Chronik der Villa Sonnwend

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Chronik der „Sonnwend-Villa“
Mayrwinkl Nr. 80 Gemeinde Roßleithen, Grundbuch Windischgarsten, KG Rading EZ 34
(verfasst von Jörg Strohmann, Windischgarsten)
1
Der „Mayr im Hof“ wird erstmals im Jahr 1199 im Urbar des Stiftes Kremsmünster erwähnt, es war
ein Bauernhof im Besitz dieses Stiftes und wurde den Bauern als „Lehen“ übergeben. Das Gut liegt in
der nördlichen Ebene des Garstnertales, die früheren Besitzer haben hier jahrhundertelang Getreide
gebaut und Viehwirtschaft betrieben. Zum Gut gehörte auch eine Alm, die „Mayr-Alm“, die heute
zum Nationalpark „Kalkalpen“ gehört. Nach der „Oktober-Revolution“ von 1848 in Wien wurden die
Grundherrschaften aufgelöst, die Bauern wurden durch Bezahlung eines relativ geringen
Ablösungsbetrages wirkliche Eigentümer der von ihnen bearbeiteten Gründe. Die herrschaftlichen
Wälder, die den aufgelösten Stiften Spital und Gleink gehört hatten, wurden in die
„Religionsfondsgüter“ umgewandelt, die daraus entstanden Erträge wurden für kirchliche Zwecke
verwendet. Große Teile der Herrschaft Klaus wurden an Adelige verkauft: Teile von Steyrling an die
Familie Schaumburg Lippe, Teile von Hinterstoder an den Herzog von Württenberg oder den Fürsten
von Eulenburg-Hertefeld. So manche Bauern konnten mit ihrem nunmehrigen Besitz nicht richtig
umgehen und waren nach einigen Jahren gezwungen, ihn zu verkaufen. Einige landwirtschaftliche
Liegenschaften mussten gegen Ende des 19. JH. auch zwangsversteigert werden. Die letzten
bäuerlichen Eigentümer des „Mayr in Hof-Gutes“ waren bis zum Kaufvertrag vom 26. September
1907 das Ehepaar Michael und Maria Plakolmer. Michael Plakolmer war von 1. Mai 1880 bis Jänner
1883 Bürgermeister der Gemeinde Pichl (Roßleithen).
In der 2. Hälfte des 19. JH. begannen im Garstnertal zaghaft Tourismus und Fremdenverkehr, es
entstanden die ersten Zweitwohnsitze von Wiener Bürgern. So wählte der Leiter der Wiener
Weltausstellung von 1873 Baron Schwarz von Senborn das Garstnertal aus, um hier seine
Sommerurlaube zu verbringen. Im Jahr 1876 gründete Schwarz-Senborn in Windischgarsten das erste
Museum und eine Bibliothek. Die waldreiche und reizvolle Gegend zog aber auch jagdbegeisterte
wohlhabende Adelige und Bürger an. Das Sengsengebirge war im Besitz der Grafen von Lamberg, sie
nützten ihren Besitz vorwiegend für die Jagd, das Holz war ursprünglich für die Eisenverarbeitung
gewidmet. Der Österreich-Ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand pachtete für einige
Jahre die Jagd im Sengsengebirge und erlegte dort 1902 seine 1.000-ste Gämse. Durch den Bau der
Pyhrnbahn wurde das Garstnertal für Sommer- und Jagdgäste leichter erreichbar, einige von ihnen
ließen sich in Hinterstoder, Windischgarsten oder Spital a.P. Villen erbauen.
Mit dem vorhin schon erwähnten Kaufvertrag vom 26. September 1907 kaufte Franz Freiherr von
Frankenstein das verschuldete Gut „Mayr im Hof“ um den Preis von 34.250 Kronen. Die Adelsfamilie
Frankenstein ist ein uraltes, aus Franken stammendes Adelsgeschlecht. Die Stammburg
„Frankenstein“ wurde 1252 erstmals urkundlich erwähnt und besteht heute noch. Sie ist die
nördlichste der Burgen und Burgruinen am westlichen Rand des Odenwaldes und liegt etwa 30
Kilometer südlich von Darmstadt in der Gemeinde Mühltal. Von der Burg an der hessischen
Bergstraße bietet sich ein herrlicher Blick auf die Rheinebene. Konrad I. von Frankenstein (von 1245
bis 1292) war der erste Namensträger und der wahrscheinliche Erbauer der Burg. Weitere
prominente Mitglieder der Adelsfamilie waren: Apetzko Deyn von Frankenstein, von 1345 bis 1352
Bischof des Bistums Lebus (Polen), Rudolf von und zu Frankenstein, von 1552 bis 1560 Fürstbischof
von Speyer. Johann Friedrich Ludwig von Frankenstein wurde 1670 von Kaiser Leopold I. in den
Reichsfreiherrenstand erhoben. Johann Karl Reichsfreiherr von und zu Frankenstein war von 1683 bis
1691 Fürstbischof von Worms, Johann Philipp Anton Freiherr von und zu Franckenstein war von 1746
bis 1753 Fürstbischof von Bamberg, Johann Philipp Ludwig Ignaz von Frankenstein (1700–1780) war
Würzburger Domkapitular. Johann Karl Friedrich Franz Xaver Freiherr von Frankenstein auf Ockstatt,
Holstatt und Erpen war Gesandter des Großherzogs von Frankfurt am königlich bayerischen Hof. Die
Schlossanlage Ullstadt in Ullstadt, Marktgemeinde Sugenheim im Landkreis Neustadt an der Aisch2
Bad Windsheim, wurde im 18. Jahrhundert nach Plänen von Johann Dientzenhofer erbaut und
befindet sich noch heute im Besitz der Freiherren von und zu Frankenstein.
Berühmt-berüchtigt wurde der Name Frankenstein im Jahr 1910, als in den Vereinigten Staaten von
Amerika unter der Regie von J. Searle Dawley erstmals ein Horrorfilm mit dem Titel „Frankenstein“
gedreht wurde. Vorbild zu diesem Film war ein Roman von Mary Shelley mit dem Titel
„Frankenstein“ oder „Der moderne Prometheus“ (Original: Frankenstein or The Modern Prometheus),
der 1818 erstmals anonym veröffentlicht wurde. Er erzählt die Geschichte eines jungen Schweizers
namens Viktor Frankenstein, der laut dieser Geschichte an der damals berühmten Universität
Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschuf. Der Roman warnte vor der ausufernden
menschlichen Vernunft, die sich selbst zu Gott machen will und sich anmaßt, auch lebendige Materie
zu schaffen. 1968 vermutete ein David T. Russell in einem Leserbrief an das Magazin Life, dass der
Roman „Frankenstein“ durch die Burg Frankenstein bei Darmstadt inspiriert sein könnte. Diese
Vermutung stellte sich jedoch als falsch heraus, denn der Schweizer Viktor Frankenstein entstammte
keiner adeligen Familie, es handelte sich lediglich um eine Namensgleichheit. „Frankenstein-Filme“
wurden bis in die jüngste Vergangenheit in mehreren Ländern immer wieder neu verfasst und
gedreht, auf der Burg Frankenstein wird jährlich im Oktober ein mehrtägiges „FrankensteinHalloween“ veranstaltet. Es ist das „einzig wahre Halloween- und Geisterfest“ und das älteste
diesbezügliche Spektakel in Deutschland.
Der Vater von Franz Frankenstein war Heinrich Maria Friedrich Karl Freiherr von und zu Frankenstein.
Er war geboren am 1. Mai 1826 in Offenburg (Baden-Württemberg, Deutschland), gestorben ist er
am 15 Oktober 1883 in Wien. Er war verheiratet mit der Helene Gräfin von Arco-Zinneberg (geb. am
8.11.1837 in München, gest. am 4.3.1897 auf Schloss Traunegg). Sie war die Tochter von Maximilian
Graf von u. zu Arco-Zinneberg und Leopoldine Gräfin von Waldburg zu Zeil und Trauchburg. Heinrich
und Helene von Frankenstein kauften 1874 das Schloss Traunegg in Thalheim bei Wels.
Franz von Frankenstein war geboren am 9. April 1879 in
Obermais bei Meran1, dort findet sich bis heute das elegante
Stadtviertel von Meran mit Villen und Schlössern in
wunderschönen Parks. Wohlhabende Leute wie etwa die
Kaiserin Sissi oder die Herren von Tirol wählten diese attraktive
Gegend zu ihrem Wohnort. Bekannt sind Schloss Pienzenau,
Schloss Winkel, Schloss Killenberg und Rubein, sie geben
Obermais einen sehr erhabenen Touch. Ganz nahe liegen
Schloss Trauttmansdorff mit seinen botanischen Gärten, das
idyllisch gelegene St. Valentins-Kirchlein, Schloss Rametz und
Schloss Labers. Weitere bekannte Kirchen im Ort sind die Heilig
Geist - und Georgskirche.
Franz Freiherr von Frankenstein ließ von 1907 bis 1908 die Villa
„Sondwend“ genau an jener Stelle erbauen, an der die Sonne im
Garstnertal zur Wintersonnenwende (Weihnachten) am längsten scheint. Der Plan zu diesem
„Jugendstil-Gebäude“ stammt wahrscheinlich von einem Wiener Architekt, Bauleiter war Ferdinand
Karigl2, später Direktor der O.Ö. Landesbrandschaden-Versicherung. Die sichtbaren Außenmauern
Wappen der Familie Frankenstein
1
Pfarramt Mais bei Meran, Tom. VI/105)
2
Lt. mündlicher Überlieferung v. Ing. Rudolf Kusché Windischgarsten, er ist sein Urenkel
3
des Erdgeschosses wurden mit behauenen Vilser-Kalksteinen vom „Prieler-Steinbruch“ in Pichl
verkleidet. Diese Bauweise wurde auch einige Jahre vorher schon beim Bahnhofbau von
Windischgarsten angewendet. Ursprünglich gab es in der „Sonnwendvilla“ noch keinen elektrischen
Strom, denn bis etwa 1955 waren die Gebäude im Mayrwinkl noch nicht an das seit 1906 bestehende
Stromnetz der Firma Hofmann & Co. von Windischgarsten angeschlossen. Die schöne Kastanien-Allee
zur Villa stammt aus der Erbauungszeit, etwa um diese Zeit entstanden auch die Alleen in
Windischgarsten und Spital am Pyhrn, die jeweils vom Ortszentrum zu den Bahnhöfen führen.
Franz von Frankenstein heiratete am 8. Februar 1911 in Prag3,
Kirche St. Thomas, die Maria Eduardin Gräfin Kolowrat
Krakowsky-Liebsteinsky (geboren am 19. Oktober 1885 in
Reichenstein, heute Polen). Sie stammte aus einer sehr
einflussreichen und wohlhabenden böhmisch-tschechischen
Adelsfamilie: Die Grafen von Kolowrat gehen auf das Jahr 1347
zurück, nach der ältesten böhmischen Herrenstandordnung vom
Jahr 1501 nahmen die Herren von Kolowrat den 12. Rang in
Böhmen ein. Die Aufnahme in den Reichsgrafenstand mit
Wappenbesserung erfolgte 1624 für Zdenko Liebsteinsky von
Kolowrat. Die königlich böhmische Verleihung des Prädikats
"Hoch- und Wohlgeboren" für Heinrich von Kolowrat (Liebsteinsky) auf Zichowicz und Strzela erfolgte in Wien am 27.
April 1626. Den Titel „Reichsgraf“ erhielten am 20. Juli 1658 in
Frankfurt am Main Franz Karl Liebsteinsky Freiherr von Kolowrat und
seine Brüder. Die Bestätigung des Böhmischen Grafenstandes erfolgte
in Wien am 8. November 1660 für die Brüder Franz Karl, Ferdinand
Ludwig und Leopold Ulrich Liebsteinsky von Kolowrat. Weitere
Persönlichkeiten waren: Norbert Max von Kolowrat-Krakowsky
(1658–1721), österreichischer wirklicher Geheimer Rath, Oberster
Landkämmerer von Böhmen und Appellationsgerichtspräsident in
Böhmen und Statthalter von Prag, Johann Karl Kolowrat-Krakowsky
(1748–1816) war ein österreichischer Feldmarschall, Alois Joseph
Kolowrat-Krakowsky (1759–1833) war seit 1830 Erzbischof von Prag.
Sascha Kolowrat-Krakowsky (1886–1927) war ein Filmpionier und
Gründer von „Sascha-Film-Wien“.
Dem Ehepaar wurden in der „Sonnwend-Villa“ folgende Kinder
geboren:
1) Am 21. Juli 1912 der Sohn Franz Maria, Konrad, Heinrich,
Wenko, Joseph, Ignatius, Aloisius Salvator Freiherr von und zu
Edina Freifrau von Frankenstein
Franckenstein, er wurde am 23. Juli 1912 in der Pfarrkirche
Windischgarsten getauft (Taufpate war sein Onkel Conrad von Franckenstein, Besitzer auf
Traunegg). Von ihm ist bekannt, dass er mit seinen Eltern am 21. April 1936 in das Haus Pichl
Nr. 11 übersiedelte, am 15. Juli 1936 kam er nach Ritzlhof bei Linz. Am 30. April 1950 ist er
Wappen der Familie Kolowrat
3
Pfarre St.Thomas in Prag, Tom. III/1893/269
4
auf Schloss Achleithen in Kematen a.d. Krems, Achleithen Nr. 1 gestorben ist wurde am
Friedhof Windischgarsten4 im Grab seines Vaters beigesetzt.
2)
Am 14. Juli 1914 die Tochter Olga, Maria,
Margareta, Edina, Franziska, Leontine, Josefa, Ignatia,
Bonaventura Freifrau von und zu Frankenstein. Sie wurde
in der Pfarrkirche Windischgarsten am 17. Juli 1914 getauft,
Taufpatin war Olga Gräfin Kolowrat Liebsteinsky, geborene
Gräfin Khevenhüller Metsch von Cerikovic in Böhmen. Bei
der Einweihung des Kriegerdenkmales am Gemeindeamt
Pich am 15. Juli 1928 trug Olga Franckenstein ein Gedicht
von Lehrer Aigner vor, sie war damals 14 Jahre alt. Am 7.
Mai 1936 übersiedelte sie nach Starnberg in Bayern,
wohnte dann wieder ab 24. April 1937 in Pichl Nr. 11, von
wo sie am 26. Jänner 1938 nach Kitzbühel zog. Ihr Schicksal
während des Zweiten Weltkrieges ist unbekannt, sie kam
am 9. Dezember 1950 aus Afrika wieder in das Haus Pichl
Nr. 11 und übersiedelte am 13. Februar 1952 mit ihrer
Mutter nach Salzburg Kendlersiedlung, Pegiusgasse Nr. 14.
In Salzburg heiratete sie am 27. Oktober 1958 den ebenfalls aus einer Adelsfamilie stammenden
Hugo von Eckhel. Ihr letzter Wohnort vor ihrem am 30. März 2013 im 99. Lebensjahr erfolgten
Ableben war Wellheim, Landkreis Eichstätt, Deutschland,
Neuburgerstraße 17 c5.
Wo die beiden Kinder die Schule besuchten, ist unbekannt, in
den Schülerverzeichnissen der Volksschule Windischgarsten
scheinen sie nicht auf. Wahrscheinlich wurden sie von
Privatlehrern unterrichtet. Mündlich ist überliefert, dass die
Kinder sehr verwöhnt waren, „sie konnten si selb’n net amal
d‘ Schuach zuareamin6“. Aus ihrem weiteren Leben ist
bekannt, dass beide Kinder mit ihren Eltern am 21. April 1936
von Mayrwinkl 3 nach Pichl Nr. 11 übersiedelt waren.
So wie viele Söhne von Adelsfamilien wurde Franz
Franckenstein an der Theresianischen Militärakademie in
Enns zum Offizier ausgebildet und als „Leutnant“
ausgemustert. Die adeligen Offiziere kamen meistens zur
Kavallerie.
Aus einer eigens für die „Sonnwendvilla“ gedruckten
Oberleutnant Franz von Frankenstein, ca.
Ansichtskarte7 geht hervor, dass die Villa schon einen
1915
Telefonanschluss (Windischgarsten 2) hatte. Die Ansichtskarte war adressiert an Gräfin Coudenhove,
Regentin, Wien I., Johannesgasse, der Absender und das Aufgabedatum sind leider unbekannt.
4
Totenbuch Windischgarsten Tom. XI/87
STA Eichstätt, Deutschland S 88/2013
6
Zeitzeuge Karl Schoißwohl Windischgarsten
7
Archiv d. Heimatmuseums Windischgarsten, Inv. Nr. Wdg 793
5
5
Während des 1. Weltkrieges hatte Franz von Franckenstein
den Rang eines „Rittmeisters“ erlangt. Im Jahr 1916 hat Kaiser
Franz Josef I. dem Rittmeister in der Reserve Franz
Franckenstein verliehen „für tapferes Verhalten und
vorzügliche Dienstleistung vor dem Feinde“ das
Militärverdienstkreuz 3 Kriegsdienstmedailie und Schwerter8.
Er war beim „LWR 2 bei einem LITrp.DKmdo“, das heißt:
Landwehrregiment 2 bei einem Landes Infantrie Truppen
Dienstkommando“. Genaueres muss noch erforscht werden.
Gegen Ende des Krieges weilte er laut Eintragungen im
Wiener Fremdenblatt am 9. August 1918 und am 11. Oktober
1918 in Wien und wohnte dort im Hotel „Zur Ungarischen
Krone“.
Mit der Ausrufung der Republik Österreich am 12. November
1918 endete das Habsburgerreich und alle Adelstitel wurden abgeschafft. Franz Frankenstein wählte
die Villa zu seinem ständigen Wohnsitz. Die Familie war nun nur mehr auf die Erträge aus der
Landwirtschaft vom Mair im Hofgut und der Mairalm angewiesen. Mündlich ist überliefert, dass
Franz Franckenstein zusammen mit anderen Bauern (Örgl, Helml in Oberweng…) und dem
Sensenwerksbesitzer Piesslinger im Garstnertal einen Noriker-Zuchtverband aufgebaut hat.
Im Jahr 1919 suchte Franz von Frankenstein bei der
Wasserrechtsbehörde in Kirchdorf/Krems um die
Genehmigung an, an die Patzlmühle ein Gebäude anbauen
und die Wasserkraft des Salzabaches für den Antrieb einer
Turbine zur Erzeugung von elektrischem Strom nutzen zu
dürfen. Bei der Glockenweihe am 19. August 1923 wurden
die neuen Kirchenglocken in Form eines Festzuges vom
Bahnhof durch den Markt Windischgarsten geführt. Franz
Franckenstein führte diesen Zug auf einem Pferd reitend
an9. Er engagierte sich in der Gemeindepolitik von „Pichl“,
so hieß die heutige Gemeinde Roßleithen bis 1. November
1951. Er war Mitglied der christlich sozialen Partei und
wurde am 24. September 1923 zum Bürgermeister
gewählt. Unter seiner Amtsführung wurde im damaligen
Gemeindeamt von Pichl am 15. Juli 1928 ein
Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges aus
der Gemeinde angebracht.
Bei den Wahlen von 1929 wurde er in seinem Amt
wiederum bestätigt. Am 23. September 1933 wurde
Bürgermeister Frankenstein ca. 1935
Bürgermeister Franz Frankenstein zum Ehrenbürger von
Roßleithen ernannt. Dazu findet sich in der Gemeindechronik von Roßleithen folgende Eintragung:
„Der Gemeindeausschuss hat heute den Bürgermeister Baron Franz von Frankenstein aus Anlass
8
9
Linzer Volksblatt v. 24.9.1916, S 8 (ÖNB, Internet-Einsicht)
Quellen der Heimatkunde“ Folge 13, herausgegeben von Rudolf Stanzel, Windischgarsten 2014, S 53.
6
seiner 10-jährigen Amtstätigkeit einstimmig zum Ehrenbürger ernannt. Bürgermeister Frankenstein
hat diese höchste Ehrung vielfach verdient.“
Mit Ausrufung des „Ständestaates“ in Österreich am 1. Mai 1934 wurden auch sämtliche
Bürgermeister der Gemeinden neu besetzt. Franz Frankenstein ist jedoch auch damals wieder in
seinem Amt bestätigt worden. Erst nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 13. März 1938
wurde Bürgermeister Franz Frankenstein von den Nationalsozialisten schon am nächsten Tag seines
Amtes enthoben. Er war somit fast 15 Jahre lang Bürgermeister von Pichl / Roßleithen.
Die Familie Frankenstein war jedoch durch den verlorenen Ersten Weltkrieg in finanzielle
Schwierigkeiten gekommen. Die Inflation gleich nach dem 1. Weltkrieg, die schwierige wirtschaftliche
Lage der Dreißiger-Jahre haben wahrscheinlich dazu beigetragen, dass die Liegenschaft im Jahr 1934
überschuldet war. Bereits am 10. Mai 1926 wurde im Grundbuch, Blatt „C“ eine Belastung von ATS
40.000 eingetragen, mit Schuldschein vom 2. September 1926 erfolgte eine weitere Belastung von
ATS 25.000 zugunsten der O.Ö. Landeshypothekenanstalt in Linz. Mit 5. April 1930 kam noch eine
Belastung für die Sparkasse des Marktes Windischgarsten in Höhe von ATS 7.000,- dazu, am 16. Juni
1930 eine weitere in Höhe von ATS 17.000,- zu Gunsten der Landeshypothekenanstalt. Am 2. August
1933 ein Schuldschein zu Gunsten von Franz Lechner in Höhe von ATS 2.500,- und am 14. März 1934
ebenfalls ein Schuldschein in Höhe von ATS 561,- zu Gunsten von Gottfried Ofner. Die
Gesamtverschuldung betrug somit ATS 92.061,-.
Mit Kaufvertrag vom 7. Mai 1935 wurde das Ehepaar Adolf und Maria Wiesinger, Kaufleute aus
Großreifling, um den Preis von ATS 120.000, Besitzer der Liegenschaft. Mündlich ist überliefert, dass
die Familie Wiesinger durch einen Gewinn in der Österreichischen Klassenlotterie in den Besitz eines
größeren Kapitals gekommen war. Die Familie Franckenstein durfte noch bis zum 21. April 1936 im
Gärtnerhaus Mayrwinkl Nr. 3 (heute Mayrwinkl 82) wohnen und übersiedelte dann in das Haus Pichl
Nr. 11 (heute Pichl Nr. 45).
Franz Frankenstein hatte das Haus in Pichl neu erbauen lassen, er starb dort am 28. Februar 1943 im
Alter von nicht
ganz 64 Jahren an
„Bronchialkarzinom
mit
Aussaat“10,
nachdem er am 26.
Februar
von
Kooperator
Friedrich
Weinbauer
die
Sterbesakramente
empfangen hatte.
Der Zeitzeuge Josef
Rebhandl
vom
„Kandlergut“ kann
sich
daran
erinnern, dass die Leiche Franz Franckensteins mit einem Pferdefuhrwerk des Kandlergutes zur
Kirche gebracht wurde, in der Nähe der Gerberei Purgleitner scheuten die Pferde. Das Requiem am 3.
März 1943 um 10 Uhr zelebrierte Dechant Johann Gruber mit Assistenz eines anderen Priesters, die
10
Standesamt Pichl/Roßleithen, S 6/43
7
sterblichen Überreste Franckensteins wurden anschließend am „Gottesacker der Pfarrgemeinde
Windischgarsten“ begraben. Seine Ehefrau Edina wohnte bis am 13. Februar 1952 im Haus Pichl Nr.
45 (11) und übersiedelte dann zusammen mit ihrer Tochter nach Salzburg. Sie starb am 8. Februar
1959 im 74. Lebensjahr in Lambach, O.Ö.
Die Familie Wiesinger verpachteten die Landwirtschaft des Mayr im Hofgutes von 30. Jänner 1936 bis
Mai 1941 an die Familie Schwienbacher aus Südtirol, Frau Marie Wiesinger bezog die Sonnwendvilla
mit ihrem Sohn Werner am 15. August 1938, ihr Mann Adolf folgte erst am 15. Oktober 1938. Sie
hatten in der Villa immer eine Hausgehilfin und beschäftigten einen eigenen Gärtner, für die
Eigenjagd einen Förster oder Jäger. Diese wohnten meistens im Haus Mayrwinkl Nr. 3. Von 1935 bis
1941 war ein Karl Wölger als Gärtner angestellt, er wohnte mit seiner Frau Petronella im Haus
Mayrwinkl 1.
Die Sonnwendvilla am 19. April 1939 zum 50. Geburtstag des „Führers“
Von 1941 bis 1951 war Emmerich
Gschaider als Wirtschafter der
Landwirtschaft angestellt, er
wohnte mit seiner Familie in
Mayrwinkl Nr. 6, der Sohn Fritz
Gschaider ist im Jahr 1943 im
Bauernhaus zur Welt gekommen.
8
Während des Zweiten Weltkrieges wohnten mehrere Familien in der Villa Sonnwend, in der
Landwirtschaft waren Kriegsdiensthelfer aus Polen, Russland und der Ukraine beschäftigt. Adolf
Wiesinger starb 1942, die Liegenschaft übernahm seine Frau Marie.
Mit dem Pachtvertrag vom 26. November 1949 pachtete Herr Engelbert Auer die gesamte
Liegenschaft für die O.Ö. Landwirtschaftskammer und diese verwendete das Gut als Melkerschule.
Der erste Melkerkurs, in der Mitte Hermann Danner
Der erste Melkerkurs unter der Leitung von Hermann Danner fand in der Zeit vom 20. November bis
16. Dezember 1950 statt, es nahmen an diesem Kurs 15 Jungbäuerinnen aus ganz Oberösterreich teil.
Herr Hermann Danner war mit seiner Familie am 13. Oktober 1950 von Leonfelden im Mühlviertel in
die Sonnwendvilla übersiedelt, er wohnte dort bis nach der Auflassung der Melkerschule (1971) und
übersiedelte am 31. Mai 1972 in sein neu erbautes Haus am Kühberg in Windischgarsten. Von 1. April
1952 bis 1. Mai 1960 war Herr Adolf Grill Wirtschäfter am Mayr im Hofgut, auch er wohnte mit seiner
Familie im Bauernhaus. Für die forstliche Betreuung der Liegenschaft wurde Förster Kurt Buchbauer
aus Hinterstoder angestellt, er wohnte ab 12. April 1964 bis November 1980 mit seiner Familie im
Haus Mayrwinkl Nr. 3.
Mit Kaufvertrag vom 28. November 1955 wurde die gesamte Liegenschaft unter Landeshauptmann
Heinrich Gleißner vom Land Oberösterreich erworben, der Pachtvertrag mit der O.Ö.
Landwirtschaftskammer blieb jedoch weiterhin bis zur Auflassung der Melkerschule aufrecht. Infolge
des technischen Fortschrittes in der Landwirtschaft war der Schultyp „Melkerschule“ ab dem Jahr
1969 nicht mehr gefragt, die Schule wurde in der Folge aufgelassen. Der Landwirtschaftliche Betrieb
des „Mayr im Hof-Gutes“ wurde dann vom Land Oberösterreich verpachtet.
9
Der Bereich der Villa Sonnwend samt dem Park und den zwei Nebengebäuden und einer kleinen
Gartenfläche vermietete das Land Oberösterreich an den „Verein zur Förderung der österreichischen
Jugend“ für Ferien und Erholungszwecke. Diese Liegenschaft wurde dann ab 1. November 1984 an
den Verein „Lebenshilfe Oberösterreich“ zur Führung eines Ferien- und Erholungsheimes für geistig
und mehrfach behinderte Menschen und für Seminarzwecke vermietet. Zu diesem Zweck hat der
Verein das Innere des Hauses behindertengerecht umgestaltet. Mit Mai 1985 wurde der
Probebetrieb aufgenommen. Das Haus stand aber auch für Wochenendseminare von anderen
Vereinen zur Verfügung.
Am 10. Jänner 1997 unterzeichneten Umweltminister Dr. Martin Partenstein und Landeshauptmann
Dr. Josef Pühringer in Großramig einen Vertrag zur Gründung des „Nationalpark Kalkalpen“, in der
Folge wurde die Sonnwendvilla diesem Nationalpark in das Eigentum übergeben und für Seminare
verwendet.
Für einen rentablen Hotel- und Seminarbetrieb war jedoch die Sonnwendvilla zu klein geworden und
ein Anbau daher unbedingt erforderlich. Im April 2009 wurde mit dem Anbau eines modernen
Küchen- und Zimmertraktes begonnen. Bis zum Wintereinbruch 2009 konnte das Erdgeschoss im
Rohbau fertig gestellt werden, im Frühjahr 2010 erfolgte dann die Fertigstellung des Anbaues, sodass
ab August 2010 der Vollbetrieb aufgenommen werden konnte.
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