Begrüßung Ulrike von der Lühe Bargeld in der digitalen Gesellschaft – Anachronismus oder gedruckte Freiheit? 21.05.2015 Sehr geehrte Frau Staatsministerin Lemke, sehr geehrte Damen und Herren, im Namen der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz darf ich Sie herzlich willkommen heißen bei unserer Veranstaltung zur Rolle des Bargelds in der digitalen Gesellschaft. Vielen Dank für Ihr Interesse an der Diskussion über die mögliche Abschaffung des Bargelds. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Wagner, der für die heutige Veranstaltung die Initiative ergriffen und der Verbraucherzentrale die Möglichkeit zur Teilnahme gegeben hat. 1 Ursprünglich sollte unsere Podiumsdiskussion bereits im April stattfinden. Wegen Terminproblemen mussten wir sie jedoch verschieben. Aber daraus sind keine Nachteile entstanden. Auf diese Weise wird die Veranstaltung ein Teil des Kunst- und Kulturprojekts #watch22, das mit seinen beeindruckend vielfältigen, tiefgehenden und anregenden Veranstaltungen auf die Bedeutung der informationellen Selbstbestimmung aufmerksam macht. Für die gelungene Umsetzung dieser Veranstaltungsreihe danke ich Herrn Wagner und dem Kurator Herrn Minas sehr. Unser heutiges Thema könnte nicht aktueller sein: Am vergangenen Wochenende sprach sich der Wirtschaftsweise Peter Bofinger für die Abschaffung des Bargelds aus. Der Zahlungsverkehr würde vereinfacht werden, und sowohl die Schwarzarbeit als auch der Drogenhandel würden damit wirksam bekämpft werden können. Ein anderer Wirtschaftsweiser, Lars Feld, hält dagegen und betont die – wie er sie bezeichnet – „geprägte“ Freiheit des Bargelds. 2 Das Bargeld erfreut sich in Deutschland noch großer Beliebtheit. Gemäß einer Studie des EHI Retail Institute aus dem vergangenen Jahr wird im Handel nur einer von fünf Einkäufen bargeldlos bezahlt. Insgesamt 54,4 Prozent des Umsatzes, also etwas mehr als die Hälfte, werden noch mit Münzen und Scheinen abgewickelt. Eine Studie der Deutschen Bundesbank zum Zahlungsverhalten im Jahr 2014 weist darauf hin, dass vor allem kleinere Beträge bis 50 Euro nicht mit Karten oder anderen Bezahlverfahren beglichen werden. In diesem Bereich der Klein- und Kleinstbeträge wollen neue, innovative Bezahlsysteme das Bargeld ersetzen. Hier winkt ein großer Markt. Die Anbieter versprechen einfaches und schnelles Zahlen, zum Beispiel per Funk mit Karte, Smartphone-App oder Smartwatch. Doch die neuen Funktionen sind nicht kostenlos zu haben. Die Verwender der Bezahlsysteme zahlen in Form von Transaktions- oder Nutzungsentgelten. Mitunter bezahlen sie darüber hinaus mit ihren Daten, wenn Informationen über getätigte Einkäufe für Werbung oder eine personalisierte und möglicherweise 3 diskriminierende Angebotsgestaltung weitervermarktet werden. Daten aus Bezahlvorgängen können die Profile, die über uns erstellt werden, um tiefe Einblicke in unsere Lebensführung erweitern. Bei alledem frage ich mich aber, was die Abschaffung des Bargelds ganz konkret bedeuten würde. Wie, zum Beispiel, geben wir dem Personal dann im Hotel ein Trinkgeld? Wie dem achtjährigen Kind sein Taschengeld? Wie würde das Kind den Umgang mit Geld erlernen können, wenn es niemals Münzen und Scheine greifbar, das heißt zählbar in den eigenen Händen hält? Auch die Sicherheit ist ein Problem: Gerade mit Blick auf die mittlerweile regelmäßig auftretenden Datenskandale und kriminellen Kontozugriffe müssen Verbraucherinnen und Verbraucher danach fragen, wie sicher die Technologien vor Missbrauch sind. Sie müssen wissen, welche Sorgfaltspflichten beim Umgang mit Chip-Karten, Kartennummern, Apps, PINs und TANs bestehen. 4 Wer ohne Bargeld zahlt, kann unter einer großen Anzahl von Systemen wählen, die sich unterscheiden hinsichtlich der Bedienbarkeit, der Anzahl an Akzeptanzstellen, hinsichtlich der Sorgfaltspflichten, der technischen Sicherheit und beim Schutz von personenbezogenen Daten. Heute haben Verbraucherinnen und Verbraucher noch weitgehend die Freiheit selbst zu entscheiden, wie sie bezahlen wollen und welche Lösung für sie die beste ist. Wer mit Bargeld zahlt, wählt die Freiheit von einer elektronischen Erfassung des Konsums. Auf die Diskussion freue ich mich sehr. Ich gebe das Wort an unsere rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Frau Eveline Lemke. Vielen Dank. 5