13.01.1954, Unterredung zwischen dem britischen Hohen Kommissar, Sir Frederick Hoyer-Millar, und Bundeskanzler K. Adenauer sowie Staatssekretär W. Hallstein über die einzuschlagende Taktik auf der Außenministerkonferenz. 13.01.1954, Unterredung zwischen dem britischen Hohen Kommissar, Sir Frederick Hoyer-Millar, und Bundeskanzler K. Adenauer sowie Staatssekretär W. Hallstein über die einzuschlagende Taktik auf der Außenministerkonferenz. [...] 2. Bei der Feststellung, daß eines unserer Verhandlungsziele sein sollte, »die Aussicht auf weitere Verhandlungen mit der Sowjetunion zu einem späteren Zeitpunkt nicht zu versperren«, [...] äußerte Adenauer die Besorgnis, daß dies zu einer weiteren Verzögerung bei der Ratifizierung des EVG-Vertrages führen könnte. Er würde es daher vorziehen, wenn dieses Ziel negativer formuliert würde, z. B. »keine späteren Verhandlungen mit der Sowjetunion unmöglich zu machen«. [...] Der Kanzler, der, wie Sie wissen, niemals große Begeisterung für die Berliner Konferenz aufgebracht hat, sagte, er befürchte – obwohl es in diesem Lande eine ganze Menge Wunschdenken bei diesem Thema [Viererkonferenz in Berlin] gebe – , nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung glaubten an einen Erfolg der Konferenz. Er fügte vertraulich hinzu, Herr Ollenhauer, der Führer der SPD, habe ihm gegenüber zugegeben, daß er im Hinblick auf das Ergebnis dieser Konferenz genau so skeptisch sei und es ohne einen gewissen Abbau der internationalen Spannungen keine Lösung der deutschen Frage oder eine deutsche Wiedervereinigung geben könne. [...] 3. [Kontrolle der gesamtdeutschen Wahlen ... Die Bundesregierung] bevorzugt jetzt Vier-Mächte-Überwachungskommissionen, deren Mitglieder uniformiert sind. Auf dieser Basis wäre die Bundesregierung bereit, sowjetisches Personal in sowjetischen Uniformen in die Bundesrepublik zu lassen, als Preis für den großen psychologischen Vorteil, der sich aus der Anwesenheit uniformierter Vertreter der Westmächte in der Ostzone ergibt. Nachdem ich auf die praktischen Schwierigkeiten hingewiesen hatte, in unseren Streitkräften so viele für diese Aufgabe geeignete Personen zu finden, erklärte der Kanzler, die Mitglieder [der Kommission] müßten nicht unbedingt Soldaten sein; die Hauptsache sei die ausländische Uniform und der Eindruck, den sie bei der Ostzonenbevölkerung mache. Neutrale Beobachter in Zivil seien dagegen überhaupt nichts. [Status der gesamtdeutschen Regierung ... ] Dr. Adenauer betonte, er halte den Vorschlag für sehr wichtig, Neuwahlen für die Volkskammer der Ostzone gleichzeitig mit den gesamtdeutschen Wahlen abzuhalten. Wenn das nicht gelingt, bleiben die gegenwärtige Volkskammer und die ostzonalen Behörden weiter bestehen. Ihnen stünden 150000 Volkspolizisten zur Verfügung, und das würde bedeuten, daß es aus Furcht vor Repressalien keine freien Wahlen in der Ostzone geben würde. Würden die Russen argumentieren, daß dann auch Neuwahlen für den Bundestag notwendig seien, sagte der Kanzler, diese beiden Fälle könne man nicht miteinander vergleichen; es sei bereits aktenkundig und in der Vergangenheit von der UNO-Kommission bestätigt worden, daß es sich bei den Wahlen zum Bundestag um demokratische Wahlen handele. (Grewe hat mir jedoch zu verstehen gegeben, notfalls werde Adenauer in diesem Zusammenhang wahrscheinlich Neuwahlen zum Bundestag zustimmen.) 2. Ich verwies auf die verschiedenen Einwände, die gegen dieses Verfahren vorgebracht werden könnten. Erstens, könnte diese Volkskammer-Neuwahl, selbst wenn sie, wie 1945, unter theoretisch befriedigenden Bedingungen stattfinden würde, nicht doch zu einem Parlament führen, das die Erwartungen nicht erfülle? Der Kanzler denkt nein. Wenn die Wahl richtig überwacht würde, würde er garantieren, daß sie ein akzeptables Parlament (er zieht es vor, den Namen Volkskammer ganz abzuschaffen) ergeben würde. [...] 3. Ich verwies auf die Schwierigkeit, genügend Kandidaten für die Volkskammer-Neuwahl zu finden. Hallstein sagte, das sei kein großes Hindernis; die demokratischen Parteien im Westen würden wahrscheinlich Kandidaten auswählen, die man im Osten gut kenne, z. B. Personen, die erst vor kurzem geflüchtet seien. Die Kandidaten seien nicht verpflichtet, während der Wahl persönlich in der Ostzone zu erscheinen, wären dazu aber in der Lage, wenn sie es wünschten. Sie brauchten auch vor der Wahl nicht dort zu wohnen. Die richtige Überwachung der Wahl sollte sicherstellen, daß sie nicht schikaniert würden. 4. Ich fragte, ob es nicht besser sei, diese komplexe Angelegenheit so einfach wie möglich zu lassen, anstatt die gesamtdeutschen Wahlen durch gleichzeitig abzuhaltende Volkskammer-Wahlen noch komplizierter zu machen. Hallstein ist nicht der Meinung, daß das die Sache sehr viel komplizierter macht. Die Wähler in der Ostzone müßten lediglich zwei statt einen Stimmzettel ausfüllen. Zwei gleichzeitig stattfindende Wahlen hätten im Gegenteil den Vorteil, daß nur ein Wahlkampf und nur einmal eine internationale Überwachung nötig sei. 5. [W. Grewe wird beauftragt, das Memorandum der Bundesregierung zu überreichen] 6. Wir wandten uns dann dem Thema Bildung einer gesamtdeutschen Regierung zu. Der Kanzler und Hallstein erklärten, daß nach Ansicht der Bundesregierung diese Regierung nicht, wie in unserem Papier vorgesehen, von der Nationalversammlung, sondern aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Parlamenten in West- und Ostdeutschland, d. h. dem Bundestag und dem neugewählten Ostzonenparlament gebildet werden sollte. Dies würde die Verhandlungen flexibler gestalten. (Tatsächlich liegt der Hauptvorteil dieser Maßnahmen darin, wie uns Grewe schon erläutert hat, daß die Bundesregierung damit die Kontrolle über Modalitäten und Zeitplan erhält, wenn es darum geht, die Regierungsgeschäfte auf die gesamtdeutsche Regierung zu übertragen.) Hallstein sagte, die Bundesregierung betrachte diesen Punkt als wichtig; er sei in der Tat ein weiteres Argument für die vorgeschlagene Volkskammer-Wahl, die eine Voraussetzung dafür sei. 7. [Genehmigung der gesamtdeutschen Verfassung durch die vier Mächte.] Dies war ein weiterer Punkt, bei dem die Bundesregierung Vorbehalte anmeldete. Die sowjetische Regierung würde wohl kaum das vorgeschlagene Mehrheitsprinzip akzeptieren. Die einzige Alternative wäre jedoch das Einstimmigkeitsprinzip, das den Russen ermöglichen würde, eine Verfassung ganz zu verhindern und so eine österreichische Lösung zu erreichen. Was auch immer die Alliierten für Vorteile darin sähen, sich das Recht auf Genehmigung der Verfassung vorzubehalten, nach Meinung der Bundesregierung würden sie durch diesen sehr großen Nachteil aufgewogen. Auf jeden Fall widerspreche dies in der Tat der erklärten Absicht der Westmächte, Gesamtdeutschland als souveränen Staat zu behandeln [...] 8. Abschließend wies der Kanzler auf den Punkt hin [...], wonach die Besatzungsmächte ihre Rechte bis zur Bildung der gesamtdeutschen Regierung aufrechterhalten wollen. Der Kanzler dachte, daß es darum gehe, Regierungen und Parlamenten in West- und Ostdeutschland so viel Freiheit wie möglich zu lassen. Er wies darauf hin, daß in der Ostzone die Kontrollkommission abgeschafft worden sei, so daß die Ostzone theoretisch jetzt frei sei, während in Westdeutschland immer noch das Besatzungsstatut gelte. 9. [...] (Department of State, Washington) http://www.uibk.ac.at/zeitgeschichte/zis/library/19540113_hoyer-millar-adenauer-hallstein-taktikaussenministerkonferenz.html