Handreichung für den Bezirk Braunau zum Thema Lese-Rechtschreib-Schwäche Erstellt 2012 von der Arbeitsgruppe Lese-Rechtschreib-Schwäche im Bezirk Braunau: HOL Eva Haberl, VD Claudia Haider, VD Gabi Hajbi, SOL Katharina Maier, HOL Marianne Österbauer, SL Alexandra Perner-Döker, Dr. Christa Wührer, BSI Johann Zillner Leitung: BSI Johann Zillner Inhaltsverzeichnis Begriffsklärung „Lese-Rechtschreib-Schwäche" (Dr. Christa Wührer) ................................... 3 Häufig gestellte Fragen zur Lese-Rechtschreib- Schwäche (VD Gabi Hajbi, SL Alexandra Perner-Döker) ......................................................................................... 5 Was Eltern wissen sollten (HOL Marianne Österbauer, HOL Eva Haberl) ............................. 9 Beobachtungsbogen für LehrerInnen (SOL Katharina Maier) .............................................. 11 Verfahrensschritte bei Verdacht auf LRS (BSI Johann Zillner).............................................. 18 Umgang mit Lese- und Rechtschreibschwäche im Schulalltag (BSI Johann Zillner) ............ 19 Förderliche Maßnahmen bei Lese-Rechtschreib-Schwäche (VD Claudia Haider) ............... 23 Erlässe Erlass 2001: Leistungsbeurteilung bei Lese-Rechtschreibschwäche .......................... 32 Erlass 2004: Lese-Rechtschreib-Schwäche: Feststellung - Leistungsbeurteilung Vorgangsweise ............................................................................................................ 34 Erlass 2011: Leistungsbeurteilung bei Lese-Rechtschreib-Schwäche bzw. Legasthenie Ergänzungen - Aktuelle Liste der akzeptierten Institutionen ....................................... 38 Handreichungen ................................................................................................................... 42 Literaturliste........................................................................................................................ 403 2 Dr. Christa Wührer, Schulpsychologie Begriffsklarung „Lese-Rechtschreib-Schwache" Was ist Lese-Rechtschreib-Schwäche? Laut ICD 10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen der WHO) ist eine LeseRechtschreib-Schwäche: eine massive und lang andauernde Störung des Erwerbs der geschriebenen Sprache, eine Störung des Sinn erfassenden Lesens, die Störung darf nicht direkt auf Defizite im Sehen, Hören oder auf neurologische Defekte zurückzuführen sein, die Störung darf nicht auf einen offenkundig unangemessenen Unterricht zurückzuführen sein. Das heißt: eine kombinierte Lese-Rechtschreib-Schwäche zeigt sich durch Beeinträchtigungen in der Schreibrichtigkeit und in einer Schwäche im Lesen. Im Bereich Lesen betrifft die Schwäche das mechanische Lesen, im Sinn des Buchstabenzusammenlautens und der Worterkennung, sowie das Verständnis des gelesenen Textes. Neben der kombinierten Lese-Rechtschreib-Schwäche lassen sich auch eine isolierte Leseschwäche und eine isolierte Rechtschreib-Schwäche feststellen. Besonderheiten der Leseschwäche (zit. nach: ICD 10, S 74): „... ist eine eindeutige Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten..." „Das Leseverständnis, die Fähigkeit, gelesene Worte wiederzuerkennen, vorzulesen und die Leistung für Aufgaben, für welche Lesefertigkeit benötigt werden, können sämtlich betroffen sein." Besonderheiten der Rechtschreib-Schwäche (zit. nach: ICD 10, S 75): „Die Rechtschreib-Schwäche lässt sich nicht an Fehlerkategorien und Fehlertypen festmachen." „Über die Natur und Häufigkeit der Rechtschreibfehler ... ist wenig bekannt." „...die Rechtschreibschwierigkeiten zeigen Fehler in der phonetischen Genauigkeit." 3 Kriterien und Ausschlusskriterien für Lese-Rechtschreib-Schwäche: Welche Hilfsbedingungen gibt es für die Feststellung einer Lese-Rechtschreib-Schwäche? Der Ausschluss einer Minderbegabung. Minderbegabung muss bei der Feststellung von Lese-Rechtschreib-Schwäche ausgeschlossen werden, weil andere Maßnahmen der schulischen Förderung indiziert sind. Eine fachpsychologische Diagnose mit einem psychologischen Standardverfahren bringt im Zweifelsfall Klärung. Wie bereits erwähnt, sind Beeinträchtigungen im Sehen, Hören und in der neurologischen Entwicklung medizinisch auszuschließen. Was heißt „phonologische Bewusstheit"? Der Begriff „phonologische Bewusstheit" bezeichnet einfach ausgedrückt, „die Fähigkeit, die einzelnen Segmente der Sprache zu erkennen und wahrzunehmen." (Klicpera, Schabmann, 2010, S.24). Das Vorliegen einer phonologischen Schwäche ist das wichtigste Vorhersagekriterium der Leseentwicklung und der Rechtschreibleistung. Im Zweifelsfall kann eine entsprechende Abklärung vorgenommen werden. „Phonologische Bewusstheit" ist also die Fähigkeit, „die Lautstruktur von Wörtern zu analysieren und ggf. manipulieren zu können." Das heißt, „Wörter in Silben zerlegen können und Silben zu einem Wort zusammenzufügen". Weiters ist von Bedeutung „Anlaute zu erkennen, aus Lauten ein Wort zu bilden oder ein Wort in seine Laute zu zerlegen" (Wikipedia – Phonologische Bewusstheit). Sechs Teilbereiche lassen sich, nach Klicpera und Schabmann (2010), für die Phonologische Bewusstheit nennen: Reimerkennung Silbensegmentierung Anlautanalyse Lautsynthese Erfassung der Wortlänge Identifikation des Endlautes Schlussfolgerung: Diese Basisfähigkeiten und wesentlichen Vorläuferfertigkeiten für Lesen und Schreiben müssen Teil der Eingangsphase im schulischen Kontext sein. Das heißt, bevor Buchstaben erlernt werden, sind diese Segmente in den ersten Schulwochen zu üben und zu trainieren. Nur dadurch können Lese-Rechtschreibschwächen minimiert und eine gute Basis für weitere Lernfortschritte im Lese-Rechtschreibbereich gelegt werden. 4 VD Gabi Hajbi; SL Alexandra Perner-Döker Haufig gestellte Fragen zur Lese-RechtschreibSchwache Was ist eine Lese-Rechtschreib-Schwäche? Siehe auch „Begriffsklärung Lese-Rechtschreib-Schwäche“ (Dr. Wührer) Der Landesschulrat von OÖ umschreibt die LRS als eine Beeinträchtigung beim Erlernen der Lese- und Rechtschreibfertigkeit. Nach dem ICD-10 (= internationale Klassifikation psychischer Störungen) ist LRS eine umschriebene und schwerwiegende Entwicklungsstörung (F 81), die eine Beeinträchtigung des Erlernens von Lesen und/oder Rechtschreiben nach sich zieht und die in Besonderheiten von Hirnfunktionen begründet ist. Einfach ausgedrückt handelt es sich also bei der LRS um ein unerklärliches isoliertes Versagen im Erlernen des Lesens und/oder Rechtschreibens. Im Vorfeld sollten folgende mögliche Ursachen abgeklärt sein: Seh-Hörfehler, psychiatrische Erkrankung, unterdurchschnittliche Intelligenz, psychische Belastung oder unzureichende Beschulung. 1. Wie erkenne ich eine Lese-Rechtschreib-Schwäche? Wenn ein Kind grundsätzlich gute Schulleistungen erbringt, jedoch im Lesen und/oder Rechtschreiben folgende Symptome zeigt: Benennungsschwäche von Buchstaben und Lauten Auditive Differenzierung des An- und Auslautes Probleme beim Zusammenlauten der Phoneme Schwierigkeiten bei der Buchstabe-Lautbeziehung Die Segmentierung von Wörtern fällt sehr schwer Niedrige Lesegeschwindigkeit – langes Zögern, ungenaues Betonen und Verlieren der Zeilen,…. Auslassungen, Ersetzungen, Verdrehungen oder Hinzufügen von Buchstaben, Worten oder Wortteilen beim Lesen Probleme beim Aufbau des Grundwortschatzes (es ist oft nicht möglich häufig vorkommende Wörter als Wortbilder abzuspeichern und wiederzugeben) Schwierigkeiten bei der Sinnentnahme Unleserliches Schriftbild 5 „Legastheniker“ machen keine „typischen Rechtschreibfehler“. Sie machen nur wesentlich mehr Fehler als andere Kinder (auch bei geübten Wörtern) und sie machen nicht immer die gleichen Fehler. 2. Was sind die Ursachen von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche? Es gibt unterschiedliche Forschungsansätze, die verschiedene Konzepte und Erklärungsmodelle anbieten. Eine eindeutige Ursache gibt es aber nicht. In der aktuellen Literatur werden als Ursachen immer mehrere Faktoren angeführt (Genetik, Reifung des Zentralnervensystems, Umweltfaktoren, prä- oder postnatale Schädigungen). Erst wenn mehrere Dispositionen zusammentreffen, führt es dazu, dass ein Kind für das Lesen und Schreiben lernen unzureichend ausgestattet ist. 3. Wer stellt die Lese-Rechtschreib-Schwäche fest? Grundsätzlich sind für die Feststellung von Lese-Rechtschreib-Schwäche die Lehrkräfte der betreffenden Unterrichtsfächer zuständig. Bei Grenzfällen können die fachlich anerkannten Institutionen zur Beratung herangezogen werden. Siehe Erlass vom 3.3.2011– Liste der akzeptierten Institutionen, weiters Schulpsychologie, SPZ, Förderlehrer 4. Gibt es einen Bescheid oder ist eine Diagnose für die Schule notwendig? Nein, es gibt keinen „Legasthenie-Bescheid“ (auch keinen Zeugnisvermerk). Eine Diagnostik ist für die Berücksichtigung im schulischen Umfeld nicht notwendig. Für eine gezielte Förderung ist es jedoch hilfreich. 5. Beurteilung mit einer LRS – Kann ich mit einer LRS in Deutsch negativ beurteilt werden? Siehe auch „Lese- Rechtschreib-Schwäche im Schulalltag“ (BSI Zillner) Ja und Nein. Grundsätzlich besteht die Deutschnote aus mehreren Teilbereichen. Eine negative Beurteilung auf Grund mangelnder Rechtschreibung alleine ist nicht zulässig. Erst wenn alle Teilbereiche negativ zu beurteilen wären, ergäbe sich eine negative Deutschnote. 6 6. Darf eine LRS auch in anderen Fächern Berücksichtigung finden? Ja, eine LRS beeinträchtigt natürlich auch andere Gegenstände, es ist daher sinnvoll und notwendig auch dort Hilfestellungen zu bieten. Wichtig ist zu bedenken, was überprüft wird – der Inhalt – und nicht die Fertigkeit des Lesens und Schreibens! 7. Welche Hilfen darf – soll – der Lehrer/Lehrerin gestatten? Siehe auch Fördermaßnahmen und Leistungsfeststellung Hier nur eine kleine Aufzählung bewährter Hilfestellungen: Beurteilung einer Schularbeit – Rechtschreibung ist nur einer von vier Teilbereichen…. Mündliche Überprüfungen…. Wortdiktate sind den Satzdiktaten vorzuziehen…. Leistungsrückmeldung hinterfragen (z. B. richtige Wortanzahl nennen statt Fehleranzahl anführen), Vermeidung von Kommentaren, die keinen Förderfortschritt bringen…. Zulassen, dass Hilfsmittel verwendet werden – besonders auch in anderen Gegenständen (aus den eigenen Mitschriften kann oft nicht gelernt werden, Kopien geben, bzw. nur Lückentexte), Rechtschreibprogramme,….. 8. Wie kann ich mein Kind zu Hause fördern? Siehe auch Förderliche Maßnahmen Es werden unterschiedlichste Förderkonzepte, die z. B. nur auf das Training von Teilbereichen abzielen, angeboten. Fundierte, neueste Untersuchungen besagen aber, dass die Förderprogramme am wirkungsvollsten sind, die direkt am Gegenstand Deutsch ansetzen. Ein bloßes Üben des Lernstoffes im Sinne einer Nachhilfe bringt kaum Verbesserung. Eine Fehleranalyse sollte die Grundlage einer gezielten Förderung bilden. Die meisten Ansätze empfehlen ein kurzes tägliches Üben von ca. 10 Minuten. Folgende Programme bieten systematische Übungen an: PERLE (Projekt Elternanleitung zur Rechtschreibförderung legasthener Kinder), Marburger Rechtschreibtraining, Kieler Leseund Rechtschreibaufbau, Die lautgetreue Rechtschreibförderung, Computerprogramme: Celeco, Lesikus, Gut,….. 7 9. Wird eine Lese-Rechtschreib-Schwäche in allen Schultypen berücksichtigt? Ja, gemäß den Erlässen wird in allen Schultypen die LRS berücksichtigt. Bei einem Schultypenwechsel ist es sinnvoll mit der Schule rechtzeitig Kontakt aufzunehmen. Da Lese-Rechtschreib-Schwäche in allen Bevölkerungsschichten zu finden ist und das Begabungsprofil jedes Schülers und jeder Schülerin unterschiedlich ist, ist eine Prognose schwierig. Eine schulische Laufbahn wird durch LRS natürlich erschwert. Es braucht Verständnis und Problembewusstsein auf allen Seiten (Schüler/in, Lehrer/in und Eltern) damit diese Schwäche kompensiert werden kann und vorhandenes Potential nicht verloren geht. 8 HOL Marianne Österbauer, HOL Eva Haberl Was Eltern wissen sollten ... wenn ihr Kind einerseits über ein „kluges Köpfchen“ verfügt und andererseits erstaunlicherweise Probleme im Schriftspracherwerb hat. Woran erkenne ich, dass mein Kind Leseprobleme hat? Häufige Leseprobleme sind: Zu geringes Lesetempo (Mühsames Zusammenlauten von Buchstaben) Auslassen von Buchstaben, Wortteilen oder Wörtern Vertauschen von Buchstaben im Wort oder von Wörtern im Satz Hinzufügen von Wortteilen oder Wörtern Erraten von Wörtern Zögerndes, holpriges und stockendes Vorlesen Verlieren der Textzeile Schwierigkeiten, das Gelesene wiederzugeben oder Zusammenhänge zu erkennen Woran erkenne ich, dass mein Kind Rechtschreibprobleme hat? (nach Dr. Gerd Schulte-Körne) Es gibt keine typischen „Legasthenie-Fehler“ Das Problem ist die hohe Fehlerzahl Außerdem können auftreten: Schwierigkeiten beim Abschreiben Grammatik- und Interpunktionsfehler Unleserliche Schrift usw. Wann spricht man von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche? Probleme beim Lesen und /oder (Recht-)Schreiben treten auf obwohl das Kind intelligent ist, also keine allgemeine Lernschwäche vorliegt obwohl es ausreichend beschult ist obwohl keine unkorrigierten Beeinträchtigungen im Hören oder Sehen vorhanden sind obwohl keine psychischen Störungen vorliegen (siehe Begriffserklärung Dr. Christa Wührer) 9 Wie entstehen Lese-Rechtschreib-Probleme? Als Ursache einer LRS werden immer mehrere Faktoren angeführt. Familienuntersuchungen haben ergeben, dass die Lese-Rechtschreib-Schwäche häufig auf genetische Ursachen zurückzuführen ist. Während des Lernprozesses der Schriftsprache treten Probleme auf, die sich beim konventionellen Üben verstärken und manifestieren können. Hinter dem, was als Leseschwäche bezeichnet wird, verbirgt sich ein Spektrum unterschiedlichster Störungen, denn beim Lesen läuft im Gehirn ein sehr komplexer Prozess ab, bei dem an unterschiedlichsten Stellen individuelle Probleme auftreten können. Was kann man dagegen tun? Motto: „Je früher desto besser“ Sobald Sie bei Ihrem Kind Lese- und/oder Rechtschreibprobleme entdecken, sollten Sie rechtzeitig fachliche Beratung einholen, bevor weitere Probleme hinzukommen. Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche wächst sich nicht von selbst aus. Auch intensives Üben ohne fachliche Betreuung bleibt meist erfolglos, denn reines Lesen- und Schreibenüben birgt die Gefahr, dass sich eine falsche Strategie einprägt. Die Schwäche muss gezielt behandelt und die Übungen müssen speziell auf das Kind abgestimmt werden. So hat das tägliche Üben einen Sinn und führt zum Erfolg. Ein therapeutisches Patentrezept gibt es leider nicht. Wenden Sie sich zuerst an Lehrer/innen, die das Kind unterrichten. Bei Problemen und offenen Fragen können sich Eltern und Lehrer/innen an die Sonderpädagogischen Zentren und an die Schulpsychologie wenden. Eltern sind nicht schuld an der Lese-Rechtschreib-Schwäche ihres Kindes! Es ist wichtig, wie mit dieser Schwäche umgegangen wird. 10 SOL Katharina Maier BEOBACHTUNGSBOGEN fur LehrerInnen Merkmale und Symptome einer Lese-Rechtschreib-Schwäche Es gibt keine „legastheniespezifischen“ Fehler! Lese-rechtschreibschwache Kinder machen die gleichen Fehler wie ihre gleichaltrigen Mitschüler, die Anzahl ist aber wesentlich höher. Viele Fehler bleiben trotz Übung bestehen. Das Fehlerbild einer einzelnen Arbeit kann variieren. Das Erlernen der Schriftsprache verlangt sowohl visuelle als auch sprachliche Fähigkeiten. Die motorische Geschicklichkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Phonologische Bewusstheit aber auch Motivation sind Voraussetzungen für ein reibungsloses Erlernen. Verschiedene TEILBEREICHE sollen näher abgeklärt werden. Mit Hilfe des nachfolgenden Beobachtungs- und Diagnosebogens soll der Klassenlehrer oder der Deutschlehrer in der Lage sein, ein lese-rechtschreibschwaches Kind zu diagnostizieren. Die Auswahl der Fragen konzentriert sich auf den schulischen Bereich. 11 Beobachtungs- und Diagnosebogen für lese-rechtschreibschwache Kinder 1. Abgrenzung einer Behinderung und auch die Abgrenzung zum Sonderpädagogischen Förderbedarf. Bei ganz schwachen Kindern muss diese Abgrenzung zwischen Schwäche und Behinderung erfolgen. (Im Zweifelsfall muss die Intelligenz getestet werden.) ja nein Das Kind ist normal intelligent. (Einschätzung des Klassenlehrers). Das Kind hat in keinem Fach ein „nicht genügend“. 2. Sprachliche Auffälligkeiten Kinder, die Laute falsch bzw. fehlerhaft artikulieren, können Wörter oft auch nicht richtig schreiben. ja Artikulation Das Kind spricht klar und gut artikuliert. Lautbildung Das Kind kann beim Sprechen die verschiedenen Laute richtig bilden. Wortschatz Das Kind kann sich angemessen sprachlich verständigen. nein Das Kind verfügt über einen seinem Alter entsprechenden Wortschatz. Satzbildung Das Kind spricht in ganzen Sätzen. Das Kind spricht grammatikalisch richtig. Nacherzählung Das Kind kann kurze Bildgeschichten in der richtigen Reihenfolge nacherzählen. Sprachgedächtnis Das Kind kann längere Sätze richtig wiedergeben. Das Kind kann kurze Gedichte richtig aufsagen. Benenngeschwindigkeit Das Kind kann Buchstaben, Zahlen, Farben, Dinge, etc. rasch benennen. vgl. Ledl , S 81 12 3. Hörschwäche Fehlhörigkeit führt zu einer mangelnden Hörkontrolle. Ein intaktes Gehör ist die Voraussetzung für das Dekodieren der Laute in Grapheme. ja Auditive Differenzierung Das Kind kann ähnlich klingende Laute unterscheiden. z.B. k/g, d/t, b/p, f/w, Auditive Serialität Das Kind kann richtig buchstabieren. Die Abfolge der Laute wird richtig wieder gegeben. Auditives Gedächtnis Das Kind kann sich einen längeren Satz merken und in der richtigen Abfolge der Wörter sprechen/schreiben. Auditive Gliederung Das Kind kann die genaue Position eines Lautes bestimmen. (Anlaut – Inlaut – Auslaut) Phonologische Bewusstheit Das Kind kann kurze und lange Laute unterscheiden. Das Kind kann Reimwörter bilden. nein 4. Sehstörungen müssen als Fehlerquelle ausgeschlossen werden (Abklärung durch den Augenarzt). z.B. Fehlwinkelsichtigkeit, Augenmuskelschwäche ja Visuelle Serialität Das Kind kann Buchstaben und Wörter in der richtigen Reihenfolge abschreiben. Raumlage Das Kind schreibt ähnliche Buchstabenformen richtig ab und benennt sie richtig. z.B: b – d , p –q, u – n ,ei – ie Figur-GrundWahrnehmung Das Kind kann die Linien des Heftes einhalten. (Ober- und Unterlängen, sowie die Größenverhältnisse der Buchstaben passen.) Visuelles Gedächtnis Das Kind kann ein Wort lesen und anschließend in einem abschreiben. (Kein häufiges Hinschauen zur Vorlage) Erfassen räumlicher Beziehungen Das Kind kann beim Schreiben den Rand einhalten. Die Abstände zwischen den Buchstaben und Wörtern sind regelmäßig. Die Einteilung im Heft passt. Visuo-motorische Koordination Das Schriftbild ist unauffällig. (Runde Buchstabenformen, Größenverhältnisse der Buchstaben passen zueinander. Schriften werden nicht vermischt. nein 13 5. Motorische Auffälligkeiten Werden bei einem Kind motorische Auffälligkeiten beobachtet, so soll ein Kinderarzt aufgesucht werden. ja Auge-Hand-Koordination Die Auge-Hand-Koordination des Kindes ist ausgeglichen. Überkreuzen der Körperhälfte Das Kind kann die Körpermitte überkreuzen. z.B. Liegende Acht Gleichgewicht Das Kind kann auf einer Schnur balancieren. nein Das Kind kann ca. 15 sec auf einem Bein stehen ohne umzufallen. 6. Konzentrationsschwierigkeiten Lese-rechtschreibschwache Kinder haben oft Schwierigkeiten sich lange zu konzentrieren. Aufmerksamkeit und Konzentration sind oft von der Motivation und der Situation abhängig. ja Fokussierung der Aufmerksamkeit Das Kind kann dem Unterrichtsgeschehen aufmerksam folgen. Auditive Figur-GrundWahrnehmung Das Kind lässt sich nicht leicht durch störende Geräusche ablenken. Aufmerksamkeitsdauer Das Kind kann Arbeitsaufträge über eine halbe Stunde ausführen. (Aufgaben fertig stellen!) nein Das Kind ist beim Lösen von Problemen ausdauernd. 14 7. Weitere häufige Fehler und Schwierigkeiten bei leserechtschreibschwachen Kindern: ja Groß-/ Kleinschreibung Das Kind beherrscht die einfachen Regeln der Groß- und Kleinschreibung. Häufiges Radieren und Durchstreichen Die Unsicherheiten in der Rechtschreibung spiegeln sich im Schriftbild. Das Kind überschreibt oft Buchstaben und/oder radiert häufig und bessert aus. seitenverkehrte Buchstaben und Zahlen Buchstaben und Zahlen werden seitenverkehrt geschrieben: z.B. E (vgl. 3), 1, 5, etc. Schreibrichtung Das Kind beginnt auf der rechten Seite des Heftes zu schreiben nein Das Kind arbeitet auf einem Arbeitsblatt von links nach rechts Schriftbild Unregelmäßige Buchstabenformen, schwer leserliche Schrift, manchmal fliegende Buchstaben Raumlage Das Kind kann rechts und links noch nicht sicher unterscheiden. (Raumlagefehler) orthographisch Schreiben Das Kind kann nicht lauttreu schreiben. Es macht N-Fehler. ( nicht lautgetreue - Fehler; vgl. SLRT). Fehlerinkonsistenz Das Kind schreibt dasselbe Wort immer wieder anders falsch. Wenn die Lese-Rechtschreibschwäche zu spät erkannt und dem Kind nicht entsprechend geholfen wird, kann sich das negativ auf das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit des Kindes auswirken und zum Versagen auch in anderen schulischen Bereichen führen. 8. Weitere Beobachtungen / Anmerkungen: 15 Dr. Christa Wührer 9. Erkenntnisse: Die Erlässe des Landesschulrates für Oberösterreich von 2001 und 2004 geben die entsprechenden Rahmenbedingungen vor, um Schülerinnen und Schülern mit Lese- Rechtschreibschwächen zu unterstützen und fördern. Fünf Grundsätze: Erster Grundsatz: Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler erkennen! Die Schwäche im Rechtschreiberwerb und im Erlernen der Lesefertigkeit, die Schülerinnen und Schüler zeigen, muss von den Lehrerinnen und Lehrern wahrgenommen werden. Dies erfolgt durch Beobachtung im Sinne des aktiven Hinschauens. Lehrerinnen und Lehrer müssen und sollen KEINE Diagnose stellen. Zweiter Grundsatz: Unterstützungs- und Fördermaßnahmen im Klassenkollegium festlegen und dokumentieren. Die Erstellung von Maßnahmen ist ein weiterer wichtiger Punkt. Hierbei sind einerseits Unterstützungsmaßnahmen zu nennen, wie mehr Zeit, zur Verfügung gestellte Lernunterlagen, mündliche Prüfungen, sowie Fördermaßnahmen, wie Strategien im Umgang mit der Schwäche, didaktische Methoden und inhaltliche Kompensationshilfen. Dritter Grundsatz: Die Deutschnote setzt sich aus mehreren Bereichen zusammen. Es braucht Differenzierung, Fördermaßnahmen und Individualisierung. Die Erlässe des Landesschulrates für Oberösterreich, betreffend Lese-RechtschreibSchwäche, sind anzuwenden. Eine klare Aufschlüsselung der Bereiche, die für die Leistungsbeurteilung wichtig sind, ist unerlässlich. „Bei der Leistungsfeststellung ist zu berücksichtigen, dass im Lehrplan des Pflichtgegenstandes Deutsch folgende Bereiche angeführt sind: Volksschule – Sprechen, Lesen, Verfassen von Texten, Rechtschreiben, Sprachbetrachtung Hauptschule und AHS – Sprechen, Schreiben, Lesen und Textbetrachtung, Sprachbetrachtung und Sprachübung" (siehe Erlass: Leistungsbeurteilung bei LeseRechtschreibschwäche (LRS) bzw. Legasthenie, 2001). 16 Vierter Grundsatz: Transparenz durch Information. Transparenz für alle Beteiligten ist wichtig. Information der Schülerinnen und Schüler und der Eltern über das Zustandekommen der Leistungsbeurteilung nimmt Druck und entlastet in der Frage der Gerechtigkeit. Fünfter Grundsatz: Nachteilausgleich ist für Schülerinnen und Schüler herzustellen. Lehrerinnen und Lehrer können ein vielfältiges Unterstützungsangebot nutzen. Die Expertinnen und Experten für die Schule sind die Lehrerinnen und Lehrer. Hilfestellung für Beratung gibt es durch die Sonderpädagogischen Zentren und den Schulpsychologischen Beratungsstellen. Weiters können Diagnosezentren, sowie andere Fachkräfte und Institutionen beigezogen werden. 17 BSI Johann Zillner Verfahrensschritte bei Verdacht auf LRS Grundsätzlich besteht der Verdacht auf LRS dann, wenn bei einem Kind trotz normaler Begabung und angemessener Beschulung erhebliche Probleme beim Erwerb der Lesefertigkeiten bzw. der Rechtschreibung auftreten. In diesen Fällen ist folgende Vorgangsweise einzuhalten: 1. Anwendung des Beobachtungsbogens zur ersten Abklärung 2. Bei Bestätigung des Verdachts von LRS hat eine Besprechung über spezielle Fördermaßnahmen mit Experten des SPZ gemeinsam mit den Eltern durchgeführt zu werden. Teilnehmer: VS: Klassenlehrer + Schulleiter + Eltern + Experten HS: Klassenkonferenz + Schulleiter + Eltern + Experten 3. Beim Übertritt von der VS in die HS ist im Rahmen eines Nahtstellengespräches auf die bisherigen Fördermaßnahmen aufmerksam zu machen und die HS hat sich über die weitere Vorgehensweise mit den Experten abzusprechen. Zusätzliche mögliche Schritte: Genaue Abklärung bei offenen Fragen und Grenzfällen durch Sonderpädagogisches Zentrum, Schulpsychologie Eine Diagnose mit Gutachten durch ein Institut kann den Eltern in Grenzfällen empfohlen werden, ist aber keine Verpflichtung der Eltern! 18 BSI Johann Zillner Umgang mit Lese- und Rechtschreib-Schwache im Schulalltag Die Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche darf sich nicht nur auf die Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung beschränken, sondern es muss im Unterricht in allen Gegenständen auf die Besonderheiten dieser Schüler/innen Rücksicht genommen werden. Auf folgende Punkte ist dabei besonderes Augenmerk zu legen. Unterstützungsmaßnahmen durch die Schule 1. Individuelle Fördermaßnahmen Kinder mit LRS im Lese- u. Rechtschreibunterricht mit denselben Inhalten und Methoden zu konfrontieren wie Kinder ohne LRS ist nicht zielführend und verursacht Frustration und keine positiven Fortschritte. Es müssen individuelle Fördermaßnahmen im Bereich Lesen und Rechtschreiben entwickelt werden, Prioritäten festgelegt und nach einem überschaubaren zeitlichen Rahmen evaluiert werden. Hierzu kann auf die Expertinnen der Sonderpädagogischen Zentren zurückgegriffen werden und die Förderziele sind möglichst mit den Erziehungsberechtigten abzustimmen. 2. Mehr Zeit für Mitschriften Sehr oft ist es Kindern mit LRS nicht möglich, Mitschriften und Merktexte im gleichen zeitlichen Rahmen wie die übrigen Mitschüler abzufassen. Dadurch sind die Hefte oft unvollständig bzw. ist es nicht möglich aus der eigenen Mitschrift zu lernen. Um eine (zeitliche) Überforderung dieser Kinder durch Vervollständigen der Hefte zusätzlich zu den normalen Hausübungen zu verhindern, muss eine individuelle Lösung dieses Problems gemeinsam von Lehrern und Eltern gefunden werden. Die Bereitstellung von (Teil)Kopien der Texte, die Bearbeitung von vorgegebenem Merkstoff anstelle des Abschreibens …. seien als mögliche Beispiele angeführt. 19 3. Hausübungen Hausübungen müssen bei Kindern mit LRS auf ihre individuelle Situation sowohl im inhaltlichen als auch im zeitlichen Umfang abgestimmt werden. Eine klare Struktur über das gesamte Schuljahr ist eine große Unterstützung zur Bewältigung der Aufgaben. 4. Rücksichtnahme in allen Fächern Neben den speziellen Programmen für Lesen und Rechtschreiben ist die Entwicklung von individuellen Lernstrategien für LRS unbedingt notwendig. Es gilt Lernstrategien zu entwickeln und anzuwenden, die es ermöglichen, dass die Kinder ihre Leistungen zeigen können, ohne durch ihre LRS gehemmt zu werden. Als eine Auswahl von Möglichkeiten seien genannt: verstärkte mündliche Beiträge, Referate, Lernstoff in kleinere Abschnitte portionieren, visuelle Angebote, individuelle Zielvorgaben nur vorbereitetes lautes Lesen im Klassenverband Der Einsatz des Computers als Schreibgerät und die Verwendung der Rechtschreibüberprüfung sind ebenfalls legale Mittel. Leistungsfeststellungen: In der Broschüre „Modell zur schulischen Förderung von Kindern mit Lese- Rechtschreibschwäche" wird auf Seite 29 ausgeführt, dass auf Kinder mit LRS § 18 Abs. 6 SCHUG und VO-LB § 2 Abs. 4 angewendet werden können. Dies bedeutet, dass soweit als möglich schriftliche Leistungsfeststellungen für Kinder mit LRS zu unterlassen sind. Insbesondere ist das wöchentliche Diktat als einzige Form der Rechtschreibüberprüfung nicht erlaubt. Anstelle von schriftlichen Überprüfungen und Tests in den Hauptschulen/NMS sollten mündliche Leistungen bzw. Überprüfungen eingesetzt werden. Falls schriftliche Überprüfungen unvermeidlich sind, ist den Kindern mit LRS ein längerer Zeitraum zur Bewältigung der Aufgaben zu gewähren. Dies gilt selbstverständlich auch für Schularbeiten. Für alle Fächer außer Deutsch gilt, dass die gewählte Form der Leistungsfeststellung Ziele des Unterrichtsgegenstandes und nicht die Schreib- u. Leseleistung erfassen soll. 20 Schularbeiten Es ist vorgesehen, dass Schüler/innen mit LRS andere Aufgabenstellungen erhalten oder zu einem anderen Zeitpunkt mit größerer Zeitvorgabe die Schularbeit schreiben können. Bei Mathematik-Schularbeiten kann es notwendig sein, dass Textaufgaben für Kinder mit LRS vom Lehrer vorgelesen werden müssen. Leseschwäche darf die mathematische Leistung nicht behindern. Im §16 LBVO sind für Schularbeiten im Unterrichtsgegenstand Deutsch die Kriterien Inhalt, Ausdruck, Sprachrichtigkeit und Schreibrichtigkeit explizit angeführt, Sowohl aus den Lehrplanbestimmungen als auch aus der LBVO ergibt sich somit eindeutig, dass der Gesichtspunkt der Schreibrichtigkeit keinesfalls die einzige Grundlage der Beurteilung sein darf. Bei Aufsätzen kann es hilfreich sein, dass das Kind den Aufsatz einer Lehrperson diktiert. In diesem Fall kann nur der inhaltliche und sprachliche Teil benotet werden. Leistungsbeurteilung: Für die Leistungsbeurteilung von Kindern mit LRS sind die gesetzlichen Bestimmungen von § 18 Abs. 6 SCHUG und VO-LB § 2 Abs. 4 heranzuziehen. Die besondere Berücksichtigung ergibt sich dadurch, dass nach Möglichkeit jene Quellen der Leistungsfeststellung herangezogen werden, die von der Störung LRS nicht betroffen sind, d.h. mündliche, praktische und grafische Formen sowie die Mitarbeit. Auf Grund einer LRS besteht natürlich kein genereller Notenschutz und auch keine automatische positive Beurteilung. Bei der Beurteilung eines Kindes mit LRS soll und muss ein anderer Benotungsschlüssel für den Lese- u. Rechtschreibbereich angewendet werden. Es ist allerdings nicht vorgesehen, die Rechtschreib- bzw. Leseleistung völlig unberücksichtigt zu lassen (Broschüre LRS S. 30). Die Rechtschreibung muss in der Beurteilung der schriftlichen Arbeiten das schwächste Kalkül darstellen. Sofern in Hauptschulen noch in Leistungsgruppen unterrichtet wird, ist festzuhalten, dass eine Einstufung in die niedrigste Leistungsgruppe auf Grund einer LRS nicht zulässig ist. 21 Im Lehrplan der VS sind für den Unterrichtsgegenstand Deutsch folgende Bereiche als Grundlage der Beurteilung festgelegt: Sprechen Lesen Schreiben Verfassen von Texten Rechtschreiben Sprachbetrachtung Im Lehrplan für HS, AHS u NMS sind Sprechen Schreiben Verfassen von Texten Lesen und Textbetrachtung und Sprachbetrachtung und Rechtschreiben als gleichwertige Bereiche angegeben und daher darf bei der Leistungsbeurteilung die Rechtschreibung keine besonders gewichtige Bedeutung haben. Kinder mit LRS sollen genauso wie Kinder ohne LRS durch Leistungsfeststellungen und Leistungsbeurteilung nicht demotiviert werden, sondern ein positives und motivierendes Selbstwertgefühl entwickeln können. Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben eine individuelle Handhabung. Es gilt, diese Freiräume im Interesse der Kinder zu nutzen. 22 VD Claudia Haider Forderliche Maßnahmen bei Lese-RechtschreibSchwache Allgemeines Zur Förderung sind klar aufgebaute und gut strukturierte Materialien notwendig. Lausch-, Reim- und Lautspiele sind bereits ab dem Vorschulalter von großer Bedeutung. Das Lernen mit möglichst vielen Sinnen (hören, sehen, tasten, …) erleichtert das Erfassen der Buchstabe-Laut-Beziehung. Weitere wichtige Komponenten sind Vorsprechen – Nachsprechen – Mitartikulieren (synchron: laut, halblaut oder leise). Die Lernpartner sollen nicht buchstabieren, sondern die Laute sprechen (m, r, s, … nicht em, er, es). Bei den ersten Lese- und Schreibversuchen ist es für manche Kinder einfacher, nur Großbuchstaben zu verwenden. Der Schriftspracherwerb in der Schule soll mit der Druckschrift beginnen, nicht mit der Schreibschrift. Am Beginn sollen ausschließlich Vokale und dehnbare Konsonanten und nur Wörter ohne bezeichnete Vokalkürze bzw. Vokallänge (-h, ie, ck, tz, ss, ...) angeboten werden. Zu beachten ist, dass es kaum eindeutige Phonem-Graphem-Korrespondenzen (Buchstabe-Laut-Zuordnungen) gibt, da wir in der deutschen Sprache wesentlich mehr Laute als Buchstaben haben und Laute an verschiedenen Positionen im Wort durch ihren Umgebungslaut anders klingen. Das Segmentieren in Silben spielt eine wichtige Rolle. Am Anfang Silben wie (am, ma, in, ni, so, os, …) bilden, erst später längere Silben. Leseschwache Kinder sollen nur vorbereitete Inhalte vorlesen oder Texte mit einem Aufnahmegerät (z. B. MP3-Player, Karaoke-Gerät) aufnehmen. Konkrete Hilfestellungen und Lernstrategien anbieten: „Versuche es so!“ Sinnvolle Schreibübungen, bei denen der kommunikative Aspekt im Vordergrund steht, anbieten! 23 Die betroffenen Kinder sollen kurz, aber regelmäßig üben (am besten täglich, jeweils maximal 15 Minuten). Das Förderkonzept soll diagnosegeleitet, individualisiert, ganzheitlich und motivierend sein. Um Erfolge zu gewährleisten, sollen alle Beteiligten (Kind, Eltern, Lehrer, …) möglichst gut zusammenarbeiten. Das Üben mit lese-/rechtschreibschwachen Kindern erfordert viel Geduld und Ausdauer. Die Schüler sind auf Erfolgserlebnisse und positive Verstärkung (Lob und Ermutigung) durch Lehrer und Eltern angewiesen. Hier ist es auch wichtig, vorhandene Stärken aufzuzeigen. Was soll vermieden werden? Mit der Schreibschrift beginnen, da Buchstabengrenzen verschwimmen und vier Buchstabenformen zu einem Laut schwache Schüler überfordern Von der eigenen, oft schwer lesbaren Mitschrift lernen Abwertende Kommentare „Sei nicht so schlampig!" Vergleiche mit anderen Schülern Unvorbereitetes, lautes Vorlesen Korrekturen, ohne richtiges Wortbild vorzugeben Kontrastierende Übungen (d-t, k-ck, ...) Lange, mechanische Abschreibübungen Rechtschreibnote = Deutschnote (entspricht nicht dem Gesetz) RECHTSCHREIBFÖRDERUNG IM SCHULALTER (angelehnt an den SLRT, vgl. Landerl u. a., 1997) Der Lese-Rechtschreib-Prozess vollzieht sich entwicklungspsychologisch in aufeinanderfolgenden Stufen. Lese-/rechtschreibschwache Kinder verharren oft sehr lange auf den unteren Ebenen und benötigen individuelle Unterstützung. Die angeführten Beispiele stellen nur einen kleinen Auszug aus den praktischen Übungsformen dar. 24 1. Phonologische Bewusstheit Kinder müssen verstehen, dass Wörter aus Lauten bestehen. Gerade lese- /rechtschreibschwachen Kindern fehlt häufig diese Einsicht. (Hinweis: Würzburger Trainingsprogramm für Kinder im Vorschulalter von Küspert & Schneider, 2000 zur Förderung der phonologischen Bewusstheit) Reime (Reime nachsprechen, Reimwörter finden, …) Anlaut erkennen (Anlaut gedehnt sprechen) Zerlegen von Wörtern in Laute (Analyse) Zusammenfügen von Lauten zu Wörtern (Synthese) 2. Buchstabe-Laut-Zuordnung Bei lese-/rechtschreibschwachen Kindern benötigt der Erwerb der Buchstabe-LautBeziehung mehr Zeit. Laut sprechen – richtige Buchstabentafel auflegen Wörter sprechen – Kind horcht auf den Anlaut und zeigt den Buchstaben Bild zeigen – Kind spricht das Wort und sucht den Anlaut (Anlautbilder) Buchstaben ertasten (fühlen) – Laut sprechen Buchstaben formen, abgehen, stempeln, … – Laut dazu sprechen Mundstellungsbilder Zeichensprache (Handzeichen) 3. Lauttreue Schreibweise Hier wird die lauttreue Schreibung von Wörtern trainiert (Wörter ohne – h, ie, ck, tt, …). Am Ende der 1. Schulstufe sollen alle Kinder lauttreu schreiben können. Wörter in Silben sprechen und nach der Silbenzahl ordnen Wörter nachspuren, in Sand, in verschiedenen Größen schreiben, … Wörter im Setzkasten bauen Wörter durch Tauschen eines Lautes verändern (z. B. Hase – Hose) 4. Rechtschreibregeln Die Rechtschreibregeln werden anhand von Beispielen geübt (z. B. ver-, au-äu, st, sp, -h, …). 25 Wörter zu einer Wortfamilie sammeln Wortbausteine suchen (ver-, -nis, …) Wörter nach Wortarten sortieren Verlängern von Wörtern (Kind – Kinder, …) 5. Wortschreibungen einprägen Die Schüler prägen sich Wortschreibungen ein. Wortlisten: lesen – merken – zudecken – schreiben – vergleichen Rechtschreibkartei Wörter lautieren, nachfahren, Buchstabenkarten auflegen und abgehen, ... Computerprogramme (z. B. GUT 1) ÜBERGANG ZUM WEITERFÜHRENDEN RECHTSCHREIBEN (vgl. Mann, 2002) Christine Mann sagt: „Rechtschreiben soll systematisch gelehrt werden." Sie unterteilt das Wortmaterial in drei Gruppen: 1. Mitsprechwörter: (lauttreue Schreibung) z. B. „Nase“ Die Wörter werden dabei rhythmisch in kleinere Einheiten (Silben) gegliedert. Deutliche Sprechpausen dazwischen sind wichtig. Teilweise werden auch einzelne Laute isoliert. Einige Übungsformen: Wortbedeutung erklären (z. B. mit Hilfe eines Satzes), zeichnen, darstellen, ... Klanggestalt von Wörtern erkennen (lautieren, An-, In- und Auslaute) Wörter in Silben sprechen und nach Silbenzahl ordnen Setzkasten Wörter mit verschiedenen Stiften schreiben Wörter in verschiedenen Größen schreiben Wörter nachspuren und in Sand schreiben 2. Lernwörter/Merkwörter: (nicht ableitbare, nicht lauttreue Schreibung) z. B. „Märchen“ Auch hier mitsprechen!!! Darüber hinaus müssen sich die Kinder noch eine Rechtschreibbesonderheit merken. Diese muss mit dem Wortklang und dem Wortinhalt abgespeichert 26 werden. Zum Einprägen der Besonderheit dient sowohl der visuelle und schreibmotorische, als auch der auditiv-kognitive Kanal (kognitiver Zusatz). Wörter ohne Ableitung oder einsichtige Regeln „muss ich mir merken!“ Einige Übungsformen: Wortlistentraining Lernwörterkartei Wörterbucharbeit: Selbstkontrolle, Selbständigkeit, Wortschatzerweiterung 3. Nachdenkwörter: (ableitbare, nicht lauttreue Schreibung z. B. „Häuser“) Die Schreibweise ist durch Ableitung von einem lauttreuen Wort, von einem Lernwort oder einer klaren Regel zu begründen. Das Lautschriftprinzip wird durch übergeordnete Regeln verändert. Für manche Nachdenkwörter benötigt man zwei kognitive Zusätze. Es geht hier um Ableitungen, Analogien, klare Regeln, ... Einige Übungsformen: Wörter nach dem ABC ordnen Nach Wortarten zuteilen Reimwörter finden Wort im Wort suchen (REISE – REIS – EIS) Wörter zusammensetzen Wortfamilien bilden Wortbausteine suchen (an-, -ung, ...) Signalgruppen finden (-upp-, -atz-, ...) Mehrzahl bilden (au-äu) Wörter verlängern (Hund-Hunde) Mitlautverdopplungen markieren Christine Mann betont den „kognitiven Zusatz“ (Warum schreibe ich das Wort so?). Manche Wörter brauchen auch zwei oder mehrere kognitive Zusätze. Der Lehrer gibt diese kognitiven Zusätze so lange, bis die Kinder diese Strategie verinnerlicht haben. 27 LESEFÖRDERUNG (Landerl & Klicpera 1997; vgl. Folder SchEz: Leseschwierigkeiten); (Scheerer-Neumann 1987), (vgl. Akademie für Lehrerfortbildung, 2000) Der Lese-Rechtschreib-Prozess vollzieht sich entwicklungspsychologisch in aufeinanderfolgenden Stufen. Einige Kinder verharren oft sehr lange auf den unteren Ebenen und benötigen individuelle Unterstützung. Leseschwache Kinder versuchen Wörter als Ganzes zu erraten oder lesen mühsam Buchstabe für Buchstabe. Bei gutem Gedächtnis lernen diese Kinder Wörter und Texte auswendig. Die Kinder finden zwar die Laute, können sie aber nicht zusammenlauten. Sie lesen meist extrem langsam. Die angeführten Beispiele stellen nur einen kleinen Auszug aus den praktischen Übungsformen dar. 1. Phonologische Bewusstheit Lauschspiele Reimspiele Vorlesen Wörterschlange (Maus – Sonne – Esel – …) 2. Buchstabe-Laut-Zuordnung Buchstaben zum Laut kneten, legen, in Sand schreiben Buchstaben zum Laut aus Setzkasten suchen Laut zum gezeigten Buchstaben sprechen Buchstaben zum Laut stempeln 3. Zusammenlauten zu sinnhaften Silben (am, so, …) und sinnfreien Silben (li, sa, os, …) zu zweisilbigen, sinnhaften Wörtern (Ma-mi, Li-mo, …) und Pseudowörtern (Na-li, So-me, …) mit dehnbaren Lauten zu Wörtern mit Verschlusslauten (p, t, k, b, d, g) zu Wörtern mit Mitlautverbindungen (Brei, Gras, Glut, …) 4. Mehrsilbige Wörter ohne Mitlauthäufungen in Silben trennen (Ro-si-ne, Do-mi-no, …) 28 5. Mehrsilbige Wörter mit Mitlautverbindungen lesen (Sumpf-pflan-ze, Sprung-brett, …) Was tun bei Schwierigkeiten in folgenden Bereichen? (vgl. Akademie für Lehrerfortbildung, 2000) 1. Erstlesen A) MOTIVATION Ursachen klären, individuelle Maßnahmen, Ermutigung B) PHONOLOGISCHE BEWUSSTHEIT Wort Wörter eines Satzes zählen und Bausteine auflegen (Sprechen und Handeln synchron) Kurze und lange Wörter unterscheiden Silbe Silben klatschen, klopfen, gehen, … Silbendomino, Memory, Puzzle Silbenbögen zuordnen Laut Lautdiktate Anlautspiele: Welcher Name beginnt mit …? Laute wegnehmen bzw. hinzufügen (Ei – Eis – Reis) C) BUCHSTABEN MERKEN Einprägen der Buchstabenform (abgehen, fühlen, kneten, aufkleben, ...) Achtung: Isolierte Behandlung von ähnlichen Buchstabenformen! Anlauttabellen als Hilfe D) ZUSAMMENLESEN 2 Laute singen, gehen, … Zeichensprache – Laute gedehnt sprechen Mehrere Laute zusammenlesen (Lesedrache, Lesedose, …) Setzen von lauttreuen Wörtern 29 E) SINN VERSTEHEN Wörter Wörter und Bilder zuordnen (Domino, Stöpsel, …) Gegenstände und Wörter zuordnen Rätsel: Welches Wort passt nicht dazu? Sätze Sätze ergänzen, verbinden, … Rätsel Handlungs-, Malanweisungen, Rezepte, … 2. Weiterführendes Lesen (vgl. Akademie für Lehrerfortbildung, 2000) A) ORTHOGRAPHISCH/MORPHEMATISCHE STRATEGIE Übungen zur Wortdurchgliederung Wortlisten (Signalgruppe (itz, eck, …) markieren, still lesen, vorlesen) Wörter sammeln (ack, atz, …) Wort im Wort suchen (Brot - rot) Übungen zum Speichern von Wortbildern Wörter in verschiedenen Schriften und Größen Wörter mit verschiedenen Farben und Stiften Wörter in unterschiedlicher Anordnung Übungen zum genauen Lesen Unsinnwörter lesen (ein Wort ist richtig) Reimwörter lesen (ein Wort passt nicht) Wortpaare finden Satzschlangen lesen (Wortgrenzen markieren) B) STILLE SINNENTNAHME Übungen zum Erkennen größerer Einheiten Blickspannerweiterung: Texte in Pyramidenform (abdecken, Zeile für Zeile lesen, nur Augen lesen) Übungen zur Steigerung des Lesetempos Wörter nach Diktat suchen (Stein, Finger darauf) 30 Blitzlesen Wie oft findest du …? (möglichst schnell) Übungen zum Aufbau von Leseerwartung Lückentext (Wörter einsetzen) Vor- bzw. Nachsilben ergänzen Übungen zur Wortschatzerweiterung Wortfeldübungen: gehen (langsam, normal, schnell) Übungen zum sinnerfassenden Lesen Malgeschichten Fragen beantworten Arbeitsaufträge ausführen (Spiele, Rezepte, …) C) LAUTES, SINNGESTALTENDES LESEN Übungen zum klanggestaltenden Lesen Wichtigstes Wort unterstreichen und betonen Lesepausen einzeichnen Gedichte, Reime, Theaterstücke vortragen Lesen mit verteilten Rollen Aufnahme (MP3 oder Karaoke) 31 Erlasse Landesschulrat für Oberösterreich Erlässe Bearbeiterin: Fr. Mag. Schwarzmair - Abteilung A3 Code: A3-23-1/2-2001 vom 07.06.2001 Leistungsbeurteilung bei Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) bzw. Legasthenie Direktionen der allgemein bildenden Pflichtschulen, der allgemein bildenden höheren Schulen, der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, der Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung sowie der Berufsschulen in Oberösterreich Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat mit Rundschreiben Nr 32/2001 vom 28.5.2001, GZ 36.200/38-SL V/2001, im Zusammenhang mit Symptomen von Lese-Rechtschreibschwäche oder Legasthenie und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Leistungsbeurteilung und die Bildungslaufbahn von Schülern und Schülerinnen Folgendes mitgeteilt: "Im Unterricht von Schülern und Schülerinnen mit schwer wiegenden Lese- Rechtschreibschwierigkeiten kann auf die – durch die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien – geänderten Anwendungen und Kontrollmöglichkeiten bei der Schreibrichtigkeit Bedacht genommen werden. Sämtliche gängigen Programme zur Textverarbeitung enthalten Rechtschreibprüfungen, durch die die Leistungserbringung erleichtert wird. Es besteht kein Einwand, dass Schüler/innen bei der Leistungserbringung – insbesondere auf höheren Schulstufen – bei schriftlichen Arbeiten zeitgemäße Hilfsmittel zur Überprüfung der Schreibrichtigkeit zur Verfügung gestellt werden. Davon werden Schüler/innen mit nachweislich legasthenischer Beeinträchtigung besonders profitieren. Bei der Leistungsfeststellung ist zu berücksichtigen, dass im Lehrplan des Pflichtgegenstandes Deutsch folgende Bereiche angeführt sind: 32 Volksschule – Sprechen, Lesen, Verfassen von Texten, Rechtschreiben, Sprachbetrachtung Hauptschule und AHS – Sprechen, Schreiben, Lesen und Textbetrachtung, Sprachbetrachtung und Sprachübung Im Lehrplan der Hauptschule und AHS-Unterstufe wird in der Bildungs-und Lehraufgabe ausdrücklich betont, dass es sich um gleichwertige Lernbereiche handelt. Schularbeiten und andere schriftliche Leistungsfeststellungen dürfen daher nicht ausschließlich nach Art und Anzahl der Rechtschreibfehler beurteilt werden. Im § 16 der Verordnung über die Leistungsbeurteilung werden fachliche Aspekte für die Beurteilung von Schularbeiten angegeben. Für die Beurteilung in der Unterrichtssprache sind die fachlichen Aspekte Inhalt, Ausdruck, Sprachrichtigkeit und Schreibrichtigkeit angegeben. Sowohl aus den Lehrplanbestimmungen als auch aus der Verordnung ergibt sich somit eindeutig, dass der Gesichtspunkt der Schreibrichtigkeit keinesfalls die einzige Grundlage der Leistungsbeurteilung sein kann und darf. Bei nachweislich vorliegenden und schwer wiegenden hirnorganischen Störungen, die sich im Sinne einer Körperbehinderung auswirken und das Erlernen und Anwenden der Rechtschreibung beeinträchtigen, kann § 18 Abs 6 des Schulunterrichtsgesetzes angewendet werden. Danach sind diese Schüler/innen unter Bedachtnahme auf den wegen der körperlichen Behinderung erreichbaren Stand des Unterrichtserfolges zu beurteilen, wobei die Bildungs- und Lehraufgabe des betreffenden Unterrichtsgegenstandes grundsätzlich erreicht werden muss. Mit Bezug auf die Leistungsbeurteilung – insbesondere im Pflichtgegenstand Deutsch – ist daher verantwortungsbewusst abzuwägen, inwieweit nur ein einzelner Leistungsbereich – nämlich die Schreibrichtigkeit – bestimmend für die gesamte Bildungs- und Berufslaufbahn eines jungen Menschen sein soll. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur erarbeitet derzeit eine Zusammenstellung von Regelungen und Materialien, durch die weitere Verbesserungen der Förderung betroffener Schüler/innen erreicht werden können." Die Schulleitungen werden gebeten, den Inhalt dieses Erlasses insbesondere den DeutschLehrern und Lehrerinnen zur Kenntnis zu bringen. Mit freundlichen Grüßen Für den Amtsführenden Präsidenten Dr. Kepplinger eh Gültig für: APS BS AHS BMHS BA 33 63Landesschulrat für Oberösterreich Erlässe Bearbeiter: Hr. Mag. Saxinger - Abteilung B1 Code: B1-86/2-2004 vom 12.05.2004 Lese-Rechtschreib-Schwäche: Feststellung – Leistungsbeurteilung - Vorgangsweise Direktionen der allgemein bildenden Pflichtschulen sowie Sonderpädagogische Zentren in Oberösterreich Sehr geehrte Damen und Herren! Die statistischen Angaben bezüglich des prozentuellen Anteils an Schülerinnen und Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen sind sehr unterschiedlich. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass der von der PISA-Studie erhobene Wert von 4 % der Schulabgänger die Anzahl der Kinder mit extremen Problemen umschreibt. Dies bedeutet, dass pro Klasse durchschnittlich ein Kind als solches eingestuft werden kann. Die Ursachen von Lese-Rechtschreib-Schwäche sind vielfältig: Aufmerksamkeitsstörungen, Schulangst, depressive Entwicklung, Störungen im Sozialverhalten, Defizite in der Motorik und Sprachentwicklung, problematische Intelligenzentwicklung, Wahrnehmungsprobleme, psychosoziale Umstände u.a. Auf Grund der Vielfältigkeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch diese Schülerinnen und Schüler als "reine Legastheniker" einzustufen sind. Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Erlasses (B1-86/1-2000) und dem für Oberösterreich entwickelten Stufenmodell (Pädagogische Schriftenreihe 1) werden immer wieder Fragen bezüglich der Zuständigkeit für die Feststellung der Lese-Rechtschreib-Schwäche gestellt. 34 1. Zuständigkeit für die Feststellung von Lese-RechtschreibSchwächen/Fördermaßnahmen Grundsätzlich sind für die Feststellung von Defiziten in der Schule die zuständigen Lehrkräfte (Klassenlehrerinnen/Klassenlehrer und alle in der Klasse unterrichtenden Lehrerinnen/Lehrer) verantwortlich, die auf Grund ihrer pädagogischen Kompetenz (Ausbildung, Fortbildung, Literaturstudium,...) eine gezielte Förderung und fachgerechte Unterstützung gewährleisten und auch besondere Maßnahmen für diese Schülerinnen und Schüler festzulegen haben Die vorzusehenden Maßnahmen auf Grund didaktischer Überlegungen (siehe auch Lehrplan: Didaktische Grundsätze Differenzieren und Fördern und SchUG § 17 (1) - Unterrichtsarbeit) sind unter mehreren Aspekten zu treffen. 2. Beurteilung der Rechtschreibleistungen/Diktate Von wesentlicher Bedeutung sind dabei auch die pädagogischen Aspekte der Handhabung von Klassendiktaten und der Beurteilung von Rechtschreibleistungen (Rechtschreiben ist lediglich ein Teilbereich!!!). Klassendiktate (frontale Diktate für die ganze Klasse) sind im Gegensatz zu individualisierten Diktatformen (Lauf-, Dosen-, PartnerQuiz-, Bingo- Diktate,.....) unter dem Aspekt der Förderung lese-rechtschreibschwacher Schülerinnen und Schüler KEINE zielführende Maßnahme. Sie bringen keine Verbesserung der Lese-Rechtschreibleistung, lösen lediglich Stress aus und sind daher nicht leistungsfördernd. Die Verordnung über die Leistungsbeurteilung legt fest, dass die von den Lehrerinnen und Lehrern gewählte Form der Leistungsbeurteilung unter verschiedenen Kriterien zu erfolgen hat: Alter und Bildungsstand Erfordernisse des Unterrichtsgegenstandes Anforderungen des Lehrplans jeweiliger Stand des Unterrichts Das Klassendiktat berücksichtigt keinesfalls den individuellen Bildungsstand eines Kindes und ist daher kein taugliches Mittel. In der Leistungsbeurteilungsverordnung (§ 8 Abs. 4 und 5) wird weiters ausgeführt, dass die Arbeitszeit einer schriftlichen Überprüfung (z.B. benotetes Diktat) in den allgemein bildenden Pflichtschulen 15 Minuten und die Gesamtarbeitszeit in jedem Semester 30 Minuten nicht überschreiten darf. 35 Im Sinne der Leistungsbeurteilungsverordnung dürfen diese Richtlinien keinesfalls dadurch "umgangen" werden, dass schriftliche Überprüfungen nicht als solche definiert und dann "zwecks Informationscharakter" benotet werden. Noten haben die Aussagekraft einer Leistungsbeurteilung! 3. Berücksichtigung von Lese-Rechtschreib-Schwächen bei der Leistungsbeurteilung Beurteilung durch Klassenlehrer/in - Mitverantwortung der Schulleitung Schülerinnen und Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwäche sind unter Berücksichtigung ihrer Leistungsschwäche zu beurteilen (siehe auch Erlass des LSR für OÖ und "Die Beurteilung der Leistungen legasthener Kinder" in der Pädagogischen Schriftenreihe des LSR für OÖ). Trotzdem kann es im Rahmen der von den Lehrerinnen und Lehrern getroffenen Fördermaßnahmen notwendig und sinnvoll sein, dass z.B. auf Grund einer Entwicklungsverzögerung ein Kind eine Schulstufe wiederholt, in eine niedrigere Schulstufe in der Grundstufe I wechselt oder in die nächstniedrigere Leistungsgruppe umgestuft wird. Die "Kernbereiche" des Lehrplans müssen jedenfalls erfüllt werden können. Unterstützung durch Sonderpädagogisches Zentrum (SPZ) und Schulpsychologie: In Einzelfällen ist eine Unterstützung durch das zuständige SPZ erforderlich. In Kooperation mit den Eltern führt dieses eine Abklärung durch, wobei die Ergebnisse der Schule und den Eltern zur Kenntnis zu bringen sind. Das SPZ wird nach Abklärung spezielle Fördermaßnahmen empfehlen, welche in Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schulleitung und Lehrkräften umzusetzen sind. Schulpsychologische Hilfestellungen bei Kindern mit einer Lese- Rechtschreibschwäche beziehen sich auf Fragen der Persönlichkeitsentwicklung, des familiären und schulischen Kontextes, der Lerntechnik, der Motivation und der Begleitsymtomatik u.a. Zur Vertiefung der Beratungskompetenz des SPZ-Teams bietet sich eine enge Zusammenarbeit mit der Schulpsychologie (Moderation von Helferkonferenzen, Mediation von Lehrer-Eltern-Gesprächen, Supervision, usw.) an. Institut für Sinnes- und Sprachneurologie (Krankenhaus der Barmherzigen Brüder) Das SPZ kann bei Erfordernis den Eltern eine zusätzliche Abklärung durch das Institut für Sinnes- und Sprachneurologie empfehlen. Werden diese weiteren Untersuchungsergebnisse von den Eltern, der Schule bzw. dem SPZ vorgelegt, so soll auf der Basis aller gesammelten Information ein spezieller Förderplan entwickelt werden. 36 Gutachten außerschulischer Institute Gutachten anderer Institute können von den Lehrerinnen und Lehrern angenommen bzw. berücksichtigt werden. Die Lehrerinnen und Lehrer sind jedoch keineswegs verpflichtet, sich an diese Gutachten zu halten. Die Entscheidung hat sich in erster Linie auf eigene Beobachtungen und eigene methodisch-didaktische Fördermaßnahmen zu beziehen. Allenfalls vorhandene schriftliche Aufzeichnungen bzw. Gutachten sind vertraulich zu behandeln. Eltern Eltern sollen in problematischen Situationen zuerst die zuständigen Lehrerinnen/Lehrer kontaktieren, bei unterschiedlichen Auffassungen die Schulleitung. Wenn auch dabei kein Einvernehmen erfolgen kann, soll durch die Schulleitung bzw. durch die Eltern das SPZ kontaktiert bzw. eingebunden werden. Für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche ist im Gegensatz zu Kindern mit Sonderpädagogischem Förderbedarf keine bescheidmäßige Erledigung vorgesehen. Mit freundlichen Grüßen Für den Amtsführenden Präsidenten Mag. Saxinger eh. Gültig für: APS 37 Landesschulrat für Oberösterreich Erlässe Bearbeiterin: Fr. Mag. Schwarzmair - Abteilung A3 Code: A3-23-1/3-13 vom 18.12.2013 Leistungsbeurteilung bei Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) bzw. Legasthenie Abschaffung der Liste der akzeptierten Institutionen Direktionen der allgemein bildenden Pflichtschulen, der allgemein bildenden höheren Schulen, der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, der Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung sowie der Berufsschulen in Oberösterreich Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Erlass setzen wir hiermit die Liste der akzeptierten Institutionen außer Kraft. Falls in Zukunft ein Gutachten erforderlich ist, weil eine Lehrkraft die Feststellung des Vorhandenseins einer LRS selbst nicht treffen kann, besitzt jedes Gutachten, das von einer in Österreich oder im EU-Raum befugten Person (Ärzte, klinische Psychologen erstellt wurde, schulische Relevanz. Die Bestimmungen des Rundschreibens 32/2001 des Unterrichtsministeriums gelten unverändert (verlautbart am 7.6.2001, Zl. A3-23-1/2-01), d.h. für alle Schularten für den Pflichtgegenstand "Deutsch" sowie für Fremdsprachen. Unter dem Link "Schulpsychologie – Infothek" finden Sie für die Sekundarstufe I Empfehlungen der Schulpsychologie für Lehrer/innen und für Eltern sowie die neue Handreichung des BMUKK "Der schulische Umgang mit Lese-Rechtschreibschwäche". 38 Diesbezügliche Rückfragen richten Sie bitte an Abteilung Schulpsychologie bzw. (für APS) an die sonderpädagogischen Zentren oder (für die übrigen Schularten) die zuständige pädagogische Abteilung im Hause. Die Erlässe vom 11.9.2012, Zl. A3-23-1/10-12 sowie vom 16.1.2013, Zl. A3-23-1/2-13, treten hiermit außer Kraft. Mit freundlichen Grüßen Für den Amtsführenden Präsidenten Dr. Sonnberger eh. Handreichung Landesschulrat für OÖ; Modell zur schulischen Förderung von Kindern mit LeseRechtschreib-Schwäche abrufbar auf der Homepage des Landesschulrates unter:www.lsr-ooe.gv.at/publikationen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Abteilung Schulpsychologie- Bildungsberatung, 2007: Die schulische Behandlung der Lese-Rechtsscheib-Schwäche abrufbar unter: www.schulpsychologie.at/legastheni 39 Literaturliste Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung: Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Diagnose – Förderung – Materialien. Donauwörth: Auer. 2000. Dillling, H.; Mombour, W.; Schmidt, M.H. (Hrsg): ICD-10, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Verlag Hans Huber, Bern, 1993. Dürre, Rainer: Legasthenie – das Trainingsprogramm für Ihr Kind. Freiburg: Herder. 2000 (2. Auflage). Klasen, Edith: Legasthenie – umschriebene Lese-Rechtschreib-Störung. Informationen und Ratschläge. Klagenfurt: KLL-Verlag. 1999 (3. Auflage). Klicpera, Ch.; Schabmann, A.; Gasteiger-Klicpera, B.: Legastenie-LRS, Modelle, Diagnose, Therapie und Förderung, Ernst-Reinhardt Verlag, München, 2010. Kopp-Duller, Astrid: Der legasthene Mensch. Was Lehrer und Eltern über Legasthenie (Dyslexie) und Dyskalkulie wissen sollten. Klagenfurt: KLL-Verlag. 2001 (3. Auflage). Landerl,K. / Wimmer, H. / Moser, E.: SLRT. Salzburger Lese-und Rechtschreibtest. Verfahren zur Differentialdiagnose von Störungen des Lesens und Schreibens für die 1. bis 4. Schulstufe. Bern: Hans Huber. 1997. Lehrplan-Service: Lehrplan der Volksschule. Wien: Österreichischer Bundesverlag, Jugend und Volk. 1987 (2. Auflage). Mann, Christine: Selbstbestimmtes Rechtschreiblernen. Rechtschreibunterricht als Strategievermittlung. Weinheim: Beltz. 2002 (5. Auflage). Mann, Christine: Legasthenie verhindern. Bochum: Kamp. 1994 (3. Auflage). Pregl, Helga: Legasthenie 2000. Ein praxisorientierter Ratgeber mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für Lehrer und interessierte Eltern. Klagenfurt: KLL-Verlag. 2000. Schulte-Körne, Gerd (Hrsg.): Legasthenie: Zum aktuellen Stand der Ursachenforschung, der diagnostischen Methoden und der Förderkonzepte. Bochum: Dr. Dieter Winkler. 2002. www.schulpsychologie.at/legasthenie: Die schulische Behandlung der Lese-Rechtschreib-Schwäche Vor allem für die praktische Arbeit mit Kindern: Buchner, Christina: Lesen lernen mit links ... und rechts, gehirnfreundlich und ohne Streß. Bilder, Geschichten, Ideen für Lehrer, Eltern und Therapeuten. Freiburg: VAK. 1998 (4. Auflage). Chavanne, Verena: Leserätsel 1. Leseübungen für die Schule und zu Hause. Wien: öbv & hpt. 2001. Chavanne, Verena: Leserätsel 2. Leseübungen für die Schule und zu Hause. Wien: öbv & hpt. 1998. 40 Computer & Lernen: GUT 1: Grundwortschatz- und Transfertraining. Das Rechtschreibprogramm mit besten Bewertungen. www.comundlern.de Fisgus, C., Kraft, G.: Hilf mir, es selbst zu tun. Montessoripädagogik in der Regelschule. Donauwörth: Auer. 1996 (4. Auflage). Fisgus, C. Kraft, G.: Morgen wird es wieder schön. Neue Materialien für die Praxis.Donauwörth: Auer. 1997 (2. Auflage). Küspert, P., Schneider, W.: Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 2000 (2. Auflage). Plume, E., Schneider, W.: Hören, lauschen, lernen 2. Spiele mit Buchstaben und Lauten für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Buchstaben-Laut-Training. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 2004. Tacke, Gero: Flüssig lesen lernen. Übungen, Spiele und spannende Geschichten. Lehrerband mit Arbeitsblättern. Ein Leseprogramm für den differenzierten Unterricht, für Förderkurse und für die Freiarbeit. Klasse 1 und 2 der Grundschule. Donauwörth: Auer. 1998 (2. Auflage). auch für Klasse 2 und 3 der Grundschule und für Klasse 4 und 5 der Grund- und Hauptschule erhältlich) Internetquellen www.lesikus.com www.betzold.de Magnetisches Leseset (Buchstabenkasten) www.uni-wuerzburg.de www.phonologische-bewusstheit.de www.schulpsychologie.at 41