Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen Liebe Gemeinde, es gibt Menschen, denen gelingt es, die Sprache des Glaubens auf eine Weise zu sprechen, die uns noch zweihundert Jahre später berührt. Matthias Claudius ist das in einigen seiner "Lieder" gelungen. So wird sein Abendlied bis heute gern gesungen, ganz gleich ob in der Kirche oder unterm klaren Sternenzelt! Auch sein "Bauernlied" wird bis heute am Erntedankfest erwartet und erklingt in manchen Familien als Tischgebet, jedenfalls der Refrain. Die Freunde der romantischen Musik kennen sein Gedicht "der Tod und das Mädchen" in der Vertonung von Franz Schubert. Sein 200. Todestag lässt uns in diesem Jahr nach der Person hinter diesen Lieder fragen. Denn so sehr Mathias Claudius aus einer anderen Zeit stammt, findet sich bei ihm schon vieles, was uns heute noch bewegt! Der Pastorensohn Claudius stammte aus dem holsteinischen Reinfeld, wo er 1740 geboren wurde. Dort wuchs er mit seinen sieben Geschwistern im Pfarrhaus auf und lernte dort die Musik, die Freude an der Dichtung, aber vor allem einen bodenständigen und fröhlichen Glauben kennen. Und das, obwohl schon früh der Tod in sein Leben einbricht als Geschwister von ihm sterben. Trotzdem bezeichnet er den Tod immer wieder als seinen "Freund Hain". Beruflich war der Dichter und Poet zuallererst ein Lebenskünstler. Doch er schöpfte aus tiefem Gottvertrauen, hatte einige Gönner und war glücklich mit seiner Frau Rebekka verheiratet; die beiden hatten immerhin 12 Kinder. Der allgemein gebildete Vater unterrichtete die Kinder zu Hause bis zur Hochschulreife selbst! Und er war erfinderisch, wenn darum ging, seinen Kindern kleine Feste zu bereiten! An einem Hochzeitstag schrieb er in sein Tagebuch: "Nun habe ich meine drei H: Hof, Heimat, Hausfrau, und wenn das vierte H, der Herr, dabei ist und bleibt, so kann man restlos glücklich sein." Für Claudius gehörte sein Familienleben und seine Dichtung immer zusammen. - Claudius bemühte sich um die Ganzheit des Menschen, Verstand und Glaube sollten nicht aus einander fallen, das klingt recht modern. Auch wenn man ihn später gern als naiv verkannte, nahm er doch am Weltgespräch seiner Zeit teil. Er wollte Herzensbildung, sah das Wunderbare im Alltäglichen und suchte Nahrung für die Seele jenseits aller Äußerlichkeiten. Immer wieder steuerte er unter seinem Pseudonym "Asmus" seine Sicht der Dinge bei, meist klug und immer gütig! Und obschon er zuletzt eher konservativ war, ließ er es den Mächtigen nicht durchgehen, dass sie durch den Krieg die Menschen in tiefes Leid stürzten. Er selbst musste zuletzt noch vor dem Krieg nach Lübeck und Kiel fliehen. 1815 stirbt er schließlich in Hamburg. Der Nachwelt ist er vor allem als "Wandsbecker Bothe" und als Dichter des "Abendliedes" in Erinnerung geblieben. Erst kürzlich wurde seinem "Mond" auf dem Wandsbeker Friedhof ein Denkmal errichtet. Liebe Gemeinde, ich möchte Sie nun einladen, gemeinsam mit unserer Kantorei, mitten am Tag das Lied der Mond ist aufgegangen zu singen. Wir wollen Strophe für Strophe durch das Lied wandern. (Chor singt: Der Mond ist aufgegangen EG 482, 1) 1. Der Mond ist aufgegangen, Die goldnen Sternlein prangen Am Himmel hell und klar; Der Wald steht schwarz und schweiget, Und aus den Wiesen steiget Der weiße Nebel wunderbar. Wir kennen das: Ein Tag geht zu Ende und alles was eben noch wichtig war, tritt zurück. Die Strophe lädt ein, still zu werden und Augen und Sinne zu öffnen! Mit Staunen betrachten wir Mond und Sterne und das Naturschauspiel des aufsteigenden Nebels vor der Kulisse eines schwarzen Waldes. Matthias Claudius hat die Natur mit ihren besonderen Stimmungen immer wieder geschildert. Er war begeistert vom Wald, wir haben das anfangs schon in seiner Sonata gehört. Ihm schimmerte durch die Schönheit der Natur immer auch die Erhabenheit der göttlichen Schöpfung durch. Jedes Naturerlebnis bot ihm Geleenheit, Gott selbst zu erspüren. 2. Wie ist die Welt so stille, Und in der Dämmrung Hülle So traulich und so hold! Als eine stille Kammer, Wo ihr des Tages Jammer Verschlafen und vergessen sollt. Als das künstliche Licht noch kostbar und spärlich war, gab es die blaue Stunde. Die Dämmerung hüllt die Welt in ein weichen Halb-Licht. In der Dämmerung kann man wenig sehen und so ist der Blick frei nach innen. Alles was uns belastet hat, was vielleicht hart und schmerzhaft am Tage war, tritt zurück. Der Schlaf wird für eine heilsame Unterbrechung sorgen! Ein Gefühl von Geborgenheit wie in einer Höhle! Zugleich ist es eine sehnsuchtsvolle Stimmung, die uns "das Bild des Allerbesten, des Allerweisesten, des Allergerechtesten, des Allerwahrhaftigsten, des Allerbarmherzigsten" suchen lässt, dem Ursprung und Ziel unseres Lebens! 3. Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen, Und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, Die wir getrost belachen, Weil unsre Augen sie nicht sehn. 4. Wir stolze Menschenkinder Sind eitel arme Sünder Und wissen gar nicht viel; Wir spinnen Luftgespinste Und suchen viele Künste Und kommen weiter von dem Ziel. Der Mond führt uns vor Augen, dass wir oft das Vollkommene im Unvollkommenen übersehen. Denn unsere Sicht auf die Dinge bleibt immer vorläufig, darum sollen wir nicht zu voreilig urteilen. Wer nur glaubt, was er sehen und anfassen kann, ja beweisen kann, dem bleibt das Ganze verborgen. - Der lebenskluge Claudius wollte sowohl den theologischen Rechthabern als auch den Verächtern des Glaubens vor Augen führen, wie wenig wir doch wissen. So sehr der Verstand und die Freiheit, ihn auch zu gebrauchen, für Claudius eine Gottesgabe waren, so sehr belächelte er alle, die sich zu klug für den Glauben hielten. Sein weites Herz wusste wohin es gehörte. In seiner Demut jedoch, konnte er sehr wohl andere Glaubenshaltungen aushalten. So lässt er seinen Asmus auf Christus verweisen, der selbst niemals den ersten Stein aufgehoben hätte. Er wiedersprach auf die Güte Jesu verweisend dem Judenhass! Davon haben wir zu wenig in der Geschichte unserer Religion gehört! Und er schreibt an anderer Stelle: Der Mensch lebt und bestehet Nur eine kleine Zeit; Und alle Welt vergehet Mit ihrer Herrlichkeit ... Diese Selbsteinordnung des Menschen, kann uns vor schlimmer Verblendung bewahren. Die eigene Vergänglichkeit und Begrenztheit wahrzunehmen, bewahrt uns vor Fanatismus und Unmenschlichkeit! Wir meinen, alles besser wissen zu müssen. Doch nur da, wo wir in der Liebe leben, da kommen wir dem Einen besonders nah! In einem seiner Briefe schildert er, wie Jesus ihm durch seine Zuwendung zu den Verlorenen, zum ermutigenden Rettungszeichen auch in schweren Zeiten geworden ist. (Chor)5. Gott, laß uns dein Heil schauen, Auf nichts Vergänglichs trauen, Nicht Eitelkeit uns freun! Laß uns einfältig werden Und vor dir hier auf Erden Wie Kinder fromm und fröhlich sein! (Gemeinde)6. Wollst endlich sonder Grämen Aus dieser Welt uns nehmen Durch einen sanften Tod! Und, wenn du uns genommen, Laß uns in Himmel kommen, Du unser Herr und unser Gott! Nochmals erinnert uns die fünfte Strophe daran, dass Gott schon alles in seiner Liebe getan hat. - Für Matthias Claudius ist Gott ein Gott der Liebe. Der Dichter hat das in der tiefen Liebe zu seiner Frau ganz konkret erfahren dürfen. "Da steht man und zittert und verstummt und das Herz fängt an zu schlagen ... Und gerade da, wo die Philosophie scheitert und die Vernunft sich hinter dem Ohre kratzen muss ... gerade da vermute ich Gottes Finger!" Wir müssen es nur hinter all den Dingen, die sich in den Vordergrund spielen, noch wahrnehmen. Und genau hier schlummert ein tiefes Mißverständnis, wenn der Dichter von Einfalt redet, dann ist hier nicht Naivität, sondern eine ganzheitliche Sicht auf das Leben gemeint. ..... wenn ihr nicht werdet wie die Kinder! Matthias Claudius hat immer wieder erleben müssen, wie ihm liebe Menschen genommen wurden. Der Tod gehörte vom Kindesalter zu seinem Leben und er hat das akzeptiert. Dieser unheimliche "Freund Hain" war ihm ein Bote, der Heimweh nach einer besserer Zeit zu wecken vermochte. In dieser bewusster Einfalt kam ihm der Himmel in den Blick. Spätestens hier wird deutlich, dass unser Abendlied immer auch das ganze Leben besingt. Alles ist durchwirkt von tiefem Glauben, lebendiger Hoffnung und erfüllt von Liebe. So nimmt uns der Wandsbecker Bothe am Ende in das Gespräch mit unserem Gott hinein. Als wenn wir schon ein wenig am Ziel angekommen wären. Ganz geerdet und geborgen in der bedingungslosen Liebe Gottes! 7. So legt euch denn, ihr Brüder, In Gottes Namen nieder; Kalt ist der Abendhauch. Verschon uns, Gott! mit Strafen, Und laß uns ruhig schlafen! Und unsern kranken Nachbar auch!