Herpes Pferde haltende Betriebe unter dem Druck von Herpes-Viren Dr. Lutz Ahlswede, Pferdegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe, Münster In letzter Zeit traten in einigen Bundesländern und z. B. auch in Belgien Todesfälle bei Pferden auf, die offensichtlich durch Herpesviren ausgelöst wurden. Diese Totalausfälle bezogen auf die Verbreitung des Gesamtinfektionsgeschehens sind jedoch als gering einzustufen.Todesfälle sind auf Schädigungen des Zentralnervensystems zurückzuführen.Das Interesse von Pferdehaltern und Tierärzten gilt jetzt den Informationen über Krankheitsabläufe, Vorbeugungs- und Bekämpfungsmaßnahmen. In Westfalen-Lippe standen die Pferdehaltungen im Winter 2002/03 unter einem besonders hohen Infektionsdruck. Von November bis Januar trat häufig als bakterielle Infektion die hochinfektiöse Druse auf. Gleichzeitig und bis heute andauernd waren vermehrt Aborte zu verzeichnen, wobei nur einige zur Untersuchung gelangten. Teilweise wurde Equines Herpes Virus 1 (EHV-1) nachgewiesen. Ab Januar hörte man sporadisch aus verschiedenen Regionen von Fieber, einhergehend mit Bewegungsstörungen, vorwiegend in Reit-und Pensionspferdestallungen. In jüngster Zeit sind vorwiegend die Kreise Paderborn und Gütersloh betroffen. Hier wiesen einige der erkrankten Pferde die Form des „sog. Schlaganfalles“auf, welche durch ihre hohe Sterblichkeitsrate von ca. 50 % sehr gefürchtet ist. Fachleute sagen voraus, dass die Probleme durch Herpesviren in den Pferdebeständen in den nächsten Jahren zunehmen werden, wobei insbesondere die jetzt zur Aufschreckung geführte Form der Störungen des Zentralnervensystems hervorzuheben ist. Diese Schädigung wird verursacht durch die Virustypen 1 und 4. EHV-4 kommt vorwiegend bei Jungpferden vor, wobei durch einen hohen Infektionsdruck dann zusätzlich EHV-1 aktiviert werden kann. Pferdehalter müssen sich über Herpesinfektionen informieren, um rechtzeitig, langfristig und stets gezielte Maßnahmen zum Infektionsschutz treffen zu können. Häufig gestellte Fragen aus der Praxis: 1. Welches sind die Besonderheiten der Herpesviren ? Pferdeherpesviren befallen nur Pferde. Man geht davon aus, dass ca. 85 – 90 % der Pferde in Deutschland serologisch positiv reagieren, d. h. Antikörper nachzuweisen sind. Dabei haben sich ca. 70 % der Pferde bis zum Ende des dritten Lebensjahres mit Herpes auseinandergesetzt. Die meisten Herpesviren verbleiben in dem einmal infizierten Pferd und können dort über lange Zeit, evtl. über Jahre ruhen. Es kommt zu einem gewissen Gleichgewicht zwischen Immunabwehr des Körpers und der Virusvermehrung.Bei Jungpferden grundsätzlich und allgemein durch Stressfaktoren kann jedoch die Immunabwehr des Einzelpferdes geschwächt und damit die Viren aktiviert werden. Dieses Ungleichgewicht, welches zu klinischen Symptomen führt, kann also entstehen ohne eine Infektion durch ein anderes Pferd und auch ohne Übertragung durch Vektoren, wie z. B. Menschen oder Material. Andererseits ist aber die Form der klassischenÜbertragung auch nicht zu vernachlässigen. 2. Was ist typisch für Equine Herpesvirusinfektionen ? EHV-1 und 4 sind weltweit verbreitet sind in allen Pferdehaltungen „heimisch“ Infektion erfolgt über Maul und Nüstern Infektion ist auch ohne erkennbare Anzeichen möglich (schlummernde Infektionen) typisch: immer wiederkehrendes Ausbrechen der Krankheit Virusausscheidung erfolgt hauptsächlich durch Nasensekrete, Fruchtwasser aufgebaute Immunität hält nur kurz – daher Wiederholungsimpfungen nach 6 Monaten begünstigende/potenzierende Faktoren: - Stress (z. Transport) - hoher Pferdebesatz im Stall / Auslauf /Weide - schlechtes Wetter - körperliche Belastung - Stallklima, Hygiene, Fütterung - Krankheiten (z. B. Druse, Parasiten usw.) 3. Welche Herpesvirustypen erzeugen welche Krankheitsbilder ? Equines Herpesvirus Typ 1 (EHV-1) Atemwegserkrankungen, Aborte, Lähmungserscheinungen Equines Herpesvirus Typ 2 (EHV-2) Horn- und Bindehautentzündungen am Auge Equines Herpesvirus Typ 3 (EHV-3) Deckexanthem (sog. Bläschenausschlag) Equines Herpesvirus Typ 4 (EHV-4) besonders Jungpferde: Atemwegserkrankungen,Lähmungserscheinungen, (Aborte) 4. Welches sind die klinischen Symptome für EHV-1 / EHV-4 Infektionen ? Infektionen der Atemwege Inkubationszeit: 2 – 10 Tage wässriger Nasenausfluss flacher, feuchter Husten Kehlgangslymphknoten vergrößert wenige Tage Fieber (38,8 – 39,5°C) Dauer der Infektion der oberen Atemwege ohne Komplikationen: 8 - 14 Tage Virusabort – sog. seuchenhaftes Verfohlen Infektion über Atemwege Inkubationszeit bis zu 3 – 4 Monaten tritt meist „ohne Warnung“ auf, ohne Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens der Stuten Spätabort: 7. – 10. Monat Zeitpunkt des Abortes abhängig von Resistenz-, Hormonstatus der Stute, auch abhängig von exogenen Faktoren wie Stress, allgemeiner Infektionsdruck und Medikamenteneinsatz rasche Ausbreitung im Bestand, hohe bestandsbezogene Abortrate in den nächsten Jahren erneute herpesbedingte Aborte möglich in Geburtsnähe – Fohlen lebensunfähig, ohne Chancen Fruchtwasser und Fruchthüllen enthalten erhebliche Virusmengen Bewegungsstörungen und Lähmungen Infektion über Atemwege 2 – 3 Tage Fieber (39 – 40,5°C) zunächst Symptome der Atemwege oder Aborte vorausgegangen dann Koordinationsstörungen (Ataxie) der Hinterhand (3 – 4 Tage später) milder Verlauf: Bewegungsstörungen; Besserung bzw. Spontanheilung nach 2 – 3 Wochen „Schlaganfall des Pferdes“ (schwerer Verlauf) Krampfanfälle vollständige Lähmung der Hinterhand (Koordinationsstörungen, hundsitzende Stellung, Ataxie) Verlust der Harnblasenkontrolle Lähmung After und Penis Ursache: EHV-1 (+EHV-4) bei Stuten, Wallachen, Hengsten Sterblichkeitsrate bis zu 50 % zunehmend zu beobachten 5. Wie kann man die durch Herpesinfektion bedingten klinischen Symptome von denen der Influenza im Bereich der Atemwege unterscheiden ? Influenza Herpes hoch akuter Verlauf: Seuchenzug, hochansteckend durch Tröpfchen (Husten), schnelle Ausbreitung beschränkt auf einzelne Ställe, weniger als Seuchenzüge schleichende Infektion im Bestand Infektion der oberen und unteren Atemwege obere Atemwege primär betroffen Inkubationszeit 1 – 3 Tage Virusausscheidung mind. 5 Tage nach Auftreten der Symptome Hauptsymptome: - trockener Husten und Fieber (39 – 41°C) - leichter seröser Nasenausfluss - Kehlgangslymphknoten leicht geschwollen - Rötung der Nasenschleimhaut und Bindehäute nicht so hohes Fieber feuchter Husten s. Frage 4 / Atemwege 6. Welche Folgeschäden der Atemwege kann es nach Herpesinfektionen geben ? Folgeschäden sind i. d. R. bakterielle Infektionen meist Streptokokken mit schleimig-eitrigen Nasenausfluss Infektion der unteren Atemwege mit Husten, Lungenentzündung und teilweise Fieber chronische Lungenprobleme 7. Wie werden Herpesviren weiter verbreitet ? Virusausscheidung über Tröpfcheninfektion (Sekrete der Atemwege) Virusausscheidung über Aborte (insbesondere Fruchtwasser, Fruchthüllen) Virus bleibt an Oberflächen (Stallwand, Putzzeug, Einstreu, Transportmittel, Nasenbremse usw.); ohne UV-Strahlung über Sonnenlicht bis zu 40 Tage, bei 4°C bis zu 7 Monaten, bei 20°C im Freien über mehrere Tage infektiös. 8. Wie kann man sich vor Herpesinfektionen schützen ? Die allgemeinen Möglichkeiten, sich vor Herpesinfektionen zu schützen, sind relativ gering. Betriebe mit geringem Pferdebesatz, optimaler Haltung und Fütterung, mit einem hohen Anteil von Pferden ohne körperliche Belastung und andere Stressoren (z. B. Transport) haben gewisse Vorteile. Aber auch diese Betriebe sollten sich über die Impfmöglichkeiten informieren und diese dann konsequent umsetzen. 9. Wie sind Impfprogramme umzusetzen ? Impfprogramme sind grundsätzlich, ganz gleich ob gegen Influenza oder Herpes, stets bestandsbezogen zu planen und umzusetzen. Dabei bleibt die Forderung von Bedeutung, dass zum Zeitpunkt der Impfung das Umfeld für den Impfling (z. B. Stress, körperliche Belastung) beachtet und evtl. korrigiert werden muss. Weiterhin müssen alle Impflinge gesund und nicht unter dem Einfluss von Infektionen stehen oder durch Parasiten belastet sein. Die Impfung gegen Herpes ist grundsätzlich nur sinnvoll, wenn alle Pferde eines Betriebes geimpft werden. Zudem wird der Impfschutz optimiert, wenn sich geimpfte Pferde innerhalb einer geimpften Population bewegen. Durch die Impfung wird der Infektionsdruck vermindert, weil geimpfte Pferde deutlich weniger Virus in ihre Umgebung ausscheiden als ungeimpfte Pferde, d. h. aber auch, dass geimpfte Pferde das Virus ausscheiden können. Die Impfung schützt bei hohem Infektionsdruck nicht zwingend vor der Infektion, es kommt aber zu einer weitestgehenden Unterdrückung der klinischen Symptome. Um einen größtmöglichen Schutz vor herpesbedingten Aborten zu erreichen, ist besonders auf den bestandsbezogenen Impfschutz zu verweisen. Dabei sind die tragenden Stuten im Rahmen des Pferdeverkehres zusätzlich von nicht geimpften Pferden fernzuhalten. Einen Einzelschutz gibt es nicht. Im Handel sind vier Impfstoffe mit Impfantigenen EHV-1 / EHV-4 verfügbar a) Monopräparat aktiver Impfstoff EHV-1 b) Monopräparat inaktivierter Impfstoff EHV-1 und EHV-4 c) kombiniert mit Influenza inaktivierter Impfstoff EHV-1 und EHV-4 d) kombiniert mit Influenza inaktivierter Impfstoff EHV-1 Es ist auf die Produktbeschreibungen der einzelnen Produkte hinsichtlich Anwendung und Zielrichtung zu achten, sprechen Sie mir Ihrem Tierarzt darüber. Grundsätzlich kann ein Impfschutz ca. 1 – 2 Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung erwartet werden. Wiederholungsimpfungen werden zwingend notwendig nach jeweils 6 Monaten. 10. Wie verhält man sich unter hohem Infektionsdruck, wenn die Infektion im Stall oder in der Nachbarschaft ist ? a) Infektionsdruck im Bestand mindern durch Optimierung des Umfeldes der Pferde, geringe körperliche Belastung, Vermeidung von Stress (Transport usw.) b) Erhöhung der allgemeinen Infektionsabwehr z. B. durch Paramunisierung c) Abwehr durch Maßnahmen gegenüber Einschleppen der Infektion in den Betrieb durch infizierte Pferde oder Vektoren (s. Frage 7) d) Vor Umsetzung von Impfprogrammen überlegen, dass alle Pferde geimpftwerden müssen. Der größtmöglich Impfschutz kann erst ca. 1-2 Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung erwartet werden. Bei Impfungen in Betrieben mit akutem Infektionsgeschehen sind evtl. Komplikationen zu erwarten. e) Begonnene Impfprogramme sollten konsequent und sehr langfristig weitergeführt werden. f) Die künftige Weidezeit wird besonders bei Jungpferden das Infektionsrisiko nicht gerade mindern, wenn Stressfaktoren wie Transporte, Witterungseinflüsse und soziale Konflikte zu erwarten sind. g) Akut betroffene Betriebe sollten Pferde- und Personenverkehr reduzieren, ggfls. einstellen und auch Desinfektionsmaßnahmen ergreifen. 11. Werden Herpesviren mit dem Samen übertragen ? Die Herpesviren EHV-1 und EHV-4 werden grundsätzlich nicht mit dem Samen ausgeschieden, so dass eine direkte Übertragung durch den Deckakt oder die Besamung ausscheidet. Im Zusammenhang mit dem Abprobieren sind Infektionsquellen jedoch über Probierständer, Gerätschaften denkbar. Die Zuchthengste sind z. T.gegen Herpes geimpft. 12. Welchen Schutz haben Saugfohlen ? Ist die Fohlenstute sorgfältig gegen EHV-1 und EHV-4 geimpft, kann das Saugfohlen über Monate diesen Schutz über die Muttermilch erhalten. Da dieser mit zunehmender Laktation nachlässt, sollen Fohlen, je nach Impfstoff und Infektionsdruck, ab 3. bzw. 5. Lebensmonat gegen Herpes geimpft werden. Besonders vor dem Absetzen, Transport, Stallwechsel usw. ist dieser Maßnahme große Bedeutung zuzumessen. 13. Kann ich unter den dargestellten Infektionsrisiken weiterhin an Turniersportveranstaltungen teilnehmen ? Die aktuelle Situation sollte nicht zu Panikreaktionen bei den Pferde haltenden Betrieben führen. Andererseits darf das Problem aber auch nicht vernachlässigt werden. In Regionen mit starkem Infektionsdruck sollte man daher mit dem Tierarzt über aktuelle Schutzmaßnahmen und langfristig umzusetzende Impfstrategien sprechen. Solange kein Impfschutz vorhanden ist, muss der Pferdehalter unter Abwägung des Risikos entscheiden, ob er mit seinem Pferden am allgemeinen Pferdeverkehr teilnehmen will. In den übrigen Regionen scheint das Infektionsrisiko vergleichbar mit der Situation in den letzten Jahren.