2. Tag: Neurobiologie / Mentalisierung Folie 1 Schon in den ersten

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2. Tag: Neurobiologie / Mentalisierung
Folie 1
Schon in den ersten Monaten zeigen Kinder intensives Interesse an der sozialen Welt. Die
Fähigkeit, sich selbst oder anderen intentionale mentale Zustände, also Wünsche, Ziel und
Überzeugungen zuzuschreiben, um Handlungen und Verhaltensweisen zu erklären, ist erst mit
Vollendung des 4. LJ. Voll entwickelt.
Folie 2
Ein bindungspsychologischer Blick auf die frühe emotionale Entwicklung
Wie können Kinder lernen, ihre Gefühle zu regulieren?
Wie können Eltern oder sekundäre Bezugspersonen die Kinder begleiten?
Wie können Frühförderer diese Prozesse initiieren?
Die gesundheitliche und seelische Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern wird
entscheidend durch eine gelingende alltägliche Eltern-Kind-Interaktion beeinflusst.
Wichtige Entwicklungskompetenzen, wie der Umgang mit Belastungen, Fähigkeiten, sich
flexibel an rasch wechselnde Umgebung anzupassen, Erregungszustände physiologischer oder
emotionaler Art und das Verhalten zu regulieren oder Stress zu bewältigen, werden hier
grundgelegt.
Eine wichtige Voraussetzung, sich der Umwelt offen zuwenden zu können.
Eine sichere Bindungsbeziehung, die von feinfühligem Verhalten geprägt ist, fungiert für den
Säugling als eine „externe Regulationshilfe“.
Aus neueren neurobiologischen Forschungsbefunden geht hervor, das jegliche Art von
Bindungsbeziehungen die Funktion und die Struktur des sich entwickelnden Gehirns
beeinflussen. (Schor, 1994, 2001)
Wir wollen in unserer Fortbildung über die emotionale Entwicklung aus der Sicht der
Neurobiologie sprechen,
einen kurzen Ausflug zur Gehirnentwicklung allgemein und mit den dazugehörenden
Hormonen in Abhängigkeit von den Gefühlen machen.
Die emotionale Entwicklung aus Sicht der Bindungspsychologie ist für uns ein weiterer
wichtiger Aspekt, der zum Verständnis der sich anschließenden Bindungstheorie mit den
BQ`s sicher, unsicher-vermeidend, unsicher-ambivalent, desorganisiert und zur Feinfühligkeit
führt.
Im Hinblick auf immer höher werdende Ansprüche an Beratung und Förderung, wird es in
Zukunft immer wichtiger werden, den Umgang mit Eltern, päd. Bezugspersonen und Kindern
auf dem Hintergrund der frühen emotionalen Entwicklung zu verstehen und wichtige
Beratungskompetenz im Hinblick auf Risiko-Interaktionen zu entwickeln.
Folie 4
REPTILIENGEHIRN (blau, gelb) entstand vor rund 300 Mio Jahren und steuert instinktive
Körperfunktionen wie Atmung und Verdauung und sichert so das Überleben.
SÄUGERGEHIRN (+ orange) entstand vor ca 200 Mio Jahren. Hier entwickelten sich
Anlagen für soziales Verhalten wie Fürsorge, Pflegeverhalten, Verspieltheit und Bindung.
RATIONALES GEHIRN vor ca 200 000 Jahren bei Homo sapiens entwickelte sich das
Gehirn zur heutigen Größe und damit die Fähigkeit zu logischem Denken.
Folie 5
Ein Leben lang hält der Prozess des „SYNAPTIC PRUNING“ an, was bedeutet,
nach der Geburt haben wir 200 Mia Gehirnzellen, nach einem Jahr sind 80 Mia verloren, bis
zum Teenageralter haben wir 90 Mia, im Altern von 35 Jahren 100 Mia und bis ca 70 Jahren
sind 105 Mia verloren.
Neugeborene haben zwar 200 Mia Gehirnzellen, aber noch wenig Verbindungen
Im Laufe der ersten 5 Lebens-Jahren finden 90% der Vernetzungsvorgänge und damit des
Wachstums des Gehirns statt.
Plastizität des Gehirns entsprechend der Erfahrungen des Menschen: Auf die
Hirnentwicklung haben Lern- und Erfahrungsprozesse einen großen Einfluss. Dies geht aus
den vielfältigen Tierversuchen hervor.
Zelluläre, informationstragende Strukturen des Gehirns entwickeln sich besser bei
abwechslungsreicher und anregender Umwelt. Mangel oder völliges Fehlen, oder angstvolle,
bedrohliche und schmerzhafte Erlebnisse, führen zu Unter- oder Fehlentwicklung der
zellulären Komponenten des Gehirns (Braun et.al. 2002)
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Alles, was ein Kind mit den Bezugspersonen erlebt, wirkt auf die Vernetzung der Gehirnteile
ORBITOFRONTALE BEREICH (rosa) ist zuständig für die Steuerung starker Gefühle und
der Hemmung primitiver Impulse aus den unteren Hirnregionen, trägt zu Gefühlsreaktionen
auf andere Menschen bei und ermöglicht so, deren emotionale und soziale Signale zu deuten.
DORSOLATERAL-PRÄFRONTALE BEREICH (gelb) wirkt auf unsere Fähigkeit zu planen
und auszuwählen.
VENTROMEDIALE BEREICH (blau) ist zuständig für die Fähigkeit, emotionale
Erfahrungen zu reflektieren, und beruhigt die Säuger- und Reptilienanteile des Gehirns, wenn
sie in Alarmbereitschaft geraten.
ANTERIOR-ZINGULÄRER BEREICH (grün) hilft bei der Konzentrationsfähigkeit und der
Bewusstmachung unserer eigenen Gedanken.
Diese unterschiedlichen Regionen spielen bei der Ausschüttung und Wirkung der für Gefühle
und Entwicklung notwendigen Hormone eine wichtige Rolle.
Ein sehr wichtiges System bewirkt in unserem Gehirn die Fähigkeit Liebe und Wärme für
andere zu empfinden (Fürsorge auch Brutpflegeinstinkt)
Schlüsselstoffe dieses Systems sind Opioide, die in vielen Teilen des Gehirns freigesetzt
werden. Aus der Hirnanhangsdrüse kommt Prolaktin und Oxytozin.
Dopamin aus dem unteren Gehirnbereich wirkt bei leidenschaftlicher Liebe ähnlich wie
Kokain. In diesem Bereich wird der Drang zu Fürsorgeverhalten aktiviert.
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Funktionen des „mirror neuron system“ (Iacoboni et al. 2005)
• Italien. Forscher Rizzolatti hat 1996 spezielle Neuronen bei Affen entdeckt, die bei der
Betrachtung einer Handlung eines anderen anspringen.
• Ob wir Handlungen selbst ausführen oder beobachten, für Spiegelneuronen ist es
offensichtlich dasselbe.
• Neuronale Resonanz.
Imitation
Kodierung der Intentionen einer Handlung, nicht nur der Handlung
Identifikation
Empathie
Fähigkeit, Lautäußerungen nachzumachen
Intuitives Verstehen
Resonanzphänomene (unwillkürliche Erwiderung eines charmanten Lächelns)
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Diese Anlagen sind schon von Geburt angelegt um das Überleben des Babys zu sichern,
dienten früher zum Schutz vor Raubtieren.
Alltägliche Ereignisse können starke Emotionen im Gehirn des Kindes auslösen, z.B. wenn
sie es anziehen kann seine Wut aufbrechen, eine zufallende Tür kann das Furchtsystem
auslösen und wenn sie den Raum verlassen, wird die Trennungsangst aktiviert.
Wichtig ist es, diese Prozesse zu verstehen und dann Hilfe sich zu beruhigen geben.
Durch ständige emotionale Zuwendung werden die Stirnlappen beginnen, wichtige Pfade
anzulegen, damit das Kind selber befähigt wird, solche Alarmzustände in seinem unteren
Gehirnteil im Zaum zu halten.
Wird einem Kind mit seinen intensiven Gefühlen und primitiven Impulsen aus dem unteren
Gehirnbereich nicht geholfen, entwickelt sein Gehirn KEINE Pfade, mit deren Hilfe es diese
Stresssituationen wirksam steuern könnte.
Höhere menschliche Fähigkeiten wie Empfinden von Betroffenheit, oder die Möglichkeit,
sich eigene Gefühle bewusst zu machen, entwickeln sich nicht.
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Stressaufbau:
Wenn ein Kind dauerhaften, ungetrösteten Kummer erlebt, setzt der Hypothalamus CRF frei.
CRF Corticotropin-Releasing-Faktor, ein Hormon, das die Hypophyse kontrollieren kann.
Die Hypophyse, stimuliert durch CRF, setzt ACTH frei
ACTH , Adrenocorticotropin, Hormon, wandert zu den Nebennieren.
Nebennieren produzieren Kortison. Dies hilft kurzfristig auf Stress zu reagieren, indem es
massiv den Blutzuckerspiegel im Gehirn steigert.
Durch zunehmenden Kummer wird bei einem schreienden Baby eine hormonelle
Kettenreaktion in Gang gesetzt.
Deren Ende das Kortison in den Nebennieren freisetzt.
Ein zu lange anhaltender hoher Kortisonspiegel kann toxische Höhen erreichen und
möglicherweise Schlüsselstrukturen und –systeme im sich entwickelnden Gehirn zerstören.
Stress kann verletzen:
Durchleben intensiver Gefühle ohne genügend Beistand - Schreien und alleine lassen.
Um das Kind bei der Anlage wirksamer Stressregulationssysteme in seinem Gehirn zu
unterstützen, ist es notwendig, es im Zustand freudiger Erregung und aber auch bei
emotionalen Schmerz zu begleiten.
DEPRESSIONEN
ANDAUERNDE ANGSTZUSTÄNDE
PHOBIEN UND ZWÄNGE
KÖRPERLICHE SYMPTOME/ KRANKHEITEN
EMOTIONSLOSIGKEIT
LETHARGIE UND ANTRIEBSLOSIGKEIT
MANGELN AN VERLANGEN UND ERREGUNG
MANGEL AN SPONTANITÄT
Können mit einem überaktiven Stressreaktionssystem im Gehirn, das seine Ursprünge in der
Kindheit hat, zusammenhängen.
Spiegel von OXYTOCIN ist bei Säuglingen mit häufigem Körperkontakt zu den Eltern
längerfristig erhöht; was bedeutet dass dann bei Kindern dies als Gegenspieler zur
Kortisonausschüttung bei Stress fungiert; den Blutdruck senkt und somit zur Verringerung
von Angst, beruhigend und entspannend das sozioemotionale Verhalten stärkend, die
Schmerzschwelle erhöhend wirkt
Es regt die Tätigkeit des parasympathischen Nervensystems und des Magendarmtraktes an,
unterstützt Lern- und Heilprozesse
(Glückserleben, Spielfähigkeit)
Nebennieren produzieren KORTISON. Dies hilft kurzfristig auf Stress zu reagieren, indem es
massiv den Blutzuckerspiegel im Gehirn steigert.
Ist das Gehirn aber einem andauernd zu hohen Kortisonspiegel ausgesetzt, können
Gehirnzellen absterben.
Folie 10
Zur Wiederholung: feinfühliger Umgang bedeutet, die Bedürfnisse des Säuglings wahr zu
nehmen, richtig zu interpretieren und dann angemessen und prompt zu befriedigen.
Belegt ist dass sich ein Säugling bei Hautkontakt besser beruhigt.
Heute besteht allgemeine Übereinstimmung darüber, dass Kind und Mutter durch Aktivierung
der Spiegelneuronen im sensorischen und motorischen Kortex unbewusst den
Gesichtsausdruck und die lautlichen Äußerungen der jeweils anderen Person imitieren.
Interessant ist, dass man die durch Hautkontakt zustande kommende Anpassung der
Hauttemperatur des Kindes an diejenige der Mutter, als eine primitive Form des Spiegelns
betrachten könnte. ( Kerstin Unväs-Moberg in Brisch, Bindung und frühe Störungen der
Entwicklung 2011)
Nach der Diskussion wollen wir
tiefer in die emotionalen Ursprünge des Denkens einsteigen…
Folie 14
• Neugeborenenimitation
Neugeborene können innerhalb weniger Stunden nach der Geburt mindestens vier
verschiedene Gesichtsausdrücke nachahmen: das Herausstrecken der Zunge, das
Schürzen der Lippen zu einer Schnute, einen O-Mund und das Zusammenkneifen der
Augen.
2 theoretische Implikationen:
1. Der Säugling kann einen Unterschied zwischen sich und dem anderen
wahrnehmen.
2. Das imitative Verhalten ist Ausdruck von und Beleg für ein kommunikatives
Bedürfnis.
3. Still-face-Prozedur (Tronick et al. 1978)
= Beleg für das Bedürfnis des Säuglings nach kommunikativem Austausch. Nach still-face
wird Säugling zunächst ernst, versucht dann, die Mutter durch Gesten und Laute aus ihrer
Unbeweglichkeit herauszuholen, zieht sich schließlich zurück. Säugling steht erkennbar unter
Streß. Nachdem die Mutter sich wieder normal beginnt, tritt es in der Regel schnell wieder in
Kontakt mit ihr.
Murray/Trevarthen (1985) illustrieren denselben Sachverhalt. 2-Monate alter Säugling sieht
Mutter auf Bildschirm im benachbarten Raum. Verzögerung um 30 Sekunden: der Säugling
sieht die interagierende Mutter von vor 30 Sekunden, die Verhaltensweisen von „vorhin“
passen nicht zu seinen jetzigen (fehlende Kontingenz). Ähnliche Auswirkungen auf den
Säugling.
Es geht dem Säugling hier um den Verlust des kommunikativen Kontakts.
• Protokonversation
Mikroanalyse natürlicher Interaktionssequenzen zeigt, dass schon 6 bis 12 Wochen
alte Säuglinge sich in einem konverstionsähnlichen Austausch mit der Mutter
befinden, den Trevarthen Protokonversation nennt. Umfaßt vielfältige Gesten,
Gesichtsausdrücke und Vokalisierungen. Es handelt sich nicht um eine Reaktion auf
Reize. Sowenig wie in einem Orchester der Musiker auf den Ton des anderen
„reagiert“ oder beim Tanzen der eine Partner auf den Schritt des anderen, so wenig
„reagiert“ der Säugling nur auf Signale der Mutter. Vielmehr tanzen oder musizieren
beide miteinander.
Motiv: mit dem anderen in einen emotional gefärbten kommunikativen Kontakt zu treten.
Gefühl emotionaler Verbundenheit mit anderen Menschen ist die Matrix, aus der das
symbolische Denken entsteht.
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Eltern spiegeln die Emotionsausdrücke ihres Säuglings (wie Freude, Ärger, Traurigkeit) in
übertriebener Weise (Markierung, wie typische Ammensprache).
Referentielle Entkopplung, referentielle Verankerung, Bewusstwerdung Seite 174.
Folie 18
Bei nicht kongruenter oder unzureichend markierter Spiegelung, erlebt der Säugling nicht
seine eigene, sondern die Verfassung des anderen.
Erfolgt die Spiegelung nicht kongruent oder unzureichend markiert, erlebt der Säugling nicht
seine eigene, sondern die Verfassung des anderen.
Kongruent heißt, dass sie auf das Lächeln nicht mit Ärger oder Nicht-Beachtung reagieren,
sondern in derselben Affektkategorie.
Markiert heißt, dass sie in spielerischer, aber durchaus ernsthafter Weise reagieren.
Kinder beziehen die Ausdrücke immer „irgendwie“ auf sich selbst. Daraus folgt, dass in
Fällen unmarkierter Affektantworten die darin zum Ausdruck kommenden elterlichen
Zustände den eigenen aufgepflanzt werden, so dass fremdes Erleben nun an die Stelle des
eigenen tritt. Das Kind verinnerlicht die Erfahrung seiner Eltern. Der unmarkierte Schmerz
der Mutter als Reaktion auf den Schmerz des Kindes bei einer Impfung „spiegelt“ nicht den
des Kindes, sondern drückt ihren eigenen aus und das Kind verinnerlicht ihren Schmerz als
Reaktion auf sich selbst. Nicht nur wird sein Affekt schlecht reguliert und repräsentiert,
sondern das Kind erlebt sich selbst als jemand, der Schmerzen in anderen hervorruft, denn das
war die Reaktion der Mutter auf seinen Schmerz. Ebenso wenn auf den Ärgerausdruck des
Säuglings mit realem Ärger reagiert wird. Dadurch wird sein Ärger nicht gespiegelt und
modifiziert, sondern eskaliert und der Säugling gewinnt nicht ein Bild des eigenen Zustandes,
sondern eines vom Zustand seiner Bezugsperson oder von dessen Einstellung ihm gegenüber.
Die Äußerungen des anderen bezieht er auf sich und lernt sich selbst in ihnen als jemand
kennen, der der Auslöser von Ärger ist. Schmerz oder Ärger waren primäre Selbstzustände,
die, weil nicht spiegelnd modifiziert, nun von den Reaktionen der Eltern überformt, anstatt
von ihnen dargestellt/symbolisiert werden.
Ähnliches gilt, wenn die Mutter zwar markiert, aber nicht kongruent auf die kindlichen
Affekte reagiert. Lenkt sie zum Beispiel von Angst oder Trostbedürfnissen des Kindes ab,
indem sie diese in durchaus spielerischer Weise in Müdigkeit oder ein Bedürfnis des Kindes
nach Unterhaltung uminterpretiert, so wird sich der Säugling in diesen Stellungnahmen nicht
wiedererkennen. Der Spiegelungsprozess verliert also sowohl durch nicht markierte als auch
durch nicht kongruente Stellungnahmen sein symbolbildendes Potential und es entstehen
verzerrte sekundäre Repräsentanzen der primären Selbstzustände.
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Der Säugling kann jetzt nicht nur alternativ entweder mit der Mutter oder einem unbelebten
Objekt interagieren, sondern ist zu „triangulären“ Interaktionen in der Lage. Triangulär meint,
dass er und die Mutter sich gemeinsam auf ein drittes Objekt außerhalb der Dyade beziehen
können.
Pointing: Säuglinge blicken bis zum Alter von 7 Monaten auf den Finger und nicht auf das
Objekt. Unterscheidung zwischen protoimperativen Zeigen (das Kind will, dass der Erw.
etwas holt) und protodeklarativen Zeigen (das Kind will, dass der Erw. etwas benennt). Beim
2. findet ein „meeting of minds“ statt, in dem das Gemeinsamhaben oder Beeinflussen
seelischer Zustände angestrebt wird.
Mit 7 Monaten betrachtet ein Säugling einen ferngesteuerten Spielzeugroboter entweder mit
Aufmerksamkeit und Neugier oder mit Vorsicht und Ängstlichkeit. Ab 9 Monate blickt er zur
Mutter und ihre Einstellung zum Objekt beeinflusst seine. Affektinduktion oder Übernahme
der Einstellung?
Vor der Wende fühlt sich der Säugling von den Eigenschaften des Objekts ergriffen (z.B.
Süßes mag er, weil es gut schmeckt, das Mobile, weil es sich interessant bewegt, …) und die
daraus resultierende Einstellung zum Objekt erscheint ihm als die einzig mögliche und
gewissermaßen natürliche. Es gibt für ihn keine andere. Danach beginnt er zu bemerken, dass
andere Personen andere Einstellungen zu den Objekten haben als er selbst, etwa bei Süßem
ein Ekelgesicht zeigen. Weil er sich mit der anderen Person emotional verbunden fühlt,
übernimmt er ihre Einstellung zu einem Objekt. Der Säugling lernt so, wie andere die Welt
sehen.
Folie 20
Wesentliches Merkmal des symbolischen Denkens ist die Fähigkeit, sich abwesende Dinge
oder Situationen vorzustellen. Es kann nicht über die Vergangenheit nachdenken oder für die
Zukunft planen. Wie kann nun die besondere humanspezifische Eltern-Kind-Interaktion,
nämlich die besondere emotionale Verbundenheit des Säuglings mit dem anderen Menschen,
den Geist des Kindes von der Beschränkung auf das Hier und Jetzt erlösen und „seine Seele
das Fliegen lehren“ (Ausdruck von Hobson 2002)?
Entscheidend ist, dass das Objekt im Prozess der sozialen Bezugnahme zwei Bedeutungen für
das Kind gewinnt und die Welt nicht mehr nur eine Welt-für-mich ist. Eine für mich und eine
andere für den anderen. Erst mit dieser Entdeckung von Perspektivität wird es möglich, die
Bedeutung vom Gegenstand abzulösen, die ihm vorher natürlicherweise anzuhaften schien.
Beispiel Schokolade und die Mutter, die sich davor ekelt. Das Kind beginnt zu erahnen, dass
es sich bei Einstellungen um subjektive Perspektiven auf Objekte handelt.
Die Ablösung der Bedeutung von einem Gegenstand und ihre Übertragung auf einen anderen
kann man zuerst bei symbolischen Spielhandlungen beobachten. Das Kind tut so, als wenn ein
Stück Papier eine Decke wäre und deckt seine Puppe damit zu. Was ist hier geschehen? In der
eben angesprochenen Terminologie hat das Kind die Bedeutung „weich“ oder „zum
Zudecken“ von der Decke abgelöst und auf das Papier übertragen. Dadurch kann es das
Papier behandeln, als ob es eine Decke wäre. Es hat diese Bedeutung von dem ursprünglich
damit verknüpften Objekt (der Decke) entkoppelt und in einem anderen Objekt (dem Papier)
verankert. Weiteres Beispiel: Es nimmt einen Löffel und lässt ihn mit Geräusch über den
Tisch fahren. Das Kind zeigt damit, dass es in der Lage ist, den Autogedanken von einem
konkreten Auto abzulösen und auf einen anderen Gegenstand, den Löffel, zu übertragen. Es
lässt den Löffel Auto bedeuten. Dieser Ablösungsprozess einer Bedeutung von einem Objekt
und die Verankerung der Bedeutung in einem neuen Objekt ist der Kern des symbolischen
Spiels.
Vom Realitätsspiel (funktionellen Spiel) zum Als-ob-Spiel (symbolischen Spiel): 3
Unterscheidungen
1. Objektsubstitution (z.B. kann ein Stab die Stelle des Löffels zum Füttern einnehmen
oder eine Banane als Telefon benutzt werden.
2. Können dem Objekt physische Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht hat
(etwa der Puppe ein schmutziges Gesicht, das dann abgewischt wird), oder physische
Zustände (die Puppe will schlafen, essen usw.)
Kann mit abwesenden Objekten umgegangen werden, als ob sie anwesend wären, etwa Tee
aus einer leeren Tasse getrunken oder
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Beim Rouge-Test appliziert man Kindern unbemerkt einen roten Fleck auf die Nase und lsst
sie anschließend in den Spiegel schauen. Bis zu einem Alter von 18 Monaten greifen sie dem
Spiegelbild an die Nase, ab 18 Monaten sich selbst. Die Information aus dem Spiegel
verstehen sie als eine Information über sich selbst.
Ab diesem Zeitpunkt fühlt sich das Kind als psychisches Selbst, als organisierendes Zentrum
seiner Handlungen und Einstellungen. Dann dämmert ihm auch, dass es verschiedene
Perspektiven auf dieses Selbst geben kann.
Viele Symptome der Trotzphase lassen sich als Versuche verstehen, dieses so entstandene
Selbst zu behaupten und immer wieder etwas über die Einstellung der Eltern zu diesem Selbst
in Erfahrung zu bringen. Wenn das Kind zum wiederholten Mal verbotenerweise die
Stereoanlage anfassen will, dann nicht, weil es das Verbot vergessen hat, sein diese Handlung
begleitender neugieriger oder auffordernder Blick zeigt, dass es weiß, was folgt. Aber jetzt
steht mehr auf dem Spiel als die Befriedigung eines Impulses oder das Ausführen einer
Handlung, nämlich ein organisierendes Zentrum, das nicht zur gespürt wird, sondern dessen
es sich bewusst ist, und das es in all diesen Akten zur Geltung bringen und behaupten will.
Nunmehr fühlt es sich durch Ablehnung und Kritik nicht mehr nur in einzelnen seiner
Lebensäußerungen, sondern in seinem Selbst bewertet; und nun ist es in der Lage, eine
Perspektive auf dieses Selbst einzunehmen und zugleich seine Perspektive gegen die anderer
zu behaupten. Die Dialektik von „ich“ beginnt. Ihre Vorläufer wurzeln in der „selbstlosen“
oder zunächst nur körperselbsthaften Zeit, bevor dieses organisierende Zentrum entstand.
Folie 22
2-3 Jahre: Kind setzt Schein und Wirklichkeit miteinander gleich. Vorstellungen werden als
direkte Abbildungen der Realität verstanden (Modus der psychischen Äquivalenz) also
immer zutreffend. Können zwischen Traumbildern, Gedanken und realen Dingen
unterscheiden, spielen schon im Als-Ob-Modus z.B. Papa spielt als sei er ein Hund..
Die Kinder sind überzeugt, die eigenen Gedanken und die Gedanken anderer Menschen geben
die reale Welt originalgetreu wieder. Erst Ende des 3. Lj. können sie anerkennen, dass ihre
eigenen Gefühle nicht unbedingt denen anderer Menschen entsprechen. 183-84
Beispiel: Schwamm – Stein Schein und Wirklichkeit gleichgesetzt
Folie 23
Das Kind kann nun mit der Realität spielen, weil es die eigenen Gedanken und Gefühle nicht
als notwendigerweise durch die Realität hervorgerufen versteht, sondern als eigene subjektive
Reaktion darauf.
Mentalisierungsfähigkeit ist nicht nur von der Hirnreife abhängig, sondern von der affektivinteraktiven Qualität der Primärbeziehung. Beginn ist mit ca eineinhalb Jahren(den anderen
und sich mit geistig-seelischen Zuständen zu betrachten
Abgeschlossen ist diese Fähigkeit mit ca 4 Jahren(Metakognition-Fähigkeit zum Denken über
Denken)
Beispiel Smarties..
-Kind bekommt Smartiesschachtel gezeigt und wird gefragt, was darin sei „Smarties“
-Die Schachtel wird geöffnet und es kommen Bleistifte heraus.Schachtel wird wieder
verschlossen.
-Gefragt, was ein Freund, welcher draußen gerade wartet, sagen würde. Viejährige antworten
normalerweise „Smarties“, Dreijährige „Bleistifte“.
Folie 24
Wahrnehmung Handlungen:
• Erlaubt es den Kindern, die Gedanken anderer zu „lesen“.
•
•
•
Die Fähigkeit, sich der eigenen Gedanken und Gefühle und denen anderer Menschen
bewusst zu machen.
Ermöglicht den Kindern, nicht nur auf das Verhalten anderer zu reagieren, sondern es
macht sich eine Vorstellungen darüber, was der andere denkt, welche Einstellungen,
Absichten oder Pläne er hat
4 -5 Jahre: Modi „psychische Ambivalenz“ und „Als-ob“ werden integriert =
Regulierung psychischen Erlebens
Folie 25
Es gibt eine Vielfalt theoretischer Versuche, die Symptome des Autismus zu erklären:
genetische, neurobiologische, neurochemische und psychologische. Innerhalb dieser
unterschiedlichen Zugänge gibt es weitere Differenzierungen. Bei den psychologischen
Theorien werden mittlerweile fünf sich zum Teil überlappende Theorien unterschieden.
Autismus wird neben anderen auch als Folge einer defizienten Theory of Mind betrachtet.
Diese verdeutlicht, wie Einschränkungen der zwischenmenschlichen Interaktion zu
Beeinträchtigungen des Symbolbildungsprozesses führen.
Theory of Mind-Defizit: Autistische Kinder verstehen sich und andere nicht als Wesen mit
mentalen Zuständen. Sie sind „seelenblind“ (mindblind).
Mentalisierung bei unterschiedlichen Bindungstypen
Sicher: Kind kann gefahrlos seiner Mutter mentale Zustände zuschreiben um dann darüber
Sicherheit über die eigene Befindlichkeit zu gewinnen.
Vermeidend: da keine Erfahrung von feinfühligem und einfühlsamen Hintergrund, scheut
eher vor der psychischen Verfassung der Mutter zurück.
Ambivalent: lässt sich auf Grund seiner Bindungserfahrung, mal so, mal so, nicht intensiv
auf die Erforschung der inneren Zustände der Mutter ein.
Desorientiert: sind bedingt durch große Verfolgungsängste mit großer Aufmerksamkeit
dabei, Vorhersagen über das Verhalten der Mutter treffen zu können. Entwickeln in hohem
Maß die Fähigkeit, Gedanken lesen zu können, also mentale Zustände in der Psyche der
Mutter zu erforschen, aber sie können diese Erkenntnisse nicht für die Organisation ihres
Selbst nutzen. Vielmehr bleiben diese in der frühen Beziehung zur Mutter gefangen,
projektive Identifizierung überwiegt, symbolisches Denken misslingt
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