Schweiss und Erbrochenes „Okay. Das bis jetzt war Babyturnen. Nun kommt der Männerteil“, sagt der Hilfstrainer. Er fügt mit einem narzisstischen Unterton hinzu: „Dort hat es einen Mülleimer“, er weist in die eine Richtung des Raumes, „ und dort einen Anderen.“, er zeigt zum Ausgang. Die Auszubildenden beginnen zu lächeln und stellen sich hin. Jeder von ihnen hat bereits einen leicht geröteten Kopf. Das Training hat mit einem Parcours begonnen. Am Ende der Laufstrecke haben die Neuen Liegestützen machen müssen. 30 am Stück. Schon da gibt der erste auf. Die Armen haben ihm anscheinend wehgetan, weil er am Vorabend selbst noch Liegestützen gemacht hat. Von den vorgegebenen 30 Liegestützen sind ihm gerade mal 21 gelungen. Er führt ein langes Gespräch mit dem Trainer, in welchem er alle möglichen Ausreden erfindet. Der Rest hat sich bereits an den nächsten Durchgang gemacht. Manche zeigen erste Anzeichen der Erschöpfung. Sie sind völlig ahnungslos gewesen, was sie noch erwarten würde. Ein Teilnehmer ist nicht mehr in der Lage gerade zu stehen, da die Bauchmuskeln, nach den 40 Rumpfbeugen so geschmerzt haben. Ein breitschultriger Hilfstrainer kommt herein und lächelt die Frischlinge an. Eine Mischung aus Verzweiflung und ironischen Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Der Trainer Lars Betschart und sein Co-Trainer, der mit seinem blauen Auge und den Bergen von Muskeln einem Bösewicht aus einem ActionFilm gleicht, haben keine Gnade mit den Grünschnäbeln. Securitasangestellter wird meistens nur als Teilzeitjob praktiziert. Viele der Sicherheitsleute sind Studenten oder sehen es als Hobby. Wie man sieht, wird diese Ausbildung häufig unterschätzt. „Los, jetzt rennen wir Runden. Alle mir nach. Let’s go.“ Lars rennt los und die Schüler rennen ihm nach. Sie kommen aus der ganzen Schweiz und haben allesamt das Training unterschätzt. Bis auf einen sind alle schwarz angezogen, was wahrscheinlich Vorschrift ist. Sehr unterschiedlich ist jedoch die körperliche Verfassung. Einige sind immer noch fit und rennen die Runden im vorgegebenen Tempo, andere schleppen sich bereits Runde um Runde dem Trainer nach. Unterdessen ist das Gespräch beendet und das Hühnchen der Gruppe steht am Rande, schaut den Anderen zu und hält sich den wahrscheinlich extrem schmerzenden Arm. Die restliche Gruppe rennt immer noch im Kreis und führt auf Klatschbefehle Übungen durch. „Einmal Klatschen: auf den Boden liegen die Hände über dem Rücken berühren, aufstehen und weiterrennen. Zweimal Klatschen: Luftsprung mit Drehung. Dreimal Klatschen: dasselbe wie einmal klatschen aber mit Richtungswechsel.“ Einige sind schon mit dieser simplen Aufgabe überfordert. Es hilft auch nicht, dass Lars immer wieder absichtlich das Falsche vorführt. In diesem Dojo werden verschiedene Securitasgruppen ausgebildet. Jedoch immer nur zur Selbstverteidigung. Denn die Securitas dürfen Gewalt nur anwenden, wenn sie angegriffen werden, da sie nicht dieselben Rechte wie die Polizei haben. Waffen, wie die Pistole, werden auch nur von speziell ausgebildeten Arbeitskräften, nämlich den Personen- und Objektschutz, getragen. Ansonsten tragen sie einen Pfefferspray und je nach Einsatz einen Schlagstock. Wenn Gewalt auftritt, wird eigentlich immer die Polizei verständigt. So führt er die Gruppe immer wieder aufs Neue in die Irre. „Regel Nummer eins: Nie das machen was ich mache, sondern das machen, was ich sage!“ Nun kommt auch das Muskelpacket Lars langsam ins Schwitzen. Lars lässt die Frischlinge kurz etwas trinken, und dann sollen sie sich auch schon wieder hinter der grossen Dojomatte aufstellen, um Linienläufe zu absolvieren. Im Dojo (welches ungefähr 60m2 gross ist) herrscht eine kühle Atmosphäre. Eine Treppe führt neben dem Eingang zum Materiallager. Die Schüler müssen bei jeder Linie, die sie erreichen, verschiedene Kraftübungen ausführen. Vom einfachen Hampelmann bis zu den kräftezehrenden einhändigen Liegestützen. Als das Hühnchen das sieht, gibt es auf und verlässt das Dojo. Die Neuen sehen unterdessen aus, als wären sie Pheidippides, nach seinem Lauf nach Athen. Die nach Luft schnappenden, kraftlosen Frischlinge liegen am Boden. „Ey Kolleg chasch mr mau d Fläschä gä? I ma nid ufstah“, fleht ein erschöpfter Schüler und streckt den Arm aus. Doch dummerweise ist der Deckel nicht richtig angeschraubt und das Wasser ergiesst sich über seinen Schoss auf die Matte. Er versucht so unauffällig wie möglich, mit seinem Hintern die Pfütze wegzuwischen. Das erste Grinsen seit langer Zeit ist wieder auf den Gesichtern der Schüler zu erkennen. Es ist eine ganz sympathische Truppe. Es sind alle zwischen geschätzten 20 und 30 Jahre alt, aber in diesem Moment sehen sie alle aus wie 50. Zeit zum Verschnaufen gibt es aber nicht. Lars der Trainer ist erbarmungslos und erklärt ihnen zunächst eine Übung namens die „Evolutionstheorie“. Zuerst wird auf dem Rücken liegend, mit Hilfe der Beine dem Boden entlang gerutscht. Es gelingt jedoch nur den Wenigsten nicht so auszusehen, als ob die Menschen diesen Schritt der Evolution übersprungen hätten. Diese Übung ist jedoch bloss der Anfang und nur eine von vielen. Als nächstes müssen sie sich, mit von Liegestützen erschöpften Armen dem Boden entlang schleifen. „Regel Nummer 2: nicht an die Muskeln denken, auch nicht daran denken, wie schwer es ist“, sagt Lars mit seiner starken Stimme. Bei den folgenden Liegestützen, bei denen sie abwechslungsweise mit einem Knie den Ellbogen berühren müssen, richtig beginnen die ersten zu mogeln und sie kriechen auf den Knien über den Boden. So hat sich wohl, menschheitsgeschichtlich, der Betrug entwickelt. falsch Auch die Securitas AG hat eine Evolution erlebt. Durch die Balkankriege bemerkten die Sicherheitsbeamten, die die Flüchtlinge betreuten, dass zusätzliche Ausbildungen notwendig sind, um die verschiedenen Herausforderungen zu bewältigen. Heutzutage bietet die Securitas mehrere Dienstleistungen an. Zum Beispiel überwachen sie das Haus, während Sie in den Ferien sind. Pflanzen giessen, Lüften und Briefkastenleeren inbegriffen. Das erfordert natürlich einen körperlich topfiten Angestellten. Deshalb geht es auch gleich weiter mit den Zukünftigen „Briefkastenleerern“. Nächster Schritt in der Evolution: In der Hocke springt man mit kleinen Hopsern durch das Dojo. Die Schüler sind glücklich, die Arme erst mal etwas ausruhen lassen zu können, doch sie unterschätzen die Übung und sind umso entmutigter, als sie erfahren, dass die nächste Aufgabe ist, das Dojo in der Hocke zu durchlaufen. Laute, stöhnende Geräusche, die man wahrscheinlich auch im Schiesskeller darunter hören konnte. Das Areal besteht aus verschiedenen Räumen, welche durch glasähnliche Dächer verbunden sind. Gleich nebenan befindet sich das eindrückliche Hauptgebäude der Securitas. „Nicht aufgeben! Der Kopf gibt immer zuerst auf. Weiterkämpfen.“ So lautet Lars’ dritte Regel. Doch es hilft den müden Lehrlingen nur wenig. Bei dem folgenden Schwedenlauf, bei dem das Knie bei jedem Schritt leicht den Boden berühren muss, beginnen die Anfänger Blut zu schwitzen. „Kommt schon, noch eine Übung und dann bekommt ihr fünf Minuten Pause.“ Der letzte Teil der Evolution besteht eigentlich aus Luftsprüngen, doch die Jungs können sich nicht einmal mehr strecken. Die „Sprünge“ sehen kläglich aus. So jetzt fünf Minuten Pause, danach kommt die Selbstverteidigung.“ Erleichterung herrscht. Nach Wasser lechzend stehen sie beim Hahnen oder liegen auf der Dojomatte und trinken aus den eigenen Flaschen. Nur Lars hat noch nicht genug. Er macht noch ein paar Liegestützen. Da es im Trainingsraum unterdessen ziemlich schwül wird, verlässt ihn ein Schüler, um frische Luft zu schnappen. Nebenan findet noch eine andere Ausbildung statt. Es handelt sich um die Feuerprävention. Diese Abteilung der Securitas wird Contrafeu genannt. Als sich die Schüler gerade zu erholen beginnen und man wieder Anzeichen von Leben in ihren Gesichtern erkennen kann, hat Lars bereits die Kissen für das Schlagtraining bereit gestellt. In seinem innerschweizerischen Akzent trommelt er die Gruppe zusammen. „Aufstellen! Go!“ Sie stehen in einem Kreis und er erklärt ihnen die verschiedenen Posen, die sie sich möglichst schnell angewöhnen sollten. -„Der Südländer. Wer kann mir sagen was das ist?“ -„Man gestikuliert möglichst viel, um die potentiellen Gegner auf Distanz zu halten.“ -„Genau. Was könnt…“, Das Würgen eines Schülers unterbricht Lars. Der Schüler rennt schnell zu dem Kübel, der neben der Tür steht. Er würgt noch ein paar Mal und schon muss er erbrechen. Es ist kein schöner Anblick. Auch die Schüler versuchen, es zu ignorieren. Lars sagt gefühllos: „Wenn du fertig bist, wasch‘ ihn danach bitte noch aus.“ An den Rest gewandt fährt er fort: „Also was könnt ihr mir über den Denker sagen?“ -„Beim Denker geht es darum, dass man seine eigene Schläfe deckt um sich zu schützen.“ -„Richtig. Die letzte Position wäre: man steht breitbeinig vor dem Kontrahenten und hat die Hände vor dem Bauch. Es ist jedoch wichtig, dass sie nicht verschränkt sind, damit man immer agierungsfähig bleibt.“ Er drückte einem Schüler ein Kissen in die Hand und erklärte ihnen die Schlagtechnik. Der Schlag ist hart und er erklärt weshalb. „Nicht auf die Oberfläche zielen, denn ihr müsste euch immer vorstellen, dass ihr durch euren Gegner durchschlagen wollt. Nicht an der Oberfläche schlagen. Unterdessen putzt der eher schlank gebaute Mann, das was daneben ging vom Boden auf. Seine Treffsicherheit lässt zu wünschen übrig. Glücklicherweise wurde ihnen gesagt wo der Kübel ist.. Er ist wohl nicht der erste. Das Training wird fortgesetzt.