offizielle Presseaussendung der Universität Wien

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14. Oktober 2015
Ein großes Gehirn ist kein Garant für Intelligenz
Hat die Größe des Gehirns etwas mit der kognitiven Leistungsfähigkeit von Menschen zu tun?
Diese Frage fasziniert WissenschafterInnen bereits seit mehr als hundert Jahren. Ein
internationales Team von Psychologen der Universitäten Wien, Göttingen (Deutschland) und
Tilburg (Niederlande) liefert nun Erkenntnisse zur Rolle der Größe des Zentralnervensystems
für Intelligenztestleistungen. Im Rahmen einer Meta-Analyse der Daten von über 8.000
Testpersonen zeigten die Forscher, dass die Größe des Gehirns für IQ-Testleistungen nur eine
untergeordnete Rolle spielt.
Bereits im Jahr 1836 schrieb der deutsche Physiologe und Anatom Friedrich Tiedemann in den
Philosophical Transactions, dass es für ihn keinen Zweifel gäbe, dass es einen sehr engen
Zusammenhang zwischen der absoluten Gehirngröße und den intellektuellen Leistungen geben
müsse. Mit der Entwicklung von bildgebenden Verfahren wie etwa der Magnetresonanztomographie
ist es nun möglich, das Gehirnvolumen lebender Menschen verlässlich zu untersuchen und in weiterer
Folge mit IQ-Testleistungen in Beziehung zu setzen.
Ein internationales Team unter Federführung von Forschern der Universität Wien (Jakob Pietschnig,
Michael Zeiler und Martin Voracek von der Fakultät für Psychologie), zusammen mit Lars Penke
(Universität Göttingen) und Jelte Wicherts (Tilburg University), publizierte nun Ergebnisse einer MetaAnalyse zur Korrelation zwischen in-vivo Gehirnvolumen und IQ. Anhand von 148 Stichproben mit
über 8.000 Testpersonen belegten sie jedoch einen nur schwachen Zusammenhang der Gehirngröße
mit dem IQ. Diese Zusammenhänge zeigten sich unabhängig von Geschlecht und Alter der
Testpersonen. "Die vorliegende Beobachtung bedeutet, dass die Größe des Gehirns für IQTestleistungen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Obwohl sich ein gewisser Zusammenhang
nachweisen lässt, dürfte die Gehirngröße nur geringe praktische Relevanz haben. Vielmehr scheinen
Struktur und Integrität des Gehirns als biologische Grundlage von Intelligenz zu fungieren", erklärt
Jakob Pietschnig vom Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien.
Gehirnstruktur vs. Gehirngröße
Die Wichtigkeit struktureller Aspekte des Zentralnervensystems im Gegensatz zu Gehirngröße ist
bereits durch die Untersuchung verschiedener Spezies ersichtlich. Absolut gesehen ist nämlich der
Pottwal Spitzenreiter, wenn es um die Größe des Gehirns geht. Bezieht man die durchschnittliche
Körpermasse der jeweiligen Spezies mit ein, geht hingegen die Spitzmaus in Führung. Ähnlich verhält
es sich, wenn man weitere anatomische Aspekte miteinbezieht: Der Homo sapiens übernimmt unter
keiner versuchten Bedingung die erwartete Führung. Vielmehr scheinen strukturelle Unterschiede des
Gehirns für unterschiedliche Intelligenzleistungen zwischen den Spezies verantwortlich zu sein.
Innerhalb der Gattung Homo sapiens gibt es aber auch Indikatoren, die einen hohen Zusammenhang
zwischen Gehirnvolumen und IQ aus inhaltlicher Sicht in Frage stellen. Es ist zum Beispiel gut belegt,
dass Männer im Durchschnitt größere Gehirne haben als Frauen. Geschlechtsunterschiede in
genereller kognitiver Fähigkeit gibt es allerdings nicht. Ein weiteres Beispiel zeigt sich anhand von
Personen mit Megalenzephalie (substantielle Vergrößerung des Gehirnvolumens), die im Allgemeinen
unterdurchschnittliche IQ-Testleistungen erbringen. "Strukturelle Gehirnaspekte sind also auch
innerhalb der Spezies Mensch wichtiger als die Gehirngröße", resümiert Pietschnig.
Publikation in "Neuroscience and Biobehavioral Reviews":
Pietschnig, J., Penke, L., Wicherts, J. M., Zeiler, M., & Voracek, M. (2015). Meta-analysis of
associations between human brain volume and intelligence differences: How strong are they and what
do they mean? Neuroscience and Biobehavioral Reviews, in press.
DOI: http://dx.doi.org/doi:10.1016/j.neubiorev.2015.09.017
http://www.sciencedirect.com/science/journal/aip/01497634
Wissenschaftlicher Kontakt
Mag. Dr. Jakob Pietschnig, FHEA
Institut für Angewandte Psychologie: Gesundheit, Entwicklung und Förderung
Fakultät für Psychologie
1010 Wien, Liebiggasse 5
T +43-1-4277-472 37
[email protected]
Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
Universitätsring 1, 1010 Wien
T +43-1-4277-175 33
M +43-664-60277-175 33
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Mater Rudolphina Vindobonensis im Jahr 2015 ihr 650-jähriges Gründungsjubiläum. www.univie.ac.at
1365 gegründet, feiert die Alma Mater Rudolphina Vindobonensis im Jahr 2015 ihr 650-jähriges
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