Arbeitskreis Internationale Politik der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag Eckpunkte der LINKEN zur Syrien-Politik 1. Demokratischer Wandel Die syrische Revolution begann im März 2011 als Teil des arabischen Frühlings. DIE LINKE begrüßt es, wenn in den arabischen Ländern Diktatoren durch Bewegungen von innen gestürzt werden. Die LINKE ist solidarisch mit den Kräften des demokratischen Wandels in Syrien. Das Morden und Töten muss ein Ende nehmen. Die Bürgerinnen und Bürger Syriens müssen die Chance bekommen, in einem gewaltfreien Umfeld über die politische und soziale Entwicklung des Landes selbst zu bestimmen. Das schließt die Möglichkeit ein, über die Wege des Wandels, also Wege zur Überwindung des derzeitigen Repressionsapparates, friedlich bestimmen zu können. Dabei unterstützt DIE LINKE das Selbstbestimmungsrecht von ethnischen und religiösen Minderheiten innerhalb der territorialen Integrität Syriens. DIE LINKE arbeitet mit linken syrischen Oppositionsgruppen, mit Demokratinnen und Demokraten in Syrien zusammen. 2. Schluss mit der Gewalt Die Regierung des Präsidenten Assad muss das Blutvergießen und insbesondere die Gewalt gegen Zivilisten unverzüglich beenden. Ein Ende der Gewalt – diese Forderung richtet sich zuerst an die Regierung Syriens. Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und für ihre Interessen zu demonstrieren. Das Militär muss in die Kasernen zurück. Folter und Misshandlungen müssen beendet und politische Gefangene freigelassen werden. Die syrischen Aufständischen müssen ihre militärische Aktionen und Angriffe auf Zivilisten, welche die Beobachtermission der Arabischen Liga vom 24.12.2011 bis zum 18.01.2012 in ihrem Abschlussbericht festgestellt hat, einstellen und gewaltfrei für den Wandel kämpfen. Syrien darf nicht weiter in den Bürgerkrieg abgleiten. Darum müssen sämtliche Waffenlieferungen sowohl an die syrische Regierung als auch an die Opposition sofort und vollständig eingestellt werden. 3. Für Verhandlungen Um weitere Gewalt zu verhindern, muss verhandelt werden, müssen Gespräche stattfinden. Präsident Assad genießt angesichts seines Agierens gegen die eigene Bevölkerung in den vergangenen Monaten und vor dem Hintergrund der tief enttäuschten Erwartungen auf Reformen nach seinem Amtsantritt bei der LINKEN keine Sympathie. DIE LINKE versteht angesichts der massiven Staatsgewalt einschließlich Panzereinsatz gegen Zivilisten und Artilleriebeschuss auf Wohnviertel, dass es für viele Menschen in Syrien nicht einfach ist, mit Vertretern des Regimes Assad zu verhandeln, aber durch Verhandlungen – auch über Dritte - könnten weitere Tote vermieden werden. Das ist es, was DIE LINKE will. 4. Vereinte Nationen Der Weltsicherheitsrat muss sich angesichts der Eskalation von Gewalt und der regionalen Auswirkungen mit der Lage in Syrien befassen. Heute bereits hat der Konflikt destabilisierende Wirkungen auf die Nachbarländer, insbesondere den Libanon. Der Weltsicherheitsrat ist bislang nicht zu einvernehmlichen Vorschlägen zur Konfliktlösung gekommen und einer dem entsprechenden Resolution gekommen. Diese Bemühungen müssen fortgesetzt werden. Der Charakter der von der Arabischen Liga vorgeschlagenen Blauhelmmission ist unklar. Ein Einsatz nach Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen ist nicht ausdrücklich formuliert. Zudem setzt ein Einsatz nach Kapitel VI der Charta die Zustimmung aller relevanten Konfliktparteien voraus. Eine solche Zustimmung liegt nicht vor. DIE LINKE lehnt diesen Vorschlag, der konfliktverschärfend sein kann, ab. Angesichts der Lage in Syrien ist die Herbeiführung und Absicherung eines Waffenstillstandes vordringlich. Ein Waffenstillstand kann international vermittelt und überwacht werden. Vereinbart werden kann ein Waffenstillstand hingegen nur zwischen den Konfliktparteien und dies setzt die Bereitschaft zu Verhandlungen voraus. Aus Sicht der LINKEN müssten in einer Resolution des Weltsicherheitsrates Regelungen getroffen werden, die eine Entwaffnung aller Zivilpersonen und den Rückzug der Armee in die Kasernen möglich machen und die jegliche Waffenlieferungen nach Syrien unterbinden. Das fordert DIE LINKE von Russland und fordert es auch von der Türkei, den USA, Katar und allen anderen, die offensichtlich syrische Aufständische mit Waffen versorgen. Es müssen Rückkehrmöglichkeiten für Flüchtlinge geschaffen und die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten und ärztliche Versorgung gesichert werden. Allen Bürgerinnen und Bürgern Syriens müssen elementare Grundrechte wie das Recht auf Leben, auf Unversehrtheit, auf Koalitions- und Demonstrationsfreiheit und auf freie Ausübung der Religion garantiert werden. Ein Gewaltverzicht aller Seiten ist notwendig. Statt weiterer bewaffneter Auseinandersetzungen ist ein Prozess von Wahlen und demokratischen Umgestaltung vorzuschlagen. Nach den Erfahrungen der Weltgemeinschaft mit den Resolutionen des Weltsicherheitsrates zum Libyen-Konflikt muss jegliche UN-Resolution klar und eindeutig gewaltsame äußere Einmischung sowie die Androhung von Gewalt ausschließen. Dieser Grundsatz darf nicht im Verlauf des weiteren Verfahrens mit VNEntscheidungen konterkariert werden. Alle Staaten müssen aufgefordert werden, keinerlei Waffen und andere Rüstungsgüter nach Syrien und in die Region zu liefern. Die Waffenlieferungen an Syrien einzufrieren, hat die LINKE auch von Russland gefordert. Deutschland sollte durch ein Verbot von Rüstungsexporten in den Nahen Osten vorangehen. Sanktionen sind auf ein Waffenembargo und auf das Einfrieren von Geldern der syrischen Führungsclique zu beschränken, um nicht die Bevölkerung zu treffen. Sanktionen sind sinnvoll, wenn sie gezielt und ausschließlich die Fähigkeit zur Gewaltausübung beschneiden. 5. Die deutsche Haltung zu Syrien In der Vergangenheit war die deutsche Haltung zu Syrien – unter allen Regierungen – sehr zwiespältig. Deutschland ist die US-Politik der Isolierung Syriens nie vollständig mitgegangen, hat aber in der Abschiebungspolitik und durch das Hinnehmen von Inhaftierungen und Folterungen gerade in sehr schwierigen Bereichen „Zusammenarbeit“ entwickelt. Auch in jüngster Zeit wurden Kettenabschiebungen über Ungarn, darunter auch Deserteure der syrischen Armee, durchgeführt. Die Forderungen einer weiteren Isolierung Syriens durch den Abzug von diplomatischem Personal, Schließung von Botschaften sind kontraproduktiv. Berlin, 14. Februar 2012