemals „geringfügig“ iSd § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG sein, eine geringfügige Änderung im
Syndikat kann keinen Kontrollerwerb darstellen. § 25 Abs 2 1. Satz ÜbG, gemäß
dem die Übernahmekommission auch in den Ausnahmefällen des § 25 Abs 1 ÜbG
ein Pflichtangebot anordnen kann, ist iSd Bindung des Pflichtangebotes an die
Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung einschränkend auszulegen. Die
Normierung eines Pflichtangebotes ohne Kontrollerwerb kann nach Ansicht der
Übernahmekommission dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden47.
Die anderen Fälle des § 25 Abs 1 ÜbG bleiben von diesen Ausführungen
unberührt. ISd § 25 Abs 2 ÜbG kann die Übernahmekommission in den Fällen des
§ 25 Abs 1 Z 1, 3 und 4 ÜbG bei Vorliegen eines Kontrollerwerbs und
gleichzeitiger
Gefährdung
der
Vermögensinteressen
der
Inhaber
von
Beteiligungspapieren ein Pflichtangebot anordnen.
4.
Ein- und Austritt von Syndikatsmitgliedern48
Nach der Ansicht von Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582, kann es für die Anwendung
von § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG keinen Unterschied machen, ob Anteile nur innerhalb der
Gruppe übertragen werden, Dritte zur Gruppe hinzutreten oder jemand aus der
Gruppe ausscheidet oder der Syndikatsvertrag geändert wird, wenn es nicht auch
zur Erlangung einer kontrollierenden Beteiligung kommt. In all diesen Fällen hat
jedenfalls eine Mitteilung an die Übernahmekommission zu erfolgen, da es sich
um der Sache nach gleichwertige Vorgänge handelt. Die Übernahmekommission
hat den angezeigten Sachverhalt dahingehend zu prüfen, ob tatsächlich nur eine
46
Schärf, Übernahmegesetz, 147
47
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
48
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
16
geringfügige Änderung der Zusammensetzung der Gruppe vorliegt, oder ob ein
Pflichtangebot iSd § 22 ÜbG zu legen ist. Der reine Ein- oder Austritt kann unter
den oben genannten Kriterien der Geringfügigkeit des § 25 Abs 1 Z 2 ÜbG nicht
zur obligatorischen Legung eines Pflichtangebotes führen.
I. Die 2. Übernahmeverordnung
Die 2. Übernahmeverordnung zum Creeping-in regelt den schleichenden Ausbau
einer kontrollierenden Beteiligung und sieht die Pflicht zur Legung eines
Pflichtangebotes vor, wenn innerhalb von 12 Monaten mehr als 2 Prozent der
Stimmrechte
der
Zielgesellschaft
erworben
werden.
Die
Verordnungsermächtigung erteilt § 22 Abs 6 ÜbG der Übernahmekommission49.
Gemäß § 2 Abs 2 2.ÜbV genügt eine Mitteilung über einen Sachverhalt gemäß §
25 ÜbG, wenn einer der Tatbestände des § 25 Abs 1 ÜbG vorliegt. Die 2. ÜbV
findet daher auf den Ausbau einer kontrollierenden Beteiligung innerhalb eines
Syndikats und auch bei einer bloß mittelbaren Beteiligung50 keine Anwendung, wie
auch von den Erläuternden Bemerkungen klargestellt wird.
Erwirbt hingegen ein Syndikatspartner mehr als 2 Prozent der Stimmrechte der
Zielgesellschaft von Dritten hinzu, so ist auf diesen Sachverhalt die 2. ÜbV
anzuwenden,
wobei
Voraussetzung
ist,
dass
das
Syndikat
über
eine
kontrollierende Beteiligung an der Zielgesellschaft verfügt, ihm aber nicht die
Mehrheit der Stimmrechte zusteht. Gleiches gilt, wenn zwei oder mehrere
Syndikatspartner gemeinsam die Grenze von 2 Prozent der Stimmrechte
überschreiten. Wenn ein Syndikat daher bereits über 75 Prozent der Stimmrechte
der Zielgesellschaft verfügt, ist zutreffend von der Nichtanwendbarkeit der 2. ÜbV
auszugehen, da Voraussetzung für die Anwendung der 2. ÜbV ist, dass dem
Bieter nicht die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft zusteht51.
49
Hausmaninger/Herbst, Übernahmegesetz, Rz 22 zu § 22
50
§ 22 Abs 3 ÜbG
51
Birkner/Zivny, ecolex 2000, 582
17
II. DER ANGEMESSENE PREIS
A. Die Vorbilder der österreichischen Preisbildungsregeln
Das Übernahmegesetz lehnt sich in Bezug auf die Preisbildungsregeln für
Pflichtangebote und freiwillige öffentliche Angebote in erster Linie an den
britischen City Code on Takeovers and Mergers, in mehreren Punkten auch an
das Schweizer Börsegesetz und den Deutschen Übernahmekodex an. Auf EUEbene diente der Geänderte Vorschlag für eine 13. Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über
Übernahmeangebote als Vorbild.52
Der City Code ist kein Gesetz, sondern ein als freiwillige Selbstkontrolle
entwickelter Verhaltenskodex der britischen Finanzwirtschaft.53 Ebenso war der
Deutsche
Übernahmekodex
eine
von
der
deutschen
Börsesachverständigenkommission erstellte Empfehlung für die an freiwilligen
öffentlichen Übernahmeangeboten beteiligten Parteien.54 Dieser Kodex wurde mit
4. März 2002 von der Börsesachverständigenkommission außer Kraft gesetzt, da
mit 1. Jänner 2002 das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum
Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) in Kraft
getreten war.55
B. Regelungsziel der Preisbildungsregeln
Es liegt im Interesse des gesamten österreichischen Kapitalmarkts, dass nicht nur
Kernaktionäre, die für ihre Aktienpakete aufgrund deren höheren Marktwert einen
Paketzuschlag erhalten, sondern alle Inhaber von Beteiligungspapieren von
diesem Zuschlag profitieren. Dadurch soll die Beteiligung an österreichischen
52
Dorda, DAS NEUE ÖSTERREICHSICHE ÜBERNAHMEGESETZ, ecolex 1998, 843.
53
Stern, Übernahmeangebote im englischen Recht - The City Code on Takeovers and Mergers
(Teil I), ÖBA 1992, 1065.
54
http://www.deutsche-bank.de/lexikon/1152_ENG_HTML.html.
55
http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/binary/gdb_content_pool/imported_files/
public_files /10_downloads/11_about_us/KodexAbloesung.pdf.
18
Aktiengesellschaften attraktiver werden. Ein am Paketpreis orientierter und daher
meist deutlich über dem Börsekurs liegender Preis verteuert eine Übernahme für
inländische wie für ausländische Bieter gleichermaßen und verwirklicht somit,
mehr oder weniger, den dem Übernahmegesetz innewohnenden Grundsatz der
Gleichbehandlung der an der Zielgesellschaft Beteiligten.56
Die Preisbildung beim Pflichtangebot
C. Durchschnittlicher Börsekurs und Paketabschlag
§ 26 Abs. 1 Satz 1 ÜbG normiert eine Preisbestimmung, bei der zwei kumulativ
anzuwendende Grenzwerte zu berücksichtigen sind. Erstens muß der Preis
mindestens dem durchschnittlichen Börsekurs des jeweiligen Beteiligungspapiers
während der letzten sechs Monate vor Erlangen der kontrollierenden Beteiligung
entsprechen. Zweitens wird eine Untergrenze festgesetzt: Die höchste vom Bieter
oder von einem mit ihm gemeinsam vorgehenden Rechtsträger innerhalb der
letzten zwölf Monate in Geld gewährte oder vereinbarte Gegenleistung für dieses
Beteiligungspapier
der
Zielgesellschaft
darf
um
höchstens
15
Prozent
unterschritten werden.57
Der zweite Grenzwert geht vom Regelfall des Pakethandels aus und normiert,
dass auch die übrigen Aktionäre am Kontrollbonus partizipieren sollen, der für den
Erwerb der kontrollierenden Aktienmehrheit bezahlt wurde. In der Praxis kann der
Verkäufer eines großen Aktienpakets oft einen deutlich über dem Börsekurs
liegenden Preis erzielen, wenn der Käufer zugleich die Kontrollmöglichkeit über
die Gesellschaft erwirbt. Dieser höhere Marktwert der kontrollierenden Beteiligung
darf entgegen dem sonst strengen Gleichbehandlungsgrundsatz durch einen
Paketabschlag von 15 Prozent vom Preis berücksichtigt werden.58
Durch diese rechtspolitische Entscheidung wurde den Interessen der potentiell
verkaufswilligen
Paketinhaber,
den
Kernaktionären,
zu
Lasten
der
Minderheitsaktionären Rechnung getragen. Hingegen würde ein möglichst
56
Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage des ÜbG, 1276 BlgNR 20. GP.
57
ErlRV zu § 26 Abs. 1 ÜbG.
58
ErlRV zu § 26 Abs. 1 ÜbG.
19
geringer
Paketabschlag
im
Interesse
der
übrigen
Aktionäre
und
des
österreichischen Kapitalmarktes liegen.59
Einerseits mindert dieser Paketabschlag den Aufwand des Bieters, den
Paketzuschlag, den er bei freiem Spiel der Marktkräfte eigentlich nur für das
Erreichen der Kontrolle aufbringen müßte, allen Beteiligungspapierinhabern
zukommen zu lassen, andererseits mindert er womöglich die Attraktivität des
österreichischen Kapitalmarkts.60
§ 26 Abs. 1 Satz 2 ÜbG normiert, dass die für den Bieter vorgesehenen
Gegenleistungen für die von ihm geschriebenen Put-Optionen und die ihm
eingeräumten Call-Optionen ebenso zu berücksichtigen sind.61
Put-Optionen räumen dem Optionsinhaber das Recht, aber nicht die Verpflichtung
ein, am oder bis zum Verfallstag die Aktien zum Ausübungspreis zu verkaufen.62
Call-Optionen räumen dem Optionsinhaber das Recht, aber nicht die Verpflichtung
ein, am oder bis zum Verfallstag die Aktien zum Ausübungspreis zu kaufen.63
Die Übernahmerichtlinie normiert zum Schutz der Minderheitsaktionäre, dass ein
Pflichtangebot zu einem angemessenen Preis gestellt werden muss. Als
angemessener Preis gilt nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 Satz 1 Üb-RL der
höchste Preis, der vom Bieter oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person
in einem von den Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraum von mindestens sechs
und höchstens zwölf Monaten vor dem Angebot gemäß Art. 5 Abs. 1 Üb-RL für die
gleichen Wertpapiere gezahlt worden ist. Erwirbt der Bieter oder eine mit ihm
gemeinsam handelnde Person nach Bekanntmachung des Angebots und vor
Ablauf der Annahmefrist Wertpapiere zu einem höheren als dem Angebotspreis,
so muss gemäß Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 Satz 2 Üb-RL der Bieter sein Angebot
59
ErlRV zu § 26 Abs. 1 ÜbG.
60
Dorda, ecolex 1998, 843.
61
ErlRV zu § 26 Abs. 1 ÜbG.
62
Müller-Möhl, Optionen und Futures4, 52 ff.
63
Müller-Möhl, Optionen und Futures4, 52 ff.
20
mindestens auf den höchsten Preis erhöhen, der für die dergestalt erworbenen
Wertpapiere gezahlt wurde. 64
Als
neues,
für
die
Mitgliedstaaten
Minderheitsaktionärsschutz
aber
fakultatives,
Instrument
zum
statuiert Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 Üb-RL eine
Ermächtigung der nationalen Aufsichtsbehörden zur einseitigen Korrektur des
Höchstpreises. Unter Wahrung der allgemeinen Grundsätze des Art. 3 Abs. 1 ÜbRL und unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nach eindeutig festgelegten
Kriterien kann die Aufsichtsstelle den Höchstpreis nach oben oder nach unten
korrigieren. In der Richtlinie findet sich eine meines Erachtens demonstrative
Aufzählung
solcher
Voraussetzungen:
gemeinsame
Vereinbarung
des
Höchstpreises zwischen Käufer und Verkäufer, Manipulation der Marktpreise der
betreffenden Wertpapiere, Beeinflussung des Marktpreises der betreffenden
Wertpapiere allgemein oder im Besonderen durch außergewöhnliche Umstände
oder Beeinflussung zur Ermöglichung der Rettung der in Schwierigkeiten
befindlichen Zielgesellschaft.65
Die Mitgliedstaaten werden auch ermächtigt, die in diesen Fällen zur Bewertung
heranzuziehenden Kriterien mE demonstrativ zu bestimmen: durchschnittlicher
Marktwert während eines bestimmten Zeitraums, den Liquidationswert der
Gesellschaft oder andere objektive Bewertungskriterien, die allgemein in der
Finanzanalyse verwendet werden.66
Hier
besteht
nun
Handlungsbedarf
des
Gesetzgebers.
Statt
dem
durchschnittlichen Börsekurs während der letzten sechs Monate vor Erlangen der
kontrollierenden Beteiligung, ist nun der höchste Preis, den der Bieter oder eine
mit ihm gemeinsam handelnde Person im Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten
vor dem Pflichtangebot bezahlt hat, zur Bemessung des Preises des
Pflichtangebotes heranzuziehen. Außerdem werden nun der Bieter und die mit
ihm gemeinsam handelnde Person gezwungen den Preis des Pflichtangebots zu
64
Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004
betreffend Übernahmeangebote, Abl L 142/12.
65
Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 10 f.
66
Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 11.
21
erhöhen, wenn sie im Zeitraum zwischen Veröffentlichung des Pflichtangebots und
vor Ende der Annahmefrist Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zu einem
höheren als dem Angebotspreis erworben haben. Zukünftig ist auch kein
genereller Paketabschlag mehr möglich, was nun endlich die Gleichbehandlung
aller Beteiligungspapierinhaber sicherstellt.67
Neben die zivil- und verwaltungsrechtlichen Sanktionen kann, sofern der
Gesetzgeber von dieser Option Gebrauch macht, nun auch die Ermächtigung der
Übernahmekommission treten, wie sich mE aus dem Wortlaut der Üb-RL ergibt,
per Bescheid den Preis des Übernahmeangebots unter den oben angeführten
Voraussetzungen nach oben oder nach unten zu korrigieren.
1.
Stammaktien und andere Beteiligungspapiere
§ 26 Abs. 2 ÜbG bestimmt, dass der für andere Beteiligungspapiere zu bietende
Preis auch in einem angemessenen Verhältnis zu der für die Stammaktien
gewährten Gegenleistung stehen muß. Dies sei zum Beispiel dann wichtig, wenn
nur Vorzugsaktien börsenotiert sind. Auch das typische Verhältnis der Börsekurse,
zum Beispiel von Stamm- und Vorzugsaktien, sei zu berücksichtigen, wenn es
nicht durch besondere Umstände verzerrt ist.68
Es entspricht diesbezüglich der Erfahrung, dass typischerweise bei Vorzugsaktien
gegenüber
Stammaktien
Bewertungsabschläge
von
15
bis
25
Prozent
veranschlagt werden.69
Die Übernahmekommission hat in ihrem Bescheid GZ 2000/2/6 - 81 bei der
Bemessung
des
angemessenen
Werteverhältnisses
von
Stamm-
und
Vorzugsaktien ein flexibles System und nicht ein ausschließliches Abstellen auf
den Börsekurs als Bewertungsinstrument gefordert. Generell seien Vorzugsaktien
niedriger als Stammaktien zu bewerten. Das Aufleben des Stimmrechts und das
Bestehens
von
Nachzahlungsansprüchen
aufgrund
von
rückständigen
Vorzugsdividenden habe aber nur zur Folge, dass sich der Abschlag für
Vorzugsaktien vermindert, ein einheitlicher Preis für Stamm- und Vorzugsaktien
67
Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 10.
68
ErlRV zu § 26 Abs. 2 ÜbG.
69
Nowotny, Zur Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien, RdW 2002/124.
22
sei aber in aller Regel auszuschließen. Grund dafür sei, dass Vorzugsaktien bei
rückständigen Vorzugsbeträgen lediglich temporär ein Stimmrecht verleihen.70
Art. 5 Abs. 1 Üb-RL schreibt nun vor, dass das Pflichtangebot unverzüglich allen
Wertpapierinhabern für alle ihre Wertpapiere zu einem im Sinne des Art. 5 Abs. 4
Üb-RL angemessenen Preis gemacht werden muss. Art. 5 Abs. 4 Unterabschnitt 1
Satz
1
Üb-RL
spricht
von
„gleichen
Wertpapieren“.
Schon
aus
den
Erwägungsgründen, insbesondere Erwägungsgrund 11 Satz 2, ergibt sich, dass
auch die Üb-RL zwischen Beteiligungspapieren, die Stimmrechte verleihen, und
solchen, die keine verleihen, differenziert. In den Allgemeinen Grundsätzen, die in
Art. 3 der Üb-RL statuiert werden, normiert der Abs. 1 lit. a, dass alle Inhaber von
Wertpapieren einer Zielgesellschaft, die der gleichen Gattung angehören, gleich
zu behandeln sind. Daher bemißt sich die Preisbildung für stimmrechtslose
Vorzugsaktien ebenso nach dem höchsten Preis, der vom Bieter oder einer mit
ihm gemeinsam handelnden Person im Zeitraum vor dem Angebot für solche
Beteiligungspapiere bezahlt worden ist. Ebenfalls müsste der Bieter oder die mit
ihm gemeinsam handelnde Person im Falle eines Zwischenerwerbs zu einem
höheren Preis, das Pflichtangebot auf diesen erhöhen.
Stimmrechtslose Vorzugsaktien gewähren nur dann ein Stimmrecht wenn der
Vorzugsbetrag bei der Verteilung des Gewinns in einem Jahr nicht oder nicht
vollständig gezahlt und der Rückstand im darauffolgenden Jahr nicht neben dem
vollen Vorzug dieses Jahres nachgezahlt wurde, und zwar so lange bis diese
Rückstände nachgezahlt sind.71
Somit ist es im Regelfall nicht notwendig die stimmrechtslosen Vorzugsaktien zu
kaufen um eine kontrollierende Beteiligung zu erwerben. Die Übernahmerichtlinie
berücksichtigt diesen Fall meiner Ansicht nach nicht.
Nun stellt sich aber die Frage, von welchem Preis auszugehen ist, wenn im
Zeitraum vor dem Pflichtangebot weder vom Bieter noch von einer mit ihm
70
Übernahmekommission 15.01.2001, 2000/2/6 - 81.
71
Vgl. §§ 115 ff AktG.
23
gemeinsam handelnden Person stimmrechtslose Vorzugsaktien gekauft wurden.
Hier liegt meines Erachtens eine planwidrige Regelungslücke vor.
Zwar sieht die Richtlinie in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 vor, dass die
Mitgliedstaaten ihre Aufsichtsstellen, für Österreich die Übernahmekommission,
ermächtigen können, den Angebotspreis, der nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 ÜbRL zu bilden ist abzuändern, jedoch nicht selbständig einen Angebotspreis
originär festzusetzen. Art. 5 Abs. 6 Üb-RL ermächtigt die Mitgliedstaaten
zusätzlich zum Schutz gemäß Abs. 1 leg. cit. weitere Instrumente zum Schutz der
Interessen der Wertpapierinhaber vorzusehen, sofern diese Instrumente den
normalen Gang eines Angebots nicht behindern. So sollte weiterhin der für diese
Beteiligungspapiere gebotene Preis in einem angemessenen Verhältnis zu der für
die Stammaktien gewährten Gegenleistung stehen und auf den jeweiligen Inhalt
der verbrieften Rechte Bedacht nehmen.72
2.
Bewertung der Gegenleistungen
§ 26 Abs. 3 ÜbG regelt den Fall, dass der Bieter als Gegenleistung nicht nur Geld
angeboten hat. So ist gemäß Satz 1 leg. cit. der Gesamtwert aller
Gegenleistungen der Berechnung des Preises zugrunde zu legen. Häufig wird der
Bieter, wenn er selbst eine Gesellschaft ist, neben Bargeld dem Veräußerer als
Gegenleistung Anteilsrechte gewährt haben. Mit diesen sind auch die „sonstigen
Vorteile“, darunter sind die beim Pakethandel häufig übernommenen Haftungen zu
verstehen, bei der Ermittlung des Gesamtwertes zu berücksichtigen. Alle diese
Zahlungen und Vorteile müssen nicht zwischen den Vertragsparteien fließen,
sondern nur im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erlangen der
kontrollierenden Beteiligung stehen.73
§ 26 Abs. 3 Satz 2 ÜbG bestimmt, dass der Preis des Pflichtangebotes unter
Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Absätze 1 und 2
leg. cit. angemessen festzulegen ist wenn:
nach Ziffer 1 die Angebotspflicht durch Erwerb von Anteilsrechten oder sonstigen
Rechten an einem Rechtsträger, der an der Zielgesellschaft unmittelbar oder
72
Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 34.
73
ErlRV zu § 26 Abs. 3 Satz 1 ÜbG.
24
mittelbar eine kontrollierende Beteiligung hält, ausgelöst worden ist und dieser
Rechtsträger auch andere Vermögensgegenstände außer der Beteiligung an der
Zielgesellschaft hält oder Schulden hat. (Dies bedeutet, dass die, für die Aktien
dieser kontrollierenden Gesellschaft bezahlte, Gegenleistung nur dann als
Bewertungsmaßstab herangezogen werden kann, wenn das Vermögen dieser
Gesellschaft nur in der Beteiligung an der Zielgesellschaft besteht.74)
nach Ziffer 2 die vom Bieter innerhalb der letzten zwölf Monate gewährte oder
vereinbarte
Gegenleistung
unter
Berücksichtigung
besonderer
Umstände
festgelegt wurde;
(Hiermit möchte der Gesetzgeber eine allgemeine Berücksichtigung besonderer
Umstände ermöglichen, insbesondere einen durch familiäre Verbundenheit stark
vom Marktwert abweichenden Preis.75)
nach Ziffer 3 sich die Verhältnisse innerhalb der letzten zwölf Monate wesentlich
geändert haben.
(Hierbei führen die Erläuternden Bemerkungen als Beispiel einen starken
Kursrückgang in jüngster Vergangenheit, der auf eine Branchenkrise oder auf eine
plötzlich bekanntgewordene Unternehmenskrise zurückzuführen ist, an.76)
Gemäß Art. 5 Abs. 5 Üb-RL kann der Bieter als Gegenleistung Wertpapiere, eine
Geldleistung oder eine Kombination aus Beiden anbieten. Besteht die angebotene
Gegenleistung nicht in liquiden Wertpapieren, so besteht die Verpflichtung
wahlweise eine Geldleistung anzubieten. Bei Parallelerwerb von Wertpapieren, die
innerhalb einer vom Mitgliedstaat gemäß Abs. 4 leg. cit. festgesetzten Frist von
mindestens sechs und längstens zwölf Monaten vor dem Angebot mindestens 5
Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft verleihen, besteht ebenfalls die
Verpflichtung, alternativ eine Geldleistung anzubieten. Die Mitgliedstaaten könne
anordnen, dass wahlweise immer eine Geldleistung anzubieten ist.77
74
ErlRV zu § 26 Abs. 3 Satz 2 Z 1 ÜbG.
75
Vgl. ErlRV zu § 26 Abs. 3 Satz 2 Z 2 ÜbG.
76
Vgl. ErlRV zu § 26 Abs. 3 Satz 2 Z 3 ÜbG.
77
Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 9.
25
Nun ergibt sich das Problem, dass die Preisbildungsregeln von Art. 5 Abs. 4
Unterabsatz 1 und 2 Üb-RL nicht greifen, wenn gemäß (dem noch geltenden) § 26
Abs. 3 Z 1 ÜbG die Kontrolle der Zielgesellschaft durch Übernahme der Kontrolle
an einem Unternehmen, welches an der Zielgesellschaft beteiligt ist (kontrolliertes
Unternehmen), erlangt wird. Es wird für die Wertpapiere der Zielgesellschaft kein
Preis bezahlt, jedoch sehr wohl die Angebotspflicht ausgelöst.78
Diesbezüglich könnte der nationale Gesetzgeber eine Kompetenz der nationalen
Aufsichtsbehörde zur Festlegung eines angemessenen Preises statuieren. Hierbei
wäre Bedacht zu nehmen auf die Preisbildungsregeln des Art. 5 Abs. 4
Unterabsatz 2 Üb-RL und auf das analog anwendbare Erkenntnis des VfGH zu §
102a Abs. 4 BWG, in dem er für die Preisermittlung die Maßgeblichkeit des
Börsenkurses über längere Zeit und die gerichtliche Überprüfbarkeit eines
Angebotes postuliert.79
3.
Offenlegung der erheblichen Umstände
Gemäß § 26 Abs. 4 ÜbG haben der Bieter sowie die mit ihm gemeinsam
vorgehenden Rechtsträger alle für die Angemessenheit des Preises erheblichen
Umstände dem Sachverständigen iSd § 9 ÜbG unverzüglich nach seiner
Bestellung sowie der Übernahmekommission gleichzeitig mit der Anzeige gemäß
§ 10 Abs. 1 ÜbG offenzulegen. Da die Preisfestsetzung oft von nicht eindeutigen
Begleitumständen
abhängig
ist,
kommt
der
Überprüfung
durch
den
Sachverständigen und der Transparenz gegenüber der Übernahmekommission
besondere
Bedeutung
zu.
Die
Offenlegungspflicht
gegenüber
dem
Sachverständigen steht im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit.,
wonach der Sachverständige insbesondere auch die Gesetzmäßigkeit des
Angebots hinsichtlich der Gegenleistung zu überprüfen hat, die gerade beim
Pflichtangebot von besonderer Bedeutung ist. Dies hat auch im schriftlichen
78
Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 11.
79
VfGH 28.09.2002, G 286/01, VfSlg 16.636.
26
Bericht und im abschließenden Bestätigungsvermerk des Sachverständigen
Niederschlag zu finden.80
Bei § 26 Abs. 4 ÜbG besteht meines Erachtens kein Reformbedarf, da Art. 6 ÜbRL die unverzügliche Unterrichtung der nationalen Aufsichtsstelle postuliert.
4.
Antrag auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Preises
§ 26 Abs. 5 ÜbG ermöglicht den Inhabern von Beteiligungspapieren iSd § 33 Abs.
2 Z 4 ÜbG, das sind Beteiligungspapierinhaber, die allein oder gemeinsam mit
anderen Beteiligungspapierinhabern über Aktien mit einem Nennbetrag oder
anteiligen Betrag von 1 Prozent des Grundkapitals oder über Beteiligungspapiere
im anteiligen Betrag von mindestens 70 000 Euro verfügen, die Überprüfung der
Gesetzmäßigkeit des angebotenen Preises innerhalb von drei Monaten ab
Veröffentlichung des Ergebnisses eines Übernahmeangebots zu beantragen.
Wenn die im § 33 Abs. 2 Z 4 ÜbG genannten Voraussetzungen nur durch
Zusammenzählung der Papiere mehrerer Beteiligungspapierinhaber entsteht,
müssen sie einen gemeinsamen Vertreter bestellen.81
In der Üb-RL ist meines Erachtens kein solches Überprüfungsverfahren
verpflichtend für die Mitgliedstaaten vorgeschrieben. So könnte es durchaus als
Instrument zum Schutz der Interessen der Wertpapierinhaber iSd Art. 5 Abs. 6 ÜbRL verstanden werden, wobei die zukünftige Judikatur zeigen wird, ob ein solches
Überprüfungsverfahren „den normalen Gang eines Angebots behindert“.
5.
Verordnung der Übernahmekommission
Gemäß § 26 Abs. 6 ÜbG kann die Übernahmekommission durch Verordnung
nähere
Bestimmungen
über
die
Ermittlung
des
Mindestpreises
des
Pflichtangebots erlassen.
Diese Verordnung könnte zum Beispiel klären, ob und wie die gehandelten
Umsatzmengen bei der Ermittlung des Durchschnittskurses gewichtet werden.82
80
ErlRV zu § 26 Abs. 4 ÜbG.
81
ErlRV zu § 26 Abs. 5 ÜbG.
27
Diese Verordnungsermächtigung verstößt gegen die Üb-RL, da die Richtlinie in
ihrem Art. 5 Abs. 4 die Preisbildungsregeln in taxativer Weise aufzählt und darin
nur die Ermächtigung der Mitgliedstaaten vorhanden ist, ihre nationalen
Aufsichtsstellen zu ermächtigen den Angebotspreis zu korrigieren. Der Wortlaut
deutet hierbei aber auf einen individuellen und nicht generellen, normativen,
hoheitlichen Rechtsakt. Somit ist diese Norm aus dem österreichischen
Rechtsbestand zu entfernen.
6.
„Opting in“
Gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 ÜbG kann die Zielgesellschaft in ihrer Satzung vorsehen,
dass der in § 26 Abs. 1 vorgesehene Abschlag von 15 Prozent bei Bestimmung
des Preises für das Pflichtangebot ausgeschlossen oder mit einem niedrigeren
Hundertsatz festgelegt wird.
Diese vorgeschlagenen Satzungsbestimmungen sollen die österreichischen
börsenotierten Aktiengesellschaften zu einem Wettbewerb der Satzungen
aufrufen.83
Wie im britischen City Code, nach dem allen Aktionären der gleiche Preis,
unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung, zu bieten ist84, kann hier die Satzung
vorsehen, das der kontrollierende Aktionär die „Kontrollprämie“ vollständig an alle
Beteiligungspapierinhaber
weiterzugeben
hat.
In
diesem
Fall
ist
dem
Pflichtangebot als Preis der durchschnittliche Börsekurs während der letzten
sechs Monate oder die höchste in den letzten zwölf Monaten gewährte oder
vereinbarte Gegenleistung für Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zugrunde
zu legen. Es kann nach dieser Satzungsbestimmung aber auch ein geringerer als
ein 15-prozentiger Abschlag vorgesehen werden.85
82
ErlRV zu § 26 Abs. 6 ÜbG.
83
ErlRV zu § 27 ÜbG.
84
Vgl. Stern, Übernahmeangebote im englischen Recht - The City Code on Takeovers and
Mergers (Teil II), ÖBA 1993, 27.
85
ErlRV zu § 27 Abs. 1 Z ÜbG.
28
Nachdem die Übernahme-Richtlinie generelle Paketabschläge nicht vorsieht und
das neue österreichische Übernahmerecht ihr folgen muss, ist zukünftig eine
„Opting in“ Norm nicht mehr notwendig und kann aus dem österreichischen
Rechtsbestand ausgeschieden werden.
D. Die Preisbildung beim freiwilligen Angebot
Das Übernahmegesetz unterscheidet hier zwischen zwei Ausgangssituationen:
Der Bieter hat keine oder wenigstens keine kontrollierende Beteiligung an der
Zielgesellschaft und will eine (weiterhin) nicht kontrollierende Beteiligung
erwerben. Somit unterliegt er den Bestimmungen für freiwillige öffentliche
Übernahmeangebote, also dem zweiten Teil des ÜbG. Somit ist er frei in der
Preisbemessung.
Der Bieter hat noch keine kontrollierende Beteiligung, aber sein freiwilliges
Angebot ist so angelegt, dass er, ausreichende Annahmen vorausgesetzt, eine
kontrollierende Beteiligung erlangen könnte. Gemäß § 22 Abs. 11 Satz 1 ÜbG
findet auf solche Gebote der dritte Teil des ÜbG Anwendung. Sein Angebot steht
gemäß Satz 2 leg. cit. unter der gesetzlichen Bedingung, dass er nach Ablauf des
Übernahmeangebots tatsächlich über die Kontrolle, und zwar über mehr als 50
Prozent der Stimmrechte, verfügt. Gleichzeitig muss er sein Angebot wie ein
Pflichtangebot ausgestalten.86
Gemäß Art. 5 Abs. 2 Üb-RL besteht keine Verpflichtung zur Abgabe eines
Angebots gemäß Abs. 1 leg. cit., wenn die Kontrolle auf Grund eines freiwilligen,
den Regelungen des Pflichtangebotes entsprechenden Vollangebotes erlangt
wird.87 Statuiert der Gesetzgeber eine Kompetenz der Übernahmekommission zur
Festlegung eines angemessenen Preises, so wäre wie auch beim Pflichtangebot
auf die Regelungen des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 Üb-RL, auf das Erkenntnis
des VfGH zu 102a Abs. 4 BWG88 und damit auf die grundsätzliche Maßgeblichkeit
des Börsenkurses bei der Preisermittlung sowie auf ein ausreichendes Verfahren
86
Dorda, ecolex 1998, 843.
87
Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 12.
88
VfGH 28.9.2002, G 286/01, VfSlg 16.636.
29
wie etwa nach § 33 Abs. 6 ÜbG Bedacht zu nehmen. Jedoch sollte ein freiwilliges
Angebot, das auf den ersten Kontrollerwerb gerichtet ist, nur als Vollangebot, das
heißt als Angebot für alle Beteiligungspapiere, zulässig sein. 89
89
Vgl. Jud, Thesen zur Reformdiskussion im österreichischen Übernahmerecht, 35.
30
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