Lehrstoff zum Thema

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8. Wortverbindungen als lexikalische Einheiten. Phraseologie
Die Wortverbindungen können zu lexikalischen Einheiten werden, wenn sie so
geläufig wie Wörter sind.
Die Bedeutung von lexikalisierten Wortverbindungen unterscheidet sich von
regelmäßigen Wortverbindungen darin, dass sie nicht wörtlich ist:
eine regelmäßige Wortverbindung - eine syntaktische Wortverbindung
blaues
(Farbe)
Fahrrad
(Gegenstand)
eine lexikalisierte Wortverbindung - Wortgruppe mit fester Bedeutung
blaues
Wunder
- eine übertragene Bedeutung
('unangenehm') ('Überraschung')
Die Festigkeit von Wortverbindungen beruht auf deren Gebräuchlichkeit. Diese
Festigkeit ist auf der semantischen Ebene graduierbar.
Die schwächste Form der Festigkeit - Stufe 1 (Austausch möglich)
frei
frei
Haare
waschen
Die Festigkeit ist schwach, weil der Austausch des Verbs möglich ist. Es gibt
synonyme Alternativen (Haare reinigen, säubern). Aber das Verb waschen wird
eigentlich immer mit Haare verknüpft.
Eine stärkere Form der Festigkeit - Stufe 2 (Austausch möglich)
gebunden
frei
blutiger
Anfänger
'sehr unerfahrerner Anfänger'
Diese Stufe der Festigkeit entsteht bei Wortverbindungen der Wörter mit freier und
gebundener Bedeutung. Das Substantiv Anfänger hat seine eigentliche Bedeutung und
ist in dieser Bedeutung frei. Das Adjektiv blutig hat in dieser Wortverbindung eine
neue gebundene Bedeutung 'sehr unerfahren' erhalten. Diese Bedeutung kann auch mit
dem Substantiv Laie realisiert werden. Der Austausch gegen ein Synonym ist möglich.
Die stärkste Form der Festigkeit - Stufe 3 (Austausch nicht möglich)
gebunden
gebunden
dicke
Luft
'gespannte Atmosphäre'
Diese Stufe der Festigkeit gibt es bei Wortverbindungen der Wörter in gebundener
Bedeutung. Beide Wörter können nicht durch ein Synonym ausgetauscht werden, ohne
die Gesamtbedeutung zu verändern ( fette Luft, dicker Sauerstoff).
Die Wortgruppen mit fester Bedeutung haben unterschiedliche syntaktische
Strukturen:

Herzklopfen haben
die Flucht ergreifen

höhere Gewalt
ein offenes Geheimnis

im Großen und Ganzen
auf Anhieb
Der Begriff Phraseologie geht auf griech.-lat. -phrasis ('rednerischer Ausdruck')
zurück.
International verbreitet snd auch die Ausdrücke, die auf griech. -idioma
('Eigentümlichkeit, Besonderheit') zurückgehen. Dazu entstanden die Bezeichnungen
Idiom, Idiomatik, Idiomatismus.
Im Forschungsbereich der Phraseologie liegen feste Wortverbindungen
Idiome,
auch nichtidiomatische feste Wortverbindungen
Kollokationen.
Der Begriff Kollokation im weiteren Sinne bezeichnet die Wortverbindung
jeglicher Art, auch regelmäßige Wortverbindung, z.B.: blaues Fahrrad.
Der Begriff Kollokation im Rahmen der Phraseologie
bezeichnet die
Wortverbindung mit schwacher semantischen Veränderung, also usuelle WB, z.B.:
Haare waschen
Schuhe putzen
schwer verletzt
starker Tee
Für die Kollokationen (oder lexikalische Solidaritäten) ist das Merkmal der
formalen Stabilität charakteristisch. Dazu gehören oft:
fest verbundene attributive Wortgruppen: blauer Himmel, finsteres Gesicht,
beißende Kälte
Verb-Substantiv-Verbindungen: eine Antwort geben, in Verbindung bringen, zum
Ausdruck bringen
8.1. Merkmale von festen Wortkomplexen
Polylexikalität - die festen Wortkomplexe umfassen mehrere Wörter, mindestens
zwei und maximal einen Satz.
Phraseolexeme sind polylexikal.
Schwarzmarkt - wird gewöhnlich der Wortbildung zugerechnet.
Schwarzer Markt - Phraseolexem
Festigkeit / Stabilität - wie Wörter sind die festen Wortkomplexe Bestandteile des
Lexikons und zeichnen sich durch semantisch-syntaktische Stabilität aus.
Während in einer freien syntaktischen Fügung die einzelnen Komponenten mit Hilfe
der Synonyme ersetzbar sind, ist eine Austauschbarkeit bei Phraseologismen meist
nicht möglich.
Stabilität zeigt sich auch durch syntaktische Anomalien (Abweichungen):
den unflektierten Gebrauch des attributiven Adjektivs:
frei Haus liefern - 'Transport bis zum Haus ohne zusätzlichen Kosten'
auf gut Glück - 'ohne Garantie eines günstigen Ausgangs'
sich bei j-m lieb Kind machen - 'sich bei j-m einschmeicheln'
Voranstellung des attributiven Genitivs:
auf des Messers Schneide stehen - 'kurz vor der Entscheidung', 'mit
ungewissem Ausgang'
auf Schusters Rappen - 'zu Fuß'
aus aller Herren Länder - 'aus allen Teilen der Erde'
Mit der Stabilität ist auch solche Eigenschaft verbunden wie Reproduzierbarkeit
(Lexikalisierung).
Reproduzierbarkeit bedeutet, dass Phraseologismen als Wortgruppeneinheiten im
Prozeß der Äußerung nicht immer neu gebildet werden.
Die festen Wortkomplexe sind als lexikalische Einheiten gespeichert und werden
bei der Textgestaltung reproduziert (im Unterschied zu der Produzierbarkeit der freien
Wortverbindungen und Sätzen).
Nach Harald Burger bilden die festen Wortkomplexe, die diese drei Eigenschaften
aufweisen, den Bereich der Phraseologie im weiteren Sinne.
Idiomatizität - semantische Transformation oder Umdeutung der Komponenten des
Phraseologismus. Eine Wortverbindung wird dann als idiomatisch angesehen, wenn die
Summe der Bedeutungen der einzelnen Komponenten nicht der Bedeutung der
Wortverbindung entspricht. Bei Burger (2003:31) wird die Idiomatizität als Diskrepanz
zwischen der wörtlichen und der phraseologischen Bedeutung der Komponenten oder
der ganzen Wortverbindung charakterisiert.
Es handelt sich um ein graduelles Phänomen:
Vollidiomatische Phraseologismen (Voll-Idiome) sind Wortverbindungen, bei
denen die Gesamtbedeutung nicht direkt aus den Bedetungen der Einzelelemente
ableitbar sind. Alle Komponenten sind umgedeutet. Der Phraseologismus lässt sich
semantisch nicht aufgliedern, d.h. daß beide Komponenten phraseologisch gebunden
sind, wie:
ein alter Hase - 'ein erfahrener Fachmann'
eine lahme Ente - 'ein Mensch ohne Initiative'
aus der Haut fahren - 'wütend sein'
j-m einen Bären aufbinden - 'j-m etwas Unwahres sagen'
Teilidiomatische Phraseologismen (Teil-Idiome) sind Wortverbindungen, bei
denen nur ein Einzelelement umgedeutet ist. Einige Komponenten behalten ihre
wörtliche Bedeutung. Solche Phraseologismen sind semantisch aufgliedbar, d.h., daß
nur ein Teil phraseologisch gebunden ist, wie:
faule Ausrede - 'wenig überzeugende Ausrede'
blinder Passagier - 'Passagier, der ohne Berechtigung, heimlich mitreist'
eine Schraube ohne Ende - 'eine Angelegenheit ohne Ende'
sich in Fäustchen lachen - 'heimliche Schadenfreude empfinden, heimlich
lachen'
Nichtidiomatische Phraseologismen (nichtidiomatische Konstruktionen) sind
strukturelle Phraseologismen, die keine Umdeutung vorweisen. Solche
Wortverbindungen zeichnen sich durch Idiomatizität nicht aus, aber sie weisen doch
stabilere Beziehungen auf, als sie völlig freie Wortverbindungen haben.
Maßnahmen treffen
der stolze Vater
Sie werden als Phrase, Klischee, Schablone, Stereotyp bezeichnet. Mit dem
Auftreten einer Komponente (die Gelegenheit) erwartet man die zweite Komponente
(benutzen, um...).
In Bezug auf ...
das Rote Kreuz
der Nahe Osten
Klischees in Massenmedien:
nach Augenzeugenberichten
nach bisher unbestätigten Meldungen
wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet
8.2. Klassifikationen von Phraseologismen
In der deutschen Phraseologie sind verschiedene Klassifikationen von festen
Wortkomplexen vertreten.
Dabei geht es um strukturelle oder morphologisch-syntaktische, semantische
oder strukturell-semantische Kriterien der Klassifikation von Phraseologismen.
8.2.1. Klassifikation von Barbara Wotjak
In der morphologisch-syntaktischen Klassifikation der Phraseolexeme / Idiome
von Barbara Wotjak (1996) werden die PL in verbale, substantivische, adverbiale und
adjektivische PL eingeteilt.
Mit anderen Worten, sie werden bestimmten Wortarten/-klassen zugeordnet.
SubstantivischePhraseolexeme
Zu den vollidiomatischen substantivischen PL gehören
schwarzes Schaf ‚derjenige in einer Gruppe, der sich nicht einordnet, der
unangenehm auffällt’
die bessere Hälfte ‚Ehefrau’
das Ei des Kolumbus ‚verblüffend einfache Lösung’.
Zu teilidiomatischen PL gehören
blutiger Anfänger ‚sehr unerfahrener Anfänger’
faule Ausrede ‚wenig überzeugende Ausrede’
großer Bahnhof ‚großer/festlicher Empfang’.
Adjektivische Phraseolexeme
Es handelt sich um feste Wendungen, die attributiv gebraucht werden können.
gut gepolstert ‚wohlbeleibt‘ oder ,mit Geld gut ausgestattet’
Sie hat einen älteren, gut gepolsterten Herrn geheiratet.
frisch/neu gebacken ‚in einem Amt, einer Lebenssituation neu’
frisch gebackener Ehemann.
Adverbiale Phraseolexeme
Es handelt sich um feste Wendungen, die meistens als Adverbialbestimmungen im
Satz gebraucht werden können.
Vollidiomatische adverbiale PL:
im Handumdrehen ‚mühelos und schnell, überraschend schnell’
aus heiterem Himmel ‚völlig überraschend’
über kurz oder lang ‚nach einer gewissen Zeit’
Teilidiomatische adverbiale PL:
für mein/sein Leben gern ‚sehr gern’
null und nichtig ‚ungültig’
Nichtidiomatische adverbiale PL:
in bar ‚in Form von Geldscheinen oder Münzen’
seit langem ‚schon lange’
Verbale Phraseolexeme
Sie sind die umfangreichste Gruppe der PL.
Die vollidiomatischen
eine lange Leitung haben ‚begriffsstutzig sein’
bei jmdm. einen Stein im Brett haben ‚bei jmdm. beliebt sein’
Die teilidiomatischen PL
die Katze im Sack kaufen ‚etw. ungeprüft/ungesehen kaufen’
etw. hoch und heilig versprechen ‚etw. beteuern, mit Nachdruck versprechen’
Unter den verbalen PL sind zwei Typen zu unterscheiden:
die infinitivfähigen verbalen PL - das Verb steht in der Grundform im Infinitiv und
das Subjekt ist lexikalisch variabel:
bei jmdm. einen Stein im Brett haben
Seitdem hast du/hat Peter/haben sie bei meinen Eltern einen Stein im Brett.
die festgeprägten prädikativen Konstruktionen - das Subjekt ist lexikalisch
festgelegt, die verbale Form (die Person und der Numerus des Verbs) ist nicht variabel:
jmdm. fällt ein Stein vom Herzen ‚jmd. ist von einer Sorge befreit’
jmdm. geht ein Licht auf ‚jmdm. wird etw. klar’
Besondere Strukturtypen
Komparative (vergleichende) Phraseolexeme
Unter komparativen PL verstehen wir eine feste Wortverbindung, die im Prinzip aus
drei Komponenten besteht (dem Vergleichsobjekt, dem tertium comparationis und dem
Vergleichsmaß), mit Hilfe einer Vergleichspartikel/Konjunktion (wie, als, als ob, als
wenn, wie wenn) zusammengefügt ist und eine semantische Ganzheit bildet.
Das Vergleichsobjekt muss jedoch nicht explizit genannt werden – essen wie ein
Spatz statt jmd. isst wie ein Spatz.
frieren wie ein Schneider ‚stark frieren’
essen wie ein Spatz ‚sehr wenig essen’
lügen wie gedruckt ‚unverschämt lügen’
frech wie Oskar ‚sehr frech’
Zwillingsformeln (phraseologische Wortpaare)
Es handelt sich um zwei (nur selten drei) Wörter der gleichen Wortart, die durch
eine Konjunktion (und, weder ... noch, oder) oder eine Präposition (in, an) verknüpft
sind.
Hab und Gut ‚Besitz’
weit und breit ‚in der ganzen Umgebung’
mit Ach und Krach ‚mit großen Schwierigkeiten’
alles kurz und klein schlagen ‚völlig zerschlagen’
Tür an Tür (wohnen) ,eng benachbart’
Hand in Hand ,gemeinschaftlich, zusammen’
8.2.2. Klassifikation von Christine Römer
Christine Römer (2005) unterscheidet folgende strukturell-semantische Klassen von
Praseologismen:
Idiome und Teilidiome
Die idiomatischen bzw. teilidiomatischen Phraseologismen stellen traditionell
den Kernbereich der Phraseologismen dar.
Die Idiome bzw. Teilidiome sind referentiell und beziehen sich auf wirkliche oder
vorgestellte Denotate.
Idiom = mit der Zeit gehen 'fortschrittlich sein'
Teilidiom = unchristliche Zeit 'früher Zeitpunkt'
In struktureller Hinsicht können sie (+/-) verbhaltig und (+/-) satzwertig sein.
INPs (idiomatische bzw. teilidiomatische nominative Phraseologismen)
verbhaltig
satzwertig
INPs haben kein Verb und haben primär eine benennende (nominative) Funktion.
Idiom = das schwarze Schaf 'unangepasste(r)'
Teilidiom = abgefahrene Party 'hervorragende (umg.) Party'
IVPs (idiomatische bzw. teilidiomatische verbale Phraseologismen)
verbhaltig
+
satzwertig
IVPs haben ein Verb, aber sie stellen keinen Satz dar.
Idiom = Schmetterlinge im Bauch haben 'verliebt sein'
Teilidiom = grünes Licht geben 'die Erlaubnis geben'
SPs (idiomatische bzw. teilidiomatische satzwertige Phraseologismen)
verbhaltig
+
satzwertig
+
SPs sind Sprichwörter, Redensarten, Geflügelte Worte und haben strukturelle
Merkmale.
Nichtidiome
Nichtidiomatische Phraseologismen
nominative Funktionen.
haben
(+/-) strukturierende und (+/-)
Strukturelle Phraseologismen haben keine nominative Funktion und stellen
grammatische Relationen her.
strukturierend
+
nominativ
hin und her
[- V]
an der Stelle[- N]
Routineformeln (kommunikative Formeln, pragmatische Phraseologismen,
kommunikative Phraseologismen) strukturieren nicht Sätze, sondern Texte, z.B.
markierem die Einleitung oder den Schluss der Kommunikation.
strukturierend
+
nominativ
+
Begrüßungsformel:
Guten Morgen!
Abschiedsformel: Bis dann!
Briefschluss:
Mit freundlichen Grüßen
Höflichkeitsformel:
Darf ich stören?
Tischformel:
Guten Appetit!
Gesprächsformel: offen gesagt
Versicherungsformel: Ich bin dabei!
Kollokationen sind nichtidiomatische Mehrwortverbindungen, die statistisch
erwartbar sind.
strukturierend
nominativ
+
Geld abheben
frisch gestrichen
eingefleischter Junggeselle
Merkmale der Kollokationen:
 Die Kollokation stellt den bevorzugten, allgemein als richtig empfundenen
Ausdruck für einen gegebenen Sachverhalt dar. Die Verbindung der Komponenten
wäre gewissermaße 'erste Wahl', wenn nach einem treffenden Ausdruck für den
gemeinten Sachverhalt gesucht wird.

Die Kollokaionen sind transparent, d.h. ihre Bestandteile sind für sich genommen
verständlich.
 Die Elemente einer Kollokation stehen in einer spezifischen Relation zueinander,
die mit den Begriffen "Basis" und "Kollokator" bezeichnet ist (Junggeselle wäre die
Basis, eingefleischter der Kollokator)
Viele Wortverbindungen dieser Art bilden Funktionsverbgefüge und entsprechen
oft einem Vollverb:
unter Kontrolle nehmen - 'kontrollieren'
zum Halten bringen - 'halten'
zur Geltung kommen - 'halten'
8.2.3. Klassifikation von Harald Burger
Harald Burger (2003) unterscheidet folgende strukturell-semantische Klassen von
Praseologismen:
1. Referentielle Phraseologismen beziehen sich auf Objekte, Vorgänge und
Sachverhalte der Wirklichkeit
a) nominative Phraseologismen bezeichnen Objekte, Vorgänge und
Sachverhalte (semantisches Kriterium) und sind satzgliedwertig (syntaktisches
Kriterium):
- Kollokationen (nicht idiomatische Redewendungen)
- Teilidiome
- Idiome
b) propositionale Phraseologismen bilden Aussagen über Objekte,
Vorgänge und Sachverhalte (semantisches Kriterium) und sind satzgliedwertig
(syntaktisches Kriterium):
- feste Phrasen sind in einen Kontext eingebettet und nur durch
diesen verständlich
- topische Formeln haben keinen Anschluss an einen Kontext
2. Strukturelle Phraseologismen sind Funktionswörter, die grammatische
Relationen in der Rede herstellen
3. Kommunikative Phraseologismen sind feste Fügungen für die
wiederholenden Handlungen:
a) situationsgebundene Routineformeln:
- Grußformeln
- Anrede
- Glückwunsch / Dank
b) nicht situationsgebundene Routineformeln:
- Floskel
- Anweisung
- Slogan
- Eidesform
- liturgische Formeln
- Eigennamen
4. Spezielle Klassen:
a) geflügelte Klassen
b) Zwillingsformeln
c) Phrasenschablone
8.2.4. Klassifikation von Irina Černyševa
Der strukturell-semantischen Klassifikation von I. Černyševa liegen folgende
Kriterien zu Grunde:
1) grammatische (syntaktische) Struktur:
a) Wortverbindungen, bzw. Wortgruppe
b) Prädikative Verbindungen, Sätze
2) Verknüpfungsart der Konstituenten:
a) singuläre (единичные) Wortkomplexe
b) serielle (серийные)
c) modellierte (смоделированные)
3) Bedeutung als Resultat der semantischen Transformation der Konstituenten:
a) feste Wortkomplexe, deren Bedeutung das Resultat der semantischen
Transformation aller Konstituenten ist,
b) feste Wortkomplexe, deren Bedeutung das Resultat der Umdeutung einiger
Konstituenten ist,
c) feste Wortkomplexe, deren Bedeutung das Ergebnis der eigentlichen
Bedeutungen der Konstituenten ist.
Anhand dieser Kriterien unterscheidet I. Černyševa vier Klassen fester
Wortkomplexe:
I. Phraseologismen (phraseologische Wortfügungen)
II. Phraseologisierte Verbindungen (auch analytische Verbalverbindungen)
III. Modellierte Bildungen
IV. Lexikalische Einheiten
I. Feste Wortkomplexe phraseologischen Typs haben verschiedene syntaktische
Struktur. Sie zeichnen sich durch singuläre Verknüpfung der Komponenten und
vollständige oder teilweise semantische Transformation der Komponenten aus.
stumm wie ein Fisch
ein weißer Rabe
Phraseologismen schließen folgende Gruppen ein:
a) phraseologische Einheiten,
b) festgeprägte Sätze,
c) phraseologische Verbindungen.
a) Phraseologische Einheiten haben die grammatische Struktur einer
Wortverbindung. Die Bedeutung entsteht auf Grund der semantischen Umdeutung aller
Konstituenten:
etw. an den Nagel hängen (die Hoffnung aufgeben)
Nach den Wortarten unterscheidet man:
verbale phraseologische Einheiten, die mit dem Verb korrelieren
den Mund halten (schweigen),
jmdm. den Kopf waschen (jmdn scharf zurechtweisen);
substantivische phraseologische Einheiten:
das schwarze Gold (Erdöl),
ein unbeschriebenes Blatt (ein unerfahrener Mensch);
adverbiale phraseologische Einheiten:
unter vier Augen (allein mit jmdm., zu zweit),
um ein Haar (fast).
Zu den adverbialen phraseologischen Einheiten gehören
Präpositionalgruppen:
unter 4 Augen
um ein Haar;
Paarformel (Wortpaare):
Feuer und Flamme (sofort für etw. begeistert sein),
ab und zu;
komparative phraseologische Einheiten:
stumm wie ein Fisch,
ein Gedächtnis haben wie ein Sieb (ein sehr schlechtes Gedächtnis
haben).
b) Unter den festgeprägten Sätzen unterscheidet man:
sprichwörtliche Satzredensarten, die gewöhnlich metaphorische oder
metonymische Bezeichungsübertragungen sind.
Da liegt der Hund begraben (das ist der wahre Grund, das ist der
Kern der Sache).
Heiliger Schreck! (Ausruf des Entsetzens)
Sprichwörter, die nicht durch Phraseologisierung der Konstituenten,
sondern durch die Verallgemeinerung der menschlichen Lebenserfahrung entstehen.
Sie gehören zur Folklore.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. (Nicht alles, was äußerlich schön
ist, ist auch innerlich wertvoll).
Kleine Kinder – kleine Sorgen, große Kinder – große Sorgen.
c) Phraseologische Verbindungen sind zweigliedrige feste Wortkomplexe
singulärer Verknüpfungsart, bei denen nur eine Konstituente umgedeutet wird, die
andere behält ihre eigentliche Bedeutung. Diese festen Wortkomplexe charakteresieren
sich durch absolute Festigkeit und Reproduzierbarkeit. Die phraseologischen
Verbindungen sind zahlenmäßig unbedeutend und für die deutsche Sprache nicht
typisch.
ein blinder Schuss (ein ungezielter Schuss)
eine ägyptische Finsternis (eine tiefe Finsternis)
kalte Miete (Miete ohne Heizungskosten)
II. Phraseologisierte Verbindungen gehören zu den festen Workomplexen nicht
phraseologischen Typs.
Das sind serielle Verbindungen einer semantisch
transformierten Konstituente mit der anderen Konstituente in ihrer eigentlichen
Bedeutung.
Phraseologisierte
(Verb+Substantiv):
Verbindungen
sind
entweder
verbale
Verbindungenn
seinen Hunger / Durst bezähmen
jmdm. Achtung / Anerkennung / Bewunderung / Lob / Verehrung / Beifall / Dank
zollen (erweisen)
oder nominalive Verbindungenn (Adjektiv+Substantiv):
ein sauberer Mensch / Charakter
eine saubere Haltung / Gesellschaft.
In den phraseologischen Verbindungen dagegen realisiert die semantisch
transformierte Komponente ihre Bedeutung nur in einer einzigen Verbindung.
Vgl.: ein blinder Passagier (reiseunberechtigt).
III. Modelierte Bildungen gehören auch zu den festen Workomplexen nicht
phraseologischen Typs. Sie entstehen in der Sprache nach bestimmten stukturellsemantischen Modellen, die in der Rede situativ realisiert werden. In diesen Bildungen
sind die Konstituenten (teilweise oder ganz) lexikalisch frei auffüllbar.
Z. B.: “Substantiv + hin, Substantiv+ her“:
Geld hin, Geld her.
Freund hin, Freund her.
Z.B.: „Es ist (war) zum + substantivierter Infinitiv“:
Es ist zum Lachen!
Es ist zum Heulen!
Es ist zum Verrücktwerden!
Z.B: “Substantiv + ist + Substantiv“:
Betrug ist Betrug.
„Adjektiv + ist + Adjektiv“:
Sicher ist sicher.
„Partizip II + ist + Partizip II“:
Verloren ist verloren.
„Adverb + ist + Adverb“:
Hin ist hin.
IV. Lexikalische Einheiten gehören auch zu den festen Workomplexen nicht
phraseologischen Typs. Sie sind feste Verbindungen mit nominativer Funktion. Sie
verfügen über eine Gesamtbedeutung und bilden eine semantische Ganzheit auf Grund
der eigentlichen lexikalischen Bedeutung der Konstituenten. Es fehlt hier jede Art
semantischer Transformation.
Lexikalische Einheiten sind singuläre Verbindungen, die Anzahl der
Konstituenten und ihre Reihenfolge ist festgelegt:
der Nahe Osten
Hohe Tatra
das Rote Meer
die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Christlich Demokratische Union (CDU )
Lexikalische Einheiten neigen zur Bildung von Initialkurzwörtern bzw.
Abbreviaturen, womit sie dann in die Klasse der Lexeme übergehen.
8.3. Funktionen von Phraseologismen
Phraseolexeme versprachlichen Begriffe auf besonders griffige Art.

Phraseolexeme vereinfachen Kommunikation.
Z.B.: ein Professor gibt einem geschwätzigen Studenten die überlange
Seminararbeit mit der Bemerkung In der Kürze liegt die Würze zurück und beide wissen
gleich, woran die Seminararbeit nach Meinung des Professors krankt.

Phraseolexeme zeigen unsere Gefühle.
Z.B.: die Menschen können mit Phrasemen wirkungsvoll fluchen, Enttäuschung
und Aggressionen zeigen, ohne gewalttätig zu werden: Verdammte Scheiße!
(Schimpfwort, derb) Du feiger Arsch mit Ohren! (Schimpfwort, derb)

Phraseolexeme definieren die Menschen sozial.
Viele Phraseme gelten für spezielle soziale, berufliche oder andere Gruppen
(auch Altersgruppen).
z.B.:
Luckilucki
machen
(Jugendsprache
'подсматривать,
подслушивать')
Lametta tragen 'sich herausputzen', 'eitel sein' - alle verfügbaren
Ehren- und Rangzeichen tragen (speziell beim
Militär)

Phraseolexeme transportieren Erfahrung.
Phraseme sind oft Quintessenzen generationslanger Erfahrung und haben eine
natürliche, eine verbuchte Autorität.
Z.B.: Vielleicht überdachte sie die Neigung des Menschenlebens, im Kreis
zu gehen, dachte daran, dass sich alles
wiederholt, dass sogar geschrieben
steht, es gebe nichts Neues unter der Sonne. (Sund 1997)
Phraseme werden oft durch solche Wendungen eingeführt, wie
Eine alte Redensart sagt ...
Wie man so schön sagt ...
... Das sagt man zumindest.
Phraseologismen treten in allen Funktionalstilen auf.
Besonders in Presse ud Publizistik kann man eine große Zahl von Phraseologismen
finden.
In Rundfunk- und Fernsenachrichten kommen die Phraseologismen häufiger als in
der Alltagskommunikation vor.
Auch wissenschaftliche Textsorten bevorzugen bestimmte Teilgruppen von
Phraseologismen, wie:
in den Mittelpunkt des Interesses rücken
in Betracht ziehen
außer acht lassen
ein breites Spektrum haben
ins Gewicht fallen
Rechnung tragen
Den Besonderheiten der Phrasemnutzung begegnen
Missverständniswitzen, bei Wortspielen oder Bilderrätseln.
wir
z.
B.
in
Eine genaue Kenntnis der Funktion von Phraseologismen ist bei der Übersetzung in
andere Sprachen notwendig, denn es kommt darauf an, expressive und wertende
Elemente in der Zielsprache wiederzugeben.
Als Übersetzungsverfahren eignen sich für Phraseologismen je nach der Situation:

wörtliche Übersetzung, wenn in der Zielsprache ein identischer Phraseologismus
vorhanden ist
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. - Не все то золото, что блестит.
rot wie ein Krebs - красный как рак
ein Wolf im Schlafpelz - волк в овечьей шкуре,
den (roten) Hahn auf Dach setzen - пустить красного петуха, поджечь

Übersetzung eines Phraseologismus durch einen synonymen in der Zielsprache
Viele Köche verderben den Brei. - У семи нянек дитя без глазу.
Tauben im Kopf haben - у кого-то тараканы в голове 'быть со странностями'
eine Natter am Busen nahren (букв. гадюку на груди кормить) – пригреть
змею на груди
Wo sich Hase und Fuchs gute Nacht sagen - Куда Макар телят не гонял - 'в
захолустье, в глушь'

Umschreibung durch nichtphraseologische Formen
Salamander reiben (букв. 'тереть саламандру') – 'принимать участие
в коллективной студенческой попойке'
eine Antenne für etwas haben – 'иметь чувствительность к чему-либо'
Du kriegst die Motten! – «Ты с ума сошел!» (выражение удивления,
изумления).
nach Canossa gehen - 'унижаться, быть вынужденным просить прощение'
(унижаться перед папой, как это было с Генрихом IV)
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