Prof. Peter Baumgartner - Fachsymposium

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Lerntagebuch 1
Lerntagebuch
Ein Lerntagebuch (englisch: learning log oder learning journal) ist ein pädagogisches Werkzeug um
Lernprozess
und -verhalten von Schülern parallel zum Unterricht zu fördern. Die Schüler dokumentieren ihr
Lernverhalten
längerfristig nebenher. Es bestehen gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Lesetagebuch, welches aber
an eine
bestimmte Lektüre gebunden ist.
Wer ein ePortfolio erstellt, hat damit automatisch auch ein Lerntagebuch.
Ziele
Das Lerntagebuch trägt durch die regelmäßige Beschäftigung mit dem Lernstoff zu dessen Vertiefung
und einem
besseren Verständnis bei. Dabei wird auch der Entstehung von Verständnisillusionen
entgegengewirkt, das heißt, der
Lernende hat durch die intensivere Beschäftigung die Möglichkeit, logische Fehler und Widersprüche
in seinem
Konzept zu entdecken und zu korrigieren. Hauptziel ist darüber hinaus, ein Bewusstsein für den
eigenen Lernprozess
zu entwickeln. Der Schüler soll Strategien anwenden können, die ihn beim Lernen unterstützen. Dies
soll nicht rein
"imitierend" erfolgen; vielmehr soll er durch die Revision seiner Arbeitsergebnisse dazu animiert
werden, Vor- und
Nachteile dieser Strategien zu erkennen und eventuell ihre Anwendung anzupassen.
Zudem gibt die Niederschrift der eigenen Gedanken dem Schüler die Möglichkeit, sich einen Überblick
zu
verschaffen und neue Assoziationen und Ideen zu entwickeln.
Psychologischer Hintergrund
Der Lernprozess kann bildlich als eine Art Zyklus verstanden werden, in dem drei Phasen
ineinandergreifen:
• Die erste Phase ist die Elaboration und Organisation: in ihr wird das vorhandene Wissen strukturiert
und
ausgearbeitet. Dabei kommen Erarbeitungsstrategien zum Einsatz (z.B. das Formulieren eigener
Beispiele, um
den Stoff zu veranschaulichen),
• deren Verwendung gleichzeitig in einer zweiten Phase, dem Monitoring, überprüft wird. Hierbei
handelt es sich
um eine Überwachung des eigentlichen Arbeitsprozesses, die entweder "negativ" (negatives
Monitoring:
Verständnisschwierigkeiten werden erkannt und formuliert) oder "positiv" (positives Monitoring:
Feststellen einer
positiven Lernerfahrung) ausfallen kann. Stößt der Lernende dabei auf ein Problem, wird er
versuchen, es zu
beheben.
• In einer dritten Phase werden remediale Strategien überlegt, die bei der zukünftigen Arbeit solche
Schwierigkeiten beheben sollen.
Bei diesem Vorgang kommen kognitive Strategien wie Wiederholung und Organisation (Gruppierung,
Hierarchisierung etc.) zum Einsatz, bei der einfache Informationen zu dynamischem Wissen
umgewandelt werden.
Auch wird die metakognitive Ebene beansprucht, das heißt, der Lernende ist sich der Verwendung
der kognitiven
Strategien bewusst und kann sie gezielt einsetzen. Allerdings ist der Einsatz von kognitiven Strategien
bei Schülern
nicht selbstverständlich, selbst wenn sie diese bereits kennen.
Untersuchungen mit verschiedenen Formen von Lerntagebüchern haben ergeben, dass sich sowohl
die Verwendung
von kognitiven und metakognitiven Lernstrategien als auch der Lernerfolg an sich durch die Angabe
von
Bearbeitungshinweisen (sogenannten Prompts) noch besser fördern lässt, als durch reines freies
Schreiben. Die
Prompts konnten aus beiden Bereichen stammen und die unterschiedlichen Phasen des
Lernprozesses betreffen, z.B.:
• kognitiv, Organisation: Wie kannst du die Lerninhalte am besten sinnvoll strukturieren?
• kognitiv, Erarbeitung: Welche Beispiele können die Lerninhalte veranschaulichen, bestätigen oder
ihnen
widersprechen?
Lerntagebuch 2
• metakognitiv, Monitoring: Welche Punkte hast du bislang (nicht) verstanden? Wie ließe sich das
Verständnisproblem am besten beschreiben?
• metakognitiv, remedial: Welche Bereiche solltest du noch einmal durchgehen? Welche
Möglichkeiten kannst du
finden, um die Verständnisschwierigkeiten zu beheben?
Kognitive und metakognitive Prompts bewirkten vor Allem eine erhöhte Anwendung von Strategien
aus ihrem
jeweiligen Bereich. Beide Anweisungen förderten die Verarbeitung des gewonnenen Wissens
mindestens kurz- bis
mittelfristig. Die besten Ergebnisse lieferte jedoch eine Kombination aus Prompts verschiedener
Bereiche.
Form und Bearbeitungsweise
Wichtigstes Kriterium für ein Lerntagebuch ist, dass es über einen längeren Zeitraum und regelmäßig
geführt wird,
damit der Lernende die Möglichkeit hat, sein Lernverhalten zu vergleichen und Veränderungen zu
bewerten.
Die konkrete Form, mit der es geführt wird, kann sehr unterschiedlich sein und ist abhängig von Alter
und Situation
der Schüler. Illustrationen, Bilder, Tabellen sowie eine Gliederung des Textes können helfen.
Entsprechend können
auch, je nach Bedarf, die Vorgaben durch Prompts bei freiem Schreiben stark in den Hintergrund
treten oder in
Hinblick auf die Förderung kognitiver und metakognitiver Strategien gezielt eingesetzt werden.
Generell sollten
Prompts für Schüler, die im Umgang mit Lernstrategien noch unerfahren sind, relativ spezifisch sein.
Allerdings sollte sie keine reine Wissensabfrage darstellen, sondern den Schülern die Freiheit lassen,
den Inhalt
relativ selbstständig und problemorientiert zu bestimmen. Das Lerntagebuch unterscheidet sich zudem
vom Portfolio
oder wissenschaftlichen Arbeiten dadurch, dass es über keinen zentralen Fokus verfügt.
Literatur
• Glogger, Inga u. A.: Activation of Learning Strategies in Writing Learning Journals. The Specificity of
Prompts
Matters, in: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 23 (Jg. 2009, Nr. 2), S. 95-104.
• McCrindle, Andrea, Christensen, Carol: The impact of learning journals on metacognitive and
cognitive
processes and learning performance, in: Learning and Instruction 5 (Jg. 1995), S. 167-185.
• Nückles, Matthias u. A.: Enhancing self-regulated learning by writing learning protocols, in: Learning
and
Instruction 19 (Jg. 2009, Nr. 3), S. 259-271.
• Nückles, Matthias u. A.: Selbstreguliert lernen durch Schreiben von Lerntagebüchern, in: Michaela
Gläser-Zikuda (Hg.):Lerntagebuch & Portfolio aus empirischer Sicht, Landau 2010.
• Schwonke, Rolf u. A.: Computergestütztes Schreiben von Lernprotokollen. Umsetzung und
Evaluation eines
kognitiven Werkzeugs zur Förderung selbstgesteuerten Lernens, in: Zeitschrift für Medienpsychologie
17 (Jg.
2005, N.F. 5), S. 42-53.
• Weber-Förster,Annette: Lerntagebücher. In: Kunze,I., Solzbacher, C.: Individuelle Förderung in der
Sekundarstufe I und II. 2008
Weblinks
• Learning Logs Online [1] (zahlreiche Beispiele; englisch)
Quellennachweise
[1] http:/ / www. learninglogs. co. uk
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