RUBRUM (Sommersemester 2015) Priv.

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RUBRUM
(Sommersemester 2015)
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
2. Klausur (Polizeirecht)
E ist Eigentümer eines Mietshauses in der nordrhein-westfälischen Stadt G. Er hat der Mieterin
M ordnungsgemäß gekündigt und bereits ein Räumungsurteil erwirkt. Die Räumung soll am
23. Mai1 stattfinden. Noch am 19. Mai hat M jedoch keinerlei anderweitige Wohnmöglichkeit.
Da sie auch über kein Einkommen verfügt, ist sie derzeit nicht in der Lage auf den regulären
Wohnungsmarkt eine geeignete Unterkunft zu finden.
Daraufhin wendet sie sich an die Ordnungsbehörde der Stadt G und verlangt von dieser, ihr für
die Dauer der Obdachlosigkeit eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. G verweist daraufhin
auf eine städtische Einrichtung, die von abends 18 Uhr bis morgens um 8 Uhr eine
Übernachtungsmöglichkeit bietet. Das Verlangen nach einer ganztägigen Unterkunft wird
demgegenüber von G abgelehnt. Es gebe ausreichend sonstige Möglichkeiten, sich an frei
zugänglichen Orten wie Bahnhofshallen, Bibliotheken, Cafes und kirchlichen Stellen
aufzuhalten auch wenn eine offizielle Kooperation dieser Stellen mit der Stadt G nicht bestünde.
M beantragt daraufhin beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht, die G im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr vorläufig, bis zu einer Entscheidung in der
Hauptsache, eine ganztägige Unterkunft zuzuweisen.
Hat der Antrag der M Aussicht auf Erfolg?
Abwandlung 1:
Am Morgen des 23. Mai – dem Tag der Räumung – verfügt die Stadt G die Wiedereinweisung
der M gegenüber dem zuvor angehörten E (befristet bis zum 23. August). Sie führt an, dass eine
Obdachlosigkeit der M derzeit anders nicht abgewendet werden könne (was zutrifft). Ab dem
1
Hat dieses Datum irgendeine Bedeutung?
1
23. August steht eine anderweitige Unterbringung der Stadt G zur Verfügung. E ist empört. Er
hält diese Vorgehensweise für rechtswidrig.
Prüfen Sie die Rechtmäßigkeit der gegenüber E ergangenen Verfügung.
Abwandlung 2:
Wie Abwandlung 1. Am 23. August verweigert M den Auszug aus der Wohnung.
Kann E die zwangsweise Räumung von der Stadt G verlangen?
Abwandlung 3:
Als M den Auszug am 23. August verweigert, verzichtet E zunächst auf eine Verpflichtung der
G und betreibt stattdessen die Räumung aufgrund des weiterhin wirksamen Räumungstitels. M
ist zahlungsunfähig.
Kann E die Kosten der Räumung (1.500 Euro) von der Stadt G aus Amtshaftung
verlangen?
Abwandlung 4:
M richtet in der Zeit vom 23. Mai-23.August zahlreiche Schäden in der Wohnung des E an.
Kann E Ersatz für die dadurch verursachten Kosten (1000 Euro) verlangen?
Zusatzfragen:
1. Welche Probleme stellen sich bei der sog. „Rechtsnachfolge in die Verantwortlichkeit“?
2. Wonach richtet sich die Auswahl unter mehreren Störern?
3. Kann durch eine Verordnung das Betteln und der Alkoholgenuss in öffentlichen Straßen
untersagt werden?
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4. A läuft regelmäßig unbekleidet durch die Fußgängerzone. Dies wird ihr von der
Ordnungsbehörde untersagt. Zulässig?
5. Was ist ein sog. Hängebeschluss?
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Lösung der 2. Klausur
Hinweis: Es handelt sich insgesamt um Standardkonstellationen, die Sie sicher beherrschen müssen. Alle diese
Konstellationen würden freilich nicht in einer einzigen Klausur abgefragt werden.
M wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes an das Verwaltungsgericht. In Betracht kommt
hier ein Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO. Dieser hat
Aussicht auf Erfolg, soweit er zulässig (A) und begründet (B) ist.
A. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Zunächst müsste der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Dies richtet sich mangels
aufdrängender Sonderzuweisung nach § 40 Abs. 1 VwGO. Erforderlich ist danach zunächst
eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, was sich nach der wahren Natur des behaupteten
Anspruchs richtet. Vorliegend begehrt M die Gewährung einer Unterkunft. Streitentscheidende
Normen sind dabei solche des (allgemeinen) Polizeirechts. Diese Regelungen berechtigen und
verpflichten einseitig einen Hoheitsträger in dieser Funktion und stellen damit nach der
modifizierten Subjektstheorie öffentliches Sonderrecht des Staates dar. Eine abdrängende
Sonderzuweisung (einschließlich § 23 EGGVG) ist für diese nicht-verfassungsrechtliche
Streitigkeit nicht ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
II. Statthafte Antragsart
Die statthafte Antragsart richtet sich nach dem Klagebegehren, vgl. §§ 122 Abs. 1 iVm 88
VwGO. M begehrt die Gewährung einer Unterkunft. Sie wendet sich damit nicht gegen einen
Verwaltungsakt, müsste in der Hauptsache vielmehr eine Verpflichtungsklage erheben. Damit
sind vorliegend nicht die nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangigen Regelungen des § 80, 80a
VwGO einschlägig. Statthafte Antragsart ist vielmehr § 123 VwGO und zwar in der Form der
Regelungsanordnung, da es M mit der Gewährung einer Unterkunft um die Erweiterung des
bestehenden Rechtskreises geht.
Hinweis: Die Darlegung um welche Art der Anordnung es sich handelt, ist nicht zwingend erforderlich.
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III. Antragsbefugnis
M müsste auch antragsbefugt sein, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Dies setzt im Rahmen des § 123
VwGO voraus, dass dessen Begründetheitsvoraussetzungen – Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund – nicht von vornherein ausgeschlossen werden können.
Demnach dürfte zunächst ein Anordnungsanspruch nicht von vornherein ausgeschlossen
erscheinen. M müsste also (möglicherweise) einen Anspruch gegenüber der Stadt G auf
Gewährung einer ganztägigen Unterkunft geltend machen können. Als Anspruchsgrundlage
kommt hier allein die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG in Betracht.
Einen Anspruch vermag diese jedoch nur dann zu vermitteln, wenn ihr überhaupt
(möglicherweise) eine drittschützende Wirkung im Sinne der Schutznormtheorie zukommen
kann und diese Voraussetzungen auch in diesem Fall (möglicherweise) erfüllt sind.
Entscheidend ist also, ob § 14 Abs. 1 OBG nicht nur Allgemeininteressen, sondern zumindest
auch Individualinteressen schützen will. Zwar geht es bei § 14 Abs. 1 OBG zunächst einmal
um den Schutz der öffentlichen Sicherheit. Dieser Befund spricht zunächst einmal gegen einen
möglichen Drittschutz. Allerdings umfasst das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit nach ganz
anerkannter Auffassung eben auch den Schutz individueller Rechtsgüter, wie Leben,
Gesundheit, Eigentum. Auch diese Regelung ist daher als drittschützend einzustufen, sofern es
gerade um den Schutz ebensolcher Güter geht. Genau das ist aber vorliegend der Fall: da
nämlich M droht jedenfalls tagsüber obdachlos zu werden, bestehen Gefahren zumindest für
ihre Gesundheit. Angesichts dieses bedeutenden Schutzguts ist es dabei auch nicht
ausgeschlossen, dass die Stadt G zu einem Einschreiten verpflichtet ist. Ob dies tatsächlich der
Fall ist, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit.
Da
eine
Räumung
unmittelbar
bevorsteht,
erscheint
auch
das
Vorliegen
eines
Anordnungsgrundes nicht von vornherein ausgeschlossen. M ist antragsbefugt.
IV. Antragsgegner
Antragsgegner ist nach dem Rechtsträgerprinzip des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Stadt G.
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V. Rechtsschutzbedürfnis
M hat sich zuvor mit der Stadt G auseinandergesetzt. Damit ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis
gegeben.
Hinweis: Ob dies erforderlich ist, ist umstritten, war hier aber nicht zu klären.
VI. Ergebnis
Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig.
Hinweis: Sofern es im Sachverhalt um die Wohnung des E ginge, wäre an § 65 Abs. 2 VwGO zu denken. Diese
Regelung greift auch im Beschlussverfahren, sofern die besondere Eilbedürftigkeit dem nicht entgegensteht.
B. Begründetheit
Der Antrag nach § 123 VwGO ist auch begründet, soweit M einen Anordnungsanspruch (I) und
einen Anordnungsgrund (II) glaubhaft machen kann (§ 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 ZPO).
Zudem darf die Hauptsache nicht vorweg genommen werden (III).
I. Anordnungsanspruch
M müsste zunächst einen Anordnungsanspruch geltend machen können. Dies wäre dann der
Fall, wenn die Stadt G nicht nur zu einem Einschreiten befugt, sondern zu einem solchen sogar
verpflichtet wäre. Eine solche Handlungspflicht könnte sich vorliegend aus § 14 Abs. 1 OBG
ergeben. Dann müssten dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein (a). Zudem müsste das
Ermessen der Stadt G auf Null reduziert sein (b).
a) Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 OBG
Ein Handeln nach § 14 Abs. 1 OBG setzt eine (konkrete) Gefahr für die öffentliche Sicherheit
(oder Ordnung) voraus. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst dabei neben der
objektiven Rechtsordnung und den Einrichtungen des Staates auch die Rechte einzelner. Das
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Schutzgut der Gesundheit der M ist damit vom Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst.
Erforderlich ist jedoch eine (konkrete) Gefahr. Dieser Begriff beschreibt eine Sachlage, bei der
im Einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein
Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Hier droht in wenigen
Tagen die Obdachlosigkeit der M zumindest während der Tageszeit. Dadurch ist die M den
Witterungsverhältnissen prinzipiell schutzlos ausgesetzt, sie hat zudem keinerlei gesicherte
Möglichkeiten für die erforderliche körperliche Hygiene. Damit droht ab dem Zeitpunkt der
Räumung eine Gefahr für die Gesundheit der M. Anders wäre möglicherweise zu entscheiden,
wenn es sich dabei um einen freiwillig von M gewählten Zustand handeln sollte (freiwillige
Selbstgefährdung). Das ist hier aber offensichtlich nicht der Fall.
Da die Stadt G auch örtlich und sachlich zuständig wäre, eine entsprechende Maßnahme zu
treffen, sind die Tatbestandvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 OBG damit erfüllt.
b) Ermessensreduzierung auf Null
Einen Anspruch auf Gewährung einer Unterkunft hätte M jedoch nur dann, wenn sie geltend
machen kann, dass das Ermessen der Stadt G hier auch auf Null reduziert ist, die Stadt G also
nur dann rechtmäßig handeln würde, wenn sie der M eine ganztägige Unterkunft zuweisen
würde. Zwar wird in der Literatur der Erlass einer Anordnung nach § 123 VwGO auch dann für
möglich gehalten, wenn eine solche Ermessensreduzierung nicht nachgewiesen werden kann.
Diese Ansicht verkennt indes, dass der Antragsteller im Rahmen des Anordnungsverfahrens
ganz grundsätzlich nicht mehr erhalten darf, als im Hauptsacheverfahren.
Fraglich ist demnach, ob vorliegend von einer solchen Ermessensreduzierung ausgegangen
werden kann. Dabei ist aufgrund des besonderen Schutzguts zunächst davon auszugehen, dass
die Behörde zu einem Handeln verpflichtet ist, ihr Entschließungsermessen also tatsächlich auf
Null reduziert ist. Sie kann insofern angesichts der drohenden Obdachlosigkeit der M nicht
gänzlich untätig bleiben.
Davon zu trennen ist freilich zunächst einmal das weiterhin bestehende Auswahlermessen. Die
G kann also unter verschiedenen denkbaren Alternativen grds. die aus ihrer Perspektive
zweckmäßigste auswählen. Hier hat die G sich dafür entschieden, allein auf die Möglichkeit
der nächtlichen Unterkunft zu verweisen. Er erscheint jedoch fraglich, ob dies in der
vorliegenden Situation als ausreichend angesehen werden kann. Zwar kann der Obdachlose
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wohl nicht verlangen, eine Einzelunterkunft zu erhalten. Auch das Teilen der Waschgelegenheit
mit anderen muss dieser regelmäßig akzeptieren. Einen besonderen Wohnkomfort kann er
mithin nicht erwarten. Insoweit ist der Obdachlose zur Duldung der von der Stadt ausgewählten
Unterkunft verpflichtet. Eine Grenze findet diese Duldungspflicht allerdings in der
Zumutbarkeit der von der Stadt getroffenen Entscheidung. Das erscheint bei der Entscheidung
der Stadt G jedoch nicht gewährleistet. Obdachlosen muss die Möglichkeit eingeräumt werden,
sich auch tagsüber vor der Witterung zu schützen. Auch vor dem Hintergrund des Art. 1 Abs.
1 GG muss dem Einzelnen mithin eine ganztätig geschützte Sphäre zustehen, die einen
gewissen Rückzug erlaubt. Der Verweis der Stadt G auf die öffentlich zugänglichen Orte genügt
hierfür nicht. Denn damit wird sie ihrer eigenen Verantwortung gegenüber der M nicht gerecht
und verlässt sich auf das Wohlwollen Dritter. Zwar ist die Übertragung städtischer Aufgaben
auf Dritte nicht ausgeschlossen. Eine solche setzt dann aber verbindliche Absprachen voraus,
so dass deren Erfüllung dauerhaft sichergestellt ist. Genau das ist hier aber laut SV nicht der
Fall. M hat damit einen Anspruch auf eine ganztägige Zuweisung einer zumutbaren Unterkunft.
II. Anordnungsgrund
M müsste auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen können. Nach § 123 Abs. 1 S. 2
VwGO ist dies der Fall, wenn die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur
Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hier drohen ohne
eine umgehende Zuweisung konkrete Gefahren für die Gesundheit der M. Ein Abwarten der
Hauptsacheentscheidung ist für M damit nicht zumutbar. Ein Anordnungsgrund besteht.
III. Keine Vorwegnahme der Hauptsache
M begehrt allein die vorläufige Unterbringung. Damit liegt auch keine Vorwegnahme der
Hauptsache vor.
C. Ergebnis
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Um die
primäre Verantwortung der M im Hinblick auf das Finden einer Wohnung zu verdeutlichen,
wird das Gericht dabei eine zeitlich befristete Anordnung auf Zuweisung erteilen (etwa drei
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Monate). Sollte M dann weiterhin die Obdachlosigkeit drohen, kann diese einen erneuten
Antrag nach § 123 VwGO stellen.
Abwandlung 1
Zu prüfen ist die Rechtmäßigkeit der gegenüber E ergangenen Verfügung. Diese ist rechtmäßig,
wenn sie auf einer wirksamen Rechtsgrundlage beruht (A), von der sowohl in formeller (B) als
auch in materieller Hinsicht (C) rechtmäßig Gebrauch gemacht wurde.
A. Rechtsgrundlage der Verfügung
Die Verfügung greift in das Eigentumsrecht des E ein. Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des
Gesetzes bedarf sie daher einer gesetzlichen Grundlage. Als solche kommt vorliegend allein
die ordnungsrechtliche Generalklausel in Betracht, § 14 Abs. 1 OBG.
B. Formelle Rechtmäßigkeit
Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine formelle Rechtswidrigkeit der
Verfügung. Insbesondere ist E ordnungsgemäß angehört worden (§ 28 VwVfG).
C. Materielle Rechtmäßigkeit
Die Verfügung müsste auch materiell rechtmäßig sein. Dies ist der Fall, wenn der Tatbestand
des § 14 Abs. 1 OBG erfüllt ist (1), E als polizeipflichtig angesehen werden kann (2) und keine
Ermessensfehler vorliegen (3).
1. Tatbestandvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 OBG
Es müsste eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegen. Hier
droht unmittelbar die Räumung der Wohnung und damit die Obdachlosigkeit der M. Dies stellt,
wie oben dargelegt, eine Gefährdung der Gesundheit der M und damit eine (konkrete)
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar.
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2. Störereigenschaft des E
E müsste auch als Störer anzusehen sein. In Betracht kommt hier zunächst eine
Verhaltensverantwortlichkeit des E nach § 17 OBG. Tatsächlich hat der E durch sein Verhalten,
diese Gefährdung des M hervorgerufen: Durch die Kündigung und die anschließende
Betreibung des Räumungsverfahrens, „verusacht“ der E letztlich die Obdachlosigkeit der M.
Allerdings ist dabei zu beachten, dass der E als Eigentümer einer Wohnung lediglich den
zivilrechtlich vorgesehenen Weg beschritten hat, um als Vermieter wieder in den Besitz seiner
Wohnung zu kommen. Es würde daher dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung
widersprechen, wollte man ihn nun polizeirechtlich als Störer ansehen, obwohl er sich
zivilrechtlich vollständig rechtstreu verhalten hat.
Damit kann E hier nur als Nichtstörer in Anspruch genommen werden, § 19 OBG. Dies setzt
voraus, dass eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Gefahr vorliegt. Die Erheblichkeit der
Gefahr ist dabei an der Bedeutung des bedrohten Rechtsguts zu messen. Die hier aufgrund der
Obdachlosigkeit bedrohte Gefahr für die Gesundheit der M präsentiert sich danach als
erheblich. Diese steht aufgrund der Räumung auch unmittelbar bevor. E hingegen wird durch
die Einweisung nicht an seinem Leben oder seiner Gesundheit gefährdet. Damit kann E hier als
Nichtstörer in Anspruch genommen werden.
C. Keine Ermessensfehler
Die Entscheidung der Stadt G dürfte auch keine Ermessensfehler aufweisen. Hier kommt
möglicherweise eine Ermessensüberschreitung in Form der Verletzung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit in Betracht. Die Wiedereinweisung erweist sich zunächst als geeignet, die
Obdachlosigkeit abzuwenden. Eine anderweitige Unterbringungsmöglichkeit steht laut SV
zudem nicht zur Verfügung. Damit ist auch von der Erforderlichkeit der Maßnahme
auszugehen. Fraglich ist indes, ob sie sich auch als angemessen erweist. Dabei ist zu beachten,
dass die freie Verfügbarkeit über Wohnraum auf Seiten des E grundrechtlich geschützt ist. Im
Grundsatz muss sich also niemand einen Zwangsmieter aufdrängen lassen. Die
Wiedereinweisung eines Obdachlosen in die bisherige Wohnung zu Lasten eines Nichtstörers
darf insbesondere nicht dazu führen, dass die Gemeinden sich ihrer gesetzlichen Aufgabe
jederzeit
Obdachlosenunterkünfte
vorzuhalten
oder
anderweitig
Vorsorge
für
die
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Unterbringung obdachloser Personen zu treffen, auf erhebliche Zeit entziehen können. Sie ist
für den Eigentümer nur zumutbar, wenn es sich um eine zeitlich begrenzte Übergangs- und
Notlösung handelt. Hier kann G erst ab dem 23. August eine städtische Unterbringung
auftreiben. Die dadurch notwendige zweimonatige Zwangsunterbringung erweist sich für den
E als zumutbar. Damit liegt hier kein Verstoß gegen den Grundsatz der VHM vor.
D. Ergebnis
Die Verfügung gegenüber dem E ist rechtmäßig.
Abwandlung 2
E verlangt die zwangsweise Räumung von der Stadt G, nachdem M nach Ablauf der
Einweisungsfrist am 23. August nicht ausgezogen ist. In Betracht kommt hier ein
Folgenbeseitigungsanspruch.
A. Rechtsgrundlage des FBA
In der Literatur und auch der Rechtsprechung herrscht keine Einigkeit bzgl. der genauen
Rechtsgrundlage des (ungeschriebenen) Folgenbeseitigungsanspruchs. Teilweise wird dieser
unmittelbar aus den Grundrechten, teilweise hingegen aus einer analogen Anwendung der §§
823, 1004 BGB oder unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet. Eine Entscheidung
dieser Frage kann jedoch dahinstehen, da der Anspruch selbst und auch dessen
Voraussetzungen im Einzelnen zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannt sind. Erforderlich
sind für diesen Anspruch danach ein hoheitlicher Eingriff in subjektive Rechte des Betroffenen
(B), der zu einem rechtswidrigen nicht zu duldenden Zustand führt (C). Zudem muss die
Wiederherstellung für den jeweiligen Hoheitsträger sowohl tatsächlich als auch rechtlich
möglich sein (D).
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B. Eingriff in subjektive Rechte des E
Durch die Wiedereinweisung wird E in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt.
Es liegt damit ein Eingriff in subjektive Rechte des E vor.
C. Rechtswidriger nicht zu duldender Zustand
Durch diesen Eingriff müsste es auch zu einem rechtswidrigen, von E nicht zu duldenden
Zustand gekommen sein. Für den Zeitraum bis zum 23. August war der E aufgrund der
Wiedereinweisungsverfügung – unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit – zur Duldung der
Einweisung verpflichtet. Dieser Zeitraum ist nunmehr freilich abgelaufen. Damit entfällt diese
Duldungspflicht. Fraglich ist jedoch, ob der dadurch hervorgerufene Zustand – nämlich die
unberechtigte weitere Inbesitznahme der Wohnung durch die M auf diesem Eingriff der Stadt
beruht. Das erscheint jedoch fraglich. Dass M weiter in der Wohnung verweilt, beruht auf ihrem
eigenständigen Entschluss und ist keine unmittelbare Folge der Einweisung durch die Stadt.
Allerdings muss die Frage der Zurechnung in einem solchen Fall unter wertenden
Gesichtspunkten erfolgen. Immerhin erhält die Behörde mit der Einweisung ganz unmittelbar
die Verfügungsgewalt über die Wohnung. Die dadurch begründeten öffentlich-rechtlichen
Beziehungen sind aber nicht automatisch mit Ablauf der Einweisungsfrist beendet. Auch für
Folgefragen ist demnach eine Verantwortung der Stadt G nicht von vornherein auszuschließen.
Insbesondere im Fall einer Einweisung ist dabei auch zu beachten, dass es sich empirisch als
eine ganz typische Folge erweist, dass die eingewiesenen Personen über den
Einweisungszeitraum hinaus in der Wohnung verbleiben. Es wäre daher nur schwer einzusehen,
dass der Hoheitsträger sich anschließend mit diesem formalen Argument aus seiner
Verantwortung lösen könnte. Dass muss jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Eigentümer,
wie hier, bereits ein Räumungsverfahren abgeschlossen und einen Räumungstermin erwirkt hat.
Denn ohne die Einweisung wäre die Wohnung längst geräumt gewesen. In einer wertenden
Perspektive ist dieser (nunmehr) rechtswidrige Zustand daher der Stadt G zuzurechnen.
D. Rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Räumung
Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands müsste auch rechtlich und tatsächlich
möglich sein. Dabei ist hier zunächst zu fragen, worin dieser ursprüngliche Zustand überhaupt
besteht. Bei formaler Betrachtungsweise ist dieser nämlich bereits wieder eingetreten. Wie
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zuvor könnte der E nun nämlich gegen die M im Rahmen eines zivilrechtlichen
Räumungsverfahrens vorgehen. Auch hier setzt sich die oben angesprochene Wertung jedoch
fort. Gegenstand der Wohnungseinweisung ist insofern nämlich zwar keine bereits leere doch
aber eine gerade freiwerdende Wohnung. Auch der FBA ist demnach darauf gerichtet, dem E
eine solche – unmittelbar für dritte nutzbare Wohnung zu verschaffen.
Dieses Ziel müsste auch rechtlich und tatsächlich für die Stadt G möglich sein. An der
tatsächlichen Möglichkeit bestehen vorliegend keine Zweifel. Fraglich ist jedoch, ob auch eine
rechtliche Möglichkeit besteht. Dies setzt eine Ermächtigungsgrundlage voraus (1), von der die
Stadt G auch in formell (2) und materiell (3) rechtmäßiger Weise Gebrauch machen könnte.
1. Rechtsgrundlage eines Vorgehens gegen M
Fraglich ist, auf welche Rechtsgrundlage die G ein Vorgehen gegen M stützen könnte.
Bisweilen wird von der Literatur hier direkt auf den FBA verweisen, der hier auch die
Grundlage für ein Vorgehen gegen Dritte sein könne. Dies ist indes aus zwei Gründen verfehlt.
Zum einen ist ein FBA gerade noch nicht abschließend geprüft. Ob dieser überhaupt vorliegt,
ist also noch gar nicht klar. Diesen dann aber als Rechtsgrundlage nutzen zu wollen, erweist
sich als widersprüchlich. Wesentlich gravierender ist jedoch der zutreffende Einwand, dass eine
solche Vorgehensweise mit dem Rechtstaatsprinzip nicht im Einklang steht. Denn ein
Vorgehen gegen die M stellt sich als Eingriff in deren Rechte dar, der einer gesetzlichen
Grundlage bedarf. Der FBA ist als ungeschriebenes Recht dafür nicht ausreichend. Demnach
bedarf es jedenfalls beim Vorgehen gegen Dritte einer gesonderten Rechtsgrundlage für das
Handeln der Stadt. Fehlt eine solche, liegt rechtliche Unmöglichkeit vor. Der FBA scheitert.
Vorliegend kommt als Rechtsgrundlage die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 Abs. 1
OBG in Betracht.
2. Formelle Rechtmäßigkeit
In formeller Hinsicht sind keine Bedenken ersichtlich. M wäre allerdings gemäß § 28 VwVfG
anzuhören.
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3. Materielle Rechtmäßigkeit
Aufgrund des Verweilens der M in der Wohnung des E liegt eine Beeinträchtigung der Rechte
des E und damit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vor. M erweist sich auch als
Störerin (Verhaltensstörer). Ein Einschreiten dürfte auch nicht ermessensfehlerhaft sein, sich
insbesondere als Verstoß gegen den Grundsatz der VHM präsentieren. Dafür ist vorliegend
jedoch nichts ersichtlich. Ob darüber hinaus auch eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt,
ist an dieser Stelle unerheblich. Hier geht es allein um die Möglichkeit eines Einschreitens
gegen den M. Diese ist aber unabhängig von einer möglicherweise bestehenden Verpflichtung
der Stadt G gegeben.
E. Ergebnis
E hat gegen die Stadt G einen Anspruch auf Räumung der Wohnung.
Abwandlung 3
In Betracht kommt ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB iVm Art. 34 GG.
A. „Jemand“ in Ausübung
Die Amtshaftung setzt nach Art. 34 GG zunächst voraus, dass „jemand“ in Ausübung eines ihm
anvertrauten Amtes handelt. Durch Art. 34 GG kommt es damit zu einer Erweiterung des
persönlichen Anwendungsbereiches der Amtshaftung; § 839 BGB richtet sich allein an Beamte
im beamtenrechtlichen Sinne.2 Entscheidend ist dadurch nicht mehr der jeweilige Status der
handelnden Person, relevant ist vielmehr allein die Rechtsnatur der von dieser in der konkreten
Situation wahrgenommenen Aufgabe.3 Im Rahmen dieser funktionellen Betrachtungsweise ist
demnach die Frage zu stellen, ob das schadensersatzbegründende Verhalten der handelnden
Person dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist.4
2
3
4
Sprau, in: Palandt, § 839 Rn 13.
Sprau, in: Palandt, § 839 Rn 17; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn 4; Frenz,
Öffentliches Recht Rn 916 f.; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 385 f.
Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts Rn 18.
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Hier ist die M durch die Verfügung der Stadt G zunächst in die Wohnung des E eingewiesen
worden. Anschließend hat es die Stadt G unterlassen, den M wieder aus der Wohnung zu
räumen. In beiden Fällen hat die Stadt G (genauer der anordnende Beamte) dabei hoheitlich
gehandelt.
Diese Tätigkeit bzw. dieses Unterlassen erfolgte auch in Ausübung eines öffentlichen Amtes.
B. Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht
Die Stadt G (der handelnde Beamte) müsste auch eine Amtspflicht verletzt haben. Die
Amtspflichten bestehen nicht gegenüber dem einzelnen Bürger, sondern gegenüber dem
jeweiligen Dienstherrn. Es sind also Pflichten im Innenverhältnis.5 Die Rechtsprechung hat
mittlerweile eine ganze Fülle von solchen Amtspflichten herausgearbeitet. Die bedeutendste
dieser Pflichten ist die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten.6 Der Beamte hat seine
Aufgaben und Befugnisse in rechtmäßiger Weise auszuüben. Er ist über Art. 20 Abs. 3 GG an
Gesetz und Recht gebunden und muss sein Handeln damit entsprechend der gesetzlichen
Vorgaben ausüben.7
Die Einweisung selbst ist jedoch (wie oben dargelegt) als rechtmäßig anzusehen. Anders ist
hingegen für das spätere Unterlassen der Räumung und Säuberung der Wohnung zu
entscheiden. Diese war rechtswidrig, da der E die Räumung von der Stadt aufgrund eines
bestehenden
FBA
verlangen
konnte.
Damit
liegt
in
der
Nichträumung
eine
Amtspflichtverletzung des handelnden Beamten der Stadt G.
Diese Amtspflicht müsste auch gerade gegenüber dem E bestanden haben, insoweit also
Drittwirkung entfalten. Dies ist vorliegend der Fall, da der FBA gerade dem E zustand.
C. Verschulden
Der handelnde Beamte müsste auch schuldhaft gehandelt haben. Dabei ist auf einen
pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten abzustellen. Von einem solchen kann erwartet werden,
dass er die Rechtsprechung zur Folgenbeseitigungslast in Einweisungsfällen kennt. Damit ist
5
6
7
Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 386.
Sprau, in: Palandt, § 839 Rn 32.
Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht Rn 88.
15
das Nichthandeln des zuständigen Beamten in dieser Situation als sorgfaltswidrig und damit als
fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB anzusehen.
D. Kausaler Schaden
Der dem E entstandene Schaden erweist sich auch als kausal auf der Amtspflichtverletzung
beruhend. Hätte die Stadt rechtzeitig geräumt, hätte der E das Räumungsverfahren nicht
betreiben müssen. Eine Zurechnung dieses Schadens scheitert dabei auch nicht an der Tatsache,
dass die Räumungskosten letztlich durch den bewussten Entschluss des E hervorgerufen
wurden. Denn zu der Initiierung dieses einzig zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen
Verfahrens durfte sich der E angesichts der Untätigkeit der Stadt G herausgefordert fühlen.
E. Keine anderweitige Ersatzmöglichkeit
Eine Inanspruchnahme des M steht jedenfalls dessen Zahlungsunfähigkeit entgegen. Damit
besteht jedenfalls keine realisierbare andere Ersatzmöglichkeit für den E.
F. Kein Versäumen von Rechtsmitteln
Ein Amtshaftungsanspruch besteht nach § 839 Abs. 3 BGB dann nicht, wenn es der Geschädigte
schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.8
Vorliegend ist damit die Frage aufgeworfen, ob es dem E anzulasten ist, dass er kein
gerichtliches Verfahren gegen die Stadt G eingeleitet hat, um auf diese Weise seinen FBA
durchzusetzen. Dabei ist freilich zu beachten, dass ein solches Verfahren mehrere Monate oder
sogar Jahre dauern kann, bis eine endgültige Entscheidung vorliegt. Als Inhaber eines
Vollstreckungstitels wäre es ihm aber nicht zuzumuten, so lange auf die Räumung seiner
Wohnung zu warten. Allerdings hätte für den E auch die Möglichkeit bestanden, zumindest
eine vorläufige Räumung im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu
erzielen. Einem solchen Antrag wären angesichts der bestehenden Rechtslage durchaus gute
Erfolgschancen einzuräumen gewesen. Gleichwohl wäre ein solcher vor allem im Hinblick auf
die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes mit zahlreichen Unwägbarkeiten behaftet
8
Dazu Sprau, in: Palandt, § 839 Rn 68 ff.
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gewesen. Schon aufgrund des betroffenen Rechtsguts des M – deren Gesundheit – wäre es
durchaus
denkbar
gewesen,
dass
das
zuständige
Gericht
das
Vorliegen
eines
Anordnungsgrundes ablehnt. Darüber hinaus wäre auch bei einem erfolgreichen Antrag kaum
abzusehen, wann das Vollstreckungsverfahren aus einem solchen Beschluss endgültig
abgeschlossen gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des bereits
vorliegenden zivilrechtlichen Räumungstitels war es für den E daher nicht zumutbar, auf den
Verwaltungsrechtsweg verwiesen zu werden. E hat damit kein zumutbares Rechtsmittel
schuldhaft nicht eingelegt.
G. Umfang des Schadens
Grds. ist der gesamte adäquat verursachte Schaden zu ersetzen. Vorliegend könnte jedoch daran
gedacht werden, diesen Anspruch um den Betrag zu kürzen, den der E ohne die erfolgte
Einweisung hätte tragen müssen. Dann nämlich hätte er ebenfalls die Räumungskosten selbst
tragen müssen, sofern der M zahlungsunfähig gewesen wäre. Eine solche Argumentation
erweist sich jedoch bei einer wertenden Betrachtung nicht als angebracht. Denn die
Räumungskosten wurden dem E bereits durch die Einweisungsverfügung erspart, daher geht
bereits der FBA auf Räumung der Wohnung. Eine Übernahme dieser Kosten durch die Stadt G
nun auszuschließen, würde den FBA vollständig entwerten: die Stadt könnte das Problem
praktisch aussitzen. Daher geht der Anspruch im Ergebnis auf Ersatz sämtlicher
Räumungskosten, hier also 1.500 Euro. Für ein den Anspruch kürzendes Mitverschulden im
Sinne des § 254 BGB ist nichts ersichtlich.
H. Ergebnis
E kann von der Stadt G Ersatz der Räumungskosten in Höhe von 1.500 Euro verlangen.
Abwandlung 4
Im Betracht kommt in dieser Konstellation sowohl ein Anspruch aus verwaltungsrechtlichem
Schuldverhältnis (A) sowie aus § 39 Abs. 1 lit. a) OBG (B).
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A. Anspruch aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis
Ein solcher Anspruch wegen der schuldhaften Verletzung von Pflichten aus einem
verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ist zwar gesetzlich nicht normiert, wird jedoch von §
40 Abs. 2 S. 1 VwGO vorausgesetzt und ist mittlerweile auch gewohnheitsrechtlich anerkannt.
Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen sind dabei die zivilrechtlichen Regelungen der
§§ 280 ff. BGB analog heranzuziehen.
Damit müsste zwischen der Stadt G und E zunächst ein verwaltungsrechtliches
Schuldverhältnis bestanden haben, also eine Situation, welche nach Struktur und Gegenstand
zivilrechtlichen Schuldverhältnissen vergleichbar ist. Hier wird der E zur Erfüllung staatlicher
Aufgaben genutzt. Durch die Inbesitznahme der Wohnung durch die Stadt G wird dabei eine
Sonderbeziehung mit verwahrungsähnlichem Charakter zwischen E und der Stadt G begründet.
Diese Nähebeziehung rechtfertigt eine Analogie zu den zivilrechtlichen Regelungen.
Die Stadt G müsste schuldhaft eine Pflichtverletzung begangen haben. Das erweist sich
zunächst jedoch als fraglich. Denn zwar hat die Stadt für die Einweisung des M gesorgt. Die
Schäden selbst hat jedoch allein die M und gerade nicht die Stadt G verursacht. Möglicherweise
muss sich die Stadt G dieses Verhalten jedoch in analoger Anwendung des § 278 BGB als
eigenes Verhalten zurechnen lassen. Tatsächlich erweist sich die M nämlich als
Erfüllungsgehilfe in diesem Sinne, so wie dies etwa auch im Verhältnis des Untermieters zum
Mieter der Fall ist.
Damit muss die Stadt G für das Verhalten der M einstehen. E hat daher einen Anspruch auf
Ersatz des bei ihm entstandenen Schadens in Höhe von 1000 Euro.
B. Anspruch aus § 39 Abs. 1 lit. a) OBG
E ist vorliegend als Nichtverantwortlicher im Sinne des § 19 OBG in Anspruch genommen
worden. E hat daher einen Anspruch auf Schadensersatz, sofern er durch diese rechtmäßige
Inanspruchnahme einen Schaden erlitten haben sollte, § 39 Abs. 1 lit. a) OBG. Ohne die
Einweisung wäre es zu den Schäden nicht gekommen, da die Wohnung bereits geräumt
gewesen wäre. Sie sind damit kausal durch die Einweisung verursacht worden. Dieses Ergebnis
bedarf dabei vorliegend auch keiner Korrektur aus wertenden Gesichtspunkten. Denn solche
Beschädigungen durch den Eingewiesenen sind in der Praxis keine Seltenheit. Es erweist sich
in diesem Zusammenhang als angemessen, dieses erhöhte Beschädigungsrisiko nicht dem
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Eigentümer zuzuweisen, der auch solchen Beschädigungen ja gerade durch die Räumung
zuvorkommen wollte. Damit hat der E auch aus § 39 Abs. 1 lit. a) OBG einen Anspruch auf
Ersatz des ihm entstandenen Schadens in Höhe von 1000 Euro.
Hinweis: Der Fall ist in wesentlichen Teilen einer Bearbeitung von Seidel aus
Seidel/Reimer/Möstl, Besonderes Verwaltungsrecht. 2. Auflage 2005 entnommen.
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