1 VORWORT INHALT BESETZUNG ZUR INSZENIERUNG Das Leadingteam „Sich mit so einem literarischen Monster auseinandersetzen“ – Im Gespräch mit dem Autor und Regisseur Michael Schachermaier WEITERFÜHRENDE MATERIALIEN ZUR ROMANVORLAGE BZW: ZUM STÜCK Mary Shelley – eine kurze Biografie Mary Shelleys Erinnerungen an den Sommer 1816: Die Entstehung des „Frankenstein“ „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ – Ein Kommentar zur Urfassung des Romans „Frankenstein“: Monströs vereinfacht – Über die Entstehung, die Hintergründe und die Wissenschaftsethik des Romans UNTERRICHTSVORSCHLÄGE Zur Vorbereitung des Vorstellungsbesuchs Zur Nachbereitung des Vorstellungsbesuchs KOMMENTIERTE LITERATUR- UND MEDIENHINWEISE IN EIGENER SACHE IMPRESSUM DIE GESAMTE MATERIALMAPPE MIT AUSFÜHRLICHEN ANREGUNGEN UND TIPPS FÜR DIE (PRAKTISCHE) VOR- UND NACHBEREITUNG DES THEATERBESUCHS SOWIE SPANNENDE HINTERGRUNDINFORMATIONEN, WEITERFÜHRENDE LITERATUR- UND MEDIENHINWEISE SCHICKEN WIR IHNEN GERNE BEI ANFRAGE DIGITAL ZU. Wenden Sie sich bitte an das Redaktionsteam. Kontakt: 0316 8008 1129 / [email protected] / [email protected] / [email protected] 2 VORWORT Liebe Pädagoginnen, liebe Pädagogen, liebe Theaterfans, wir freuen uns, dass Sie sich für die Begleitmaterialien zum Jugendstück „Mary Shelleys Frankenstein“ interessieren, dessen Premiere am 11. März 2017 im Next Liberty über die Bühne geht. Dr. Victor Frankenstein bzw. sein Geschöpf, das „Monster“, zählen nach wie vor zu den bekanntesten Figuren der Schauerliteratur und sind – geprägt von bekannten Verfilmungen und Adaptionen – längst Teil der Pop-Kultur geworden. Bei „Frankenstein“ taucht sofort ein Bild vor unserem inneren Auge auf, wobei es sich dabei meist um eine Version des namenlosen „Monsters“ und nicht um den eigentlichen „Dr. Frankenstein“ handelt. Boris Karloffs Charakterkopf oder Herman Munster haben also, wenn man so will, mittlerweile ihren „Schöpfer“ ebenso in den Schatten gestellt wie die Details und Themen des Romans bzw. die Hintergrundinformationen über die Autorin Mary Shelley – und genau dieses Phänomen bzw. die daraus resultierenden Fragestellungen haben uns bei der Beschäftigung mit diesem großen Stoff der Weltliteratur interessiert: Wie kann man die höchst spannende Entstehungsgeschichte des Romans integrieren? Wie lassen sich diese komplexen Überschneidungen und Verknüpfungen zwischen Schöpfer und Geschöpf spannend erzählen? Welche Themen und Figurenkonstellationen sind dabei für ein heutiges junges Publikum interessant? Wie unterschiedlich gehen die „Schöpfer“-Figuren in der Geschichte – Autorin und Wissenschaftler – mit der Verantwortung um, die sie ihrer „Schöpfung“ gegenüber haben? Um unsere Erkenntnisse und Erfahrungen mit Ihnen zu teilen bzw. Ihnen und Ihren SchülerInnen die Möglichkeit zu geben, sich auch über den Theaterbesuch hinaus mit dem Stück zu beschäftigen, haben wir für den ersten, theoretischen Teil dieser theaterpädagogischen Unterlagen bei dem Autor und Regisseur Michael Schachermaier u. a. nachgefragt, was ihm bei der Dramatisierung des Romans wichtig war bzw. wie man bei einem derartig stark geprägten Vorbild wie „Frankenstein“ mit der Erwartungshaltung des Publikums umgeht. Darüber hinaus haben wir Ihnen einige Informationen zur Autorin Mary Shelley, zur Entstehungsgeschichte des Romans und zu möglichen Interpretationsansätzen der Geschichte sowie eine ausführliche, kommentierte Liste an Litertatur- und Medienhinweisen zusammengestellt, die sich eventuell für eine intensivere Auseinandersetzung im Unterricht eignen. Im zweiten, praktischen Teil finden Sie dann Anregungen und Tipps für die (praktische) Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuchs sowie einen Überblick über unser theaterpädagogisches Angebot. Wir freuen uns über Rückmeldungen zu Ihrem Theaterbesuch und Ihrer Arbeit mit diesen Materialien, stehen Ihnen natürlich jederzeit auch gerne darüber hinaus mit Rat und Tat zur Seite und wünschen Ihnen und Ihren SchülerInnen eine anregende Zeit mit und rund um „Mary Shelleys Frankenstein“. Herzlichst, Dagmar Stehring (Dramaturgin), Pia Weisi und Katharina Jetschgo (Theaterpädagoginnen) Kontakt: 0316 8008 1129 / [email protected] / [email protected] / [email protected] 3 INHALT „Ich wollte nicht irgendeine Geschichte schreiben. Meine Geschichte sollte die mysteriösen Ängste unserer Natur ansprechen und schauererregendes Grauen erwecken – der Leser sollte es nicht mehr wagen, sich umzusehen, das Blut sollte in seinen Adern erstarren und sein Herzschlag sich beschleunigen. Wenn ich diese Wirkung nicht erreichen könnte, dann wäre meine Schauergeschichte ihres Namens nicht würdig …“ Und dann, in einer dunklen und stürmischen Nacht, hat die junge Schriftstellerin Mary Shelley die Idee für eine Geschichte, die alle anderen übertreffen kann. Also stürzt sie sich ins Schreiben und erschafft um ihren Titelhelden, den charismatischen Wissenschaftler Victor Frankenstein und dessen Verlobte Elisabeth eine faszinierende Welt, die sie immer mehr in ihren Bann zieht – und sich zu verselbstständigen beginnt. Denn obwohl dieser Frankenstein alles hat – eine Familie, die ihn liebt, eine gute Ausbildung, eine glänzende Zukunft –, will er immer mehr und verbeißt sich ohne Rücksicht auf Verluste in seine Forschungen und Experimente, bis ihm das schier Unmögliche gelingt: die Erschaffung von Leben. Doch Victors bzw. Marys Kreatur gestaltet und gebärdet sich ganz anders als geplant und die Geschichte nimmt eine folgenschwere Wendung: Frankenstein lässt sein Geschöpf zurück und ergreift die Flucht, was einen nervenzerreißenden Wettlauf zwischen Schöpfer und Schöpfung zur Folge hat, durch den schließlich auch Mary begreift, dass man seiner Verantwortung, seinen Dämonen und den Konsequenzen seiner Taten nicht so einfach entkommen kann ... 4 BESETZUNG „MARY SHELLEYS FRANKENSTEIN“ frei nach dem Roman von Mary Shelley / in einer Fassung von Michael Schachermaier und Dagmar Stehring Mary Shelley, Erzählerin Sascia Ronzoni Percy Shelley / Victor Frankenstein Christopher Ammann Lilibeth, Marys Cousine / Elisabeth Lavenza / Die Kreatur Rebekka Reinholz Henry Clerval, ein guter Freund / Die Kreatur Martin Niederbrunner Lord Byron / Dr. Alphonse Frankenstein, Victors Vater / Die Kreatur Helmut Pucher Claire Mountbatten, Dame der Genfer Gesellschaft / Die Kreatur Yvonne Klamant Live-Musik Maurizio Nobili Inszenierung: Michael Schachermaier Bühne & Puppenbau: Julia Beyer Kostüme: Alexia Redl Sounds & Musik: Maurizio Nobili Puppen-Coaching: Manfredi Siragusa (babelart THEATER) Tango-Training: Andras Kurta Lichtgestaltung: Michael Rainer Dramaturgie: Dagmar Stehring Regieassistenz: Julia Zach VORSTELLUNGSDAUER ca. 85 Minuten (ohne Pause) 5 ZUR INSZENIERUNG Das Leadingteam Michael Schachermaier (Inszenierung) wurde 1982 geboren und studierte in Wien Theater- und Kulturwissenschaft / Cultural Studies. Während des Studiums arbeitete er in diversen Sparten im Kulturbereich, u. a. am Austrian Cultural Forum New York sowie für verschiedene Festivals und Theater, vorwiegend als Regieassistent, aber auch als Produktionsleiter für die Salzburger Festspiele. Für die Bad Hersfelder Festspiele brachte er mit „Frankensteins Monster“, „Der gefesselte Prometheus“ und „Ronja Räubertochter“ erstmals eigene Inszenierungen auf die Bühne. Von 2009 bis 2011 war Michael Schachermaier am Burgtheater tätig, zuerst als Regieassistent (unter anderem bei Andrea Breth, Matthias Hartmann, Christoph Schlingensief und Alvis Hermanis), anschließend als Regisseur, hier inszenierte er im Vestibül die Uraufführung von „Getränk Hoffnung“ von David Lindemann sowie im Burgtheater „Fool of Love – Shakespeare Sonette“ und zum Beginn der Spielzeit 2012/13 „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ von Ferdinand Raimund. Michael Schachermaier inszenierte darüber hinaus am Volkstheater Wien, Landestheater Linz, Landestheater Salzburg, Theater Oberhausen, Schauspielhaus Salzburg, am Theater der Jugend in Wien sowie am Stadttheater Klagenfurt, wo er die Oper „Die Entführung aus dem Serail" auf die Bühne Alexia Redl (Kostüme) In Mödling geboren, studierte Alexia Redl am Mozarteum in Salzburg bei Hans Bruno Gallee und ist seit 1989 als freischaffende Bühnen- und Kostümbildnerin für Oper, Operette, Musical und Schauspiel tätig. Lebt in Maria Enzersdorf bei Wien. Kostüme für „Der Vogelhändler“ an der Volksoper Wien, „Der Bauer als Millionär“ bei den Festspielen Gutenstein und „My Fair Lady“ für das Lehàr-Festival Bad Ischl. Bei den Haydnfestspielen Eisenstadt waren die Haydn-Opern „L’isola disabitata“, „Armida“, „Lo speziale“, „La canterina“ sowie „L’anima del filosofo, ossia Orfeo ed Euridice“ in ihrer Ausstattung zu sehen. Kontinuierliche Arbeiten für das Opernhaus Graz, „In 80 Tagen um die Welt“, „Honk! Das hässliche Entlein“, „Das Gespenst von Canterville“ und „Emil und die Detektive“ (2017 im Opernhaus Chemnitz). Weiters das Bühnenbild für die Rosegger-Festspiele Krieglach, „Jakob,der Letzte“, (ORF Ausstrahlung), Ausstattung für das Familienmusical „Peter Pan“ an der Bühne Baden sowie über 30 Bühnen- und Kostümbilder für das Jugendtheater Next Liberty, Graz. Mehr zu den Arbeiten von Alexia Redl finden Sie hier: www.alexiaredl.com. 6 Julia Beyer (Bühne&Puppenbau) wurde 1980 in Jena, Thüringen geboren. Mittlerweile lernt, arbeitet und lebt sie in Dresden als freischaffende Bühnen-, Kostümbildnerin und Figurenbauerin. Bereits vor ihrem Studium für Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Bildende Künste Dresden sammelte sie Erfahrungen in diversen Theaterwerkstätten und als Kostüm- und Bühnenassistentin unter anderem am DNT Weimar, am Schauspielhaus Leipzig, am Meininger Theater sowie der Semperoper Dresden. Noch während des Studiums entwarf sie erste eigene Arbeiten am Schauspiel Chemnitz. Seit Ihrem Abschluss ist sie freischaffend als Bühnen- und Kostümbildnerin im Bereich Schauspiel, Oper und Figurentheater an verschiedenen Theatern tätig. Wobei sich der Schwerpunkt der Arbeit in den letzten Jahren hin zum Figurentheater verschoben hat. Außerdem arbeitet sie immer wieder für Film- und Fernsehproduktionen. In den Jahren 2011 bis 2013 war Julia Beyer am Staatsschauspiel Dresden als Bühnenbildassistentin beschäftigt und war in dieser Zeit auch für die Ausstattung von diversen Produktionen verantwortlich, wie etwa bei „Nipple Jesus" oder „Die Kontrakte des Kaufmanns". Seit 2013 arbeitet Julia Beyer wieder freiberuflich, unter anderem am Next Liberty in Graz, wo sie die Kostüme und die Figuren für „Gullivers Reisen" entworfen und gebaut hat. Außerdem war sie am Theater der Jugend in Wien, bei verschiedenen Inszenierungen für den Entwurf und Bau der Puppen verantwortlich, beispielsweise bei „Sherlock Holmes und der Hund der Baskervilles", „Karlsson vom Dach", „Momo" und „Kalle Blomquist". Zuletzt war sie mit der Ausstattung für „Die unendlichen Geschichte“ am Theater Oberhausen betraut. Mit Michael Schachermaier verbindet sie eine regelmäßige Zusammenarbeit. Bühnenbildmodell bzw. Bühne von „Mary Shelleys Frankenstein“ / © Julia Beyer 7 „Sich mit so einem literarischen Monster auseinandersetzen“ – Im Gespräch mit dem Autor und Regisseur Michael Schachermaier Lieber Michael, du hast in den vergangenen Jahren mit „20 000 Meilen unter dem Meer“ und „Gullivers Reisen“ bereits große Stoffe der Weltliteratur auf die Bühne gebracht – was hat dich daran interessiert/gereizt „Frankenstein“ zu adaptieren? Das war ja nicht deine erste Beschäftigung mit dieser Geschichte … Diese „großen Stoffe“ und Romane laden immer dazu ein, für die Bühne ein Destillat zu schaffen. Man darf hier – oftmals noch mehr als bei einem „Stück von der Stange“ – einen stärkeren eigenen künstlerischen Zugang suchen. Bei „20 000 Meilen“ war es die abenteuerliche Reise eines jungen, anfangs ängstlichen Menschen, der eine starke Entwicklung durchmacht, zu einer gereiften Persönlichkeit, bei „Gulliver“ ging es um die Kraft der Phantasie und ihre Schattenseiten und bei „Frankenstein“ hat sich die Frage nach Verantwortung und schöpferischer Kraft in den Vordergrund gedrängt. Für mich ist das eine spannende Trilogie der großen Werke, die ich auf die Bühne des Next Liberty bringen konnte, eine insgesamt runde Angelegenheit für die Altersgruppe 12+. „Frankenstein“ war darüber hinaus bei den Bad Hersfelder Festspielen vor langer Zeit meine erste Regiearbeit an sich, deshalb ist mir der Stoff nahe und vertraut, gleichzeitig fand ich es spannend, den Roman nochmals anders beleuchten und erobern zu dürfen. „Wir wussten, dass uns der Dualismus massiv interessiert, die Verbindung zwischen Schöpfer und Geschöpf, die Autorin, die ihrer literarischen Schöpfung Victor Frankenstein gegenübersteht, der wiederum seiner „realen“ Schöpfung begegnet. Daraus ist eine Geschichte über Spiegelung und Verantwortung bzw. den Umgang mit Verantwortung geworden, die sich immer mehr zuspitzt.“ sondern sie noch um die der Autorinnenperspektive zu erweitern? Und: Welche (neuen) erzählerischen Möglichkeiten gingen mit dieser Entscheidung einher? Für dermaßen große Erzählungen braucht es immer einen Anker, einen Dreh- und Angelpunkt des Interesses. Hier hat es sich für mich (und meine Mit-Autorin Dagmar Stehring) quasi aufgedrängt, eine so spannende Persönlichkeit wie die Autorin in den Vordergrund zu stellen, ihrer Biografie nachzuspüren und sie als „künstlerische Startrampe“ für diese Arbeit zu sehen. Gleichzeitig wurde diese Figur immer zentraler in der Beschäftigung, die Idee hat sich von Mal zu Mal richtiger angefühlt und diese Figur wurde immer lebendiger, was sich gerade in so einer Geschichte auch in mehrfacher Hinsicht eingelöst hat. Ich glaube, es ist uns gelungen, mit Mary Shelley ein Fenster in diesen Abend zu schaffen, das sich nicht auf eine reine „Rahmenhandlung“ beschränkt, sondern einen Einund Ausblick in die Gedankenwelt einer kreativen und intelligenten Frau ermöglicht, der es gelungen ist, den ersten Science-FictionRoman der Literaturgeschichte zur Welt zu bringen. Bereits kurz nach der (zunächst anonymen) Veröffentlichung von „Frankenstein“ im Jahr 1818 entstanden erste Adaptionen, Bühnenbearbeitungen, Verfilmungen etc., die mit der eigentlichen Romanhandlung nur mehr in Grundzügen übereinstimmten, und auch die interessante Entstehungsgeschichte bzw. die Autorin Mary Shelley ist heute kaum mehr präsent. Der Stücktitel „Mary Shelleys Frankenstein“ impliziert ja bereits, dass in dieser Bearbeitung auch die Autorin eine Rolle spielt – wie ist die Idee entstanden, diese Geschichte von Schöpfer und Geschöpf nicht ganz „klassisch“ nachzuerzählen, 8 Die Geschichte um „Frankenstein“ gilt bis heute als zeitlos und wird meist als frühe Kritik an (zu) ehrgeizigen Bestrebungen in Wissenschaft und Forschung gelesen – bei genauerer Beschäftigung mit dem Roman entdeckt man, wie viele (u. a. moralische) Fragen und große Themen darin tatsächlich aufgegriffen werden, u. a.: Wie geht man mit Verantwortung um? Welche Konsequenzen hat mein Handeln? Bis zu welchem Punkt habe ich überhaupt Einfluss auf die Auswirkungen? Wohin führen mich meine eigenen hohen Ansprüche (egal, in welchem Bereich) und wie weit bin ich bereit, dafür zu gehen? Was ist wichtiger: Das Wohl der Gemeinschaft oder mein persönliches Glück? Inwiefern wird ein Mensch durch seine Erfahrungen positiv/negativ geprägt? Und und und … Was war euch besonders wichtig, für diese Dramatisierung herauszuarbeiten? Der Roman hat klar die Richtung vorgeben, die Erzählstruktur, das Szenario, den Ablauf. Gleichzeitig ist im Probenprozess – u. a. auch durch die Verbindung und die Arbeit mit dem Ensemble – die Geschichte gewachsen, hat sich verändert, teilweise auch für uns verselbstständigt. Das ist/war eine Beschäftigung, die für alle Beteiligten wahnsinnig fordernd, aber auch wunderschön und spannend ist. Das ist bei der Arbeit an einer Uraufführung Fluch und Freude zugleich, die Geschichte wächst, schlägt Haken, wehrt sich, fordert ein und überrascht auch immer wieder. Wir wussten, dass uns der Dualismus massiv interessiert, die Verbindung zwischen Schöpfer und Geschöpf, die Autorin, die ihrer literarischen Schöpfung Victor Frankenstein gegenübersteht, der wiederum seiner „realen“ Schöpfung begegnet. Daraus ist eine Geschichte über Spiegelung und Verantwortung bzw. den Umgang mit Verantwortung geworden, die sich immer mehr zuspitzt. Schreiben kaum planen oder konkret vorhersehen, hier hilft eine fruchtbare, angenehme Probenatmosphäre, die die SchauspielerInnen dazu einlädt, sich auszuprobieren, ein Schwungrad an Ideen zu drehen – das ist dann doppelt schön, wenn man sich auf der Bühne wie auch im Zuschauerraum auch einmal amüsieren darf … Ironie passiert, würde ich sagen. Da du ja als Autor UND Regisseur an dieser Produktion beteiligt bist, ist natürlich auch interessant, welche besonderen Herausforderung die Umsetzung eines solchen Stoffes auf der Bühne mit sich bringt: Frankensteins Kreatur, das „Monster“, zählt wohl zu den bekanntesten Vertretern des Horror- und Schauergenres und ist geprägt von zahlreichen Bildern aus Filmen, Comics, Serien usw. Wie geht man in diesem Zusammenhang mit der Erwartungshaltung um? Inwiefern hat dich/euch das bei den künstlerischen bzw. ästhetischen Entscheidungen beeinflusst? Die Erwartungshaltung ist für mich ein zentraler Aspekt. Bei solchen Stoffen kommt der Zuschauer auch mit der Frage „Wie machen die das?“ ins Theater und hat von Anfang an klare Bilder im Kopf. Ich würde sagen: Mutig auf so einen Stoff los, eigene Ideen haben, ihnen nachspüren und vertrauen, anders geht das nicht, sonst bleibt man immer hinter Kino, Film und PopKultur zurück. Ihr habt euch auch bewusst dafür entschieden, die Geschichte (auch in Bezug auf Ausstattung) in der Entstehungszeit des Romans zu belassen und sie nicht in eine „modernes“ Setting zu versetzen – was waren die Überlegungen dazu? Dadurch bleibt in gewisser Weise der Zauber der Vorlage erhalten, man kann sich auf die zeitlose Geschichte konzentrieren und kommt nicht in die Bedrängnis, platte Modernisierungen vornehmen zu müssen. Natürlich kann man das auch im Hier und Jetzt spielen, diesen künstlichen Zugang möchte ich niemandem absprechen – ich persönlich mag aber Zeitreisen am Theater und lasse mich gerne in andere Universen entführen und mitnehmen. Das Hier und Jetzt habe ich ja sowieso andauernd, also warum sich Und: Wie bleiben bei so vielen ernsten Fragenstellungen und Dilemmata der Humor bzw. die Spannung nicht auf der Strecke? Trotz Spannung muss dieser Abend auch Lust machen, sich mit so einem literarischen Monster auseinanderzusetzen, hier darf auch der Humor, die Ironie nicht zu kurz kommen. So etwas lässt sich beim 9 nicht mitnehmen und verzaubern lassen? Ganz frei nach dem Spruch: „Die wahren Abenteuer sind im Kopf, und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo“. Für diesen Stoff hat es sich aufgedrängt, ist es fast unabdingbar mit FigurentheaterMitteln zu arbeiten, denn: Will man wirklich einen Schauspieler in einem MonsterKostüm sehen? Wir arbeiten dadurch mit ureigenen Theatermitteln, der Behauptung, der Freude an Spiel und Verwandlung, verschleiern nichts, sondern gehen offen damit um, dass bzw. wie etwas entsteht und gemacht wird, das fand ich für „Frankenstein“ genau richtig. Darüber hinaus ist es Puppen möglich, zu morden, zu sterben, sich neu zusammenzusetzen – das schaffen SchauspielerInnen ja nur begrenzt … Schon bei „Gullivers Reisen“ wurden die SchauspielerInnen mit Mitteln des Figurenund Objekttheaters (und u. a. durch das professionelle Coaching von Puppenspieler Manfredi Siragusa) bei der Darstellung phantastischer Figuren und Welten unterstützt – wie war es bei dieser Produktion? War von Anfang an geplant, sich dem „unbeschreiblichen Grauen“, das da geschaffen wird, auf diese Weise zu nähern? Wie kann man sich den Entscheidungs- bzw. Entwicklungsprozess dabei vorstellen? 10 IN EIGENER SACHE Falls Sie sich über diese Begleitmaterialien hinaus mit „Mary Shelleys Frankenstein“ oder einem anderen Stück im Next Liberty beschäftigen möchten, bieten wir Ihnen und Ihren SchülerInnen verschiedene theaterpädagogische Formate an, mithilfe derer eine intensive Vor- und Nachbereitung des Vorstellungsbesuchs ermöglicht werden kann: • WORKSHOPS AN SCHULEN Vor- und nachbereitende Workshops zu unseren Stücken in Schulen in- und außerhalb von Graz. Dauer: 2 Schulstunden; Termine nach Vereinbarung. NEU: Diese Workshops sind auch in Englisch buchbar! • STÜCKEINFÜHRUNGEN, VOR- & NACHBESPRECHUNGEN, PUBLIKUMSGESPRÄCHE mit Informationen zu Inhalt, Hintergründen, Inszenierung und unseren SchauspielerInnen finden zu allen Stücken im Next Liberty statt. Dauer: ½ h, Termine nach Vereinbarung • THEATER-FÜHRUNGEN DURCH DAS NEXT LIBERTY Bei diesen Backstage-Führungen können interessierte Schulklassen einen Blick hinter die Kulissen werfen und hautnah mehr über den Theaterbetrieb und die Berufe am Theater erfahren. Dauer: 1 h, Anmeldung erforderlich Für Rückfragen, weitere Informationen zum Stück „Mary Shelleys Frankenstein“ und zu unseren theaterpädagogischen Angeboten stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung: Dagmar Stehring (Dramaturgie) / Pia Weisi und Katharina Jetschgo (Theaterpädagogik) Next Liberty Jugendtheater GmbH Kaiser-Josef-Platz 10 A-8010 Graz E [email protected]; [email protected] T 0316 8008 1129 I www.nextliberty.com 11 IMPRESSUM Medieninhaber & Herausgeber: Next Liberty Jugendtheater GmbH Kaiser-Josef-Platz 10 8010 Graz Geschäftsführender Intendant: Michael Schilhan Redaktion: Mag. Dagmar Stehring Pia Weisi, Bakk. phil., Theaterpädagogin BuT® Mag. Katharina Jetschgo, Theaterpädagogin BuT® Fotos: Lupi Spuma Satz- und Druckfehler vorbehalten! Stand: März 2017 Die Vervielfältigung, Bearbeitung und Verbreitung der vorliegenden Materialien außerhalb des Unterrichts oder des privaten Gebrauchs bedarf der schriftlichen Einwilligung der Erstellerinnen. 12