Hristio Boytchev "Die Washington Post versucht sich noch mit New

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Hristio Boytchev
"Die Washington Post versucht sich noch mit New York Times und Wall Street Journal messen zu lassen,
kämpft aber eigentlich eine Gewichtsklasse zu hoch und das macht die Arbeit hier so spannend", sagte
meine Ressortleiterin Laurie McGinley, als ich sie gegen Ende des Fellowships fragte, was denn die
Zeitung ausmacht. Ich kann diesen Satz aus meiner Sicht bestätigen. Insgesamt war es eine sehr
bewegte Zeit, ich hatte das Gefühl, dass sehr viel möglich ist, dass meine Arbeit gebraucht und geschätzt
wird, weil eben sehr viel zu tun ist.
Als ich am ersten Arbeitstag ins Büro kam, wusste ich nicht mal, in welche Sektion ich reingesteckt
würde, ich hatte große Befürchtungen, es würde sich um High-School-Sport handeln. Doch Shirley
Carswell, die Managerin die sich jetzt um die Fellows kümmert, führte mich sicheren Schrittes in die
Wissenschaftssektion. Die dortigen Redakteure waren etwas überrascht, niemand wusste so richtig, dass
ich kommen würde. Doch dann waren sie sehr dankbar über die zusätzliche Verstärkung, es war
schließlich Sommer (Ferienzeit) und auch noch Wahlkampf (was zum Beispiel bedeutete, dass Joel
Achenbach, der Star des Ressorts, der aber auch für Politik und Sport eingesetzt wird, sich kaum um
wissenschaftliche Themen kümmern konnte).
Ich wurde in der Redaktionskonferenz von Peter Perl vorgestellt, der sich früher um die Fellows
gekümmert hatte. Auch war es vorteilhaft, dass ich eine kurze Vorstellungsmail an den
Redaktionsverteiler geschickt habe. Es meldeten sich ein paar Leute, die mich treffen wollten, wie
Frances Sellers, die ehemalige Ressortleiterin der Wissenschaft, die jetzt den Style-Teil leitet. Auch Don
Graham, der CEO der Washington Post Company, antwortete meiner Massenmail und so bekam ich
einen Termin bei dem sehr freundlichen Manager, wir unterhielten uns über die Unterschiede zwischen
dem amerikanischen und deutschen Mediensystem. Der Konsens war, dass der große Umbruch, den die
Amerikaner gerade durchmachen, den Deutschen noch bevorsteht.
Das charmante Chaos, das immer zur Post gehört, nahm ich besonders akut wahr, denn Laurie fing ihre
Arbeit bei der Zeitung gleichzeitig mit mir an. Sie hatte vorher beim Wall Street Journal (viel mehr Geld,
aber weniger Freiheit) und der Los Angeles Times (weniger Stress, aber auch noch mehr Unsicherheit)
gearbeitet. Weil meine Ressortleiterin also erst eingelernt werden musste, rotierten ständig die
zuständigen Redakteure, was mein Einlernen noch etwas schwerer machte. Zum Glück waren die
anderen Reporter sehr hilfsbereit.
Ich machte zwei Reisen. Einmal nach Saratoga Springs im Staat New York, wo eine langjährige Freundin
von mir heiratete. Und ein zweites Mal nach San Francisco, wo eine andere langjährige Freundin von mir
heiratete. Etwas wehmütig reiste ich von dann der Westküste ab, sie hat für mich eine besondere Magie.
Doch auch DC gefiel mir sehr gut. Die Stadt, zumindest das Zentrum, ist sehr übersichtlich, man kann
sich gut mit dem Fahrrad bewegen. Andererseits gibt es sehr viel zu entdecken und auch durch die vielen
nationalen und internationalen Organisationen gibt es sehr viele junge Menschen in der Stadt, was sich
positiv auf das Nachtleben auswirkt. Ich machte einen Tanzkurs in Lindy-Hop (Swing-Dancing), mir wurde
versichert, die Szene in DC sei hierbei führend. So fühle ich mich mit den Grundschritten dieses
Trendtanzes ausgestattet für meinen Umzug nach Berlin gut gerüstet.
Am meisten Spaß machte mir jedoch die Arbeit in der Zeitung. Die Kollegen waren sehr aufgeschlossen
und kooperativ. Es war natürlich sehr wichtig, selbst Initiative zu ergreifen und um Rat,
Themenvorschläge oder Feedback zu fragen. Doch dann bekam man auch was man brauchte.
Keineswegs darf man aber erwarten, dass die anderen selbst auf einen zukommen, dafür sind sie einfach
zu beschäftigt. Insgesamt fühlte ich mich wie ein vollwertiger Teil des Teams. Ich schrieb Artikel über
viele Themen und schaffte es somit, aus meinem biologischen Fokus etwas herauszukommen.
Insgesamt war es persönlich und fachlich eine außerordentlich schöne Zeit. Ich bin sicher, dass ich
Wertvolles gelernt habe, und hoffe, die Kontakte zu meinen wundervollen Kollegen halten zu können.
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