Glyphosat – das schleichende Gift Interview Dr. Helmut Burtscher im Gespräch mit ARGE Schöpfungsverantwortung Zur Person Dr. Helmut Burtscher Chemiker (Studium der Biochemie und Immunologie) seit 2002 als Umweltchemiker tätig bei der Umweltschutzorganisation Global 2000 für die Bereiche Chemikaliensicherheit/Pestizide ARGE SVA: Warum handelt es sich bei Glyphosat? Wie wirkt Glyphosat? Burtscher: Bei Glyphosat (bekannt unter dem Namen „Roundup“) handelt es sich um ein Unkrautvernichtungsmittel, ein Pestizid. Glyphosat hemmt ein Enzym (ESPS Synthase), dass Pflanzen in ihrem Stoffwechsel für die Synthese essentieller Aminosäuren benötigen. Die Pflanzen werden mit einer Breitbandwirkung abgetötet, außer jene Pflanzen die eine gentechnisch veränderte Resistenz gegen Glyphosat aufweisen (wie Soja oder Mais) oder jene die durch die häufige Anwendung resistent geworden sind. Dies führt dazu, dass es weltweit in immer größeren Dosen und Mengen eingesetzt wird. Glyphosat wird hauptsächlich von der Firma Monsanto vertrieben, aber auch zahlreiche andere Pestizfirmen haben Glyphosat-hältige Herbizide in ihrem Sortiment. Weltweit wird es als Herbizid im Paket mit genmanipulierten Soja verkauft (vor allem in den USA und den Ländern Südamerikad in riesigen Monokulturen angebaut), welches eine Resistenz gegen Glyphosat aufweist. Es wird nach dem Aufkeimen und zu verschiedenen Zeitpunkten eingesetzt und verhindert das Aufkeimen von „Unkräutern“. Österreich ist zwar gentechnikfrei, d.h. in der Landwirtschaft werden keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut, aber durch den Import von gentechnisch veränderter Soja in der Tierfütterung gelangt durch mit Rückstände von Glyphosat belastetes Soja nach Österreich. Ebenso enthalten viele Lebensmittel gentechnisch verändertes Soja, was nicht gekennzeichnet ist. Oft ist dies auch nicht nachweisbar. ARGE SVA: Wo wird Glyphosat in der Landwirtschaft eingesetzt? Burtscher: Glyphosat wird in der Landwirtschaft im Ackerbau, Obst und Weinbau eingesetzt unter anderem um Winterbegrünungen zu entfernen. Seit ungefähr 10 Jahren wird es in Europa auch eingesetzt um Wintergetreide „tot zu spritzen“ die sogenannte „Sikkation“. Diese Praxis ist auch zugelassen, in Österreich ist dies mittlerweile (seit Juni 2013) verboten. Bei Getreide spricht man von der sogenannten „Reifespritzung“, das Korn wird kurz vor der Ernte bespritzt, es verdorrt, trocknet und wird gleichmäßig goldgelb. Dies erleichtert die Ernte und führt zu einer rascheren Trocknung. Die Befürworter dieser Methode argumentieren dies mit einem geringeren Schimmelbefall und einer besseren Trocknung des Korns. Jedoch gelangen erhebliche Rückstände von Glyphosat dadurch in das Getreide und alle nachfolgenden Produkte. Eine europaweite Untersuchung im Jahr 2013 zur Glyphosatbelastung wurde von Global 2000 mit den Partnern von „Friends 2ft he Earth“ durchgeführt. Von den untersuchten 182 EuropäerInnen hatte die Hälfte nachweisbare Spuren von Glyphosat im Harn. Von den in Österreich untersuchten Personen wiesen 3 von 10 Personen Rückstände auf. ARGE SVA: Glyphosat wurde im April 2015 von der Agentur für Krebsforschung der WHO für den Menschen als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, worauf basierte diese Einstufung? Burtscher: Die Einstufung von Glyphosast als wahrscheinlich für den Menschen krebserregend erfolgte durch ein von der IARC einberufenes 17-köpfiges Team internationaler ExpertInnen auf dem Gebiet der Krebsforschung. Diese kamen nach eingehenden Studien vieler hunderter Studien mit Zellkulturen, Tieren, sowie anhand von epidemiologischer Studien zu dem Ergebnis, dass die krebserregende Wirkung von Glyphosat beim Tier aufgrund einer großen Anzahl von Studien als belegt angesehen werden muss. Für den Menschen ist die Datenlage weniger klar und eindeutig, da vergleichsweise wenige Studien vorliegen. Einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebs fanden aber insgesamt drei Studien aus den Jahren 2001 – 2003, welche in Schweden, den USA und Kanada unabhängig voneinander durchgeführt wurden. Dabei wurden Personen untersucht, welche mindestens 2mal im Jahr beruflich bedingt mit Glyphosat in Berührung kommen. Die Versuchspersonen wiesen eine höhere Häufigkeit für das Non Hodkin Syndrom, eine spezielle Form des Lympdrüsenkrebses auf. Aufgrund der Verdachtslage für den Menschen und der klaren Beweise beim Tier erfolgte die Einstufung in die zweithöchste Kategorie der WHO, nämlich in die Kategorie 2a, als „wahrscheinlich“ für den Menschen krebserregend. Etwa im gleichen Zeitraum erfolgte auch eine Bewertung von Glyphosat im Rahmen des europäischen Zulassungsverfahrens für Pestizide. Das mit dieser Überprüfung befasste deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlichte seine Einschätzung der Gesundheitsrisiken bereits einige Monate früher als die WHO. Interessant ist, dass die deutsche Zulassungbehörde anders als später die WHO scheinbar in mehr als 1000 Studien „keinerlei Hinweise auf krebserregende Effekte“ finden konnte. Inzwischen hat das BfR diese Aussagen richtig stellen müssen. Tatsächlich zeigten nämlich (fast) alle dem BfR vorliegenden, von den Pestizidherstellern für das Zulassungsverfahren eingereichten Studien an Tieren, eine signifikante, dosisabhängige Zunahme der Tumorhäufigkeit. Allerdings hatten die Pestizidhersteller, nicht nur diese Studien selber durchgeführt bzw. beauftrag. Nein, auch die Interpretation der Ergebnisse erfolgte in deren Auftrag. Und das offensichtlich nicht korrekt. Und das BfR hatte es nicht für notwendig befunden die Korrektheit der statistische Auswertung dieser Industriestaaten zu überprüfen. Die europäische Lebensmittelbehörde wurde nun beauftragt die WHO-Einstufung nachträglich in die Gesamtbewertung einfließen zu lassen. Ihr Abschlussbericht an die europäische Kommission wird für Ende Oktober / Anfang November erwartet. ARGE SVA: Welche Auswirkungen hat Glyphosat auf die Umwelt im Zusammenhang mit Bienen/Insekten/Boden? Burtscher: Glyphosat ist das am häufigsten und in der Menge am meisten eingesetzte Pestizid weltweit. Der Einsatz hat viele negative Folgen auf die Umwelt. Das Enzym (ESPS Synthase), welches Pflanzen für die Synthese von essentiellen Aminosäuren benötigt besitzen auch viele Bakterien. Glyphosat wirkt nun ähnlich einem Antibiotikum auf das Wachstum dieser Bakterien, insbesondere der „guten“ Bakterien. Pathogene Bakterien wie Clostridien bilden Resistenzen aus. Glyphosat wirkt z.B. auf die Darmbakterien bei Kühen und führt zur Ausbildung des chronischem Botulismus. In mehreren Publikationen fand Dr. Monika Krüger vom Institut für Bakteriologie an der Universität Leipzig Hinweise für einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Erkrankung und der Applikation von mit Rückständen belastetem Soja. Durch Glyphosat wird das Bakterienspektrum im Pansen verschoben, das Wachstum von guten Bakterien wird gehemmt, pathogene Bakterien wie Clostrudium botulinum bilden Resistenzen aus. Ebenso gibt es im Boden eine große Vielfalt an Bakterien, durch den massiven Einsatz von Glyphosat wird die Bakterienzusammensetzung verändert mit unabsehbaren Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit. Aufsehen erregte erst vor kurzem eine Untersuchung der BOKU, die zeigte dass ein Glyphosat- hältiges Pestizid die Aktivität und Fortpflanzung von Regenwürmern massiv beeinträchtigt. Die langfristigen Auswirkungen auf Bodenfunktionund Fruchtbarkeit sind noch nicht abschätzbar. Rückstände von Glyphosat finden sich auch im Grundwasser, in Flüssen oder in Ackerpfützen. Zu dieser Thematik führte Global 2000 eine Untersuchung zur Pestizidbelastung durch. Die Ergebnisse zeigen eine Mehrfachbelastung durch Pestizide. Glyphosat hat ebenso negative Auswirkungen auf Amphibien. Amphibien weisen eine andere Durchlässigkeit in ihrer Haut für chemische Substanzen auf als z.B. Mäuse, Studien zu Amphibien werden im Zulassungsprozess nicht berücksichtigt. ARGE SVA: Welche Tipps können Sie Privatpersonen geben um die Belastung durch Glyphosat zu minimieren? Burtscher: Durch die Ernährung mit biologischen Lebensmitteln sinkt die Belastung und die biologische Landwirtschaft wird gefördert. Menschen die sich organisch ernähren weisen deutlich deutlich niedrigere Werte von Pestiziden wie Glyphosat im Blut und Fettgewebe auf. Durch Verwendung von biologischen Varianten im eigenen Garten, kein Einsatz von chemischen Mitteln wird die Belastung ebenso minimiert. Die Broschüre „Gärtnern ohne Gift“ gibt einen guten Überblick über die Möglichkeiten des Verzichtes auf Chemie im eigenen Garten Links: Studie zu Glyphosatbelastung im menschlichen Körper: https://www.foeeurope.org/glyphosate-reasons-for-concern-briefing-130613 Monograph der IARC zur Kanzerogenität von Glyphosat: http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/index.php Pfützentest Global 2000 https://www.global2000.at/sites/global/files/GLOBAL_2000_Pf%C3%BCtzentest_Ergebnisse. pdf Stellungnahmen des BfR zu Glyphosat http://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/glyphosat-126638.html 21.8.2015