TÜRKIYE-AVRUPA EĞITIM VE BILIMSEL ARAŞTIRMALAR VAKFI TURKISH-EUROPEAN FOUNDATION FOR EDUCATION AND TURKISH EUROPEAN FOUNDATION FOR EDUCATION AND SCIENTIFIC STUDIES TÜRKIYE-AVRUPA EĞITIM VE BILIMSEL ARAŞTIRMALAR VAKFI FISTIKLI YOKUŞU NO. 8 / TÜRKISCH-EUROPÄISCHE STIFTUNG BEYKOZ-KANLICA İSTANBUL FÜR BILDUNG UND WISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG -DTSTEL: 0090 216 680 91 85 HANDY: 0151 47 42 94 35 CEP: 0544 493 43 00 [email protected] SCIENTIFIC STUDIES WWW.TAVAK.DE İslam 2030- Zukunft gemeinsam gestalten Segregation verwalten oder gemeinsam Zukunft gestalten? Forschungsprojekt „Islam 2030 – Zukunft Gemeinsam Gestalten in NRW dargestellt bei der Region Ahlen/Hamm/Münster November İstanbul/Hamm 2015 Projektleiter: Prof. Dr. Faruk Sen Julia Hoffmann/ Islamwissenschaftlerin Damla Melek/ Sozialwissenschaftlerin Dr.İnci Şen Inhaltsverzeichnis Vorwort………………………………………………………………….….. 4 Einleitung.. ………………………………………………………….. 6 1.1 Warum dieses Forschungsprojekt ?............................................... . 6 1.2 Muslimische Identität in Deutschland…………………………… 7 1.0 1.3 Rückkehrer in die Türkei ………………………………………. 2.0 Forschungs(-teil)projekt: „Ahlen 2030“…………………………….. 11 2.1 Hintergründe zum Forschungsprojekt…………………………… 11 2.2 Regionaler Schwerpunkt:Nordrhein-Westfalen……………….... 11 2.3 Ziel/Zweckrichtung des Projekts………………………..……….. 12 2.4 Gründe der kulturellen Distanz…………………………..………. 13 2.5 Zusammenleben ist das Ziel……………………………..……….. 13 2.6 Forschungsziele……………………………………………..……. 14 2.7 Auswertung der Forschungsziele…………………………………. 15 2.8 Verfahren und Ablauf………………………………………….…. 18 a) Fragebogen „Muslimische Zukunftsvorstellungen“ (Quantitative Auswertung) an MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen ……….. 18 b) Flughafenbefragung (TAVAK) …………………………………. 20 c) Leitfadeninterviews und offene Diskussionsrunde zum Forschungsthema „Zusammenleben“ (Qualitative Auswertung) ……………………. 2.9 Zielgruppen des Forschungsprojekts……………………………… 20 21 2.10 Forschungsfragen …………………………………………..………. 21 3.0 Ergebnisse: Auswertung der Fragebögen über „Muslimische und NichtMuslimische Zukunftsvorstellungen“ ………………………………………..... 24 3.1 Fragebogenauswertung der muslimischen und nicht muslimischen Teilnehmer…………………………………………………………….. 24 3.2 Fazit …………………………………………………………………... 69 3.3 Auswertung der Flughafenbefragung…………………….…………… 75 2 4. Auswertung der Leitfadeninterviews und offenen Diskussionsrunde zum Forschungsthema „Zusammenleben“…………….……………………………… 85 a) Ergebisfeld 1: „Schule und Bildung“ b) Ergebnisfeld 2: „Innere Haltung“ c) Ergebnisfeld 3: „Konfessionen/Religionsgemeinschaften“ d) Ergebnisfeld 4: „Historische Hintergründe“ e) Ergebnisfeld 5: „Politik und Arbeitsmarkt“ f) Ergebnisfeld 6: Sozialwesen/ Angebote der Migrationsarbeit 4.1 Kurze Zusammenfassung der Workshops …………………………………….. 94 4.2 Forderungen und Zukunftsperspektiven ……………………………………… 97 5. Bestandsaufnahme der Problematik in sozialen Einrichtungen…………. .. 101 ……….……………………….... 101 5.1 Altersheime (und Krankenhäuser) 5.2 Friedhöfe und islamische Bestattungskultur ….………………………. 104 5.3 Bildungseinrichtungen/ KITA……………………………..…………… 106 5.4 Sportvereine…………..………………………………………………… 106 6. Islam in Deutschland …………………………………………….…………...… 98 6.1 Muslimisches Leben in Deutschland (2009)………………………………. 109 6.2 Muslimisches Leben in NRW (2011)…………………………………….. 109 7. Darstellung des methodischen Vorgehens……………………………………. 115 7.1 Quantitative Studien vs. Qualitative Forschungsprojekte……….………. 115 8. Das mediale Islambild in Deutschland ……………….…………………..….. 117 8.1 Dialog der Anerkennung als Basisder Integration …………….…..……. 120 9. Islam in Europa……………………………................................................ 122 10. Der Euro-Islam nach Bassam Tibi………………………………………... 128 3 10.1 Ein Konzept für das friedliche Zusammenleben der MuslimInnen und Christen…………………………………………………………………………… 128 10.2 Der Euro-Islam und Islam in Deutschland.................................................. 136 10.3 EuroIslam und EuroMuslime ……………………………………………. 141 10.4 Euro-Islam als empirischer Tatbestand…………………………………... 143 11. Resümee der Forschungsauswertung…..……………………………………... 145 Literaturverzeichnis………………………………………………………. 157 Weiterführende Literaturhinweise………………………………………... 159 4 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Vorwort Das Projekt „Islam 2030 – Zukunft gemeinsam gestalten“ wurde in den Städten Münster, Hamm und Ahlen von der türkisch-europäischen Stiftung für Bildung und wissenschaftliche Forschung (TAVAK) mit Sitz in Istanbul durchgeführt. Die Intension war es in der Region die Entwicklungen des Islam bis zum Jahre 2030 festzustellen und Überlegungen in die Wege zu leiten inwiefern ein friedliches Zusammenleben auch in Zukunft gestaltet werden kann. Die türkisch-europäische Stiftung für Bildung und wissenschaftliche Forschung (TAVAK) wurde im Jahr 2008 mit dem Ziel gegründet den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Austausch zwischen Deutschland und der Türkei voranzutreiben. In diesem Rahmen beschäftigt sich TAVAK einhergehend mit bedeutenden Themen- und Arbeitsbereichen beider Länder und ist in verschiedene Studien und Forschungsprojekte eingebunden. In dem Bereich hat die TAVAK – Stiftung mit PariSozial dem Landesverband NRW zusammengearbeitet, aber auch in den Regionen Münster Hamm und Ahlen haben die Verantwortlichen an dem Projekt mitgewirkt. Gegenwärtig leben 4,1 Millionen Muslime in Deutschland und im Jahre 2030 geht man davon aus, dass die Zahl der Muslime in der Bundesrepublik Deutschland auf 6,3 Millionen steigen wird. Den höchsten muslimischen Anteil stellen wir im Bundesland Nordrhein-Westfalen fest. In dem Rahmen werden in Zukunft die Zahlen der muslimischen Einrichtungen sehr stark zunehmen, weil viele Muslime neue Moscheen mit Minaretten bauen oder islamische Friedhöfe einrichten. Bei diesen Überlegungen muss man berücksichtigen, dass gegenwärtig 21 Millionen Muslime innerhalb der Europäischen Union bis 2030 ohne Mitgliedschaft der Türkei, Bosnien und Mazedonien auf 28. Millionen steigen wird. Falls man bis 2030 die Türkei, Bosnien und Mazedonien als Mitgliedsstaaten aufnimmt, kann man davon ausgehen, dass knapp 95 Millionen hinzukommen, sodass innerhalb der Europäischen Union die Zahl der Muslime auf 123 Millionen steigen wird. 5 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Kann man die Vorurteile innerhalb der Europäischen Union abbauen und welche Möglichkeiten haben die islamischen Organisationen sich in der Öffentlichkeit besser darzustellen? Dies soll im Rahmen des Forschungsprojektes analysiert werden. 6 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 1. Einleitung 1.1 Warum dieses Forschungsprojekt? Von Bedeutung ist das Forschungsprojekt zum gegenwärtigen Zeitpunkt, weil es ein Beitrag zur gegenwärtigen Bestandsaufnahme muslimischen Lebens in Deutschland ist. Am Beispiel des Zusammenlebens von Muslimen und NichtmuslimenIn Deutschland, wird die Bedeutung der Religion in der modernen Gesellschaft untersucht. Außerdem geht es um die Frage, welchen Stellenwert religiöse Vorstellungen in der heutigen Gesellschaft haben. Die Begegnung mit den Muslimen hat eine lange Tradition in Deutschland. Mit der Erkenntnis, dass die muslimischen Gastarbeiter der 1960er Jahre, die ursprünglich für einen befristeten Zeitraum nach Deutschland kamen, heute einen Teil der Gesellschaft bilden, ist die Auseinandersetzung mit der muslimischen Identität in der säkular christlich geprägten Gesellschaft entscheidend. Inzwischen ist sogar die dritte Generation muslimischer Bürger in Deutschland beheimatet und ferner die weiterhin ungeplanten und ungesteuerte Zuwanderung muslimischer Menschen, auf Grund von Asylsuchern, politischer Verfolgung und die Flucht aus Krisengebieten. Erforderlich ist es zudem der Frage nachzugehen, wie die muslimische Identität gewahrt und zugleich harmonisiert oder in Einklang gebracht werden kann. Diese Erkenntnis steht im Zusammenhang mit den Errungenschaften der Zivilgesellschaft des 21.Jahrhunderts, die nicht ohne eine Auseinandersetzung mit der Rolle und deren Herrschaftsansprüche der Religion und ihrer Institutionen und ihren Dogmen gesehen werden kann. Ein Beispiel dafür ist in der Vergangenheit die Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche. Des Weiteren dient dieses Forschungsprojekt dazu, eine Brücke zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen zu schlagen. Die Studie soll einen Eindruck vermitteln, wie Muslime und Nicht-Muslime den Islam in 15 Jahren sehen und wie sie ihn gemeinsam positiv entwickeln können. Das Bild des Zusammenlebens in Deutschland und Europa ist vor allem durch das Konzept des dynamischen Gesellschaftsprozesses geprägt. Deutschland und Europa entwickeln sich mit ihrem pluralistischen Charakter immer mehr zu einer multikulturellen Gesellschaft. Die kulturelle und religiöse Vielfalt ist als Motor dieser 7 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları dynamischen Gesellschaft anzuerkennen und muss als solche in allen Lebensbereichen zur Kenntnis genommen werden. Genährt von interkulturellen sowie interreligiösen Begegnungen ist jeder Einzelne innerhalb einer Mehrheitsgesellschaft dazu aufgefordert, in allen Lebensbereichen auf die Umstände und wachsenden Bedürfnisse einzelner Gruppenkonstruktionen zu reagieren. Aber auch die einzelnen Gruppen sind dazu aufgefordert sich im Bezug zu den gesellschaftlichen Prozessen zu positionieren und gegebenenfalls neu zu verordnen, also den dialektischen Prozess weiter zu entwickeln. Besonderes Augenmerk wird nicht nur auf den Ausbau des miteinander kommunizieren gelegt, sondern auch auf das Voranbringen von alltäglichen Aktivitäten. 1.2 Muslimische Identität in Deutschland Die Begegnung mit den Muslimen hat eine lange Tradition innerhalb der deutschen Gesellschaft und mit dem zunehmenden Anteil muslimischer Bevölkerung wächst zugleich der Wunsch ihre religiöse Identität auch in Deutschland zu pflegen. In diesem Kontext erscheint ein Rückblick auf die Anfänge der muslimischen Migration in Deutschland als notwendig. Die „deutsch-türkische Vereinbarung zur Anwerbung türkischer Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt“ vom 21. Oktober 1961 ist sicherlich als das Schlüsselereignis zu betrachten, welches die muslimische Präsenz auf eine gesellschaftlich wahrnehmbare Zahl anhob. Im Jahre 1961 waren es 6.700 muslimische Arbeitskräfte türkischer Herkunft, die zunächst als Gastarbeiter für einen befristeten Zeitraum in die Bundesrepublik kamen. Somit ist die erste große muslimische Zuwanderung aus der Türkei auf die Anwerbevereinbarung von 1961 zurückzuführen. Bis heute hat die größte Gruppe der muslimischen Bevölkerung in Deutschland einen türkischen Hintergrund (vgl. Schmid, 2010: 22). 8 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 1.3 Rückkehrer in die Türkei In der letzten Zeit sind insgesamt 256.000 Türken zurückkehrt. Die meisten von ihnen sind junge Türken, die in Deutschland entweder ein Studium absolviert oder eine Ausbildung abgeschlossen haben. Viele dieser jungen Leute geben als den ausschlaggebenden Beweggrund die hohe Arbeitslosigkeit und die steigende Diskriminierung an. Zum Beispiel wird man bei Bewerbungen wegen eines türkischen Namens immer noch anderes behandelt als Bewerber mit deutsch klingenden Namen, obwohl es nicht an der Qualifizierung mangelt. Diese Feststellung geht aus den Umfragen hervor. Ebenso entscheidend ist die strukturelle Lage in Deutschland, die sich auf die wirtschaftliche und soziale Lage bezieht. Der Grund für eine steigende Diskriminierung geht natürlich aus subjektiven Erfahrungen hervor und ist somit eher mit Vorsicht zu betrachten. In der Türkei hingegen seien die wirtschaftlichen Chancen viel besser als in Deutschland, da die Türkei immer noch vor einem wirtschaftlichen Boom steht. Außerdem möchten die meisten der Befragten nicht ständig gegen Vorurteile kämpfen und sich auch nicht ständig rechtfertigen zu müssen. Oft werden sie in Deutschland immer noch als „Türke“ bezeichnet, obwohl sie schon längst ein Teil der deutschen Gesellschaft sind. Aber gerade Rückkehrer haben wegen ihres vielschichtigen kulturellen Hintergrunds gute berufliche Chancen in der Türkei, denn hier sind sie als „Almanci“, wörtlich übersetzt als „Deutschländer“ willkommen und auch gefragt, sagt Professor Faruk Sen. Aus den Untersuchungen geht bisher hervor, dass die Rückbesinnung auf die traditionellen türkischen Werte und den Islam sehr gestiegen sind im Vergleich zu den letzten Jahren. Als weitere Gründe werden persönliche Erlebnisse genannt, welche auch unterschiedlicher Herkunft sind. Die persönlichen Erfahrungen unserer Mitarbeiterin Julia Hoffmann zeigen, dass viele Rückkehrer sich zwar wohler in der Türkei fühlen, allerdings dennoch in einer Art „Nische“ leben und vor allem den Kontakt zu anderen Deutschländern suchen. Häufig wollen Sie weiter in einer deutschen Firma arbeiten und abonnieren weiterhin das deutsche Fernsehprogramm. Oft lassen sich die Rückkehrer aus Deutschland Taschentücher, Gümmibärchen, Wurst oder Käse mitbringen. Man kann sagen, dass die Deutschländer eine dritte Identität bilden und weder ganz türkisch noch ganz deutsch sind. 9 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 10 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 1. Forschungs(-teil)projekt: „Ahlen 2030“ 2.1 Hintergründe zum Forschungsprojekt An dieser Stelle knüpfen das Forschungsprojekt „Islam 2030 – Zukunft gemeinsam gestalten“, an das Teilprojekt „Ahlen 2030“ an und wird im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen durchgeführt, das bundesweit zugleich den höchsten Anteil muslimischer Einwohner aufweist. Ahlen und Hamm sind Bergbaugebiete, in welchem viele der damals angeworbenen Gastarbeiter heute noch ansässig sind. In dieser Region und in anderen größeren und mittleren Städten von NRW, in denen Bergbau, Stahl und große Fabriken vorherrschend waren, ist ein demografischer Wandel zu beobachten. Während die Bevölkerung älter wird, wächst der Anteil der unter 50-jährigen mit Migrationsvorgeschichte. Ein weiteres Phänomen ist der Einwohnerrückgang, in Bezug auf bessere Berufschancen in andere Bundesländer, die eine geringe Arbeitslosenquote wie zum Beispiel Berlin oder Baden-Württemberg aufweisen. Oder aber auch ein Rückzug in das Heimatland, in dem die Diskriminierung nicht vorherrschend ist. Ein These die das Projekt unterstützt, ist die Annahme, dass Nicht-Muslime davon ausgehen, dass der Islam nicht an die heutige moderne Entwicklung angepasst werden kann. Allerdings entwickelt sich in Deutschland derzeit der sogenannte „Euroislam“, welcher sich an die europäischen Gegebenheiten anpassen möchte und somit eine Gegenthese darstellt. 1.2 Regionaler Schwerpunkt: Nordrhein-Westfalen Das Bundesland Nordrhein-Westfalen ist mit etwa 17,6 Millionen Einwohnern das Bevölkerungsreichte Bundesland in der Bundesrepublik und befindet sich im Westen der Bundesrepublik Deutschland. Der wirtschaftliche Aufstieg gelang dem Land durch die Industrialisierung, insbesondere durch den Kohlebergbau. Die Relevanz dieses Projektes, wie sich das Leben der muslimischen Bevölkerung im Jahre 2030 in NRW gestalten könnte, ergibt sich aus der Tatsache, dass bereits heute ein Drittel der in Deutschland lebenden Muslimen Nordrhein-Westfalen ansässig sind. Daher ist das enge Zusammenleben von Nicht-Muslimen und Muslimen in NordrheinWestfalen von besonderem Interesse, da es als Untersuchungsgegenstand einen 11 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Einblick in viele Bereiche des alltäglichen, sozialen und politischen Lebens einer eng verwobenen nichtmuslimischen - muslimischen Gesellschaft ermöglicht. 2.3 Ziel/Zweckrichtung des Projekts Trotz eines hohen Migrantenanteils gibt es in Nordrhein-Westfalen wenig Kontakte und kulturellen Austausch zwischen Migranten und Deutschen. Die Entwicklung von Parallelgesellschaften und eine zunehmende Ghettoisierung werden immer wieder seitens der Nicht-Muslime beklagt. Dabei könnten gerade im Ruhrgebiet zahlreiche Organisationen, Institutionen und Vereine Träger eines interkulturellen Austauschs sein. Ziel ist es sich von einer Parallelgesellschaft abzuwenden und die Gesellschaften zu einem Miteinander führen. Die Chancengleichheit in der Bildung und die gleichmäßige Behandlung der Arbeitnehmer unterschiedlicher Herkunft werden immer wieder als Schlüssel für eine erfolgreiche Integrationspolitik genannt und in der Tat ist sie eine notwendige Bedingung. Bildung alleine aber reicht nicht aus, denn für eine gelungene Integration spielen auf beiden Seiten weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Die persönliche Einstellung der Menschen, ihre Werte und Identifikationsfiguren, ihr Verhalten in der Freizeit und ihr soziales Engagement. Anhand der stetig steigenden Zahl der muslimischen Bevölkerung und den damit wachsenden Bedürfnissen offenbaren sich einige ungeklärte Fragen bezüglich des Zusammenlebens von Christen. Ein Ziel ist das Herausfinden sachlich begründbarer oder vorliegender Konfliktlinien, die in den unterschiedlichen Werten, Verhaltens- und Lebensgewohnheiten liegen, aber auch die Erfassung „gefühlter“ Probleme (Vorurteile, Ängste, Unsicherheiten, Zuschreibungen) ausfindig zu machen. Muslimische Gemeinden und Vereine sollen ihre Veranstaltungen öffentlich und freizugänglich gestalten. Außerdem sollten zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen gemeinsame Ziele in Anspruch genommen und verfolgt werden. Es stellt sich die Frage, wie reagieren die Mehrheitsbevölkerung, die muslimische Gesellschaft und die deutschen Einrichtungen auf die verändernden Strukturen und wachsenden 12 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Bedürfnisse der christlich-muslimischen, beziehungsweise nicht religiös geprägten Gesellschaft? 2.4 Gründe der kulturellen Distanz Vor diesem Hintergrund möchte das Forschungsprojekt die Gründe für eine kulturelle Distanz eingehend untersuchen und zeigen, wie es beiden Seiten gelingen kann, den interkulturellen Austausch zu beleben und aktiv zu gestalten. Das Projekt zeigt Wege auf, wie sich die sogenannten „Ghettos“ von Problem- zu Integrationsfördernden Stadtteilen wandeln lassen könnten. Eine Orientierung könnte dabei der jüngste integrationspolitische Erfolg in Duisburg-Marxloh sein, wo Migranten und Deutsche gemeinsam versuchen ihren Stadtteil neu aufzubauen. Ein solches gemeinsames Projekt fördert Austausch und Verständnis in optimaler Weise. 2.5 Friedliches Zusammenleben ist das Ziel Im Rahmen der Integrationsbemühungen fällt oft der Slogan „Zusammenleben ist das Ziel“. Wie kann dieses Zusammenleben ganz konkret aussehen? Welche gemeinsamen Veranstaltungen und Feste können veranstaltet werden und in das alltägliche Leben von Migranten und Deutschen integriert werden? Das Projekt entwickelt hier ganz konkrete Vorschläge, um den Begriff des „Zusammenlebens“ auch wirklich mit „Leben“ zu erfüllen. Neben den Organen des Bundes und des Landes wird das Projekt ganz gezielt auch die Medien, die Bildungseinrichtungen, Kindergärten, den Einzelhandel, das Vereinswesen, die Unternehmen und die Kirchen in den Blick nehmen und Vorschläge entwickeln, wie diese Institutionen gemeinsam ein friedliches Zusammenleben mit Migranten und deren Integration fördern können. Ziel ist es außerdem, die Diskrepanz beider Seiten aufzuheben. Es soll ein Fundament geschaffen werden, worauf aufgebaut werden kann und welches dazu führt, dass Vorurteile mit Wissen gefüllt werden. 13 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 2.6 Forschungsziele „Islam 2030: Gemeinsam Zukunft gestalten“ und „Ahlen 2030“ wollen ergründen: Welche Themen (die Zielgruppe) der 20-50 jährigen Muslimen und NichtMuslimen in den Sozialräumen Ahlen, Münster und Hamm im gegenwärtigen Zusammenleben beschäftigen. Auf welche positiven wie negativen Erfahrungen die Zielgruppe blickt, welche Einstellungen hinter ihren Denk- und Handlungsweisen liegen und wodurch diese beeinflusst werden. Welche Veränderungen nach Meinungen der Zielgruppe stattfinden müssen, um das gesellschaftliche Zusammenleben zwischen MuslimInnen und NichtMuslimInnen in ihren Städten positiv zu beeinflussen. Wo Konfliktpotential liegt und wo Ressourcen vorhanden sind, die genutzt werden können, um aus erkannten Handlungsbedürfnissen Maßnahmen frühzeitig einzuleiten und somit gesellschaftspolitisch zu vermitteln. Forderungen und Zukunftsperspektiven Welche Rolle spielt Religion in der Gesellschaft; welche Rolle darf sie spielen? Wahrgenommene Ängste im „multikulturellen Zusammenleben“ Potentielle Quellen von Missverständnissen zwischen Muslimen und nicht Muslimen? Parallelgesellschaft – was kann unter diesem Begriff verstanden werden und wie wird dieser Begriff wahrgenommen? Gibt es Werteverschiebungen in der Gesellschaft in den letzten 10 Jahren und in der Zukunft? Was können muslimische und nichtmuslimische Gemeinden, Vereine und/oder Organisationen des Sozialwesens für die Politik tun? 14 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Auswertung der Forschungsziele Das Projekt „Islam 2030“ konnte im Hinblick auf die Forschungsfragen nach dem „muslimisch nicht-muslimischen Zusammenleben im Jahr 2030“ darlegen, dass bei beiden Gruppen eine gewisse Diskrepanz gegenüber Andersgläubigen besteht. Diese These ergibt sich aus der Auswertung der Fragenbogenanalyse und den Expertengesprächen. Niemals zuvor in der Geschichte lebten Muslime und Nichtmuslime so ungeplant miteinander in einem immer schneller zusammenwachsenden globalen Dorf. Hinsichtlich dieser Gegebenheit ist es wichtig, dass die in der Münsterregion lebenden Muslime schnellstmöglich integriert werden. Um einen Ausblick zu erhalten welche Themen im Jahr 2030 gegenwärtig sind hat man interrogativ herausgefunden, dass für beide Gruppen Familie, Gesundheit und Freunde exponieren. Allerdings sind Glaube und Religion bei den Muslimen ebenfalls weit im oberen Bereich. Die Nichtmuslimen blicken in diesem Kontext auf die positiven Erfahrungen bei der Großzügigkeit und Begegnung. Zum Beispiel äußert sich die Mehrheit der Nichtmuslime über die freundliche Aufnahme in Familien und in der Nachbarschaft. Trotzdessen muss das gesellschaftliche Zusammenleben durch Veränderungen positiv beeinflusst werden. In diesem Punkt sind sich beide Zielgruppen konform. Die Nichtmuslime gehen davon aus, dass sich der Islam nicht ausreichend in die moderne Gesellschaft und Entwicklung rehabilitieren wird und somit das größte Problem für ein Zusammenleben ausmacht. Auf der anderen Seite stellt man fest, dass die Vorbehalte gegenüber den Nichtmuslimen zu keiner Kontroverse führen. In diesem Gebiet sind konfliktmildernde Maßnahmen notwendig und wichtig ist es besonders bei den jüngeren Gruppen im schulischen und gesellschaftlichen Leben, dieses Konfliktpotential abzulegen. Veränderungen müssen laut Studie in der Auseinandersetzung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen stattfinden. Um Vorteile positiv umzuwandeln, gilt es den islamischen Glauben näher zu reflektieren. Auch wenn sich der traditionelle Islam, laut aktueller Hypothese an die europäischen Gegebenheiten versucht anzupassen und daher generell neu entwickelt. 15 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Die Religionen werden sowohl bei den Konflikten, als auch bei den mildernden Phasen eine wichtige Stellung ausmachen. Besonders die jüngsten Konflikte in Syrien lösen bei den Nichtchristen die Grundlage für die Diskrepanz gegenüber dem Islam aus. Als Forderung an die Zukunftsperspektive wird immer wieder von beiden Gruppen, der Wunsch nach einem friedlichen und respektvollen Zusammenleben genannt. Wobei sich Muslime einig sind, dass der Islam in der Gesellschaft fest verankert werden sollte. Das „multikulturelle Zusammenleben“ wird in Deutschland eingehend diskutiert. Auf der einen Seite geht man davon aus, dass das Zusammenleben ein wichtiger Bestandteil der deutschen Gesellschaft sein sollte. Auf der anderen Seite jedoch steht die Leitkultur des christlichen Abendlandes. Die Vielfältigkeit der Kulturen ist besonders wichtig in den Städten, in denen die Untersuchung stattgefunden hat, da dort ein sehr hoher Anteil an muslimischen Bürgern lebt. Für Multikulturalität ist sowohl die die Bundespolitik als auch die Landespolitik im Land NRW maßgebend. Die größte Fehldeutung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen lässt sich bei der älteren wie auch der jüngeren Gesellschaft feststellen. Eine große Rolle spielen die verschiedenen Interpretationen der jeweils anderen Religion. In diesem Bereich muss, wie bereits erwähnt, die Diskrepanz abgebaut werden. Vorschläge diesbezüglich sind zum einen das Zusammenkommen der beiden Gruppen, als auch das gegenseitige Verständnis. Um dieses Ziel erfolgreich zu erreichen, müssen mehr soziale Angebote offeriert werden. Für die Transparenz des Islam ist es notwendig, dass die Muslime ihre Religion auch nach außen hin offen zugänglich machen, um die Feindseligkeit abzubauen. Der Begriff „Parallelgesellschaft“ hat sich durch die Vorfälle in Solingen und Mölln 1992/93 durchgesetzt. Das Desinteresse an der muslimischen Bevölkerung hat zu einer Abschottung der Gesellschaft geführt. Zukunftsbezogen dominiert eine Parallelgesellschaft ganze Regionen, wie dies zum Beispiel in Ahlen der Fall ist. Dadurch verhärten sich die Vorurteile seitens der Nichtmuslime. Durch die Studie hat 16 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları man jedoch festgestellt, dass sich die Jugendlichen durch eine gute Ausbildung immer mehr von den Vorbehalten distanzieren und zunehmend offener der mehrheitlichen Gesellschaft werden. In den nächsten zehn Jahren kann man davon ausgehen, dass durch die Werteverschiebungen sogar die Solidarität innerhalb der Familie abnehmen wird. Um ein Miteinander fördern zu können, gilt es religiöse Veranstaltungen seitens der Muslime wie auch der Nichtmuslime offener zu gestalten. Außerdem kann ein gemeinsames Ziel in Anspruch genommen und verfolgt werden. Beide Gruppen geben an, dass sie gerne mehr in der Politik tätig sein wollen, um ihre Wünsche direkter voranzutreiben. Eine Grundlage der Geschichte und Theologie des Islams setzt einen fundierten Dialog zwischen Muslimen und Nichtmuslimen voraus. 17 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 2.7 Verfahren und Ablauf a) Fragebogen „Muslimische Zukunftsvorstellungen“ (Quantitative Auswertung) (KatHO) Fragebogen an MuslimInnen Behörden Öffentliche Veranstaltungen Persönlicher Kontakt Soziale Einrichtungen Vereine Sonstiges SUMME zurückbekommener Fragebögen Ahlen 22 28 30 26 96 Hamm 12 11 5 9 104 Gesamtsumme Münster 25 3 4 31 231 Verteilte Fragebögen Rücklaufquoten 136 150 100 70,59% 69,33% 31 % Insgesamt wurden 231 schriftliche Fragebögen von MuslimInnen in die Auswertung einbezogen; das Bildungsniveau der Befragten reichte vom Haupt- bis zum Hochschulniveau, der durchschnittliche Abschlussgrad lag bei 2,59 (Realschulabschluss-Gymnasium). 79,6 Prozent der Befragten gehörten dem sunnitischen Islam an, 4,3 Prozent dem schiitischen Islam, 7,8 Prozent waren alevitisch und 8,3 Prozent bekannten sich zu einer anderen Strömung des Islams. Die männliche Teilnahme lag bei 43,4 Prozent und die weibliche bei 56,6 Prozent, die Altersspanne umfasste das gesamte Spektrum ab 18 Jahren bis zum 63 Lebensalter (Mittelwert: 35,8 Jahren), der geographische Raum der Untersuchungen beschränkte sich auf die Städte Ahlen, Münster und Hamm. 43,7 Prozent aus Hamm, 39,7% aus Ahlen, 14 Prozent aus Münster und 2,6 Prozent MuslimInnen aus dem Umland nahmen an dem Fragebogen teil. Bei der Verteilung der Fragebögen wurde auf eine 18 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları ausgewogene Verteilung bezüglich der Religiosität großen Wert gelegt; und dennoch stuften sich 92,5 Prozent der Befragten als sehr gläubig bis gläubig ein, 4,9 Prozent bezeichneten sich als eher neutral bis weniger gläubig und nur 2,7 Prozent gaben an, nichtgläubig zu sein (Mittelwert: 2,08 – gläubig). Die Mehrheit der muslimischen Befragten war türkischer Herkunft, was auch der nationalen Verteilung innerhalb der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland entspricht. Fragebogen an Nicht-MuslimInnen Insgesamt wurden 308 schriftlicher Fragebögen von Nicht-MuslimInnen in die Auswertung einbezogen. Nicht-Muslime sind Bürger die formal dem Christentum anhängig sind speziell in der Region des Münsterlandes, sowohl katholisch als auch evangelisch. Das Bildungsniveau der Befragten reichte vom Hauptschul- bis hin zum Hochschulniveau. 44,3 Prozent der Befragten sind katholisch, hingegen sind 33,6 Prozent evangelisch und 14,7 Prozent gaben an, dass sie keiner Glaubensrichtung angehören, 6 Prozent bekannten sich zu einer anderen religiösen Glaubensrichtung. Die männliche Teilnahme lag bei 39,5 Prozent und die weibliche bei 60,1 Prozent, 0,3 Prozent machte keine Angabe zum Geschlecht. Die Altersspanne umfasste das gesamte Spektrum von 18 Jahren bis zum 76 Lebensalter (Mittelwert: 41,12 Jahren), der geographische Raum der Untersuchungen konzentrierte sich auf die Städte Ahlen, Münster und Hamm. 43,2 Prozent aus Ahlen, 30,2 Prozent aus Hamm, 22,7 Prozent aus Münster und 3,9 Prozent Nicht-MuslimInnen aus dem Umland nahmen an dem Fragebogen teil. Bei der Verteilung der Fragebögen wurde auf eine ausgewogene Verteilung bezüglich der Religiosität großen Wert gelegt (Mittelwert: 2,98 – gläubig). Die vollständigen Befragungen liegen in Form von anonymisierten Transkriptionen vor und die relevanten Äußerungen und Ergebnisse wurden von der KatHO festgehalten. 19 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları b) Flughafenbefragung (TAVAK) Für das Modellprojekt „Ahlen 2030“ in der Ruhrregion wurden an drei Flughäfen, Sabiaha Gökcen, Atatürk und Düsseldorf Umfragen basierend auf einem strukturierten Fragebogen durchgeführt, um eine erste Tendenz muslimischer Vorstellungen festzuhalten. Bei dieser Umfrage haben 400 Personen teilgenommen und es wurden jeweils 11 Fragen gestellt. c) Leitfadeninterviews und offene Diskussionsrunde zum Forschungsthema „Zusammenleben“ (Qualitative Auswertung) Es wurden drei offene Leitfadeninterviews nach Przyborski und Wohlrab-Sahr (2008) mit zwei MuslimInnen und einem Nicht-Muslim von der KatHO durchgeführt. Ziel war die Generierung von Diskussionsthemen für den Workshop. Bei diesem Workshop kamen MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen aus Ahlen, Hamm und Münster zusammen. Zunächst wurde eine Gruppendiskussion zur Fragestellung „Wie könnten und sollten MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen in NRW im Jahr 2030 zusammenleben?“ durchgeführt. Die Zielsetzung einer offenen Diskussionsrunde lag darin Aspekte des „Zusammenlebens“ interaktiv zu ermitteln. Durch die Erhebungen aus dem Workshop konnten folgende „Lebensbereiche“ zugeordnet werden: 1) Schule und Bildung 2) Innere Haltung 3) Konfessionen/ Religionsgemeinschaften 4) Historische Hintergründe 5) Politik und Arbeitsmarkt 6) Sozialwesen/ Angebote der Migrationsarbeit 20 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Der Untersuchungsgegenstand „Zusammenleben“ des Forschungsprojekts setzt sich aus den sechs genannten Ergebnisfeldern zusammen. Eine ausführliche Darstellung aller Bereiche befindet sich im Projektbericht unter „Auswertung der Leitfadeninterviews und der offenen Diskussionsrunde zum Forschungsthema „Zusammenleben“. 2.9 Zielgruppen des Forschungsprojekts Die Zielgruppe der Befragung richtete sich bewusst auf die Altersgruppe zwischen 18 Jahren und 50 Jahren als Kerngruppe, weil sie im Hinblick auf das Jahr 2030 die relevante Gruppe von „Entscheidern“ sind und weil sie sich mit den angedachten Themen befassen und über zukünftige Entwicklungen Auskünfte geben können. Ein weiterer Grund ist, dass die erste Generation der über 60-Jährigen erfasst ist und 2030 nicht mehr von Relevanz sein wird. 2.10 Forschungsfragen Vor allem für dynamische Gesellschaften ist es schwierig eine Zukunftsprognose zu erstellen, da das Miteinander von langwierigen politischen bis hin zu tagesaktuellen Geschehnissen und äußeren Einflüssen bestimmt wird. Das Forschungsprojekt „Islam 2030 – Zukunft gemeinsam gestalten“ soll daher nicht als ein Werkzeug der Prophezeiung dienen, sondern vielmehr einen Weg der Mitgestaltung einschlagen. Folgender Fragestellung des Projektträgers wird nachgegangen: „Wie werden wir 2030, wenn in allen größeren und mittleren Städten in NordrheinWestfalen, wo Bergbau, Stahl und große Fabriken vorherrschend waren, die Mehrheit der unter 50-Jährigen einen Migrationshintergrund und darunter die weitaus meisten einen islamischen Hintergrund hat, zusammenleben?“ 21 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Für ein differenziertes Forschungsergebnis wurde die (grobe) Fragestellung in eine Oberforschungsfrage und zwei Unterfragen gegliedert: (Ober-) Forschungsfrage: „Wie sehen 20 bis 50 jährige MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen aus den Städten Ahlen, Münster und Hamm das gesellschaftliche Zusammenleben sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft (Jahr: 2030)?“ (Erste) Unterfrage:„Wie nehmen MuslimInnen und Nicht- MuslimInnen das gesellschaftliche Zusammenleben wahr?“ (ISTZustand: Beobachtungen Wahrnehmung) (Zweite) Unterfrage: und „Wie Beschreibungen, könnte und sollte subjektive sich das gesellschaftliche Zusammenleben aus der Sicht der MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen bis zum Jahr 2030 und darüber hinaus entwickeln?“ (Soll-Zustand: Wünsche und Befürchtungen, Emotionen/ Strategien/ Zukunftsvorstellungen) Dabei ist zu beachten, dass den Prognosen zur Folge im Jahre 2030 ein Viertel der in Deutschland lebenden älteren Menschen einen Migrationshintergrund haben werden. Darunter birgt sich eine hohe Zahl der Migranten muslimischen Glaubens (vgl.http://www.deutsche-islam-konferenz.de). Dieser demographische Wandel bezüglich der Altersstrukturen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland konfrontiert die Bevölkerung als Teil der christlich-muslimischen Gesellschaft mit neuen Fragen. Abgesehen davon, dass die Debatte mit dem Islam inzwischen zu den dominierenden Themen im öffentlichen Dialog gehört, werden zukünftig neben den Kopftuchdebatten und den bundesweiten Forderungen nach islamischen Religionsunterricht, die Nachfrage an islamischen Bestattungsmöglichkeiten, sowie an einer kultursensiblen Altenpflege steigen. 22 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Dabei erscheint es als besonders wichtig den Fokus auf gesellschaftspolitische Prozesse zu legen und herauszufiltern in welchen Feldern, zum Beispiel bei der Moschee-Entwicklung, Altenpflege, Krankenhausaufenthalt sowohl ambulant als auch stationär, muslimische und gemischte Einrichtungen, Begräbnispraxis getrennte und gemeinsame muslimischen Friedhöfe, islamisches Gemeinschaften, oder Bestattungsritual, auch in anderen soziale Kontrolle in Lebensbereichen, es Handlungsbedarf gibt. 23 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 2. Ergebnisse: Auswertung der Fragebögen über „Muslimische Zukunftsvorstellungen“ 3.1 Fragebogenauswertungen der muslimischen und nichtmuslimischen Teilnehmer Frage 1: „Was sind für Sie persönlich wichtige Themen, mit denen Sie sich aktuell auseinandersetzen?“ Tabelle 1: Themen/ Interessen Tabelle 2: Ergebnis/Daten Themen/ Interessen (Muslime) Familie 89,60% (Nichtmuslime) Familie 80,50% Gesundheit 61,30% Gesundheit 54,20% Glaube/Religion 56,50% Freunde 48,10% Freunde 45,70% Berufsleben 46,40% Berufsleben 40% Partnerschaft/Beziehung 45,10% Hoch-/Schule 32,60% Politik Politik 29,10% Freizeit 31,20% Partnerschaft/Beziehung 28,70% Glaube/Religion 24,40% Freizeit 27% Hoch-/Schule 16,90% Ausbildung 20% Ausbildung 12,70% Arbeitslosigkeit 15,70% Arbeitslosigkeit 12,30% Sonstiges 2,60% Ergebnis/Daten Sonstiges 38% 6,80% (Tabelle 1,2: Mehrfachnennungen waren möglich!) 24 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Die Themen des Fragebogens treffen auf die persönlich wichtigen Themen der Teilnehmer zu. Das Ranking ergibt, dass den muslimischen und nicht-muslimischen Teilnehmern die Gesundheit, direkt nach der Familie am wichtigsten ist. Während für 56,5 Prozent der muslimischen Befragten der Glaube an dritter Stelle steht, ist der Glaube bei nicht-muslimischen Teilnehmern nur für 24,4 Prozent von Bedeutung und steht an achter Stelle. Stattdessen sind Themen wie Freunde, das Berufsleben, Partnerschaft, Politik und Freizeit vorrangig. Muslime sehen in Familie und Partnerschaft/Beziehung signifikant weniger Auseinandersetzungsbedarf, womöglich weil sie in klareren Rollenbildern leben. In diesem Zusammenhang entspricht die Familie dem kulturellen und sozialen Habitus der Muslime. Innerhalb der familiären Strukturen werden religiöse Regeln, kulturelle Werte/ Normen, sowie soziale Rollenbilder weitergegeben und infolgedessen angeeignet. Mit der Beziehung zum Glauben und der Religion setzen sich Muslime wiederum weitaus mehr auseinander als die Gruppe der Nicht-Muslime. Interessant ist, dass für die Befragten unabhängig ihrer Glaubensrichtung, die Ausbildung und Arbeitslosigkeit nicht so wichtig erscheint. Das zeigt, dass die Teilnehmer wohlmöglich wenig Wert auf eine gute Ausbildung legen. 25 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 2: „Inwiefern haben Sie sich schon persönlich mit folgenden Themen beschäftigt?“ Tabelle 3: Themen (Muslime) Ergebnis/ Daten Gesundheit 91,90% Alter/ Älterwerden 68,50% Sterben/ Tod 63,10% Pflege im Alter 57,40% (Tabelle 3: Mehrfachnennungen waren möglich!) Mehr als die Hälfte der befragten Muslime haben sich mit allen vier Themenbereichen intensiv beschäftigt. Die Gruppe der Muslime beschäftigt sich überwiegend mit dem Thema Gesundheit, obwohl sie kaum Zugang zu Informationen und Angebote zu diesem Themen haben, wie Untersuchungen und Erfahrungen zeigen. So zählt das Thema Alter und Älterwerden bei den muslimischen Befragten zu den wichtigsten Themen nach Familie und Gesundheit. Im Hinblick auf die alternde Gesellschaft nimmt auch die Zahl der älterwerdenden Muslime zu. Dieser Zustand wirft zukunftsorientierte Fragen auf, die im Zusammenhang mit Pflege im Alter und muslimischer Bestattungskultur in Deutschland stehen. Für die muslimischen Befragten spielt die islamische Wertvorstellung in Bezug auf das Pflegeverhalten (Altersheim, Pflegeheim) hinsichtlich der Hygieneregeln, den Speisevorschriften, sowie den sozialen Umgang mit dem Alterungsprozess bis hin zum Tod und der islamgerechten Bestattung eine tiefgreifende Rolle. Das Fehlen kultursensibler Angebote in Körperpflege, Essgewohnheiten, Sprache und Pflegepersonal sind die häufigsten Gründe für die Ablehnung deutscher Altersheime seitens muslimischer Migranten. Für die Betreuung und Pflege muslimischer SeniorInnen müssen Pflegeeinrichtungen mehr Wert auf die kulturspezifischen Alten/ Krankenpflege legen. Das Pflegepersonal muss auf den Umgang mit älteren Migranten, bezüglich islamischer Wertvorstellungen ausreichend sensibilisiert werden. 26 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Damit auch muslimische Migranten stationäre und ambulante Pflege in Anspruch nehmen, ohne in ihren religiösen Gefühlen verletzt zu werden. Auffällig ist, die intensive Beschäftigung der befragten Muslime mit der Beziehung zu Tod und Bestattung. Die Frage nach der Beisetzung beim Eintreten eines Todesfalles ist ebenso wichtig, wie das Thema rund und die Pflege im Alter. Bis heute bevorzugt ein Großteil der muslimischen Migranten nach dem Tod in ihrem Heimatland beerdigt zu werden. Das Thema Pflege im Alter zeigt große Unterschiede in den Mittelwerten der einzelnen Städte (Hamm, Münster und Ahlen). Laut Aussage der Befragten in Hamm beschäftigen sich die Muslime mehr mit dem Thema Pflege im Alter als die Befragten in Münster. 27 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 3: „Werden Muslime wegen ihrem Bekenntnis zum Islam benachteiligt?“ Tabelle 4: Tabelle 5: NICHTMUSLIME MUSLIME Ja 23,70% Nein 16% Keine Aussag e 17% Nein 32,10% Ja 67% Keine Aussage 42,20% Muslime sind der Ansicht, dass sie in Bezug auf diese Fragestellung stark benachteiligt werden, aufgrund von Erfahrungen die sie im Alltag erleben. NichtMuslime wiederrum enthalten sich und geben keine Aussage darüber. Gründe dafür können zum einen Desinteresse am İslam sein und zum anderen die fehlende Wahrnehmung der Diskriminationen. Oder aber aus Angst vor Gegnern. 28 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 6: DIFFERENZIERUNG NACH ALTER (MUSLIME) 20-29Jährigen 23% 40-49Jährigen fühlen sich benachteilig 28% 50-59 Jährigen 24% 30-39Jährigen 25% Eine Differenzierung nach dem Alter zeigt, dass alle Altersgruppen zur Benachteiligung eine ähnliche Meinung haben, deswegen ist zusammenfassend festzustellen, dass sich ohne Altersbeschränkung Muslime durch ihren Glauben benachteiligt fühlen. Insgesamt stimmen aber alle Altersgruppen der Aussage zu. Obwohl die ältere Generation noch eher nach den Traditionen erzogen worden sind, fühlen sich jüngere Generationen trotz ihres Glaubensunterschieds genauso benachteiligt. 29 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 7: Benachteiligte Bereiche Ergebnis/ Daten (Muslime) Politik 80,20% Berufsleben 72,70% Berufsausbildung 68,10% Behörden 64,50% Außenstehende 62,10% Hochschule 58,20% Sonstiges 43,20% KITA 43% Vereine 40,70% Freunde 36,10% Freizeit 30,60% (Mehrfachnennungen waren möglich!) Ein großer Teil fühlt sich vor allem in den öffentlichen Bereichen, wie Politik, Berufsleben, Berufsausbildung und Behörden benachteiligen. Die Politische Teilhabe ist in Bezug auf Migranten aus den nicht EU-Ländern ein schwieriger Ausblick. Zwar ist ein Engagement, auch ohne entsprechende Staatsangehörigkeit, im Ehrenamt und in den Parteien möglich, aber dennoch mangelt es seitens muslimischer Migranten am ehrenamtlichen Engagement. Der interkulturelle Kontakt zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen ist maßgebend für die Repräsentanz von Menschen mit Migrationshintergrund in öffentlichen Bereichen. Dabei reicht eine einseitige Öffnung nicht aus, da auf beiden Seiten die Hemmschwellen abgebaut werden müssen. 30 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 8: Benachteiligung aufgrund des Bekenntnisses zum Islam Sehr stark benachteiligt (1) - nicht benachteiligt (5) (Nicht-Muslime) 5 4 3 2 1 73 Personen (23,7%) geben an, dass Muslime wegen ihres Bekenntnisses zum Islam benachteiligt werden. Diese Anzahl an Personen hat angegeben, in welchen Bereichen sie eine Benachteiligung empfinden. Die Skala, anhand derer die Einschätzung vorgenommen worden ist, lautet: Sehr stark benachteiligt (1), stark benachteiligt (2), neutral (3), eher wenig benachteiligt (4), nicht benachteiligt (5). Bei bestimmten Fragen fällt die hohe Anzahl der Befragten auf, die angegeben, dass sie sich zu dem Thema nicht äußern können. Hierzu zählt auch die dritte Frage, da fast die Hälfte aller Befragten angab, sich nicht dazu äußern zu können oder zu wollen. Das spricht dafür, dass ein Teil sich offenbar noch nicht mit dem Thema beschäftigt hat oder es besteht kein Interesse an der Situation von Muslimen, obwohl im Untersuchungsgebiet ein hoher muslimischer Anteil vorhanden ist. Die Befragten geben an, dass sie die Benachteiligung im Bereich der Freunde zwischen neutral und eher wenig benachteiligt empfinden, dies zeigt der Mittelwert von 3,56. Die empfundene Benachteiligung im Bereich der Kindertagesstätte ordnen die Befragten bei 3,58 ein. Das bedeutet, dass sie die Situation als neutral bis eher wenig 31 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları benachteiligt einschätzen. Die Einschätzung der Benachteiligung im Bereich des Berufslebens liegt zwischen einer stark bis neutral eingeschätzten Benachteiligung, dies zeigt der Wert 2,48. Bei der Einschätzung der Benachteiligung im Bereich der Politik fällt die eine Stimme auf, die die Benachteiligung als sehr stark empfindet. 32 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 4: „Wie häufig haben Sie im letzten Monat eine Moschee/ Gebetshaus besucht?“ Tabelle 9: Tabelle 10: MUSLIME wöchentlich 25% keine täglich Angabe 7% n 11% gar nicht 19% monatlich 19% mehrm als wöchen tlich 19% Die Mehrheit der NICHTMUSLIME befragten Muslime mehrmals wöchentlich 3% keine Angabe täglich n 1% 13% wöchentlich 11% gar nicht 50% besucht monatli ch 22% regelmäßig eine Moschee, beziehungsweise ein Gebetshaus (69,5 Prozent). Die Muslime, die wöchentlich eine Moschee besuchen (25 Prozent), beten gelegentlich nur das Freitagsgebet. Nur ein geringer Anteil besucht die Moschee mehrmals wöchentlich und/oder täglich (26 Prozent). Wenn man sich die Befragung kritisch ansieht kann man davon ausgehen, dass die befragten Muslime nur gelegentlich die Moschee besuchen und nur für die Hälfte (51 Prozent) eine bedeutende Relevanz im Alltag hat. Im Vergleich zu der geringen Anzahl der befragten Muslime, die täglich eine Moschee besuchen (7 Prozent), misst die muslimische Gemeinschaft dem Freitagsgebet eine größere Bedeutung zu. Das Freitagsgebet ist ein gemeinschaftlicher Akt und kein anderes Gebot des Islams wird so sensibel, selbst von denen, die sagen würden, dass sie eher weniger religiös sind, befolgt wie das Freitagsgebet. Daher ist dem Freitagsgebet nicht 33 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları nur ein religiöser Wert beizumessen, sondern gleichermaßen auch ein soziokultureller. Aus der Befragung geht hervor, dass insbesondere bei „gar nicht besucht“ eines religiösen Gebetshauses ein deutlicher Unterschied zwischen den Muslimen und Nicht-Muslimen festzustellen ist. Während nur 19 Prozent der muslimischen Befragten keine Moschee besucht, liegt bei den Nicht-Muslimen dieser Anteil bereits bei 50 Prozent. Aber die Auswertungen über den Glaubensgrad der Muslime, beziehungsweise der Nicht-Muslime lassen größere Unterschiede vermuten. Die Mehrheit der muslimischen Befragten (92,5 Prozent) stufen sich als sehr gläubig bis gläubig ein, wobei sich der Mittelwert bei den Nicht- Muslimen zwischen gläubig und nicht gläubig bewegt. Daraus geht hervor, dass die muslimischen Migranten den Grad ihrer Gläubigkeit nicht an der Häufigkeit der Ausübung ihrer religiösen Pflichten messen z.B. Moscheebesuch. Die Bekennung zum Islam unter den muslimischen Migranten ist zugleich eine Art kulturelle Identitätsstiftung der muslimischen Minderheit innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft. 34 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 5: „Wessen Meinung ist für Ihr Verhalten wichtig?“ Tabelle 11: Tabelle 12: Meinungsbilder Ergebnis/ (Muslime) Daten Meinungsbilder (Nicht-Muslime) Ergebnis/ Daten Eltern 43,60% Eltern 61,70% Eigene Meinung 27,30% Großeltern 21,40% Imam 13,90% Freunde 17,20% Freunde 25,50% Partner 21,80% PartnerIn 15,30% Großeltern 13,60% Eigene Meinung 9,40% Familienmitglieder 10,90% Familienmitglieder 5,20% Moscheegemeinde/ Kirche 9,50% 5,30% Nachbarschaft Kirche Nachbarschaft (Tabelle 11,12:Mehrfachnennungen waren möglich!) Laut dieser Befragung zählen die Eltern zu den wichtigsten Personen die für das Verhalten der Befragten wichtig sind. Diese Angabe zeigt, dass es keine Rolle spielt ob man muslimisch oder christlich erzogen wurde. Das Vertrauen in einen Selbst ist eher im unteren Bereich bei den Befragten Nicht-Muslimen anzutreffen. Hingegen die Muslime ein höheres Vertrauen auf sich selbst setzen, wogegen Nicht-Muslime eine Vertrauensperson öfters zu Rate ziehen würden. Die eigene Meinung liegt bei den Nicht-Muslimen Befragten „nur“ bei 9,4%. Diese Natur des Islam zeigt sich auch bei der Meinungsbildung (der İmam), welcher von 13,9% wichtig für Muslime ist. Doch interessant ist, dass die Moscheegemeinde und die Nachbarschaftals nicht so wichtig empfunden werden. Dies könnte auf das Vertrauen und die Relevanz der Gemeinden und Nachbarschaft im Leben der Befragten zurückgeführt werden. 35 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 6: „Wie gläubig schätzen Sie sich selbst ein?“ Tabelle 13: MUSLIME eher nicht gläubig nicht gläubig sehr gläubig gläubig eher sehr gläubig Signifikant bei den Muslimen ist, dass sich 92,5 Prozent der Befragten als gläubig bis sehr gläubig einschätzen, während 4,9 Prozent sich als eher nicht gläubig bezeichneten und nur geringe 2,7 Prozent aussagten nicht gläubig zu sein. 36 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 14: Wie gläubig schätzen Sie sich ein? sehr gläubig (1) - nicht gläubig (5) Nicht- Muslime 3.04 2.95 2.97 2.88 AHLEN HAMM MÜNSTER UMLAND Die Einschätzung erfolgt auf einer Skala mit den folgenden Abstufungen: Sehr gläubig (1), eher sehr gläubig, gläubig, eher nicht gläubig, nicht gläubig (5). Der gesamte Mittelwert beträgt 2,98. Die Mittelwerte der Befragten durch ihren unterschiedlichen Wohnsitz unterscheiden sich zudem nicht außerordentlich und fallen sehr ähnlich aus. Daher kann nicht als Forschungsergebnis festgehalten werden, dass die Einschätzung der Religiosität aufgrund des Wohnortes anders ausfällt. Die Religion und der Glaube hat eine starke hohe Bindewirkung auf das Verhalten und die Einstellung bei Muslimen. Anhand der anderen Fragen kann jedoch deutlich gemacht werden, dass nur ein geringer Teil der Muslime die sich als sehr gläubig einstufen, auch zugleich ihren religiösen Pflichten nachkommen. 37 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 7: „Haben für Sie familiäre und religiöse Regeln eine Bedeutung?“ Muslime Tabelle 15: Tabelle 16: Familiäre Regeln 4.50% Religiöse Vorschriften 0.50% 6% 3% 16.70% 18% 54% 55.20% 19% 23.10% Sehr große Bedeutung große Bedeutung Sehr große Bedeutung große Bedeutung Bedeutung eher keine Bedeutung Bedeutung eher keine Bedeutung gar keine Bedeutung gar keine Bedeutung Für 55,2 Prozent der Teilnehmer sind familiäre Regeln von großer Bedeutung und für 53,7 Prozent sind religiöse Praktiken ausschlaggebend. Die befragten Muslime geben an, dass sie einen sehr großen Bezug zu familiären und religiösen Regeln haben. Sie scheinen daher sehr an diese Regeln gebunden zu sein. Familiäre und religiöse Normen werden bei Muslimen in ihrer Bedeutung nahezu gleichgesetzt. Bei NichtMuslimen gibt es deutliche Unterschiede wobei hier erstaunlich ist, dass religiöse Regeln höher bewertet werden als familiäre. 38 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 17: Vergleich der Bewertung familiärer und religiöser Regeln Skala: große Bedeutung (1) - keine Bedeutung (5) (Nicht-Muslime) 5 4 Religiöse Regeln 3 Familiäre Regeln 2 1 Ahlen Hamm Münster Umland Bei der siebten Frage liegt die folgende Skala mit Antwortoptionen zugrunde: Sehr große Bedeutung (1), große Bedeutung, Bedeutung, eher keine Bedeutung, keine Bedeutung (5). Der gesamte Mittelwert beträgt 2,28. Hinsichtlich der Angaben bezüglich der Bedeutung der familiären/ religiösen Normen ist festzustellen, dass die Antworten trotz ihrer unterschiedlichen Wohnorte nicht wesentlich anders ausfallen. 39 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 8: „Wie sollte eine Moschee in ihrer Stadt sein, wenn Sie es entscheiden könnten?“ Tabelle 18: Vorstellungen Ergebnis (Muslime) vom Wohnort gut erreichbar sein 71,70% als Bildungsort genutzt werden 67,80% Gebetsraum für Frauen zur Verfügung stellen 61,70% auch ein Minarett haben 53,30% den Müezzin-Ruf ausführen 46,70% gemeinsames Beten von Männern und Frauen ermöglichen 13,10% keine Meinung dazu Sonstiges (positive 5,20% Freizeitgestaltung , sozialer Treffpunkt, 4,80% Begegnungsstätte der Kulturen) Tabelle 19: Vorstellungen (Nichtmuslime) Ergebnis keine Meinung dazu 52,90% gemeinsames Beten von Männern und Frauen ermöglichen 27,10% als Bildungsort genutzt werden 20,10% auch ein Minarett haben 11,70% für Frauen einen Gebetsraum (Empore) zur Verfügung stellen für die Moscheebesucher gut erreichbar sein Sonstiges (positive Freizeitgestaltung , Begegnungsstätte der Kulturen) 11% 7,80% sozialer den Müezzin-Ruf ausführen (Tabelle 16,17; Mehrfachnennungen waren möglich!) Treffpunkt, 5,80% 3,20% 40 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları An dieser Befragung erkennt man, dass es den Muslimen wichtig ist, dass eine Moschee gut erreichbar ist und als Bildungsort genutzt werden kann. Weiterhin ist bedeutend, dass mehr Gebetsräume für Frauen gewünscht sind. Dieser Wunsch äußert sich durch die bisher geringen bzw. begrenzten Möglichkeiten für Frauen in Moscheen zu beten. Bauliche Merkmale einer Moschee, wie die Kuppel und das Minarette, sowie der tägliche Muezzin-Ruf sind zweitrangig und für die Befragten nicht von großer Bedeutung. Für sie ist die Moschee ein „Ort der Bildung“ und ein Gebetsraum für Frauen ein wichtiges Thema – weit vor Minarett und dem Wunsch nach einem gemeinsamen Gebet von Frauen und Männern. Die 20-29 jährigen wünschen sich zu 74,20 Prozent eine wohnortsnahe Moschee, sowie 72,83 Prozent der 30-39 jährigen. Auffällig ist, dass 63,27 Prozent der Muslime dieser Altersgruppe den Wunsch nach einer wohnortsnahen Moschee haben. Bei Nicht-Muslimen werden nur der Aspekt des gemeinsamen Betens und die Moschee als „Bildungsort“ näher in Betracht gezogen. Während mit 52,9 Prozent ein Großteil der nichtmuslimischen Befragten keine Meinung zu dieser Fragestellung hat. So wurde ähnlich wie bei der dritten Frage auch diese Frage (Wie sollte eine Moschee in ihrer Stadt sein, wenn Sie es entscheiden könnten?) von mehr als 50 Prozent der nichtmuslimischen Befragten nicht beantwortet. Dies lässt auf eine mangelnde Information und ein Desinteresse seitens der nicht-muslimischen Befragten schließen. Die islamischen Einrichtungen und Vereine in diesen Städten müssen gemeinsame Aktionen und Informationen durchführen, um einerseits die Kenntnis über den Islam zu erhöhen und Vorurteilen entgegenzuwirken und andererseits die skeptische Wahrnehmung der Einrichtungen als undurchschaubar zu entkräften. Nicht nur am Tag der offenen Moschee sollten Gemeinden sich öffnen, sondern mit Transparenz informieren und darüber hinaus bei weiteren Veranstaltungen Nicht-Muslime miteinbeziehen. Migrantenvereine und Moscheen sollten sich nicht über die Gemeinden hinaus öffnen, sondern mit Transparenz informieren und darüber hinaus einen Beitrag zu gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Themen und Zielen leisten. Um die ihnen zugeschriebene Brückenfunktion in die Migrationsgesellschaft auch leisten zu können, sollte das Integrationsbemühen besonders gefördert werden. 41 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 9: „Glauben Sie, dass der Islam als Religion das Alltagsleben der Muslime in Deutschland einschränkt?“ Tabelle 20: Tabelle 21: MUSLIME NICHTMUSLIME 11,5% 15% 23,4% 43% 65,1% 42% Nein Nein Ja Ja Keine Meinung Keine Meinung Die Mehrheit der befragten Muslime fühlt sich in ihrem Alltag in Deutschland nicht durch den Islam eingeschränkt. Während viele Nichtmuslime glauben, dass der Islam die Muslime in ihrem alltäglichen Leben einschränkt. Im Vergleich zu den Muslimen sind es „nur“ 23,4 Prozent die sich selbst durch ihren Glauben eingeschränkt fühlen. 32,4 Prozent der 20-29 Jährigen der muslimischen Befragten stimmen der Aussage zu, dass der Islam eine einschränkende Wirkung auf das soziale Leben hat. Im Kontrast dazu geben 72,5 Prozent der 30-39 Jährigen an, dass der Islam nicht einschränkt, ebenso wie 61,2 Prozent der 20-29 Jährigen und 60,9 Prozent der 40-49 Jährigen stimmen dieser Aussage zu. Die 50-59 Jährigen sagen zu 50 Prozent, dass der Islam nicht einschränkt. 42 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Erstaunlicherweise antworteten ohne Ausnahme alle der 50-59Jährigen, die diese Frage beantwortet haben, dass der Islam durch die Vorschriften eine sehr einschränkende Wirkung hat. 77 Prozent der 30-39Jährigen bestätigen diese Aussage, sowie 66 Prozent der 20-29 Jährigen. Das Verhältnis der 40-49 Jährigen ist ausgeglichen, denn 44 Prozent empfinden diese Aussage neutral, 44 Prozent bestätigen, dass der Islam sehr einschränkt. Erstaunlich ist, dass je älter die befragten Muslime sind, desto eher vertreten sie die Meinung, dass der Islam durch seine Vorschriften einschränkt. Die 23,4 Prozent der Befragten, nannten folgende Gründe für eine Einschränkung der in Deutschland lebenden MuslimInnen im Alltagsleben: Tabelle 22: Gründe für eine Einschränkung Ergebnis (Muslime) Tradition in Familien (auch unabhängig vom islamischen Glauben) 69,40% Muslime durch andere Muslime beobachtet und unter Druck gesetzt (vgl. Moscheegemeinde) 67,50% Interpretation des Koran in der Familie ( strenge Erziehung) 63,60% Interpretation der Moscheegemeinde 59,40% Vorschriften des Koran 56,30% (Mehrfachnennungen waren möglich!) 43 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 23: Islam schränkt ein durch … Skala von schränkt sehr ein (1) - schränkt gar nicht ein (5) Nichtmuslime 2.44 2.06 2.03 1.79 VORSCHRIFTEN DURCH ISLAM INTERPRET. DES KORANS IN DER FAM. INTERPRET. DES KORANS IN DER MOSCHEE 1.89 BEOBACHTUNG AND. NICHTREL. MITGLIEDER TRADITIONEN IN DEN FAM. Einzuschätzen war diese Frage auf der folgenden Skala: Schränkt sehr ein (1), schränkt ein, neutral, schränkt eher weniger ein, schränkt gar nicht ein (5). Von allen, die eine Angabe gemacht haben, beantworten 128 (41,6 Prozent) diese Frage mit ja und geben eine Einschätzung für die folgenden Bereiche. Tendenziell schränkt der Islam durch seine Vorschriften das Leben der Muslime in Deutschland ein. Die befragten Nicht- Muslime empfinden die Einschränkung, durch die Traditionen der Familien, auch wenn diese nichts mit Religion zu tun haben, als einschränkend. 44 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 10: „Die Zahl der Moscheen wird in Zukunft wohl zunehmen. Was glauben Sie, wie die nichtmuslimische Bevölkerung mehrheitlich darauf reagieren wird?“ Tabelle 24: Reaktionen (Muslime) Ergebnis mit Abwehr 87,40% mit Angst 83,80% mit Zustimmung/ Akzeptanz 31,60% mit Gleichgültigkeit 29,70% (Mehrfachnennungen waren möglich!) Anzahl der Personen Tabelle 25: 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Reaktion auf zunehmende Anzahl an Moscheen (Nicht- Muslime) 60,1% 60,7% 42,2% 45,8% 24,0% 22,1% 14,3% Die Teilnehmer der Befragung sind überwiegend 18,2% Ja Nein der Ansicht, dass die nichtmuslimische Bevölkerung auf die Zunahme von Moscheen mit Abwehr und Angst reagieren wird. Mit Abwehr reagieren 87,4 Prozent der Befragten auf das Zunehmen der Moscheen in Deutschland. Die hohe Ablehnung bei Nicht-Muslimen und die Angst vor mehr Moscheen und die sehr geringe Zustimmung sind ein Zeichen für einen politischen Handlungsbedarf. Ebenso müssten andere Akteure agieren – auch 45 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları die muslimischen Gemeinden selbst, die für mehr Transparenz sorgen müssten. Während Kirchen geschlossen werden, werden Moscheen zunehmen bzw. stärker in die Öffentlichkeit treten. Nur eine geringe Zahl der Befragten ist der Meinung, dass die Erweiterung der Zahl der Moscheen mit Akzeptanz oder Gleichgültigkeit aufgenommen wird. 46 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 11: Viele Studien (z. B. Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung aus 2013) sagen, dass von einer Mehrheit der deutschstämmigen Bevölkerung der Islam als bedrohlich empfunden wird. „Wo liegen Ihrer Meinung nach mögliche Gründe für Islamfeindlichkeit in Deutschland?“ Tabelle 26: Mögliche Gründe (Muslime) Ergebnis Nichtmuslime in Deutschland haben ein unzureichendes Wissen über den Islam Die mediale überwiegend 87,30% Berichterstattung negativ über dargestellt den (z.B. Islam wird Zwangsheirat, Ehrenmord) 86,40% Viele Politiker verbinden mit dem Islam oftmals Gewalt und Demokratiefeindlichkeit 81,10% Der Islam wird als bedrohlich empfunden, weil viele Attentate in der Welt sich auf Allah oder den Islam berufen Nichtmuslime in Deutschland haben Angst 70,50% vor einer Überfremdung ihrer Kultur durch andere Kulturen 70,10% In muslimisch geprägten Ländern existieren zu wenig demokratische Regierungen 37,70% Der Islam wird als bedrohlich empfunden, weil aus dem Koran und der Scharia strenge Vorschriften zur persönlichen Lebensführung abgeleitet werden 31,70% (Mehrfachnennungen waren möglich!) 47 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 27: Gründe für Islamfeindlichkeit stimme voll zu (1) - stimme gar nicht zu (5) (Nichtmuslime) 2.31 Islam bedrohlich wegen Koran und Scharia Mangel an Demokratie in musl. Länder Angst vor Überfremdung 2.11 2.01 2.78 Politik verb. Islam mit Gewalt Unzureichendes Wissen 2.07 2.43 Neg. mediale Berichterstattung Islam bedrohlich 1.95 Bewertung auf der folgenden Skala: stimme voll zu (1), stimme zu, neutral, stimme eher nicht zu, stimme gar nicht zu (5): Als mögliche Gründe für die herrschende Islamfeindlichkeit und für die wachsende Islamophobie in Deutschland, sehen die befragten Muslime vor allem im unzureichendem Wissen der Nichtmuslime über den Islam, negativer Berichterstattung und in den Äußerungen von Politikern. Als weiteren Grund für die aufkommende Islamophobie wird zudem der Einfluss der Politiker genannt, da viele den Islam mit Gewalt und Demokratiefeindlichkeit verbinden. Ein Wunsch für die Zukunft seitens der MuslimInnen ist mehr Zugeständnisse für sich und ihre Religion in den Regierungsreihen der Deutschen Politik. Eine Brückenfunktion um das Miteinander auszuweiten haben muslimische Migranten an publikums- und öffentlichkeitswirksamen Knotenpunkten, sowie in repräsentativen Positionen, um die Nicht- Muslime in Deutschland mit richtigen Informationen zu unterrichten, da der interkulturelle Kontakt vor allem im Bereich der Medien gemeinsam entwickelt und gefördert werden muss, um eine weitgehend korrekte mediale Berichterstattung über den Islam zu erhalten. Dazu können im Medienbereich spezielle Volontariate, Trainees, Hospitanten und Praktika angeboten werden die sich 48 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları ausschließlich mit solcher Thematik befassen und eine sensible Themenauswahl rund um den Islam treffen. Nur so kann die einseitige Berichterstattung zukünftig abgebaut werden. Bei Muslimen sind die Gründe, die sie für eine Islamfeindlichkeit nennen mehr nach außen gelagert, wie unzureichendes Wissen, negative Berichterstattung und islamkritische Politiker. Die muslimischen Befragten zählen sich nicht zu der herrschenden Islamophobie. Es sei viel mehr auf die radikale Interpretation des Korans und deren Auslegung zurückzuführen, sowie auf die terroristischen Bestrebungen religiöser Fundamentalisten. Bei Nichtmuslimen liegt eine deutlich differenziertere Verteilung der Ursachen bei gleichwohl jeweils hohen Werten der Zustimmung. Sie sehen aber Politik als geringen Auslöser, was wiederum interessant ist. 49 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 12: „Was glauben Sie kann zum Abbau der Islamfeindlichkeit beitragen?“ Tabelle 28: Beiträge zum Abbau der Islamfeindlichkeit Ergebnis (Muslime) differenziertere Berichterstattung 87,00% islamischen Terror nicht auf in Deutschland lebende Muslime 84,00% übertragen mehr Austausch und Diskussion 80,90% mehr Toleranz und Achtung zeigen 79,60% mehr öffentliche Präsenz von Muslimen 76,30% Moschee nur als Ort der Religionsausübung 69,30% klare Verurteilung von muslimisch begründetem Terror 66,50% Orientierung an mitteleuropäischen Werten 30,50% Nur 30,5% der Teilnehmer gehen davon aus, dass die Islamfeindlichkeit durch die Orientierung an mitteleuropäischen Werten abgebaut werden kann. Die Befragten Muslime wünschen sich daher einen Abbau der Islamfeindlichkeit durch eine differenzierte mediale Berichterstattung, mehr Toleranz und Achtung sowie mehr öffentliche Präsenz der hiesigen muslimischen Vereine, die sich klar gegen muslimisch begründeten Terror in der Welt abgrenzen. Diese Befragung zeigt außerdem, dass der islamische Terror zu sehr verallgemeinert wird, aus Sicht der Muslime. Diese Mutmaßung lässt sich durch eine klare Auseinandersetzung mit mehr Austausch und spezifische Diskussionen verhindern. 50 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 29: Datenreihe 1 5 4 3 2.57 2 1 Datenreihe 1 2.11 2.25 1.88 2.21 2.04 1.91 1.81 Keine Austausch Orientieru Moschee Übertrag. differenz. Toleranz Verurteilu öffentliche und ng an als Ort der d.Terrors Berichterst und ng von Präsenz Diskussion europ. Religionsa auf attung Achtung Terror en Werten usübung deutsche M. 2.11 2.25 1.88 2.04 2.57 2.21 1.91 1.81 Der Islam wird deswegen von Nichtmuslimen als Bedrohung empfunden, weil die öffentliche Berichterstattung und Präsenz nicht der Realität entspricht. Bewertung auf der folgenden Skala: stimme voll zu (1), stimme zu, neutral, stimme eher nicht zu, stimme gar nicht zu (5). Dem Abbau der Islamfeindlichkeit durch eine differenziertere Berichterstattung wird von allen Teilnehmern zugestimmt. Auch der Möglichkeit die Islamfeindlichkeit durch eine stärkere öffentliche Präsenz abzubauen, wird zugestimmt. Die Chance durch kulturellen Austausch und durch Diskussionen die Islamfeindlichkeit abzubauen, wird durchaus stark zugestimmt. Bei der Frage nach der Möglichkeit die Islamfeindlichkeit durch die Orientierung an mitteleuropäischen Werten abzubauen, gehen die Meinungen auseinander. In Ahlen stimmen die Befragten stark zu, wohingegen die Befragten aus Münster weniger stark und die Befragten aus umliegenden Städten dies eher als neutral einschätzen. Die Islamfeindlichkeit durch Toleranz und Achtung abzubauen, stimmen einige Befragte zu. Viele jedoch stehen dem neutral gegenüber. 51 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Der Abbau der Islamfeindlichkeit wird seitens der muslimischen Befragten eher „anderen“ zugewiesen (vergleiche Frage 11) und von Nichtmuslimen differenzierter mit jeweils hohen Zustimmungswerten für die unterschiedlichen Punkte betrachtet. Frage 13: Tabelle 30: Für ein besseres Verstehen und Zusammenleben in Deutschland Ergebnis sollte… (Muslime) … der Islamunterricht ein eigenständiges Schulfach werden 85,8% … für alle die doppelte Staatsbürgerschaft und ein kommunales 83,7 % Wahlrecht ermöglicht werden. … eine Diskussionskultur zwischen den Kulturen und Religionen 80,2 % entstehen, die Kritik am jeweils anderen zulässt ohne diese zu missachten … eine prozentuale Quote für die Beschäftigung von Menschen 76,3 % mit Migrationshintergrund in öffentlichen Verwaltungen, Organisationen und Parteien eingeführt werden. Die muslimischen Teilnehmer der Befragung wünschen sich mehr Zugeständnisse für sich und ihre Religion. Am meisten wurde der Islamunterricht als ein eigenständiges Schulfach gefordert. Zugeständnisse bezüglich der doppelten Staatsbürgerschaft und des kommunalen Wahlrechts würden für ein besseres Zusammenleben in Deutschland sorgen und das gespannte Verhältnis bezüglich der meist diskutierten Themenschwerpunkten entlasten. Bemerkenswert ist der hohe Anteil an muslimischen Befragten, die sich eine wirksame Diskussionskultur zwischen den Kulturen und Religionen wünschen. Diese Methode muss jedoch Kritikfähig sein und genügend Platz für Auseinandersetzungen bieten. Dieser Wunsch nach einer Konfrontation mit der jeweils anderen Religion hebt sich besonders hervor, weil Muslimen oft große Empfindlichkeit und mangelnde Kritikfähigkeit an ihrer eigenen Religion unterstellt wird. 52 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Der interkulturelle Kontakt zwischen Deutschen und Menschen mit Migrationshintergrund muss gefördert werden, damit die Wahrnehmung beider Seiten mit den Fakten übereinstimmen. Hier ist neben religiösem Austausch auch die Errichtung eines internationalen Kulturzentrums ein Punkt. Die Einrichtung würde gewährleisten, dass verschiedene Kulturen ihre Kultur am gleichen Ort leben, sodass Hemmschwellen abgebaut werden und die Information direkt zu erreichen sind. Die Migranten könnten als Akteure wirken und mit ihrer Herkunftskultur stärken gefördert werden um somit in die öffentliche Wahrnehmung zu gelangen. Frage 14: Tabelle 31: Um mehr Miteinander zu ermöglichen, nichtmuslimische Einrichtungen und Vereine… (Muslime) … mehrsprachige Angebote anbieten. sollten Ergebnis 75,4 % … bei Veranstaltungen und Festen auch andere Kulturen 74,2 % durch Speisen, Musik und Kultur einbeziehen. … mehr Muslime für eigene Angebote gewinnen. … auf Speisegewohnheiten und 73,3 % Kleidungsvorschriften 70,2 % Rücksicht nehmen. Tabelle 31: Um mehr Miteinander zu ermöglichen, sollten Ergebnis nichtmuslimische Einrichtungen und Vereine… (Nicht-Muslime) … bei Veranstaltungen und Festen auch andere Kulturen durch 74 % Speisen, Musik und Kultur mit einbeziehen … mehr Muslime für eigene Angebote gewinnen 43,5 % … mehrsprachige Angebote in unterschiedlichen Bereichen 36,4 % anbieten. … auf Speisegewohnheiten und Kleidungsvorschriften 32,8 % Rücksicht nehmen. 53 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Viele der befragten Muslime wünschen sich mehr Rücksicht seitens nichtmuslimischer Vereine gegenüber ihrer Religion und kultureller Herkunft (z.B. Sprache), sowie eine Sensibilität statt einer Ablehnung zum Beispiel bei Speisegewohnheiten und Kleidungsvorschriften. Der Wunsch zu mehr Miteinander in nichtmuslimischen Vereinen und Einrichtungen wird sowohl von Nicht-Muslimen, als auch von Muslimen gleichermaßen erwünscht, wobei Nichtmuslime deutlich weniger mehrsprachige Angebote und Rücksicht auf Speisegewohnheiten für wichtig halten. Dies lässt entweder auf Anpassungswunsch oder Desinteresse schließen, während ein hoher Wert bei der Teilnahme von anderen Kulturen durch Speisen, Musik und kulturellen Ereignissen angeregt wird. Das könnte als ein Ja zur Vielfalt, aber nicht zugleich als eine bedingungslose Zustimmung zur Rücksicht interpretiert werden. Vielmehr überwiegt der Wunsch nach einem reformfähigen Islamverständnis, die auf muslimischer Seite die Angst vor einer tiefgreifenden Assimilierung im Hinblick auf religiöse Vorschriften hervorruft. Die muslimischen Befragten sind zum Großteil der Meinung, dass sie mehr in nichtmuslimischen Einrichtungen und Vereinen einbezogen werden sollten. Nichtmuslimische Einrichtungen und Vereine, sowie die Volkshochschulen und andere Bildungseinrichtungen können mehr Menschen mit Migrationshintergrund gewinnen und einbeziehen, wenn sie bei ihren Angeboten, Programmen und Veranstaltungen deren kulturelle Interessen, Historie, Lebensrealität stärker in Betracht ziehen, um Angebote zu entwickeln, die die Zielgruppe erreichen. In zuständigen Gremien sollte Platz für Migranten und ihre Kompetenz geschaffen werden. Auch hier ist eine Evaluation der bisherigen Themen, Inhalte und der Ansprache nötig, um Migranten als Kunden und Akteure mehr einzubeziehen. 54 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 15: Tabelle 32: Um mehr Miteinander zu Einrichtungen und Vereine… (Muslime) ermöglichen, sollten muslimische Ergebnis … mehr deutschsprachige Angebote anbieten … das Bekenntnis zu Deutschland 67,1 % als Heimatland stärker 61,3 % hervorheben. … bei Veranstaltungen und Festen auch deutsche und internationale 58,1 % Speisen, Musik und Kultur anbieten ... auch gemischt geschlechtliche und interkulturelle Angebote 32,8 % anbieten … Kritik an ihrem Verhalten nicht nur als Diskriminierung ansehen. 53,6 % Tabelle 33: Um mehr Miteinander zu ermöglichen, sollten muslimische Ergebnis Einrichtungen und Vereine… (Nicht- Muslime) … Kritik an ihrem Verhalten nicht nur als Diskriminierung ansehen. 65,6 % ... auch gemischt geschlechtliche und interkulturelle Angebote 63 % anbieten. … mehr deutschsprachige Angebote anbieten. 60,4% … das Bekenntnis zu Deutschland als Heimatland stärker 59,4% hervorheben. … bei Veranstaltungen und Festen auch deutsche Kultur mit 57,1% einbeziehen. Bei muslimischen Einrichtungen sind die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen nicht so groß und der Handlungsbedarf in Bezug auf die muslimischen Einrichtungen und Vereine wird ähnlich eingeschätzt. Insbesondere Muslime erwarten von muslimischen Vereinen mehrheitlich das stärkere hervorheben des Bekenntnisses zu Deutschland, das Einbeziehen der deutschen Kultur und der deutschsprachigen 55 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Angebote. Die letzteren drei Punkte findet man bisher selten bei muslimischen Einrichtungen. Ebenso bedeutsam ist die Forderung nach gemischt geschlechtlichen Angeboten. Muslime erwarten mehr Öffnung und sind im Hinblick dessen auch selbstkritischer als die Nichtmuslime. Das ist ein guter Ansatzpunkt für eine interreligiöse/ interkulturelle Öffnung muslimischer Institutionen für mehr Miteinander. Muslimische Migrantenvereine, aber auch andere (nichtmuslimische) Einrichtungen sollten mehr Leistung zeigen und auch selbst integrierend, offen für alle wirken, sodass mehr Migranten in deutschen Institutionen tätig sind. 56 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 16: „Was ist für Sie als Muslim in Ihrem Glauben besonders wichtig?“ Tabelle 34: Muslime Ergebnis Die Traditionen des Islam soll beibehalten werden 74,40% Der Islam sollte sich besser auf die heutige Zeit einstellen 31,20% Frauen sollten die islamischen Kleidungsvorschriften einhalten 25,10% Männer sollten die islamischen Kleidungsvorschriften einhalten 20,90% Tabelle 35: Nichtmuslime Der Islam sollte sich besser auf die heutige Zeit einstellen Ergebnis 19,80% Die Traditionen des Islam soll beibehalten werden 6,80% Frauen sollten die islamischen Kleidungsvorschriften einhalten 1,60% Männer sollten die islamischen Kleidungsvorschriften einhalten 0,60% (Tabelle 34, 35; Mehrfachnennungen waren möglich!) Die Mehrheit der muslimischen Befragten hält an den Traditionen, welche im Islam verankert sind fest. Im Gegensatz dazu ist nur eine geringe Anzahl von Befragten der Meinung, dass sich der Islam an die heutige Zeit anpassen soll. 57 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 17: Tabelle 36: Muslime sollten sich ohne Angst vor Kritik und Missachtung Ergebnis durch andere Muslime… (Muslime) … ihre Freizeit so gestalten wie sie wollen. 91,3% … so kleiden können, wie sie wollen. 87,9% … Kinder kulturoffen erziehen. 80,8% … als Frau so bewegen, wie sie es möchte. 76,7% … als Mann so bewegen, wie sie es möchte. 73,4% … sich mit dem anderen Geschlecht frei in der Öffentlichkeit 70,4% zeigen können. Kennzeichnend für diese Fragestellung ist, dass Muslime ihre Freizeitgestaltung offener gestalten, wenngleich auch große Abwehrpotentiale vorhanden sind. Wenn etwa 90 Prozent der Meinung sind, dass Frauen sich frei mit dem anderen Geschlecht in der Öffentlichkeit zeigen sollten. Nichtmuslime haben bei allen Fragen eine volle Zustimmung, was auf relevante Unterschiede im Meinungsbild der Muslime und Nicht-Muslime verweist. 58 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 37: Muslime sollten sich ... stimme voll zu (1) - stimme gar nicht zu (5) (Nicht- Muslime) 1.56 1.45 1.26 1.22 1.39 1.26 Frage 18: „Wie könnte sich die Glaubenspraxis in muslimischen Gemeinden in den nächsten Jahren entwickeln?“ Tabelle 38: Vorschläge Ergebnis (Muslime) der Islam soll sich nicht verändern 55,30% neue Auslegung auf heutige Zeit 45,80% deutliche Ablehnung von Gewalt an Frauen und Kindern 78,30% Einsetzen für deutschsprachige Gebete 50,60% 59 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 39: Vorschläge Ergebnis (Nicht-Muslime) Islam soll sich weiterentwickeln 75,30% deutliche Ablehnung von Gewalt an Frauen und Kindern 68,50% neue Auslegung auf heutige Zeit 41,20% Einsetzen für deutschsprachige Gebete 20,10% 8,40% der Islam soll sich nicht verändern (Tabelle 38, 39; Mehrfachnennungen waren möglich!) Frage 19: Tabelle 40: „In Deutschland wird in Bezug auf den Islam häufig die Ergebnis Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern thematisiert.“ (Muslime) Muslimische Frauen sollten auf ihre Gleichberechtigung beim 22,1% Gebet oder stärkere Funktionen in Vereinsvorständen und in der Glaubensverkündung hinarbeiten. Für die Ehre und das Ansehen der Familie ist besonders 16,3% das Verhalten der Frau wichtig. Frauen und Männer sind im Islam gleich, haben aber 14,9% unterschiedliche Rechte Im Islam gibt es eine gottgegebene Unterscheidung in der 14,4% Rolle von Frauen und Männern in der Gesellschaft. Frauen und Männer sind im Islam gleichberechtigt. 13,5% Beim Thema „Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen“ stimmen 22,1% der Befragten der Aussage zu, dass muslimische Frauen auf Gleichberechtigung hinarbeiten sollen. Außerdem sind 16,3% der Befragten der Meinung, dass die Ehre und das Ansehen der Familie besonders durch das Verhalten der Frauen wichtig sei. Hingegen 14,9% denken, dass Frauen und Männer im Islam gleich gestellt sind aber unterschiedliche Rechte haben. Nur 13,5% der Befragten sind der Meinung, dass 60 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frauen und Männer im Islam gleichberechtigt sind. Eine Gleichberechtigung von Mann und Frau im Islam sehen daher nur 13,5 Prozent der muslimischen Teilnehmer der Befragung und es gibt auch wenig Hinweise auf Wunsch nach mehr Rechten. Das Thema scheint in der muslimischen Gemeinde noch nicht angekommen zu sein. Frage 20: „Wie beurteilen Sie Alles in Allem die Akzeptanz des Islam in Deutschland? (Bewertung in Schulnoten)“ Tabelle 41: MUSLIME Ungenügend Sehr gut 2,7% 3,2% Mangelhaft 20,5% Gut 9,1% Befriedigend 37,7% Ausreichend 26,8% Die Mehrheit der befragten Muslime beurteilt die Akzeptanz des Islam in Deutschland nur mit Befriedigend bis Ausreichend (Mittelwert: 3,6 befriedigend-ausreichend). Davon sind 37,7% der Meinung, dass die Akzeptanz Befriedigend ist und 26,8% Ausreichend. Nur 11,3% der Befragten denken, dass der Islam eine gut bis sehr gute Akzeptanz in Deutschland hat. 61 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 21: „Wie sehen Sie insgesamt die muslimische Zukunft in Deutschland?“ Tabelle 42: MUSLIME Eher negativ 11,6% Negativ 6,2% Positiv 11,1% Eher positiv 28,4% Neutral 42,7% Nur 39,6% der befragten Muslime sehen der muslimischen Zukunft in Deutschland positiv entgegen (positiv- eher positiv). 62 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 22: „Von wem möchten Sie im Falle einer Erkrankung gepflegt werden?“ Tabelle 43: MUSLIME Weiß ich nicht 20,7% Pflegekräfte 21,1% Angehörige 58,2% Über 58% der Befragten möchten sich lieber von Angehörigen pflegen lassen. 63 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 23: „Setzen Sie für Ihre Elterngeneration bei der Pflege eine andere Orientierung als für sich selbst an?“ Muslime Ja, Elterngeneration braucht mehr religiöse und kulturelle Identität des Herkunftslandes. Nein, ich möchte bei der Pflege genauso die religiöse und kulturelle Identitä des Herkunftslandes spüren. Ich kann mir auch eine religiös unabhängige und übergreifende Einrichtung (Altenheim) vorstellen, wo unterschiedliche Kulturen zusammen alt werden. 33% 46,5% 33,5% Mehrfachnennungen waren möglich! Tabelle 44: 46,5% der Befragten meinen, dass ihre Elterngeneration eine andere Orientierung bei der Pflege anordnet, als die bereits vorhandenen. Hingegen 1/3 der Befragten später eine kulturell übergreifende Einrichtung in Betracht ziehen würde, während sich 2/3 der befragten Nichtmuslime eine religiös unabhängige Einrichtung vorstellen kann. Das zeigt, wie stark Religion bei Muslimen alltagsleitend ist. 64 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 45: Nichtmuslime Ja, Elterngenaration braucht mehr religiöse und kulturelle Identität der eigenen Kultur. Nein, ich möchte bei meiner Pflege genauso die religiöse und kulturelle Identität der eigenen Kultur spüren. Ich kann mir auch eine religiös unabhängige und übergreifende Einrichtung (Altenheim) vorstellen,in der unterschiedliche Kulturen zusammen alt werden. 7,4% 12,7% 65,9% 14% Mehrfachnennungen waren möglich! Frage 24: Tabelle 46: Pflege sollte… (Muslime) … Fortbildung pflegende Angehörige ermöglichen. Ergebnis 85,6% … mehr Geldleistung zur Unterstützung der Familie bei der 85,3% Pflege bieten … Pflegedienste zu Hause vorrangig anbieten. 84,4% … Pflegeeinrichtungen für die, die nicht mehr zu Hause leben 83,8% können, anbieten. … Wohngemeinschaften oder betreutes Wohnen in der eigenen 74,3% Wohnung mit allem Service bieten Allgemein wird sich im Bereich der Pflege mehr staatliche Unterstützung gewünscht. Insbesondere Geldleistungen und Fortbildungen sind ausschlaggebend. 65 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Pflege sollte... Tabelle47: Pflege sollte ... stimme voll zu (1) - stimme gar nicht zu (5) (Nicht-Muslime) 1.67 1.81 GELDLEISTUNGEN BIETEN PFLEGE ZU HAUSE 1.67 1.5 BETREUTES WOHNEN EINRICHTUNGEN FÜR BIETEN SCHWERE FÄLLE 1.43 FORTBILD. FÜR ANGEHÖRIGE Frage 25: „In welchem Land möchten Sie beerdigt werden?“ Tabelle 48: MUSLIME Im Herkunftsland 6.70% 17.80% 5.40% In Deutschland 46% Weiß ich nicht Das Land ist nicht wichtig 24.10% Sonstiges (Kinder entscheiden, wo man sich aufhält/ für die Angehörigen ist es wichtiger) 66 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tabelle 49: NICHT-MUSLIME 4,5% 4,2% 6,8% 7,5% 12,7% 64,3% In Deutschland Das Land ist nicht wichtig Weiß ich nicht Im Herkunftsland Sonstiges (Kinder entscheiden/wo man sich aufhält/ für die Angehörigen ist es wichtiger) Keine Antwort Während fast die Hälfte der befragten MuslimInnen es bevorzugt im eigenen Herkunftsland beerdigt zu werden, äußern nur 24,1 Prozent der Befragten, dass sie in Deutschland beerdigt werden wollen. An dieser Stelle ist interessant zu beobachten, dass 17,8 Prozent der Befragten sich nicht sicher sind, wo genau sie beerdigt werden möchten. Der wohl wichtigste Grund dafür ist, dass in Deutschland die Möglichkeiten und Infrastrukturen fehlen wie insbesondere muslimische Friedhöfe und Beerdigungsrituale. Zu dieser Kategorie fallen auch kleine Gruppen die im Herkunftsland beerdigt werden möchten.24,1 Prozent der befragten Muslime wollen in Deutschland beerdigt werden, wünschen sich jedoch einen muslimischen Friedhof, während das für Nicht-Muslime kaum von Bedeutung ist. 67 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Frage 26: „Was ist für muslimische Beerdigungen in Deutschland wichtig?“ Tabelle 50: Wichtig für muslimische Beerdigungen Ergebnis (Muslime) Muslimischer Friedhof 75,60% Islamische Beerdigungsrituale 72,90% Ort zum religionsbezogenen Trauern 42,20% Muslimische Grabstellen auf Friedhöfen 29,30% Kann ich nichts dazu sagen 8,90% Tabelle 51: Wichtig für muslimische Beerdigungen (Nicht-Muslime) Ergebnis Durchführung von islamischen Beerdigungsrituale 38,60% Kann ich nichts dazu sagen 34,40% Ort zum religionsbezogenen Trauern 31,80% Muslimische Grabstellen auf Friedhöfen 28,90% Muslimischer Friedhof (Tabelle 50, 51; Mehrfachnennungen waren möglich!) 16,20% Für eine Beerdigung in Deutschland wären für die Befragten ein muslimischer Friedhof und die Durchführung von muslimischen Beerdigungsritualen wichtig. 68 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Fazit Zusammenfassung der Auswertung Fragebogen von 2.7 Weil das Vorgängerprojekt „Ahlen 2030 –Teilhabe und Verantwortungsübernahme der Migranten stärken“, als zentrales Ergebnis festgehalten hat, dass die Kulturen einander fremd geblieben sind, wurde bei Islam 2030 ein Schwerpunkt auf die Fragen gelegt, ob es Konfliktlinien gibt, die sachlich begründet sind, oder ob es gefühlte Empfindungen sind, die für eine Islamfeindlichkeit stehen und Gründe für die spürbare kulturelle Distanz hergeben. Natürlich waren die Fragen auch darauf ausgelegt herauszufinden, ob eine kulturelle Distanz besteht und ob sich gegebenenfalls die Wahrnehmung und der Wunsch nach mehr Miteinander nur nicht richtig entfalten kann, weil es zu viele Hemmnisse auf beiden Seiten gibt oder vielleicht Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt waren. Andererseits bieten die Auseinandersetzungen um Pegida, wo sich die große Mehrheit der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund für ein buntes und vielfältiges Leben und Miteinander einsetzt eine große Chance kulturelle Differenzen zu überwinden, indem man gemeinsam für bestimmte Ziele und Werte kämpft. Zur Zeit unserer Befragungen hat es diese Gemeinsamkeit zwischen der Politik und gesellschaftlichen Gruppen der Zivilgesellschaft noch nicht gegeben. Diese Erkenntnis sei während der Auswertung der Studie in Betracht zu ziehen. Der entscheidende Unterschied zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, der sich durch alle Antworten auf die verschiedenen Fragestellungen zieht, ist der Einfluss der Religion. Dieser hat große Bedeutung für das Alltagsleben bei Muslimen. Bei NichtMuslimen hat der religiöse Einfluss für die alltägliche Lebensweise und die dazu gehörenden Wertvorstellungen nur eine untergeordnete Funktion. Die verschiedenartigen Religionen der Befragten Gruppen bilden somit die Grundlage für Diskrepanz. Das ist eine Annahme, die sich bei den Christen nur schwer durch positive Erscheinung seitens der Muslime, abbauen lässt. Muslime wiederrum wollen nicht wahrhaben, dass sich durch die negative Berichterstattung eine Islamophobie seitens der Nicht-Muslime aufgebaut hat und sich dadurch eine immer größer werdende Abneigung gegenüber dem Islam gebildet hat. Bei der Islamophobie gehen 69 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları die Muslime davon aus, dass die Multiplikatoren die Nicht-Muslime sind. Die Vorbehalte auf beiden Seiten sind jedoch so groß, dass es zwingend notwendig ist, eine Lösung zu finden, um diese auf Dauer abzubauen. Dazu können Modelprojekte und bestimmte Maßnahmen herangezogen werden. Diese Erkenntnis ist belegt durch den Grad der Religiosität wo sich etwa 92% der Muslime für “sehr religiös” oder “religiös” halten. Die Auswertung der Nicht-Muslime hingegen hat wie zu erwarten ergeben, dass sie sich zu “nicht-religiös” einordnen würden. Durch diese unterschiedlichen Einstellungen ist es verständlich, dass die Religion und der Gotteshausbesuch für Muslime und Nichtmuslime differenziert bewertet werden, wie die Tabellen zu den Fragen 2,4 und 6 zeigen. Zum Thema der Diskriminierung in Deutschland durch die Religionszugehörigkeit zum Islam stimmen zwei Drittel der Muslime und ein Viertel der Nichtmuslime zu. Die zustimmenden Gruppen sind sich dabei in den Feldern in denen die Diskriminierung am stärksten wirkt einig, nämlich in den Bereichen Politik, Berufsleben und Behörden, während Kita/Schule, Freizeit und Vereine weniger genannt werden. Ebenso einig sind sich diejenigen die einer Einschränkung der Muslime durch den Islam zustimmen, wenn gleich dabei nur ein Viertel der Muslime und über 40% der Nichtmuslime eine Benachteiligung sieht. Hier wird in beiden Zustimmergruppen die Benachteiligung durch die Familie und das Umfeld deutlich höher bewertet als der Koran selbst. Interessant ist, dass in beiden Fragen 40% der Nichtmuslime keine Meinung haben, was auf den ersten Blick vielleicht verständlich ist, aber andererseits für eine mangelnde Auseinandersetzung mit der Frage spricht, obwohl in der Region viele Muslime leben. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass weit über 80% der Muslime der Meinung sind, dass eine Zunahme von Moscheen mit Angst und Abwehr bei den Nichtmuslimen verbunden werden kann. Während dies von den Nichtmuslimen nur 70 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları etwa 60% negativ betrachten und 20% eine Reaktion mit Gleichgültigkeit oder Zustimmung erwarten. Wenn man im Hinblick auf die Islamophobie, die Antworten auf die Gründe für die immer wieder festgestellten Ängste vor dem Islam anschaut, fallen große Unterschiede auf. Außerdem stellt man bei einer Analyse fest, dass bei beiden Gruppen eine gewisse Diskrepanz gegenüber Andersgläubigen besteht. Diese Vermutung lässt sich anhand der Fragebogenanalyse und den Expertengespräche feststellen. Laut aktueller Umfragen scheinen für viele Nicht-Muslime der Islam nicht ausreichend informativ und nicht gegenwärtig. Bei den Muslimen stellt man fest, dass die Vorbehalte gegenüber den Nicht-Muslimen nicht zu einem Konflikt führen. Diese Entwicklung stellt man auch bei der Studie „2030 in Ahlen“ fest. In diesem Bereich sind die konfliktmildernden Maßnahmen notwendig und wichtig. Vorurteile abzulegen scheint besonders im schulischen und gesellschaftlichen Leben bei den jüngeren Gruppen essentiell. Den älteren fällt es jedoch schwer Vorurteile abzubauen. Hier werden sowohl die Einflüsse der katholischen als auch der evangelischen Kirche eine Rolle spielen. Wichtig ist es, dass diese Gruppen zusammenkommen und gemeinsam geschult werden, zum Beispiel in Vereinen. Muslime sehen die Ursachen, in dem mitunter unzureichenden Wissen der Nichtmuslime und der negativen Medienberichterstattung, sowie der negativen Politikerhaltung. Ein geringer Anteil sieht die Ängste in den wenig demokratischen Systemen in islamischen Ländern oder in dem strengen Koran oder der Scharia Auslegungen. So werden bei Nichtmuslimen alle genannten Faktoren, also auch Angst vor Überfremdung und den islamisch motivierten Attentätern gesehen, während Politikern am wenigsten Verantwortung zugemessen wird. Beim Abbau der Islamfeindlichkeit gibt es auch wieder starke Unterschiede. Bei Muslimen ist eine differenzierte Berichterstattung mit 87% zu finden und die Meinung, dass der islamistische Terror nicht auf die hier lebenden Muslime zu übertragen sei an erster Stelle, die Islamfeindlichkeit abzubauen. 71 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Bei den Nichtmuslimen hingegen ist eine Verurteilung von Terror und mehr Austausch und Diskussion zwischen den „Parteien“ notwendig um der Islamfeindlichkeit entgegen zu wirken. Im Gegensatz dazu wird mehr Toleranz und Achtung, also öffentliche Präsens der Muslime als neutral eingeschätzt und wenig wirksam anerkannt. Das „multikulturelle Zusammenleben“ wird in Deutschland eingehend diskutiert. Einerseits geht man davon aus, dass das Zusammenleben ein wichtiger Bestandteil der deutschen Gesellschaft sein sollte. Andererseits wartet dort die Leitkultur des christlichen Abendlandes. Die Vielfältigkeit der Kulturen ist besonders in den untersuchten Städten wichtig, da dort der Anteil der muslimischen Bevölkerung sehr hoch ist. Für das bessere Miteinander wünschen sich die Muslime mehr Zugeständnisse für sich und ihre Religion. Ein Beispiel hierfür ist der Islamunterricht, welcher als eigenständiges Schulfach unterrichtet werden soll. Zudem soll aber auch eine Diskussionskultur zwischen den Kulturen und Religionen, welche auch kritisches Hinterfragen beinhaltet entstehen. Ebenso werden die doppelte Staatsbürgerschaft und ein kommunales Wahlrecht hoch geschätzt. Bei den Nichtmuslimen wird lediglich im Bereich der Diskussionskultur zugestimmt. Die anderen Punkte werden neutral gewertet, dies könnte an dieser Stelle für einen Mangel an Interesse oder Auseinandersetzung mit der Lage von Muslimen sprechen. Ebenso halten ¾ der Muslime eine Beschäftigungsquote für Migranten für sinnvoll. Nichtmuslime stehen der Frage eher verhalten und neutral gegenüber. In der Zukunft stehen Muslime offen gegenüber Veränderungen. Bei den Vereinsaktivitäten zum Beispiel fordern Muslime von den nichtmuslimischen Akteuren zu über 70% Rücksicht auf eine andere Sprache, Kultur und Speisegewohnheiten. Nichtmuslime jedoch präferieren die Mehrsprachigkeit und die Rücksichten auf Speisegewohnheiten nicht. An dieser Stelle, wird eher die Anpassung der Muslime an die nichtmuslimischen Gewohnheiten und kulturellen Gegebenheiten erwartet. 72 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Andererseits werden von muslimischen Vereinen, welche in Bezug auf die Umfrage nicht zwingend in Muslime und Nichtmuslime eingeteilt werden konnten, mehr deutschsprachige Angebote in den kulturellen Bereichen gewünscht. Unterschiede gibt es lediglich im Bereich gemischtgeschlechtlicher und interkultureller Angebote, dort bestand die Mehrheit aus 2/3 Nichtmuslimen und zu 1/ 3 aus Muslimen. Das spricht einerseits für eine deutliche Veränderung der muslimischen Aktivitäten und Feste, die sich bisher kaum an Interessen deutscher oder nicht der eigenen Kultur entstammenden Angeboten orientieren. Andererseits steht diesfür mehr Offenheit und kritischem Miteinander, was aber häufig in vorauseilendem Gehorsam gegenüber einer Political Correctness oder nicht anecken zu wollen,zurückgestellt wird. Die Ergebnisse machen Mut zumkonstruktiven Streit und zur Auseinandersetzung in Form von unterschiedlichen Vorstellungen und Wünschen. Insbesondere ein großer Teil der Muslime bevorzugt es in gemischten Wohngegenden zu wohnen. Wie geht es weiter mit der Entwicklung muslimischer Glaubenspraxis und inwieweit werden Dogmen und Traditionen in Frage gestellt, soll sich der Islam an die Neuzeit anpassen? Oder eine Neuauslegung von Koran und Mohammeds Aussagen vornehmen. Da etwa die Hälfte der Befragten sich für eine Neuauslegung des Korans auf die heutige Zeit ausspricht, ist es ein ermutigendes Zeichen und zeigt den Weg den auch das Christentum durch die Aufklärung gegangen ist. Andererseits ist auch das Beharrungsvermögen groß, welches allerdings vornehmlich an den konservativen Islamverbänden liegt, die einer Anpassung im Wege stehen. Allein die Fragestellung, was würde Mohammed heute sagen, wie werden Koranverse interpretiert die heute nicht mehr passen und nicht mehr Leitmotiv für das eigene Handeln sind. Zum Beispiel die Verse, welche Gewalt und Bestrafung legitimieren, würden für Barrieren im Miteinander und in der Wahrnehmung von Muslimen sorgen. Auch der Wunsch nach deutschsprachigen Gebeten bei 50% und natürlich auch deutschsprachiger Predigt, die immerhin die Hälfte der Muslime befürworten würde entspricht nach mehr Transparenz und Offenheit und dem Wunsch ein deutscher Muslim zu sein. 73 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Die Identität durch den Islam zu stiften ist bei der Mehrheit der Muslime deutlich stärker als bei Christen und deshalb ist die Frage, welcher Islam mit welchen Werten und Interpretationen und in welcher Sprache ein wichtiger Indikator für das eigene Verhalten und die Wahrnehmung. Kommt die Verkündigung zum Beispiel aus der Türkei mit einem deutlich anderen und repressiverem Religions-und Gesellschaftsverständnis, oder begründet sich der Islam vor dem Hintergrund der Werte der Zivilgesellschaft im 21.Jahrhundert, dann ist die entscheidende Frage: „Drinnen oder Draußen?“, für das Miteinander und die Mitgestaltung der Muslime in Deutschland oder gegen ein Miteinander(vergl.Tibi u.Euro Islam). Die Mehrheit der befragten Muslime die die Zukunft für sich und die Akzeptanz des Islam eher skeptisch sehen, ist nicht verwunderlich und nur in einer Dialektik von unterschiedlichen Kraftfeldern. Auf der einen Seite steht die innerislamische Reform und Anpassung an die Zivilgesellschaft und deren Gestaltung, wobei Religion weniger Einfluss auf das gesellschaftliche Verhalten der Gläubigen haben darf. Auf der anderen Seite steht die Anerkennung und eine Vielfalt an Beschäftigung, zudem die kritische Auseinandersetzung mit den Wünschen der Muslime. 74 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları a. Auswertung der Flughafenbefragung 1. Möchten Sie, dass der Islam eine Staatsreligion wird? Nein 45% Ja 55% 2. Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Kind mit einer Person christlichen Glaubens oder einer anderen islamischen Glaubensströmung heiraten würde. Hätten Sie damit Schwierigkeiten? Ja 35% Nein 65% 75 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 3. Würde es Sie stören, wenn sich in einem deutschen Krankhauszimmer, in dem Sie liegen, eine Bibel oder ein Kreuz befinden würde? Ja 28% Nein 72% 4. Viele TürkInnen bezeichen sich als Ahlener TürkIn, Münchener TürkIn. Wie würden Sie sich vorstellen (lokale Zugehörigkeit/ nationale Identität) ? Mit der lokalen und nationalen Idenität 42% Nur mit der nationalen Identität 58% 76 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 5. Was prägt Ihrer Meinung nach die Leitkultur: die nationale Identität oder die religiöse Identität? religiöse Identität 19% nationale Identität 81% 6. Angenommen in der Schule würde Islamunterricht stattfinden, würden Sie bezüglich Ihres Kindes dennoch auf einen zusätzlichen Besuch der Koranschule bestehen? Ja 27% Nein 73% 77 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 7. Viele muslimische Jugendliche fasten, obwohl sie einen Abend zuvor mit Freunden ausgegangen sind und unter Umständen auch alkohlische Getränke konsumiert haben. Finden Sie dieses Verhalten in Ordnung oder nicht ? Nicht in Ordnung 51% In Ordnung 49% 8. In letzter Zeit ist es für MuslimInnen zunehmend von Bedeutung, dass die Tiere nach islamischen Vorschriften geschlachtet werden (Halal-Fleisch). Ist es für Sie wichtig oder eher nicht so wichtig? Nicht so wichtig 36% Wichtig 64% 78 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 9. Wenn es in Ihrer Nähe einen muslimischen Kindergarten gäbe, würden Sie Ihr Kind dorthin schicken? Ja 37% Egal, besteht kein Unterschied 40% Nein 23% 10. Würden Sie ihre Eltern in ein Altersheim übergeben? Unsicher 17% Nein 75% Ja 8% 79 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 11. Legen Sie darauf Wert in welchem Land Sie beerdigt werden; in Deutschland oder im Heimatland (Türkei)? Egal 40% Türkei 57% Deutschland 3% 80 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 3.4 Flughafenbefragung: Interpretation der Auswertungsergebnisse Islam als Staatsreligion In erster Linie kann man aus den Ergebnissen der Flughafenbefragung entnehmen, dass mit 55 Prozent knapp über die Hälfte der Befragten die erste Frage „Möchten Sie, dass der Islam eine Staatsreligion wird?“mit einem "Ja" beantwortet hat und die Meinung vertritt, dass der Islam in Deutschland als Staatsreligion anerkannt werden sollte. Bisher ist der Islam seit 1912 nur in Österreich als Staatreligion anerkannt: das österreichische Islamgesetz, bezüglich der Anerkennung des Islam als Religionsgesellschaft wurde am 15. Juli 1912 verkündet. Die „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGIiÖ), die ihre Grundlage im Islamgesetz hat, gehört seit 1979 zu den Kirchen und Religionsgesellschaften, die von der Römisch-Katholischen Kirche bis zu kleinen Gemeinschaften, insgesamt 14 religiöse Gemeinschaften umfassen. Während die Religionsgesellschaften sich dazu bekennen, die mit der Anerkennung verbundenen Pflichten und die im Staat geltenden Gesetze anzuerkennen und zu wahren, schafft diese Gesetzgebung eine öffentlich-rechtliche Grundlage für die Kooperation von Staat und Religionsgesellschaften. Dieses Modell wäre für Deutschland eine Herausforderung und eine Weiterentwicklung zugleich. Multiple Identitäten Die vierte Frage ist besonders interessantund aufschlussreich über das Empfinden der Zugehörigkeit von türkischen Migranten. Die Auswertung dieser Frage ergab, dass 42 Prozent der TürkInnen sich erstrangig mitdem lokalen Wohnort in Deutschland vorstellen, während 58Prozent beim Vorstellen die Türkei als ersten Zugehörigkeitsort angeben würden. Dennoch darf der positive Bezug zum Herkunftsland (der Eltern) nicht als ein Widerspruch oder gar als ein Hindernis bezüglich der positiven Beziehung zur deutschen Gesellschaft aufgefasst werden. Denndas Zugehörigkeitsgefühl ist nicht statisch, da es möglich ist, dass man sich zu mehreren Volksgruppen unterschiedlich oder gleich stark zugehörig fühlen kann. Wie zu Beginn 81 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları angesprochen, ist das Bild des Zusammenlebens in Deutschland und Europa vor allem durch das Konzept des dynamischen Gesellschaftsprozesses geprägt. In diesem Rahmen ist auch die Ethnizität als ein dynamisches Konzept zu betrachten. So basiert die Ethnizität (griech. Ethnos„Volk“), beziehungsweise die ethnische Identität auf subjektiven und sich ständig verändernden Kriterien. Je nach Anlass kann eine andere Gruppe als Identifizierungsfaktor gewählt werden, da sich die Ich-Identität aus mehreren Gruppenidentitäten zusammensetzt.„Im Hinblick auf Gruppen kann man feststellen, dass man sich nicht nur mit einer Gruppe identifizieren kann, sondern mit mehreren gleichzeitig. Je komplexer die Gesellschaft, je multipler sind auch die Identitäten.“1Auf die ethnische Dimension bezogen bedeutet es, dass man sich als Ahlener, Münchener, als Deutscher, als Europäer, als Türke und als Istanbuler zugleich sehen kann und die Identitäten sich überlagern können. Debatte: "Deutsche Leitkultur" vs. "multikulturelle Gesellschaft " Bei der fünften Frage geht es zentral um im Zuge der Einwanderungspolitik geprägten Begriff der „Leitkultur“. Ursprünglich geprägt hat den Begriff Leitkulturder Politologe Bassam Tibi, um grundlegende gesellschaftliche Werte zu beschreiben, wie Demokratie, Aufklärung, Laizismus und Menschenrechte. Durch seine kontroverse Äußerung in einem Artikel der Zeitung "Die Welt" vom 25. Oktober 2000 stieß Friedrich Merz, der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, die Debatte um die sog. "Deutsche Leitkultur" an. Merz verstand die Deutsche Leitkultur als Gegenmodell zur "multikulturellen Gesellschaft". Die Debatte nahm die Richtung an, was die Einwanderer in Deutschland respektieren und wie sie sich an die deutsche Kultur anpassen sollten. Bei der Frage, ob die Leitkultur von der nationalen Identität oder der religiösen Identität geprägt wird, vertreten 81 Prozent der Befragten die Meinung, dass die Leitkultur und die damit verbundenen Wertvorstellungen die 1 Zimmermann, 1994:84f 82 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları nationale – ethnische Identität zur Grundlage haben.Das Modell des Multikulturalismus sollte die Vorstellung des gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Kulturen und religiöser Zugehörigkeit in einem Staat erfüllen und kein Raum für den Assimilationsdruck lassen. Die 6 Frage zeigt die Bedeutung des staatlichen Religionsunterrichtes, denn fast ¾ reicht eine schulische Unterweisung aus bzw.sie halten diese wohl eher für besser als die Koranschulen.Gerade weil Kranschulen einerseits als undurchsichtig und traditionell eingeschätzt werden, andererseits wird die schulische Religionspraxis als eine Öffnung und wahrscheinlich reflektierter Glaubenspraxis angesehen. Der siebten und achten Frage kann entnommen werden, dass Islamische Speisevorschriften, wie den ausschließlichen Verzehr von Halal-Fleischoder dem Verzicht auf Alkohol, für den Großteil muslimischer Einwanderer von wichtiger Bedeutung ist. So antworteten 64 Prozent der Befragten auf die Frage „In letzter Zeit ist es für MuslimInnen zunehmend von Bedeutung, dass die Tiere nach islamischen Vorschriften geschlachtet (geschächtet) werden. Ist es für Sie wichtig oder eher nicht wichtig?“mit "wichtig". Kultursensible Pflege Die vorletzte Frage „Würden Sie ihre Eltern in ein Altersheim übergeben?“ ist eine Frage, die meist vermieden und tabuisiert wird. Sie gibt jedoch Aufschluss darüber, welche Probleme uns als "alternde" Gesellschaft in naher Zukunft v.a. im Gesundheitssektor erwarten.75 Prozent der Befragten würden ihre Eltern nicht in ein Altersheim übergeben. Es ist davon auszugehen, dass dieser Anteil tatsächlich die Haltung der Mehrheit muslimischer MigrantInnen repräsentiert, da sie (neben religiösen und kulturellen Gründen) auch bezüglich der Defizite im Bereich der Kranken- und Altenpflege Bedenken haben. Ebenso ist die 17 Prozentige „Unsicherheit“ auf diese Defizite zurückzuführen. In diesem Zusammenhang werden die kultursensible Pflege und ein dementsprechend ausgebildetes Pflegepersonal für die SeniorInnen mit Migrationshintergrund zunehmend wichtig. 83 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Bei 4 Millionen muslimischen Migranten ist die Frage nach der Beisetzung im Eintreten eines Todesfalles ebenso wichtig wie das Thema rund um die Pflege im Alter. Wie diese "stichprobenartige" Flughafenbefragung vor Augen führt, bevorzugt bis heute ein Großteil der muslimischen Migranten nach dem Tod in ihrem Heimatland beigesetzt zu werden. Nur 3 Prozent der Befragten gaben auf die Nachfrage hin in welchem Land sie beigesetzt werden wollen, die Antwort „Deutschland“, während über die Hälfte (57 Prozent) in der Türkei bestattet werden wollen. Ein ausschlaggebender Grund für diese Entscheidung ist mitunter, dass das Amt für religiöse Angelegenheiten (DITIB) für die muslimischen Migranten die Möglichkeit anbietet Sterbeversicherung abzuschließen, damit der Leichnam in die Türkei überführt wird. 84 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 3. Auswertung der Leitfadeninterviews und der offenen Diskussionsrunde zum Forschungsthema „Zusammenleben“ (KatHO) Der Untersuchungsgegenstand „Zusammenleben“ im Forschungsprojekt setzt sich aus sechs Ergebnisfeldern zusammen: a) Ergebisfeld 1: „Schule und Bildung“ Die muslimischen TeilnehmerInnen kritisieren einen Trend, der ihrer Beobachtung nach darin besteht, dass zunehmend wohlhabende, herkunftsdeutsche Familien ihre Kinder auf konfessionell orientierten Privatschulen wie etwa der Marienschule in Hamm anmelden. An derartig geprägten Bildungsinstitutionen können Integrationsprojekte und interkulturelle Angebote nicht „andocken“. Möglicherweise steht mit dieser Äußerung eine weitere geäußerte Kritik in Zusammenhang: demnach existiert an deutschen Schulen ein „Schülerbild“, das sich in den Lehrplänen und in der konzeptionellen Ausrichtung widerspiegelt und das „den Deutschen“ und dessen Kultur in den Mittelpunkt rückt. Darüber wird versäumt, das Potential zu nutzen über anderskulturelle, -ethnische und -religiöse Phänomene aufzuklären und zu informieren, wodurch Distanzen und „Fremdheitsgefühle“ abgebaut werden könnten. Die muslimischen und nicht-muslimischen TeilnehmerInnen richten den Wunsch an die Schulpolitik und die Kommunen, die Schulen als einen Ort der Gemeinschaftsbildung und kulturellen Aufklärung/Sensibilisierung zu begreifen. Der Klassenverband und die durchschnittliche Klassengröße stellen optimale Bedingungen dar, um in einem geschützten Rahmen für das Zusammenleben zu „trainieren“ und sich mit fremden Symbolen, Traditionen und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen. Die Politik hat nach Ansicht der TeilnehmerInnen jedoch davon abweichende, eher pragmatische/funktionale Erwartungen an die Schulen: Es existiert eine wachsende türkeistämmige SchülerInnenschaft, die ein hohes Leistungsniveau erreicht und unter 85 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları entsprechenden Förderungsbedingungen z.T. erfolgreicher ist als herkunftsdeutsche SchülerInnen. Die Kommunen wollen aus wirtschaftlich orientierten Gründen diese (Leistungs-)Potentiale nutzen (handlungsutilitaristische Motive). Dem widerspricht eine weitere Beobachtung der TeilnehmerInnen an anderer Stelle: Pädagogisch wenig interkulturell sensibilisierte Lehrkräfte erkennen die Leistungsstärke von SchülerInnen mit einem Migrationshintergrund häufig nicht, wenn Sprachdefizite vorliegen. In solchen Fällen würden Schulformen empfohlen, die unter dem tatsächlichen Leistungsniveau der SchülerInnen liegen. Die Äußerung einer muslimischen Teilnehmerin geht in eine ähnliche Richtung: Sie beschreibt, dass Eltern mit einem Migrationshintergrund im Rahmen der Orientierungsstufe häufig mitgeteilt wird, dass ihr Kind „es nicht schaffen wird“, woraufhin diese (die Eltern) ihr Kind von der Schule wieder abmelden. Die Erprobungsstufe ist auch nach Ansicht weiterer TeilnehmerInnen zu früh angesetzt und macht lediglich den Eltern Angst - dies sei auch eine Form der Diskriminierung gegenüber Eltern/Schülern mit Migrationshintergrund. Ein weiterer Kritikpunkt an den LehrerInnen ist, dass sie die Schulformempfehlung der SchülerInnen nicht dem Leistungsniveau der Schüler anpassen, sondern aufgrund von Sprachbarrieren ihre Leistungskapazität herunterstufen. Der Vorschlag eines Teilnehmers, ein derartiges Fehlverhalten der Lehrkräfte zu sanktionieren oder unter Strafbewehrung zu stellen, wird abgelehnt. Dies sei nicht die richtige Strategie; stattdessen müssten positive Anreize geschaffen werden. Mit der Unterstützung der Landesregierung lassen sich Bildungs- und Entwicklungschancen junger Menschen mit Migrationshintergrund fördern und verbessern – auch zum Mehrwert der Stadt. Die Idee des Sprachcamps mit einer gezielten Sprachförderung, spielerischen Maßnahmen und der Sensibilisierung der Eltern kann im (Schul-)Alltag verankert als kontinuierlich begleitende Institution langfristig die Sprachkompetenz und damit die berufliche Perspektive von jungen Migranten erhöhen. Einen vergleichsweise hohen Anteil im Gruppengespräch besaß die Diskussion über die Rolle von Bildung für Integration. Auf der einen Seite wurde dargestellt, dass 86 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Bildung eine hohe Bedeutung für Integration erfüllt, da nur durch entsprechende Informationen und Aufklärung die Strukturen im Lebensraum verstanden werden können. Das Verstehen der Strukturen, die den Einzelnen umgeben bewirkt, dass dieser sich dazugehörig fühlt und dementsprechend stärker partizipieren kann und will. Integration könnte demnach bedeuten, dass auch bildungsfernere Milieus teilhaben können müssen. Wohlhabende deutsche Familien melden ihre Kinder auf konfessionell geprägten Privatschulen an. Diese Interpretation der ForscherInnen wird durch die Aussage eines muslimischen Teilnehmers gestützt, wonach es sich um „einen anderen Integrationsbegriff“ handeln würde, wenn Bildung als Voraussetzung formuliert wird. Betrachtet man die Schule über einen Bildungsort hinaus auch als ein Ort der Gemeinschaftsbildung, sind kulturelle Aufklärung und Sensibilisierung an deutschen Schulen ein zentraler Punkt. Auch Kommunen erkennen Potential in wachsender Schülerschaft mit Migrationshintergrund. Der Klassenverband muss als eine Art „Trainingsfeld“ für das Zusammenleben zwischen unterschiedlichen Ethnien, Kulturen und religiösen Zugehörigkeiten genutzt werden. Eine Integration durch Bildung öffnet Partizipationsmöglichkeiten durch das Verstehen der Strukturen und durch die Veränderung im Selbstbild.Kinder als „unbeschriebene Blätter“ sind Hoffnungsträger auf nachrückender Generation. Ihre Eigenwahrnehmung und ihr Selbstbild dürfen die Kinder nicht über falsche Stereotype und negativer Fremdbilder definieren, sondern lernen sich die positive Vielfalt der deutschen Gesellschaft zu erkennen. b) Ergebnisfeld 2: „Innere Haltung“ Hinsichtlich der inneren Haltung der teilnehmenden MuslimInnen und NichtMuslimInnen lässt sich die von Hacking als „Loopingeffekt“ bezeichnete Übertragungswirkung erkennen: Insbesondere von den muslimischen TeilnehmerInnen wird ein „Aktivierungsproblem“, angezeigt. Es wird beschrieben, dass die Problematik die mit dem Selbstbild der Menschen zusammenhängt nur auf dieser Ebene aufgelöst 87 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları werden kann. Wer sich einer Minderheit zugehörig fühlt - dabei ist es offenbar nicht entscheidend, ob dies im direkten Vergleich zu anderen Gruppen tatsächlich zutrifft oder nur eine (handlungsleitende) „gefühlte Wahrheit“ darstellt - und glaubt, durch den Minderheitenstatus bedingt nicht viel bewirken und mitgestalten zu können, partizipiert weniger. Diese Darstellung entspricht möglicherweise einer abwärts gerichteten Spirale, die Otto und Ziegler nach Elster mit dem „Modell der adaptiven Präferenzen“ beschreiben, das darzustellen versucht, wie Menschen „unerreichbar erscheinende Ziele aus dem Horizont des Wünschbaren“ (Otto/Ziegler 2010, S. 100) ausschließen. In nahezu allen Differenzkategorien fanden sich Merkmale, die das Minderheitenselbst- und Fremdbild hervorbringen. Die Angst vor Kultur- und Identitätsverlust existiert sowohl auf Seiten der MuslimInnen als auch der NichtMuslimInnen. Ethnizität und Religionszugehörigkeit sind nur zwei Aspekte unter vielen. Darüber hinaus ist beispielweise die geographische Lokalität entscheidend. Ein Selbstbild oder eine innere Haltung wird durch bestimmte Merkmale in verschiedenen Differenzkategorienaber nicht nur hervorgebracht. Andersherum bestimmt eine innere Haltung auch, wie bestimmte Merkmale wahrgenommen oder auch explizit nicht wahrgenommen werden.In den Fremdwahrnehmungen ist MigrantIn daher nicht gleich MigrantIn. Beispielsweise wirken MuslimInnen „fremder“ als Deutsch-russische o. deutsch-polnische Menschen, da sie sich weniger zum „Deutschsein“ bekennen. Es gibt verschiedene Auffassungen zu erfragen, welche die muslimische Kultur betreffen. Für ein besseres Verstehen und ein friedliches Miteinander muss das Nachfragen erlaubt sein, aber dennoch verraten manche überspitzte Frageformulierungen die fehlende Akzeptanz der Mehrheitsgesellschaft. Daher kann sich hinter dem Nachfragen teilweise auch die Botschaft „Du wirst nicht akzeptiert!“verbergen.Des Weiteren verhindern Unsicherheiten durch 88 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Abschiebeängste oder beschränkter Arbeitserlaubnis die identifikatorische Integration. Ferner gilt die Türkische Gemeinde als Vorreiter unter den Migrationsgesellschaften. Die Traditionen – so auch die islamische Tradition - sind nicht starr, sondern prozesshaft und werden durch nachkommende Kohorte verklärt, aufgeweicht oder gar aufgelöst.Aber sie sorgen als Vehikel für Sicherheit und Orientierung in fremden Settings. Die Identitäten setzen sich aus vielfältigen Zugehörigkeiten zusammen und nach dem Sozialwissenschaftler Amin Maalouf neigen die Migranten dazu, sich in ihrer am stärksten angegriffenen Zugehörigkeit wiederzukennen; wenn es die religiöse Zugehörigkeit ist, dann definieren sie ihre Identität über den Glauben. Die Bewegung für ein friedliches Miteinander und gegenseitige Toleranz wird nicht von „irgendeinem Amt für Teilhabe“ ausgehen, sondern von der Gesellschaft. Die regionale Identität und das „Wir-Gefühl“ sind gerade bei jugendlichen Migranten maßgeblich für ihren Integrationserfolg. Die Steigerung von Teilhabe und Verantwortung, die Einstellung als Lokalpatrioten und stolze Duisburger oder Dortmunder aus der Türkei und anderer Nationen zu sein, lässt sich positiv in die Öffentlich tragen und innerhalb von Imageund Stadtmarketing aufgreifen. 89 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları c) Ergebnisfeld 3: „Konfessionen/Religionsgemeinschaften“ Für die Religionsgemeinschaften werden aufgrund der zunehmenden Säkularisierung ein Attraktivitäts- und darüber ein Mitgliederverlust prognostiziert. Das trifft sowohl auf Moscheen als auch auf christliche Kirchen zu. Die Empfehlung/der Wunsch seitens der TeilnehmerInnen an die Religionsgemeinschaften lautet daher, dass diese sich neu ausrichten, mehr öffnen und interkonfessionell im Stadtteil/Sozialraum zusammenwirken sollen. Ausgehend von der Beobachtung, dass sich die Religionsgemeinschaften bereits einander annähern und dies auch müssen, wenn sie ihren Einfluss wahren wollen, wird vermutet, dass die ACK-Klausel und derartige Formen der strukturellen Segregation durch die Religionsgemeinschaften 2030 so nicht mehr bestehen werden. • Attraktivitäts-/Mitgliederverlust aufgrund zunehmender Säkularisierung • Bedeutungsverlust Religionsgemeinschaften • Wunsch/Forderung an Religionsgemeinschaften Mehr öffnen/interkonfessionell im Stadtteil/Sozialraum zusammenwirkt • Religionsgemeinschaften stehen vor Paradigmenwechsel d) Ergebnisfeld 4: „Historische Hintergründe“ Es wird kritisiert, dass im Rahmen von Integrationspolitik häufig Begriffe verändert, jedoch nicht die dahinter liegenden Phänomene behandelt werden. So verändern sich zwar die Bezeichnungen für eine bestimmte Gruppen: Ausländer, Migrant, Mensch mit Migrationsbiographie usw. - nicht aber der Umgang mit Ihnen. Hacking beschreibt diese Kritik als „vorübergehende“ Phänomene (vgl. Hacking 1999, S. 159): Dabei sind nicht die „realen“ Merkmale, die beschrieben werden, vorübergehend - eine Person mit türkischen Wurzeln kann schließlich ihre Vergangenheit nicht verändern - sondern die Begriffe und Ideen sind epochenvariable Kulturleistungen, die mit der interaktiven 90 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Art „Mensch“ interagieren. Semantische Werkzeuge haben jedoch Grenzen: Den TeilnehmerInnen zufolge, lernt die Politik nicht substanziell aus den historischen Begebenheiten und wiederholt gleiche Fehler beispielsweise in der aktuellen Flüchtlings- und Asylpolitik. In den Anfangsjahren des Anwerbens von Gastarbeitern wurde bewusst auf Segregation geachtet, zum Beispiel wurden die Kinder der Gastarbeiter in Parallelklassen unterrichtet und auch im Wohnumfeld wurden diese Menschen von der einheimischen Bevölkerung getrennt. Dass die Gastarbeiter und ihre Familien in Deutschland bleiben würden, war über eine lange Zeit nicht optional. Diese historisch gewachsenen Umstände werden aus Sicht der TeilnehmerInnen immer noch zu wenig anerkannt. Im Zusammenhang mit der Gegenwart und Zukunft ist auch die Vergangenheit insbesondere für die muslimischen TeilnehmerInnen sehr relevant. Nach Ansicht des Projektteams „Islam 2030“ kann und sollte das Thema „Zukunft“ daher nicht ohne die Einbeziehung und Aufarbeitung der Vergangenheit bearbeitet werden. Möglicherweise erwarten die MuslimInnen von dieser Perspektive eine Art „individuellen Schuldfreispruch“. Eine systematische Betrachtung der Historie macht deutlich, dass Integrationsprobleme politisch-strukturell und nicht in der muslimischen Kultur begründet sind. e) Ergebnisfeld 5: „Politik und Arbeitsmarkt“ Beschrieben wird eine Diskrepanz zwischen theoretischen/politischen Zielen und der Umsetzungspraxis auf dem Arbeitsmarkt und der Politik selbst. Dies wurde während des Workshops u.a. auch unter dem Stichwort der „Alibiquoten“ diskutiert. Ein politisches Ziel, das in Leitbildern der Integrationsarbeit deutlich wird, besteht darin, mehr Menschen mit Migrationsvorgeschichte im städtischen Dienst zu beschäftigen und die politische Partizipation dieser zu fördern. Die Einstellungstests, die den 91 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Zugang zum Dienst in den städtischen Apparat ermöglichen, unterstützen diese Leitziele jedoch nicht. Stattdessen wird in den Testverfahren ein sprachliches Niveau erwartet, dass Menschen ohne Deutsch als Muttersprache nicht erreichen können, da die Fragen selbst für Deutsch-Muttersprachler noch sehr schwierig formuliert sind. Weiter wurde kritisiert, dass durch die fehlende Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen und Zertifikaten, vielen MuslimInnen der Zutritt in den Arbeitsmarkt verwehrt bleibt oder Menschen mit akademischen Abschlüssen dazu gezwungen werden, unter ihrem Ausbildungsniveau tätig zu sein. Die TeilnehmerInnen wünschen sich daher, dass die praktischen Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt entsprechend den politischen Leitzielen verändert werden. Es wird zur Erreichung von Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt vorgeschlagen, eine Art „Nachteilsausgleich“ einzuführen, der den Nicht-Herkunftsdeutschen bei den Einstellungstests entgegenkommt. Des Weiteren sollten anonymisierte Bewerbungen gesetzlich flächendeckend eingesetzt werden. Ohne diese wirksamen, substanziellen Veränderungen wird lediglich weiterhin von „Integration“ gesprochen, dennoch findet Assimilation statt. Resümierend stellen die TeilnehmerInnen fest, dass sich die meisten Menschen, egal aus welchem Kulturkreis stammend, über Arbeit und Bildung definieren. Wenn daher eine Chancengleichheit auf Arbeit besteht, steigt automatisch die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben und somit auch die politische Partizipation. Die Repräsentanz von Menschen mit Migrationshintergrund ist neben dem öffentlichen Sektor sowie dem Arbeitsmarkt und besonders im kulturellen Bereich wichtig. Bei Projekten wie Schulaufführungen, Theater- und Musikgruppen sowie im Angebot von Konzerten, Aufführungen und Ausstellungen sollten die Interessen von Migranten in der Auswahl berücksichtigt werden, wenn sie als Besucher und Teilnehmer gewonnen werden wollen. Gegebenenfalls bieten sich Sponsoringzusammenarbeiten mit Firmen, Unternehmen, Stiftungen und Einrichtungen an. Gut ausgebildete Fachkräfte, Migranten an publikums- und öffentlichkeitswirksamen Knotenpunkten sowie in repräsentativen Positionen haben eine Brückenfunktion mit hoher Strahlkraft. Strukturelle wie identifikatorische Integrationsprobleme sollten nach 92 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Ansicht des Projektteams „Islam 2030“ als Produkt aus Merkmalen und Defiziten in verschiedenen Differenzkategorien gesehen werden. f) Ergebnisfeld 6: Sozialwesen/ Angebote der Migrationsarbeit Zu Gesprächskreisen wie dem durch die Studierenden veranstalteten Workshop erscheinen oft nur dieselben engagierten Menschen und debattieren konsensual über Integration. Die Inhalte der Diskussionen und Gespräche werden jedoch kaum nach außen getragen, was die Beteiligten nach eigener Aussage „demotiviert“. Anstelle von großen Kampagnen sollten daher mehr öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um Angebote der aufsuchenden Sozialen Arbeit im direkten Wohnumfeld und Sozialraum zu fördern. StreetworkerInnen mit einer Multiplikatorenfunktion könnten eine Integrationskultur lebensweltorientiert und nachhaltig direkt vor Ort implementieren. Zum einen könnte dies einen „Schneeballeffekt“ auslösen, zum anderen könnten auch Personen erreicht werden, die nur einen schwachen Zugang zu institutioneller Partizipation besitzen. Institutionelle Angebote richten sich nach Ansicht der TeilnehmerInnen zu exklusiv an einebestimmte Gruppe. So existieren bspw. Sprachkursangebote, denen aber das Übungsfeld fehlt; es besteht jedoch der Wunsch nach direkter praktischer Umsetzung des Gelernten in der Kommunikation mit Muttersprachlern. Speziell die MuslimInnen betreffend, wurde außerdem der Wunsch geäußert, dass bei der Konzeption von Angeboten zukünftig nicht mehr TürkInnen mit MuslimInnen gleichgesetzt werden, sondern die Vielschichtigkeit unter den MuslimInnen und Menschen mit Migrationsvorgeschichte anerkannt wird. 93 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 4.1 Kurze Zusammenfassung der Workshops Die Auswertung der Workshop-Ergebnisse hat im Bereich „Schule und Bildung“ ergeben, dass die Tendenz dazu steigt nichtmuslimische Kinder auf eine konfessionell orientierte Privatschule anzumelden, als auf einer öffentlichen Schule, um einen Kontakt zu ausländischen Kindern zu vermeiden. Diese Einstellung führt zu großen Distanzen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen und dadurch können keine Fremdheitsgefühle abgebaut werden, sondern durch diese Haltung wird diese Abneigung gefördert. Ein weiteres Thema ist, in wie fern Bildung eine Rolle für Integration spielt. Auf der einen Seite wurde festgestellt, dass Bildung eine zentrale Bedeutung für eine gelungene Integration darstellt, da durch einen hohen Grad von Bildung laut Aussagen die Strukturen im Lebensraum verstanden und somit akzeptiert werden. Die Schule soll darüber hinaus als einen Ort der Gemeinschaftsbildung dienen und dort sind kulturelle Aufklärungen und Sensibilisierung ein wichtiger Bestandteil. Das Ergebnisfeld „Innere Haltung“ zeigt, dass diejenigen die sich einer Minderheit angehörig fühlen, durch ihren Status bedingt nicht viel bewirken und mitgestalten können. Unterschiedliche Faktoren zeigen auf, dass die Angst vor Kultur- und Identitätsverlust sowohl auf Seiten der Nicht-MuslimInnen als auch bei Muslimen existiert. Außerdem zeigt die innere Haltung auf, wie bestimmte Merkmale wahrgenommen oder auch nicht wahrgenommen werden. Die Auswertung der Fremdwahrnehmung weist darauf hin, dass Muslime fremder wirken als deutschpolnische Menschen beispielsweise. Die muslimischen Traditionen wirken als Gefahr für Sicherheit und Orientierung in fremden Settings. Nach dem Sozialwissenschaftler Amin Maalouf setzen sich die Identitäten aus vielfältigen Zugehörigkeiten zusammen und Migranten neigen dazu, sich in ihrer am stärksten angegriffenen Zugehörigkeit wiederzuerkennen. Der Antrieb für ein friedliches Miteinander wird nicht vorgegeben sondern geht von der Gesellschaft aus. Das „Wir-Gefühl“ ist gerade bei jugendlichen Migranten maßgeblich für ihren Integrationserfolg. Zu dem Thema „Konfessionen/Religionsgemeinschaften“ ist durch die Expertengruppen festgestellt wurden, dass die Religionsgemeinschaften aufgrund der 94 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları zunehmenden Säkularisierung an Attraktivität verlieren und darüber hinaus ein Mitgliederverlust zu erkennen ist. Die Religionsgemeinschaften nähern sich zwar an, aber im Zuge dessen wird vermutet, dass durch die strukturelle Segregation diese Gemeinschaften 2030 so nicht mehr bestehen werden. Das Ergebnisfeld „historische Hintergründe“ zeigt auf, dass sich in der Integrationspolitik Begriffe wie Ausländer, Migranten, Mensch mit Migrationsbiographie etc. häufig ändern, eine Diskussion um die dahinter liegenden Phänomene jedoch ausbleibt. Während die Begriffe oft kurzlebige semantische Werkzeuge sind, gibt es selten eine Debatte ihrer Hintergründe und somit eine Verhinderung bestimmter sich wiederholender Fehler in der Flüchtlings- und Asylpolitik. Die TeilnehmerInnen weisen auch auf die historisch entstandene Umstände hin, durch welche Migranten als ‚temporäre Gäste‘ wahrgenommen wurden. Diese Tatsache zeigt auf, dass für die Gestaltung der Zukunft eine Einbeziehung und Aufarbeitung der Vergangenheit notwendig ist. Im Ergebnisfeld „Politik und Arbeitsmarkt“ wird erläutert, dass eine Diskrepanz zwischen theoretischen Zielen auf der politischen Ebene und deren Umsetzung besteht. Oftmals werden Ziele der Integrationsarbeit damit abgehakt, ‚Alibiquoten‘ zu erfüllen anstatt strukturelle Änderungen vorzunehmen. Durch Testverfahren, die ein sprachliches Niveau voraussetzen, welches durch nicht-Muttersprachler kaum zu erreichen ist, wird vielen MuslimInnen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, der Zutritt zum öffentlichen Dienst verwehrt. Die TeilnehmerInnen wünschen sich daher, dass die praktischen Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt entsprechend den politischen Leitzielen verändert werden. Es wird auch vorgeschlagen, den nichtHerkunftsdeutschen durch einen ‚Nachteilsausgleich‘ entgegenzukommen und dadurch Chancengleichheit zu fördern. Anonyme Bewerbungen flächendeckend einzuführen wäre ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Chancengleichheit. Da sich ein Großteil der Menschen über Arbeit und Bildung definiert, kann eine Verbesserung der Situation auf diesem Gebiet eine generelle Beteiligung am gesellschaftlichen Leben fördern. Weitere Vorschläge sind die Berücksichtigung der Interessen von Migranten im kulturellen Bereich, wie zum Beispiel bei Theater- und 95 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Musikgruppen, sowie die gezielte Förderung von Migranten durch Sponsoringzusammenarbeiten mit Firmen, Unternehmen, Stiftungen und Einrichtungen. Das Feld „Sozialwesen und Angebote der Migrationsarbeit“ weist darauf hin, dass in Gesprächskreisen oft nur sehr konsensual über Integration diskutiert wird und in welchen Ergebnisse kaum nach außen getragen werden. Institutionelle Angebote sollen in Zukunft auch nach außen getragen werden und dort Anschluss finden. 96 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 4.2 Forderungen und Zukunftsperspektiven Die Auswertung der quantitativen und qualitativen Fragebögen, sowie die Ergebnisse der offenen Diskussionsrunden von MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen sind Grundlage dieses Forschungsprojektes, da sie neben statistischen Ergebnissen auch praktische Erfahrungen/ Erkenntnisse aus dem alltäglichen Zusammenleben liefern. Die aus „Ahlen 2030“ gewonnenen Erkenntnisse reichen über eine reine Untersuchung und über ein Festhalten statistischer Daten hinaus. Sie sind zugleich eine Forderung an die Gesellschaft, Politik und unterschiedliche Institutionen. Hinsichtlich dessen gibt es nicht nur einen Adressat von Forderungen. Es geht um die Frage was die Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts von der heutigen Mehrheitsgesellschaft und der (immer stärker werdenden) Minderheitsgruppen erwarten darf und muss, damit die gesellschaftliche Zukunft von Zusammenhalt und Verantwortungsethik, statt Diskriminierung und Segregation, geprägt wird. Die interkulturellen, beziehungsweise interreligiösen Konflikte müssen diskussionsfähig gemacht werden, anstatt diese zu tabuisieren. In der Gegenwart wird den Menschen mit Migrationsvorgeschichte die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in den Bereichen Arbeit und Politik noch schwer gemacht. Da jedoch gerade über die Arbeit die Möglichkeiten auch der politischen Teilhabe steigt, sollten zukünftig mehr auf Chancengleichheit im Bereich Arbeit geachtet werden. Dazu sollte: - mehr Rücksicht genommen werden, auf die Lebensbiografie (Bsp. Muttersprache vs. Zweitsprache; bereits erarbeitete Zertifikate, die zwar nicht anerkannt werden, aber vorhandene Kompetenzen dennoch sehen und einbeziehen) 97 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları - Die Integrationspolitik nicht nur theoretisch gute Ansätze zeigen sondern diese auch umsetzen - Die Arbeitsgeber mehr sensibilisiert werden; Bsp. Interkulturelle Kompetenztrainings - Die Glaubensgemeinschaften ihren Einfluss nutzen und positiv mitwirken Die säkulare Gesellschaft in Deutschland entfernt sich immer mehr von ihren christlichen Wurzeln. Die Haltung gegenüber anderen Glaubensrichtungen bleibt aber distanziert. Ein Beispiel ist Essen-Katernberg: Während dort die Kirchen schließen, haben die knapp 5.000 Migranten für fünf Millionen Euro eine Moschee gebaut. Diese Entwicklung wird nicht mit Wohlwollen sondern mit Überfremdungsangst gesehen. Wie es jetzt noch der Fall ist, wer soll dann 2030 die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Potentiale der deutschen Städte und Regionen heben?Im Jahre 2030 wird klar das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Potenzial der deutschen Städte und Regionen mit Migranten verschiedene Probleme haben. Zwar wird in 2030, wenn man von den heutigen Entwicklungen ausgeht, dass die Migranten sich weiterhin selbständig machen und keine großen Belastungen an den Arbeitsmarkt bringen und durch die selbstständige Erwerbstätigkeit Arbeitsplätze sogar für die nicht Muslime errichten, sollen wirtschaftliche Probleme weniger sein. Die sozialen Probleme kann man folgendermaßen darstellen: Ghettoisierung muss zurückgedrängt werden Die soziale Lage der Migranten wird sich besonders in der Rhein- Ruhr Region noch problematischer darstellen. Zwar wird die Ghettoisierung abnehmen, weil die Migranten weiterhin neue Wohnungen erwerben und darauf Wert legen, dass die Wohnungen nicht in Stadtteilen in denen sehr viele Muslime wohnen befindet, damit man sich von der Ghettoisierung distanziert.Ferner können die Ghettos von Problemfeld zum integrationsfördernden Stadtteil gewandelt werden. In keinem Fall sollten diese als eine neue Parallelgesellschaft gelten. Die Geschäfte in Ghettos dort sollen anders dargestellt werden wie nach dem Modell von Duisburg Marxloh, wo 98 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları neues Leben zwischen Migranten und Deutschen stattfindet und gemeinsam aufgebaut wird. Der Dialog, sowie das Miteinander werden auf diese Weise optimal gefördert. Benachteiligung der Frauen Es wird sich bei den sozialen Problemen der muslimischen Frauen nicht sehr viel ändern. Die sozialen Probleme der Migrantenfrau sind von dem Herkunftsland abhängig, weil sie dort teilweise von ihrer Familien, sowohl von ihrer eigenen als auch von ihren Ehemännern gegen die Autorität des Ehemannes gerettet werden, wird man jedoch diese Gelegenheit in Deutschland nicht in dieser Form stattfinden. Deswegen sollen bis zu 2030 im Bereich der Frauen neue Strukturen neue Frauenvereine eingerichtet werden, damit der Schutz der Frau gegenüber der Unterdrückung des Mannes zunimmt. Dabei sollen die Migranten Organisationen befähigen. Weiterhin im kulturellen Bereich ist festzustellen, dass in Deutschland die Muslime, hauptsächlich die Türken ihr Freizeitverhalten geändert haben und ihre eigenen Strukturen wie Diskotheken und Jugendzentren gebildet haben. In diesem Bereich soll es vorgesehen werden, dass diese getrennten kulturellen Institutionen und Infrastrukturen gemildert sogar abgeschafft werden. Selbsthilfe und Potenzial In dem Bereich sollen die Multiplikatoren der Migranten in verschiedenen Gebieten so ausgebildet werden, dass sie diese Probleme beenden. In dem Bereich werden die Mitarbeiter der islamischen Einrichtungen mehr säkularer ausgebildet. In jedem Fall ist die Intention dass im Jahre 2030 im wirtschaftlichen Bereich die selbständigen Migranten gut eingegliedert werden. Im dem Bereich bis zu 2030 soll bei den Migranten bei den neueren Generationen auch Selbsthilfepotenzial mehr gefördert werden, das Interesse an Rotary Clubs und Sportvereine außer Fußballvereinen ergänzt werden. In dem Bereich sollen die Medien der muslimischen Migranten hauptsächlich die türkischen Migranten während der Projektphase dazu befähigt werden. Migrantenvereine müssen mehr tun Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Migrantenvereine, die nur wenig Bemühen zeigen, eine erfolgreiche Integration zu fördern. Dabei können gerade diese Vereine eine wichtige Brückenfunktion für die Integration darstellen, da sie Anlaufstelle für 99 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları zahlreiche Migranten sind. Wie kann es einerseits gelingen Vorurteilen entgegenzuwirken und andererseits die Transparenz dieser Einrichtungen zu erhöhen? Wie kann es gelingen, dass diese Vereine Anreize für Integration schaffen und unter ihren Mitglieder dafür werben, in deutschen Unternehmen und Institutionen aktiv zu werden? Volkshochschulen und Bildungseinrichtungen in NRW Auch die Volkshochschulen und andere Bildungseinrichtungen in NordrheinWestfalen möchte das Projekt in den Blick nehmen. Diese Einrichtungen müssen Menschen mit Migrationshintergrund zu einer Aus- oder Weiterbildung bewegen. Gerade die Förderung der Sprache ist von entscheidender Bedeutung. Diese Institutionen müssen ihre Angebote, Programme und Veranstaltungen stärker an die kulturellen Interessen, und die Lebensrealitäten anpassen um die Zielgruppe der Migranten zu erreichen und fördern, dass die Migranten selbst zu Akteuren und Lehrern in diesem Bildungsbereich werden. Solche Angebote sollten unmittelbar im Sozialraum stattfinden (Einsatz von Streetworkern als Multiplikatoren) und über keine dichotome Adressatenformulierung (MuslimInnen/Nicht-MuslimInnen) verfügen, sondern offene Angebote sein. Fokusgruppe(n) mit VertreterInnen der Schulpolitik und „BürgerInnen“ zum Thema: „Was kann die Schule zur interkulturellen Gemeinschaftsbildung beitragen?“ Arbeit und Bildung Alle egal aus welchen Kulturkreis, definieren sich im Alltag über Arbeit und Bildung; wenn alle gleiche Chancen auf Arbeit haben, steigt automatisch die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben: Daher sollte die Lebensbiografie mehr berücksichtigt werden. Die Integrationspolitik muss in dieser Hinsicht die „guten Ansätze“einhalten und der Arbeitgeber muss Offenheit gegenüber denKonfliktvermeidungsstrategien zeigen. 100 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 5. Bestandsaufnahme der Problematik in sozialen Einrichtungen Fokus: „Zusammenleben von Christen und Muslimen und nicht religiös gebundenen Menschen in säkular geprägten Gesellschaften“ An Hand einer ersten Bestandsaufnahme wurde festgehalten, in welchen unterschiedlichen Einrichtungen und Lebensbereichen (Kindergarten, Schule, Altenheime, etc.) durch den muslimischen Glauben geprägte Werte und Verhaltensweisen konflikthaft auf westlich orientierte und christlich geprägte Vorstellungen treffen.Bestandsaufnahme der Situation in Deutschland, insbesondere im Ruhrgebiet. Einige Gedanken hierzu seien thesenartig zugestellt: 5.1 Altersheime (und Krankenhäuser): Das Phänomen des Alterns ist eines der vielen Probleme, das die Menschen hier zu Lande beschäftigt. In Deutschland kommen viele der ehemaligen ArbeitsmigrantInnen der ersten Generation zunehmend ins Pensionsalter. Einige kehren in ihr Herkunftsland zurück, doch ein großer Teil bleibt in Deutschland, weil sie ihren Lebensmittelpunkt (Kinder, Enkel, o.ä.) hier haben oder aus gesundheitlichen oder aber auch wirtschaftlichen Gründen. Die älter werdenden Migranten stehen neuen Herausforderungen, betreuungspsychologischer Natur, gegenüber. Bei muslimischen Migranten sind durch die religiöse Differenz die Anforderungen an die Altenbetreuung besonders groß. Altersstruktur der Muslime Im Vergleich zur gesamtdeutschen Gesellschaft ist die Gruppe der Muslime mit Migrationshintergrund deutlich jünger. Vor allem unter Muslimen, die aus dem Nahen Osten und aus Südosteuropa eingewandert sind, ist der Altersdurchschnitt deutlich niedriger. Der muslimische Altersdurchschnitt insgesamt liegt bei 30,1 Jahren (Quelle: http://www.deutsche-islamkonferenz.de). Den Prognosen zur Folge wird jedoch im Jahre 2030 ein 101 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Viertel der in Deutschland lebenden älteren Menschen Migranten sein. Darunter birgt sich auch eine hohe Zahl der Migranten muslimischen Glaubens. Im Bereich der Altenpflege kam es in Deutschland Ende der 1990er Jahre zu einer „interkulturellen Öffnung“ mit dem Kernaspekt der „kultursensiblen Pflege“. Mit dem Konzept der kultursensiblen Pflege soll das „Verständnis anderer Kulturen und Religionen“ und die Bedeutung „der kulturellen Prägungen und Bedürfnisse“ als Grundpfeiler der Pflegedienstleistungen genommen werden2, um religiöse und kulturelle Sensibilität bei der Altenpflege von Migranten zu schaffen. Kultursensibilität beruht laut Ertl3 auf gegenseitiger Achtsamkeit und Wertschätzung trotz kultureller und religiöser Unterschiede. Diese wechselseitige Anerkennung führt dazu, dass Kompromisse eingegangen werden und ein sensibles Verhalten gegenüber dem Anderen eintritt. Kultursensibles Handeln ist darum bemüht, Verständnis- und Begegnungsmöglichkeiten zu finden, wenn unterschiedliche Individuen unterschiedlicher Glaubenssysteme und Kulturen aufeinander treffen.4 Für eine kultursensible Betreuung und Beratung von Migranten ist es notwendig ihr kulturell (sowie religiös) geprägtes Krankheitsverständnis und ihr Empfinden speziell im Alterungsprozess zu kennen, da bezüglich dessen kulturelle Unterschiede zwischen der Minderheits- und Mehrheitsgesellschaft herrschen. Den Umfragen zur Folge ist festzustellen, dass eine geringe Inanspruchnahme der Angebote der Altenpflege durch muslimische MigrantInnen anzutreffen ist, sodass Pflegeheime bisher keine Option in der Altersplanung darstellen. Neben dem (noch) geringen Bedarf ist das fehlende Angebot an Einrichtungen für eine kultursensible Altenbetreuung mitunter ein Grund. In den nächsten Jahren wird der Anteil der betreuungsbedürftigen älteren Population mit Migrationshintergrund, darunter eine große Zahl muslimischer Migranten, rasch ansteigen wird. vgl. Arbeitskreis Charta für eine kultursensible Altenpflege, 2002: 19 In dem Arbeitskreis „Charta für eine kultursensible Altenpflege“ haben sich verschiedene Institutionen, Verbände und Einzelpersonen zusammengeschlossen, die mit Migrations- und Integrationsfragen, sowie Fragen der Altenhilfe befasst sind und für eine interkulturelle Öffnung eine gemeinsame Arbeitsgrundlage erarbeitet haben. 3 vgl. Ertl, 2002: 6 4 vgl. Arbeitskreis Charta für eine kultursensible Altenpflege, 2002: 19 2 102 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Kulturelle, religiöse und sprachliche Unterschiede müssen in naher Zukunft bei der Planung und Einführung von kultursensiblen Pflegeangeboten berücksichtigt werden. Daher stehen die Einrichtungen der Altenpflege ebenso wie muslimische MigrantenSeniorInnenvor einer neuen Herausforderung, da sie ihre für Personen mit Migrationshintergrund öffnen müssen, da sie bis dato auf eine kultursensible Betreuung nicht vorbereitet sind. „Es reicht nicht aus, Migrantinnen und Migranten als neuen Kundenkreis zu gewinnen und dann alle Kunden gleich zu behandeln. Eine Gleichbehandlung blendet bestehende Unterschiede aus. Eine gleichwertige Behandlung hingegen erfordert eine Bedürfnis- und Biografie orientierte Pflegebeziehung. Migrantinnen und Migranten dürfen dabei nicht auf eine vorgeblich homogene Herkunftskulturreduziert werden. Der Pflegeprozess ist im Dialog mit den Pflegebedürftigen vor dem Hintergrund der jeweiligen Lebenserfahrung, Selbstdefinition und des Erlebens der Pflegesituation sicherzustellen. Die Steuerung des kultursensiblen Pflegeprozesses ist Aufgabe der Pflegedienstleistung,beziehungsweise des Unternehmensleitbildes. Die Gestaltung der notwendigen Kommunikation erfordert von den Pflegenden interkulturelle Kompetenz, die in interkulturellen Pflegebeziehungen, im Team und in der Aus- und Fortbildung gewonnen werden kann.“5 Interkulturelle Kompetenz bedeutet, dass die Person unabhängig von der eigenen Kultur und religiösen Orientierung, im Kontakt zu Menschen aus einem anderen kulturellen Kontext sensibles Verhalten aufweisen kann. Bis heute bestehende Zugangsbarrieren der interkulturellen Altenpflege sind vor allem sprachliche Barrieren, mäßiger Informationsstand der Migranten über Betreuungsmöglichkeiten, sowie fehlende kultursensible Kompetenz der Fachkräfte und Betreuungsstrukturen für das Körper – und Gesundheitskonzept von Menschen muslimischen Glaubens. 5 vgl. Memorandum für eine kultursensible Altenhilfe, 2009: 5 103 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Eine kulturspezifische Altenbetreuung umfasst ein breites Spektrum an Maßnahmen, um auf die Bedürfnisse der Migranten-SeniorInnen eingehen zu können. Im Folgenden einige Beispiele hierzu: - muttersprachliches Betreuungspersonal - religiösen Speisevorschriften angepasste Ernährung - Erfüllung der religiösen Hygienevorschriften, sowie Waschungsriten - Berücksichtigung von Gebets-, Fest-, und Fastenzeiten in der Strukturierung des Pflegealltags - Wahrung und Respektierung kulturell geprägter Geschlechterkonzepte -die Sicherstellung der Totenversorgung nach religiösen Vorschriften 5.2 Friedhöfe und islamische Bestattungskultur Migration hat viele Facetten. Auch das Sterben fern der Heimat gehört bei 4 Millionen muslimischen Migranten in Deutschland dazu. Den Lebensabend in der Fremde zu verbringen war von den Meisten mit Migrationsgeschichte ursprünglich nicht beabsichtigt. Die Entscheidung sich in einem fremden Land nieder zu lassen, sich dort eine Existenz aufzubauen, eine Familie zu gründen, all dies ergibt sich von selbst, wenn Menschen immigrieren. Was früher oder später aber auch zum Thema wird, ist das Sterben bzw. die Bestattung in der fremden Heimat. Der Entschluss, sich in fremder Erde beerdigen zu lassen ist ein bedeutender, weitreichender Schritt. Vielleicht sogar der entscheidende Schritt im langen Prozess, sich an das neue Land zu gewöhnen. Denn mit der Bestattung, der letzten Ruhestätte, werden nachfolgende Generationen an dieses Land gebunden. Auch die Entscheidung von Angehörigen, den Toten in der Fremde zu bestatten, hat Folgen: die Bindung zur alten Heimat wird gelockert und eine neue Heimat wird geschaffen. 104 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Noch werden die Muslime über eine Heimatversicherung beim islamischen Verband DİTİB in ihrem Heimatland beerdigt, bei der die DİTİB alle Kosten übernimmt. Nach einer ersten Befragung der TAVAK Stiftung geben zurzeit 7% der Türken an, in Deutschland beerdigt werden zu wollen, 25% ist es egal ob sie in Deutschland oder in ihrem Heimatland beerdigt werden. Der ausschlaggebende Beweggrund für die Überführung des Leichnams ins eigene Heimatland ist der Wunsch einer islamisch vorgeschriebenen Bestattungszeremonie gerecht zu werden. In Deutschland gilt im Normalfall die Sargpflicht, wohingegen im Islam die Beisetzung im Leichentuch vorgesehen ist. Die neuere Entwicklung zeigt, dass Bundesländer wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ihre Bestattungsgesetze überarbeiten und in Zusammenarbeit mit Friedhofsverwaltungen versuchen Muslimen in Deutschland Beisetzungen nach islamischem Brauch zu ermöglichen: - Beisetzung im Leinentuch, ohne Nähte - rituelle Waschung des Leichnams (bei männlichen Toten durch den Imam, bei weiblichen Verstorbenen durch ein weibliches Familienmitglied) - das rituelle Totengebet (al-Fatiha) - Grab und Gesicht des Leichnams muss in Richtung der Kaaba ausgerichtet sein „Die in islamischen Ländern gängige Praxis, Tote innerhalb eines Tages zu beerdigen, lässt sich in der Bundesrepublik nicht umsetzen – aus verwaltungstechnischen Gründen und auch wegen der Frist, wie sie in den meisten Bundesländer gesetzlich festgelegt ist: Zwischen Ableben und Beisetzung müssen mindestens 48 Stunden verstreichen“ (Quelle: http://www.deutsche-islam-konferenz.de) Es wird davon ausgegangen, dass in den kommenden Jahrzehnten zunehmend mehr muslimische Bürger und Bürgerinnen sich in Deutschland bestatten lassen möchten, damit ihre Grabstätte in der Nähe ihrer Kinder und Enkelkinder liegen, die ihr Leben in Deutschland fortsetzen werden. 105 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Daher wurde sowohl in Nordrhein-Westfalen, als auch in Baden-Württemberg in diesem Jahr (2014) von den jeweiligen Landeskabinetten Gesetzesentwürfe erlassen, indem die Sargpflicht aufgehoben wurde und in Zukunft eine Erleichterung bei der Durchführung muslimischer Bestattungen vorgesehen ist6. In NRW gab es zwar auch vor dem Gesetzesentwurf keinen Sargzwang, aber dennoch soll das neue Bestattungsgesetz den Weg für muslimische Organisationen freimachen, sodass sie ab 2014 eigene Friedhöfe nach islamischen Vorschriften betreiben dürfen7. 5.3 Bildungseinrichtungen/ KITA Michael Schmid stellt sich mit seiner Arbeit Christen und Muslime in der Schule und Möglichkeiten und Wege interreligiöser Begegnungen (2010) einer Situation, in der nicht nur Schülerinnen und Schüler verschiedener Religionen im schulischen Leben zusammen sind, sondern geht auch der christlichen und islamischen Religionspädagogik nach. „Für das interreligiöse Lernen in der Schule heißt das, dass an der Realität der muslimischen Schüler angeknüpft werden muss. Sie leben zwischen Integration und Assimilation, zwischen traditionell überlieferten Vorstellungen und der freiheitlich-demokratischen Ordnung in Deutschland. Dabei soll das Wissen der Schüler als Ressource aufgenommen werden. Eine Direktbegegnung bietet die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Antworten zu bekommen und sich selbst hinterfragen zu lassen.“8 Dazu führt er das von Theo Sundermeier entwickelte Konvivenzmodell als einen besonderen Weg für ein konstruktives, interreligiöses Zusammenleben in die religionspädagogische Debatte ein. Sundermeier entwickelt den Begriff der Konvivenz, der ein Zusammenleben in Nähe und Differenz verwirklichen will. 9 Die Religionspädagogik in die Integrationsgespräche einzubringen, ist insofern von Bedeutung, da bisher dem religionspädagogischen Diskurs wenig Achtung geschenkt 6 7 8 9 http://dtj-online.de/deutschland-muslime-tod-friedhof-2136 http://dtj-online.de/muslime-baden-wuerttemberg-sargpflicht-23093 Schmid, 2010: 11f Schmid, 2010: 11 106 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları worden ist, obwohl es für wichtige Problemfelder interreligiöser Begegnung gerade auch im schulischen Bereich, neue Perspektiven zu geben vermag. „Im Konvivien Zusammensein wird Identität nicht aufgegeben, sondern Raum zur Identitätsfindung geschaffen. Das Trennende verbindet, das Verbindende wird das Trennende, weil ich lerne mich aus den Augen des Anderen zu sehen. Hier sollte keine harmonisierende Weltanschauung ihren Platz haben, sondern ein verstehendes Miteinander seinen Anfang haben. Der Andere bleibt er selbst, ich verändere mich nicht grundlegend, aber ich lerne mich aus der Sicht des Anderen kennen. Dieser Perspektivwechsel verändert, er weitet den Horizont. Sundermeier sieht dies als ein partnerschaftliches, wechselseitiges Geschehen, das als symmetrische Kommunikation erlebt werden kann. Beide sind Subjekt des Gesprächs, beide sind Lehrender und Lernender zugleich. So verstanden wird das Gespräch zum Dialog.“10 Im bildungspolitischen Bereich der integrativen Maßnahmen sind folgende Themen von Bedeutung: - Gestaltung der Lehrpläne und Schulbücher (Wie ist im Schulsektor der Islam und die islamische Welt in Lehrbüchern konzipiert?) - islamischer Religionsunterricht (am Beispiel der NRW)multikulturelle Erziehung? - Welche muslimischen Familien schicken ihre Kinder in deutsche Kindergärten? Wie sieht die Situation in Kindergärten mit kirchlicher Trägerschaft aus? - interreligiöser Dialog zwischen den Akteuren der Schule (SchülerInnen, LehrerInnen) 10 Sundermeier, Die Begegnung mit dem Anderen, 1991: 19 in: Schmid, 2010: 49 107 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 5.4 Sportvereine Bei den Sportvereinen findet die Integration im Bereich Fußball sehr gut statt. Sehr viele Jugendliche muslimische Migranten gehen zu deutschen Sportvereinen, spielen Fußball, weil sie das Ziel ihre Selbstverwirklichung durch Fußball zuhaben gestalten. Interessant ist mitzuteilen, dass heutzutage in der türkischen Nationalliga über hundert türkischstämmige Deutsche oder Türken aus Deutschland Fußball spielen und ziemlich gut Geld verdienen. Bei den Sportvereinen sollen auch die Zusammenarbeit im Bereich Ringen mehr gefördert werden, da hauptsächlich viele Türken am Ringen sehr interessiert sind, das gleiche gilt auch fürs Boxen. Doch bei fast allen anderen Sportarten wie Basketball und Volleyball,Tischtennis oder Tennis sind die muslimischen Migranten sehr unterrepräsentiert, auch im Frauenfußball sind die muslimischen Frauen wenig repräsentiert. In dem Bereich können Vereine dazu animiert werden die Frauen mehr anzusprechen. Der Essener Sportbund hat vor einigen Jahren eine Aktionen gestartet „Gemeinsames schwimmen mit christlichen und muslimischen Frauen“.In verschiedenen Städten soll das mehr gefördert werden. Dadurch kann man die Frauen mehr im Sport und sozialen Eingliederung mit einbeziehen. Folglich wurde eine Basis geschaffen ein friedliches Miteinander und gemeinsames Werteverständnis in Zukunft zu sichern. Um eine Vorstellung über bisherige Forschungsresultate zu haben und die Auswertung der qualitativen Interviews besser einordnen zu können, sollen im Folgenden bisherige Erkenntnisse aus dem Forschungsstand über Muslime in Europa und Deutschland ausgeführt werden. 108 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 6. Islam in Deutschland 6.1 Muslimisches Leben in Deutschland (2009) Eine erste bundesweit repräsentative Studie über die muslimische Bevölkerung lieferte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Forschungsprojekt „Muslimisches Leben in Deutschland“. Die im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz (DIK) durchgeführte Studie wurde im Juni 2009 veröffentlicht und ihre Auswertung belegt die Vielfältigkeit der in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime in der Auslegung ihres Glaubens. Für die Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ wurden bundesweit Personen aus 49 muslimisch geprägten Herkunftsländern und unterschiedlichen sozio-kulturellen Kontexten zu Religion im Alltag, sowie zu Aspekten der strukturellen und sozialen Integration befragt (vgl. 2009: 11). Insgesamt wurden 6.004 Personen telefonisch interviewt; zusammen mit den Angaben über die Haushaltsmitglieder stützen sich die zentralen Ergebnisse auf Informationen über fast 17.000 Personen islamischen Glaubens. „Erstmalig wurde durch die direkte Befragung von Migranten eine bundesweite Datenbasis über die muslimische Bevölkerung geschaffen. Auf der Basis dieser repräsentativen Daten wurden die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime und die Anteile an den verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen neu geschätzt. […] Im Ergebnis belegt die Studie anhand empirischer Daten die Vielfältigkeit muslimischen Lebens in Deutschland.“11 Mit dieser Studie wurde die bisher unsichtbare Zahl der Muslime in Deutschland durchleuchtet und eine demographische Datenbasis für weitere Untersuchungen geschaffen. Demnach sind der Studie des Bundesamtes zu Folge zwischen 4,6 und 5,2 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung Musliminnen und Muslime. Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 82 Millionen entspricht dieser Anteil zwischen 3,8 und 11 Haug, Müssig, Stich, 2009: 4f 109 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 4,3 Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland (Stand 2009). Die bis dato gemachten Schätzungen bezüglich der muslimischen Bevölkerung in Deutschland bewegten sich zwischen 3,1 und 4 Millionen. „Diese Schätzungen basierten auf einer indirekten Methode, nach der nur die in Deutschland lebenden Staatsangehörigen aus 20 muslimisch geprägten Herkunftsländern und die Einbürgerungen von Staatsangehörigen aus diesen Ländern von 1988 bis 2005 addiert wurden. Die Studie des Bundesamtes berücksichtigt dagegen auch die Zuwanderer aus einer Vielzahl von weiteren Ländern und die Nachkommen von Einbürgerten“ (2009: 12). Wird die muslimische Bevölkerung in Deutschland genauer in Betracht gezogen, wird deutlich, dass es keine homogene Einheit ist. Die muslimischen Gruppen unterscheiden sich nach Herkunftsländern, sowie nach der Konfessionszugehörigkeit innerhalb der islamischen Strömungen. Letztlich sind die Muslime in Deutschland unter sich sowohl kulturell als auch in ihren religiösen Ansichten vielfältig und das Urteilen nach Stereotypen führt lediglich zu einer Stigmatisierung und untermauert das verzerrte Bild über die Muslime. Die Forschungsfragen wurden zu einzelnen Themen wie Herkunftsland, Religionszugehörigkeit, Gläubigkeit und religiöse Praxis im Alltag gestellt und tragen dazu bei, über religiöses Alltagsleben und den Glauben sowie über sozio-kulturelle Verhaltensmuster der muslimischen Bevölkerung in Deutschland aufzuklären. Die fehlenden Kenntnisse über die Pluralität innerhalb der muslimischen Gruppen liefern ein unvollständiges Bild über ihre Lebenswirklichkeit. Mit dem Projekt „Muslimische Leben in Deutschland“ (MLD) wurde ein Forschungsvorhaben umgesetzt, das zum Ziel hat, die Anzahl der Muslime in Deutschland sowie ihre religiöse Zusammensetzung so genau wie möglich zu bestimmen(s.20). 110 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Diese differenzierte Betrachtung ist für ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen in der deutschen Gesellschaft von grundlegender Bedeutung, um nicht von Stereotypen auszugehen und gegenseitige Fremdbilder zu erzeugen. Eine fruchtende Integration und der Abbau von Parallelgesellschaften ist nur möglich, wenn der Prozess des einander Kennenlernens fortgesetzt wird und Berührungspunkte im Alltag geschaffen werden. Leider wird das muslimische Leben in Deutschland in erster Linie meist mit Islam-Ghettos (Tibi, 2000:58) in deutschen Großstädten wie Berlin (Stadtteil Kreuzberg,Neukölln Mannheim (Stadtteil Jungbusch) oder Köln (Keupstraße) veranschaulicht. Die Stigmatisierung und Reduzierung auf die Realität der islamischen Ghettoisierung repräsentiert nicht die muslimische Lebenswirklichkeit in Deutschland. Wobei die Ghettoisierung bzw. die Bildung der Parallelgesellschaften in unterschiedlich hoher Exkludierung der Bewohner/Zugehörigen weitaus verbreiteter sind. Muslime nach Herkunftsländern Zentralasien/GUS Sonstiges Afrika Iran Süd-/Südostasien Nordafrika Naher Osten Südosteuropa Türkei 0,4% 1,5% 1,7% 4,6% 6,9% 8,1% 13,6% 63,2% Quelle: Hochrechnungsergebnisse auf Basis des Datensatzes MLD 2008 über alles Haushaltsmitglieder sowie der AZR- Daten zum Stand 30.06.2008 (Tabelle 5, mittlerer Wert), Abb.10 in Bamf, 2009: 96) Betrachtet man die Zusammensetzung der in Deutschland lebenden Muslime insgesamt nach ihrer Herkunft zeigt sich, dass mit einem Anteil 111 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları von 63 Prozent die deutliche Mehrheit aus der Türkei stammt. Bei der zweitgrößten Gruppe handelt es sich um Muslime aus Südosteuropa, die mit einem Anteil von knapp 14 Prozent vertreten sind. Zwischen 5 und 8 Prozent der Muslime sind aus Süd-/ Südostasien, Nordafrika oder dem Nahen Osten zugewandert bzw. weisen einen entsprechenden Migrationshintergrund auf. Iraner und Muslime aus dem sonstigen Afrika stellen jeweils 2 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime dar. Aus Zentralasien und den GUS-Staaten stammen unter 1 Prozent der Muslime in Deutschland (Quelle: Bamf, 2009: 96f). Muslime nach Glaubensrichtungen Hinsichtlich der regionalen Herkunft wird eine Vielfalt von religiösen Orientierungen an die Tagesordnung gelegt, da die einzelnen Herkunftsgruppen hinsichtlich ihrer religiösen Zugehörigkeit und Orientierung unterschiedlich zusammengesetzt sind. Die Annahme alle muslimischen Migranten seien gläubige und praktizierende Muslime ist falsch. Dennoch wird die pluralistische Realität teilweise immer noch vom medialen Zerrbild und der einschlägigen Literatur überschattet. Die Muslime untergliedern sich in viele unterschiedliche Richtungen mit verschiedenen religiösen Vorschriften, Riten und Maximen, sowie mit unterschiedlichen Graden an Religiosität. Unter den in Deutschland lebenden Muslimen ist die sunnitische Glaubensrichtung am stärksten vertreten. Diese inner-islamische Pluralität von religiös bis weniger religiös, bis hin zur sunnitischen, alevitischen und schiitischen Orientierung der muslimischen Gruppen verhält sich in Deutschland wie folgt (in Prozent): 112 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Schiitisch, 7.10% Ahmadi , 1.70% Alevitisch, 12.70% Sufi, 0.10% Sonstige , 4% Sunnitisch, 74.10% Ibadit, 0.30% Quelle: MLD 2008, Datensatz aller Haushaltsmitglieder, gewichtet. Abb.11 in Bamf, 2009: 97) Regionale Verteilung auf die Bundesländer Über die alten Bundesländer hinweg sind die Muslime räumlich stark verteilt. Der höchste Anteil ist in dem bevölkerungsreichen Bundesland Nordrhein- Westfalen zu finden. Jeder dritte Muslim in Deutschland ist dort ansässig. Es Württemberg, folgen Bayern Badenund Hessen mit Anteilswerten über 10 Prozent. In den 113 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları verbleibenden zumeist kleineren sieben alten Bundesländern leben rund 25 Prozent der Muslime. 6.2 Muslimisches Leben in NRW (2011) Im Jahre 2011 veröffentlichte das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales der Landesregierung NRW die Zusatzstudie „Muslimisches Leben in NordrheinWestfalen“ zu der bereits 2009 erschienen Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“. Der Landesregierung war es von besonderer Wichtigkeit konkrete Ergebnisse für die Vielfalt des muslimischen Lebens in Nordrhein-Westfalen zu erhalten, sodass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beauftragt wurde eine Sonderauswertung für das Bundesland anzufertigen. Anhand dieser Auswertung wurde „sowohl die ethnische Bandbreite als auch die Pluralität in der religiösen Praxis der hier lebenden Musliminnen und Muslime“ beleuchtet, so der Integrationsminister der NRW Guntram Schneider. Das Potential der Studie lag darin, dass durch das Gesamtprojekt Vergleiche sowohl mit Angehörigen christlicher Religionsgemeinschaften in Deutschland, als auch mit Muslimen in anderen Ländern gezogen werden können. Zu dieser Zeit gab es wenig konkrete Studien über Muslime in NRW, beschränkt wurde es generell auf die türkischstämmigen Migranten, abgesehen von Muslimen und nicht Muslimen. Obwohl die türkischstämmigen Migranten den Hauptteil der Muslimen ausmachen, kann man damit zur generellen Situation der Muslime in Deutschland keine Aussage machen. 114 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 7. Darstellung des methodischen Vorgehens 7.1 Quantitative Studien vs. Qualitative Forschungsprojekte Die Ergebnisse dieser beiden Forschungsprojekte erfassen viele quantitative Daten und Fakten auf die sich die vorliegende Studie bezieht. Aus diesen beiden Studien zur Sozialstruktur und Demographie der muslimischen Bevölkerung lassen sich viele Fragen ableiten. Dennoch was die oben erwähnten quantitativen Studien nicht leisten, ist nach den Konsequenzen der demographischen Entwicklung zu fragen, wo Konfliktpotential vorhanden ist oder steigt, wo Ressourcen sind, die genutzt werden können und wie gewisse Probleme gesellschaftspolitisch angegangen, vermittelt und aus erkannten Handlungsbedarfen Maßnahmen frühzeitig eingeleitet werden können. Die quantitativen Studien sind zwar ein guter Ausgangspunkt für weitere Forschungen, aber sie sind eher deskriptiv, hypothesen-testend und lebenslagenorientiert sind und sich auf einzelne Gruppen fokussieren. Das vorliegende qualitative Forschungs(teil)projekt „Islam 2030 – Zukunft gemeinsam gestalten“ erweist einen hohen Grad an Offenheit und ist hypothesen-generierend. Durch die qualitative Vergleichsstudie, die neben Fragebögen auch auf halbstrukturierten Interviews basiert, ist lebensweltorientiert und regionalbezogen. Die Absicht der vorliegenden Studie ist es selbstverständlich die Integration, die sich im Allgemeinen als die gleichberechtige, gesellschaftliche Teilhabe12 einer Gruppe innerhalb der Mehrheitsgesellschaft definieren lässt, auch unter den sich ändernden demographischen Bedingungen und Lebensumständen zu sichern. „Dabei kommt es zu einer wechselseitigen Beziehung zwischen der Mehrheitsgesellschaft und der Minderheitsgesellschaft. Einerseits muss sich die Minderheitsgesellschaft willens zeigen, grundlegende Werte der Mehrheitsgesellschaft zu teilen und Rechte und Pflichten zu übernehmen. 12 vgl. Schmid, 2010: 25 115 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Auf der Grundlage einer positiven Identifikation mit der Mehrheitsgesellschaft eröffnen sich neue Perspektiven für die Migranten, jedoch kann der kulturelle Hintergrund gewahr bleiben. Religiöse wie kulturelle Gewohnheiten können weiter gepflegt und eine gesunde Bindung an das Heimatland kann gewahrt werden. Andererseits bietet die Mehrheitsgesellschaft einen Raum, in dem kulturelle Bedürfnisse entfaltet werden können. Eine aktive und nachhaltige Identifikation kann zwar eingefordert werden, sollte jedoch keine überfordernde Verwandlung voraussetzten. Die Mehrheitsgesellschaft ist organisatorisch gefordert die Beziehungen aktiv zu gestalten, sollte jedoch aus freiheitlich- demokratischer Überzeugung bereit sein auch Raum für Differenzen zu lassen. Die Minderheitsgesellschaft ist gefordert sich mit der Mehrheitsgesellschaft aktiv auseinander zu setzen und sie durch gesellschaftliches Engagement kulturell zu bereichern. Gescheiterte Integration kann Assimilation oder Parallelgesellschaften nach sich ziehen“.13 Eine Integration in diesem Sinne kann nur auf einer neutralen Basis fruchten. Die kulturelle Zerrissenheit unter den muslimischen Migranten und die gleichermaßen negative Wahrnehmung des Islam in der deutschen Gesellschaft erschweren den Dialog zunehmend. In diesem Kontext integrativer Arbeit nehmen die bundesdeutschen Auslandsberichterstattungen - Medien als und Nahtstelle die westlich zwischen geprägten gesellschaftlicher Wahrnehmung und politischen Zugeständnissen – eine entscheidende Rolle ein14. Dennoch haben einseitige Medienberichte, öffentliche Diskurse über den Islam und die Integrationsdebatten auf beiden Seiten15erheblich zur Polarisierung und zunehmender Intoleranz geführt. 13 Schmid, 2010: 25 vgl. Hafez, 2013: 212 „Dennoch haben gerade die großen Massenmedien, zumindest in der Öffentlichkeitstheorie von Jürgen Habermas, eine wesentliche Funktion, die man als »kommunikative Integration« bezeichnen könnte.“ 15 gemeint ist Minderheitsgesellschaft und Mehrheitsgesellschaft 14 116 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 8. Das mediale Islambild in Deutschland Das öffentliche Interesse Deutschlands am Islam und am Leben muslimischer Migranten war lange Jahre nur sehr schwach entwickelt. Die entscheidenden Impulse des 21. Jahrhunderts für die Befassung mit dem Islam waren zunehmend von negativer Natur, da der mediale Fokus auf fundamentalistische Ereignisse gesetzt wurde und auch das heutige Islambild von den stereotypen Bildern geprägt ist. In diesem Zusammenhang spielen die Medien eine entscheidende Rolle, da sie einen steuernden Einfluss auf die Dialogprozesse innerhalb der Gesellschaft haben16. Bis Anfang der 1980er Jahre war das Interesse der deutschen Öffentlichkeit am Islam und den muslimischen Migranten nur schwach entwickelt. Allerdings auch, weil der Islam erst am Anfang der 1980iger Jahren, beginnend durch die Khomeini Revolution im Iran, der Förderung des inner-islamischen Konfliktes durch Irak/ Irankrieg und die Unterstützung islamistischer Gruppierungen gegen die Stützpunkte der Sowjetunion in Afghanistan, sowie das Bewusstsein eigenerStärke aus Ölvorkommen in den arabischen Staaten, einerseits zu einer stärkeren islamischen Identitätsbildung und andererseits zu einer Konflikthaltung beigetragen hat. In den letzten Jahren ist das deutsche Medieninteresse am Islam und an der muslimischen Identität, vor allem in Bezug auf die in Deutschland lebenden Muslime, gewachsen. Dennoch ist diese Entwicklung nicht nur als positiv zu betrachten, da die entscheidenden Impulse die eine deutsche (so wie eine europäische) Auseinandersetzung mit dem Islam unumgänglich machten, ausschließlich negativ belegt waren. Die Integrationsdebatten basieren bis heute Hafez, 2013: 207: „Es geht heute durchaus um die unterschiedlichen Facetten sozialer und politischer Kommunikation. Massenmedien spielen eine erhebliche Rolle bei der Frage der Anerkennung des Islams und der Integration der Muslime. Fragen der Gleichberechtigung oder Hegemonie in Medien und Öffentlichkeit sind zu klären.“ 16 117 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları auf einem negativ geprägten Islambild deutscher Medien, die den Islam im Kontext konfliktgeladener Ereignisse (Selbstmordattentate, Ehrenmorde, Terrorangriffe, verletzter Menschenrechte o.ä.) thematisieren und diese Art von selektiver Berichterstattung nicht mit neutralen oder positiven Meldungen kompensieren. Die „ungelungene Integration“ von Migranten wird gelegentlich neben der Herkunft auch durch die Religion begründet. Das Bild von Muslimen, die nicht zu Deutschland passen ist weit verbreitet in der deutschen Gesellschaft, welches insbesondere durch die deutschen Medien ausgelöst wird. Das einseitige Interesse deutscher Medien, die den Islam mit Negativthemen in Verbindung setzen, führen zu einem zugespitzten Islambild. „Die Iranische Revolution war das Erweckungserlebnis für die deutschen Medien. Bis dahin gab es zwar Nahostberichterstattung, aber der Islam war ein Randthema für die Medien. Das Aufkommen des politischen Islam hat dies grundsätzlich verändert. […]Immer wieder findet man etwa seitdem in deutschen Medien die Annahme einer Untrennbarkeit von Politik und Religion im Islam. Verbreitet ist auch die Gleichsetzung von politischem Islam mit radikalem Fundamentalismus und von Fundamentalismus mit Terrorismus und Extremismus. […] Hier herrscht nicht nur eine selektive Wahrnehmung vor, sondern auch eine Psycho-Logik im Sinne von WorstCase-Annahmen. Wenn nämlich der Islam gleichzusetzen ist mit Politik, die Politik identisch ist mit Fundamentalismus und dieser mit Extremismus, dann ist die Folgerung logisch, dass dem Islam in seiner Gesamtheit Gewaltbereitschaft unterstellt werden muss – womit man die Verbindung zwischen dem aktuellen Mediendiskurs und der verbreiteten These Samuel Huntingtons vom „Kampf der Kulturen“ gefunden hat. Huntington behauptet nichts anderes als einen grundsätzlichen und gewaltsamen Antagonismus zwischen dem Islam und dem Westen (die „blutigen Grenzen“ des Islam) – eine essentialistische Position, die politisch einseitig ist, weil sie kooperative Interaktionen ausblendet, und die 118 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları kulturtheoretisch naiv ist, weil sie subkulturelle Differenzen (des Islam) negiert.“17 Die Vielfalt der gesellschaftlichen Äußerungsformen innerhalb des Islam, sowie die unterschiedlichen Lebensformen der Muslime werden auf einzelne Phänomene des religiösen Extremismus reduziert. So erscheint der Islam wie ein radikal ideologischer Gegenentwurf zur westlichen Gesellschaftsordnung. Das undifferenzierte Islambild der Medien, sowie ihre selektive Berichterstattung beeinflusst die Gesellschaft insofern, dass die Menschen den Islam unterbewusst mit Negativthemen (wie Terrorismus, internationalen Konflikten, Menschenrechtsverletzungen u.ä.) assoziieren. „Die mediale Öffentlichkeit wird bestimmt von katastrophenartigen Ereignissen wie dem 11. September 2001, deren nachfolgenden Terrorattentaten in London, Madrid und den weiteren Anschlägen in ganz Europa. Diese Ereignisse einem Dialog zugrunde zu legen, wird weder der Realität der Weltreligion Islam gerecht noch den in Deutschland lebenden Muslimen.“18 Der interkulturelle, beziehungsweise interreligiöse Dialog19 erfordert Wissen über den anderen und das fehlende, sowie das lückenhafte Halbwissen führt dazu, dass der Islam und die in Deutschland lebenden Muslime im öffentlichen Bewusstsein verstärkt als ein drängendes Integrationsproblem empfunden wird.Selbstverständlich sind die Medien nicht der einzige Faktor der negativ geprägten, gesellschaftlichen Wahrnehmung im Integrationsprozess. „Sie erzeugen aber Fremdenbilder und liefern Stoff für eine ideologische Deutung und Meinungsbildung, indem sie Minderheiten und deren Verhalten in einem bestimmten Licht erscheinen lassen (sog. framing: »Rahmung«). Sie bestimmen zudem, worüber eine Gesellschaft sich verständigt, welche Themen und Probleme diese erörtert und welche sie ignoriert (sog. agenda setting: »Themenstrukturierung«). In beiden Bereichen sind die Medien umso 17 Hafez, 2013: 216 Schmid, 2010: 11f 19 vgl. Kulturdialog in Tibi, 2000: 68 18 119 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları wirkungsvoller, je geringer der Kontakt der Menschen zu Minderheiten ist und je weniger diese über alternative Informationsquellen verfügen.“20 Das Verhältnis von Kernsätzen bzw. der Interpretation des Islam durch die heute in überwältigenden Maße konservative Islamtheologie ist natürlich die Grundlage und Anknüpfungspunkt für salafististische und darin wieder Verknüpfungen zu gewaltorientierter Islamrezeption. Die radikale und terroristisch motivierte Orientierung der islamistischen Gruppierungen lässt sich ohne die Debatte über eine dem 21.Jahrhundert angemessene Korandeutung und Bewertung der Sunna und Scharia nicht lösen.Eine Emanzipation vom „Wahrheitsgehalt“oder Unveränderlichkeit der vor 1400 Jahren gemachten Aussagen im Islam ist - wie im Christentum auch - notwendige,wenn auch nicht hinreichende Bedingung um in der Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts einen versöhnlichen,versöhnenden und gestaltenden Platz einzunehmen. 8.1 Dialoge der Anerkennung als Basis der Integration Das Status quo21 der gesellschaftlichen Wahrnehmung muss überwunden werden, um überspitzte Selbstbilder und Fremdbilder auf beiden Seiten zu korrigieren und polarisierende Vorurteile nicht mehr zur Grundlage des interreligiösen Gesprächs zu machen. Die Selbstzentrierung auf beiden Seiten22, gemeint ist der Eurozentrismus und der Islamozentrismus, schafft keine Verständigung, geschweige denn eine kulturelle Anerkennung auf der Basis eines Dialoges. Die Frage ist daher nicht, ob ein Miteinander christlicher, nicht religiös gebundener und muslimischer Menschen in einer säkularen Gesellschaft möglich ist, sondern wie das Zusammenleben gelingen 20 Hafez, 2013: 211f vgl. Tibi, 2000:71; Hafez, 2013: 207ff „Gerade auf den Höhepunkten von Krisen und großen Debatten jedoch, die sich um den Islam ranken –z.B. in der Rushdie-Affäre, im Karikaturenstreit und ohnehin nach dem 11. September – schalten sich die Chefredakteure und Leitartikler als Hüter eines dezidiert Islam-kritischen und oft sehr verallgemeinernden Status quo der gesellschaftlichen Wahrnehmung ein.“ 22 vgl. Tibi, 2000: 66 „[…], die Selbstzentrierung ist nichts spezifisch Westliches; es gibt auch einen Islamizentrismus. Das bedeutet, daß auch Muslime Weltbilder haben, die sie ohne Anerkennung des anderen auf nicht-islamische Teile der Welt übertragen.“ 21 120 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları kann. Öffentliche Integrationsdebatten über muslimische Migranten sind kein Zeichen der Anerkennung, sondern lediglich eine Form der Verfestigung populistischer Islamophobie. Nur der Akt des Dialoges bildet auf längere Sicht eine integrative Grundlage, die eine Begegnung zwischen der Aufnahmegesellschaft und den (muslimischen) Migranten ermöglicht. Die gegenteilige Entwicklung sind die islamophoben Diskurse. Doch „entscheidend für den öffentlichen Dialog über Anerkennung ist, dass nicht nur über, sondern auch mitMigranten gesprochen werden muss.“23 Für den Erfolg des Dialogs ist es notwendig herauszufinden, wie die Deutschen die Welt des Islam beurteilen und wie die Zukunftsvorstellungen der MuslimInnen für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland aussieht. Eine hoffnungsvolle Entwicklung in diesem Dialog zeigt sich nach den fürchterlichen Anschlägen in Frankreich im Januar 2015..Erstmals in der Debatte um muslimischen Terrorismus hat es ein Parteien,gesellschaftlichen deutliches Verbänden Miteinander und von weiteren politischen Gruppen der Mehrheitsgesellschaft und Repräsentanten und Dachverbänden der Muslime gegeben.Durch die verschiedenen Aktionen zur Verteidigung von Demokratie und Pressefreiheit,von Vielfalt und Friedfertigkeit im Streiten über Werte der Zivilgesellschaft und des Koran bzw. dessen Interpretation ist zu einem Miteinander geworden,das eine neue Qualität erhoffen lässt.Auch die Anti-Pegidademonstrationen zeigen, dass gemeinsame Interessen und Werte von Mehrheits-und Minderheitsgesellschaft gemeinsam in Aktion umgesetzt werden können. Insbesondere ist die bisher doch stark durch Zurückhaltung geprägte Arbeit der Islamverbände ein ermutigender Fortschritt,weil sie sich implizitgegen eine konservative Islaminterpretation aus der salafistischen Szene abgrenzen.Dementsprechend werden diese Verbände auch stärker in der Öffentlichkeit als Partner für einen „gemeinsamen demokratischen Weg, bezogen auf die Rolle des Islam in der Gesellschaft wahrgenommen.Wird diese Entwicklung fortgesetzt kann es einerseits zu einem Abbau von Islamophobie und andererseits zu einer zeitgemäßen Hafez, 2013: 213; 231 „Der Dialog mit den Muslimen erfordert nach Habermas die Anerkennung der Gleichwertigkeit und –rangigkeit der Dialogpartner: Man sollte also nicht nur über, sondern mit Muslimen sprechen. 23 121 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Koraninterpretation für das 21.Jahrhundert kommen,die allerdings auch unverzichtbar für eine Kompatibilität des Islam mit den Werten der Zivilgesellschaft des 21.Jahrhunderts in einem säkularisierten Staat ist. 9. Islam in Europa Muslimische Bevölkerung in Europa Land Muslimische Bevölkerung Österreich 525.000 Belgien 638.000 Dänemark 248.000 Finnland 60.000 Frankreich 5.500.000 Deutschland 4.119.000 Griechenland 527.000 İrland 43.000 Italien 1.583.000 Luxemburg 13.000 Holland 1.100.000 Portugal 62.000 Spanien 1.221.000 Schweden 480.000 Vereinigte Königreich 2.869.000 Bulgarien 980.000 Rumänien 180.000 Balkan Staaten 60.000 Polen 280.000 Slowenien 40.000 Slowakei 45.000 Ungarn 85.000 Zypern 285.000 20.943.000 Quelle: PEW- 2010/ TAVAK 2015 Die Bedeutung des Islam in Europa wächst mehr und mehr. Dies ist nicht allein der steigenden Zahl der Muslime geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass die Auseinandersetzung mit der "fremden" Religion seit dem 11. September eine neue Qualität bekommen hat. Die Vereinbarkeit von islamischer Tradition und westlicher Moderne werden diskutiert, die Muslime angesichts des islamisch- fundamentalistischen Terrors verstärkt zu einer Klärung der eigenen Position veranlasst. Gegenwärtig wächst in allen EUStaaten der Bevölkerungsanteil der Muslime. Innerhalb der Grenzen der heutigen EU gab es 122 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları bis 1961 beispielsweise nur rund 140.000 türkischstämmige Muslime, die in erster Linie als Minderheit in Griechenland lebten. Im Rahmen der Gastarbeitermigration und des Familiennachzugs wurde der Islam aber dann zu einer der großen Religionsgemeinschaften in der EU. Sind die Muslime in Europa integriert? Leben sie in einem Zustand kultureller Zerrissenheit? Wie bewältigen Muslime in der Migration das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne? Dies sind oft gestellte Fragen, deren Beantwortung je nach gesellschaftspolitischer wissenschaftlicher Zielvorstellung, Herangehensweise sehr politischer Ausrichtung unterschiedlich ausfallen oder kann. Letztendlich stellt sich die Frage, welche Art von Islam in Europa momentan vorherrscht und wie er in Zukunft aussehen wird. In allen 57 muslimisch geprägten Staaten unterscheidet sich der Islam. Terrorbewegungen wie die FIS in Algerien, die Muslimbruderschaft in Ägypten, die Taliban in Afghanistan, die ISIS in Syrien und der islamische Fundamentalismus in der Türkei stehen nicht für den Islam als Ganzes, erwecken aber große Befürchtungen vor den Muslimen insgesamt. Der Islam in der Migration unterliegt einem dynamischen Wandel, dessen Endprodukt ein Islamverständnis sein könnte, das sich von nicht-pluralistischenTraditionslinien der Religionsentwicklung deutlich emanzipiert. Diese Erkenntnis ist umso bemerkenswerter, als diese Entwicklung seitens der deutschen Aufnahmegesellschaft bisher kaum aktiv gefördert wurde. Die quasi erzwungene Modernisierung der Lebensweisen in der Migration hat ebenso wenig in einer Verfestigung eines traditionellen Religionsverständnisses wie in einer Abkehr vom Islam resultiert – sondern in religiös-kulturellen Wandel. Dies bedeutet, dass eine aktive Förderung eines europäischen, pluralistischen Islam bei den muslimischen Migranten in Europa auf fruchtbaren Boden fallen würde und damit aus integrationspolitischer Sicht mehr als lohnend erscheint. Es gibt Bewegung, und diese Bewegung deutet für die absolute 123 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Mehrheit der Muslime nicht in Richtung der Einigung unter dem Dach von Fundamentalismus oder Islamismus. Allerdings müssen die islamischen Organisationen in Europa diesen Wandel ihrer Klientel deutlich entschlossener mit vollziehen und theologisch begleiten als es bisher der Fall ist. Ein Euro-Islam entwickelt sich, er ist aber noch nicht in dem Sinne integriert, als sich das Problem der kulturellen Zerrissenheit für seine Angehörigen nicht mehr stellen würden. Mitgliedstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit Afghanistan Libyen Ägypten Malaysia Albanien Malediven Algerien Mali Aserbaidschan Marokko Bahrain Mauretanien Bangladesch Mosambik Benin Niger Brunei Nigeria Burkina Faso Oman Dschibuti Pakistan Elfenbeinküste Palästina Gabun Saudi-Arabien Gambia Senegal Guinea Sierra Leone Guinea-Bissau Somalia Guyana Sudan Indonesien Suriname Irak Syrien 124 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Iran Tadschikistan Jemen Togo Jordanien Tschad Kamerun Tunesien Kasachstan Türkei Katar Turkmenistan Kirgisistan Uganda Komoren Usbekistan Kuwait Vereinigte Arabische Emirate (VAE) Libanon Islam in der Europäischen Union In den 28Mitgliedsstaaten der Europäischen Union leben, wenn auch teilweise in sehr unterschiedlich großen Zahlen, Muslime. Bei dem übergroßen Teil handelt es sich um Muslime, die in den vergangenen Jahrzehnten zugewandert sind bzw. um deren Kinder und Kindeskinder. Neben Staaten, in denen nur sehr wenige Muslime leben – wie beispielsweise in Irland, Finnland und Portugal -, gibt es andere EU-Staaten, in denen die Zahl der Muslime eine beachtliche Größe erreicht hat. Die Staaten mit den höchsten Zahlen in der EU sind Frankreich (6 Millionen), Deutschland (4 Millionen) und Großbritannien (1,9 Millionen). Ebenfalls in größeren Zahlen leben Muslime in den Niederlanden (850.000) und Italien (700.000), Spanien (550.000), Belgien (450.000), Österreich (410.000). Im Falle Griechenlands (370.000) ist auf eine Besonderheit hinzuweisen: Hier handelt es sich überwiegend um langansässige Muslime (Türken und Pomaken). 125 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Mitgliedsstaaten Zahl der Muslime/Anteil an Bevölkerung o.Migranten ist wichtig zu wissen Belgien 450.000 Dänemark 151.000 Deutschland 4.000.000 Frankreich 6.000.000 Finnland 21.000 Griechenland 370.000 Großbritannien 1.900.000 Irland 10.000 Italien 700.000 Luxemburg 7.500 Niederlande 850.000 Österreich 410.000 Portugal 40.000 Schweden 305.500 Spanien 550.000 Bulgarien 1.100.000 Rumänien 160.000 Kroatien 90.000 Slowakei 30.000 Malta 3.000 Zypern 300.000 Estland 20.000 Lettland 10.000 Litauen 15.000 Slowenien 60.000 Polen 200.000 126 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Ungarn 160.000 Gesamt 17.913.000 Facetten des Islam Unter den 57 islamisch geprägten Ländern und Staaten gibt es verschiedene Interpretationen des islamischen Glaubens und die MuslimInnen bilden keine monolithische Glaubensgemeinschaft. Da es innerhalb des Islam verschiedene Glaubensrichtungen und Strömungen gibt, und die geographische Verteilung von Asien, über Afrika bis hin nach Europa reicht, unterscheiden sich die MuslimInnen weltweit sowohl in der Auslegung, als auch in der Praktizierung des islamischen Glaubens. So unterscheidet sich beispielsweise der Islam in Afrika deutlich vom Islam in Saudi-Arabien, ebenso hat der Euro-Islamwenig mit dem islamischen Leben in asiatischen Staaten, wie Malaysia oder Indonesien gemeinsam. Es gibt nicht den Islam, sondern viele Facetten des islamischen Glaubens auch innerhalb der islamischen Gemeinschaft in Europa und Deutschland. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, war es längst an der Zeit, sich mit der gesellschaftlichen Stellung des auf heute 21 Mio. Menschen in der Europäischen Union und des Bevölkerungsanteils auf in 4 Mio. Deutschland, Menschen angewachsenen auseinanderzusetzen. Für muslimischen ein besseres Verständnis des Islam sind in den letzten Jahren die Bemühungen für eine neue Strukturierung des Islamverständnisses im Rahmen des Euro-Islam gestiegen. Das Forschungsprojekt betont nachdrücklich, dass eine religiöse und traditionelle Einstellung und Lebensweise nicht vorschnell mit Extremismus und Islamismus gleichgesetzt werden darf. Der Islam lehrt keineswegs die Gewaltbereitschaft als Glaubensziel, und ein Moslem, der fünf Mal täglich betet, darf nicht als ein Sympathisant einer terroristischen Organisation eingestuft werden. 127 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 10. Der Euro-Islam nach Bassam Tibi 10.1Ein Konzept für dasfriedliche Zusammenleben der MuslimInnen und Christen Der ehemalige Politikprofessor Bassam Tibi erwähnt ausdrücklich, dass nicht der Islam sondern der Islamismus eine Gefahr für die säkular geprägte europäische Gesellschaft darstellt. Angesichts dessen ist es von Bedeutung das Bild der in Europa lebenden Muslime im Gesamtrahmen zu betrachten und die Integrationsgespräche nicht auf einzelne Teilaspekte zu beschränken, die lediglich zu einer verstärkten Polarisierung beitragen. „Im 21. Jahrhundert ist Europa im Inneren durch globale Migration aus der Welt des Islam und im Äußeren durch seine islamische Umgebung vom Islam betroffen. In diesem zeitgeschichtlichen Rahmen befindet sich Europa in der Realität in einem schicksalhaften Zivilisationskonflikt […]. Wenn Europa einen Euro-Islam für seine Wohnbevölkerung fördern würde, könnte es einen Schari’a-Djihad-Islam abwenden“ (Tibi, 2009: 23) Seine Prognose stützt Tibi auf dem stetig wachsenden Anteil der muslimischen Bevölkerung innerhalb der europäischen Grenzen und formuliert seine Vision vom europäischen Islam, das zur Lösung des Wertekonfliktes zwischen der islamischen und der christlich, säkular geprägten Gesellschaft beitragen soll. Tibi geht von der Annahme aus, dass die europäische Gesellschaft und die muslimischen Gruppen sich in ihren Werten unterscheiden, der als Zivilisationskonflikt gedeutet wird. Die Bedeutung der Einschätzung von Tibi wird durch die Konfliktlinien der letzten Jahre deutlich,die zwar auf unterschiedlicher Ebene und Schärfe sind,aber doch Tibis Einschätzung von einem desLehrstuhlinhabersProf. Dr. Grundkonflikt Chorchide bestätigen. - für die Die Ernennung erste islamische Religionslehrerausbildung in Münster – hat bei den großen Islamverbänden ein 128 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Konflikt ausgelöst. ChorchidesVerständnis vom Islam im 21.Jahrhundert als eine an die Moderne und heutige Zeit angepasste Religion, sowie seiner Vorstellung eines nicht strafenden und offenen Islamverständnisses wurden von muslimischen Vertretern massiv kritisiert. An den alltäglichen Leben angepasster Islamund das Gottesbild von Chorchide wurden von den Verbänden, als die einzigen organisierten Islamvertreter, geradezu als ein blasphemisches oder moderater ausgedrückt zumindest inakzeptables Islamverständnis gebrandmarkt, weil er den Propheten Mohammed und den Koran nicht beim Wort nimmt und rezitiert.So gesehen sind die Verbände allem Pluralismus zum Trotz ins 7.Jahrhundert rückwärtsgewandert und dem Salafismus („Altvorderen“) im Grunde näher als einem aufgeklärten historisierten Religionsverständnis.Man mag nun einwenden,dass das in der Orthodoxie der katholischen Kirche auch ähnlich ist,aber dort ist die Bindewirkung auf die Christen vor Ort ungleich geringer. Der gewalttätige Islamismus in Gestalt des IS (Islamischer Staat),aber nicht nur des IS sondern einer weltumspannenden vernetzten politisch-fundamentalistischen Herrschafts- und Gewaltphantasie und deren Attraktivität bei vor allem jungen Menschen zeigt die Notwendigkeit einer grundlegenden Debatte und Domestizierung orthodoxer Glaubensgrundsätze im Islam. So will eine Schneisegeschlagen werden zwischen dem konservativem Islamverständnis, das friedlich, Individuum und Pluralismus akzeptierend ist und dem instrumentalisierenden, fundamentalen Islam er in Gewaltbereitschaft und ähnlichen Machtansprüchen agiert Faschismus (vergleiche Hamed Adel Samad). Tibi als Professor für Internationale Beziehungen führt an der Georg-AugustUniversität in Göttingen den Begriff „Euro-Islam“ erstmals im Jahre 1992 auf einer Pariser Tagung in die wissenschaftliche Diskussion ein. Am Institut du Monde Arabe suchten Experten und wissenschaftliche Mitarbeiter inmitten der steigenden Migration aus der islamischen Welt, nach Konzepten für den Umgang mit Assimilation und Integration. Bereits 1992 stand der Islam und die muslimische Migration auf Grund der beobachtbaren Islam-Diaspora24 in europäischen Ländern im Mittelpunkt dieser 24 Tibi, 2009: 23 129 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Tagung. Bis heute stellen die Musliminnen und Muslime in Europa und in der französischen Bevölkerung die größte Gruppe unter den Migranten dar. Der größte Konflikt besteht darin, dass die islamische Lebensweise und die muslimische Identität nicht ausreichend in das kulturelle System Europas inkludiert werden. Das Konzept des Euro-Islam ist ein Versuch die europäische Identität und islamischen Glauben miteinander in Einklang zu bringen25. Diese kulturelle Synthese ist nur dann möglich, wenn die muslimischen Einwanderer das säkulare, europäische System anerkennen, ebenso wie die Europäer den Islam anerkennen müssen. Muslimische Migranten „kommen ohne eine Reform des Islam mit dieser Weltanschauung Eine Europäisierung des Islam ist nach Tibi, ohne eine kulturelle Anpassung, die wiederum religiöse Reformen erfordert, nicht möglich nach Europa und geraten hierdurch in einen Konflikt mit Europas Modell einer westlichen Gesellschaft, das auf der kulturellen Moderne fußt“26. Die Zusammenarbeit sollte darin bestehen die muslimische Identität in das säkular orientierte Wertesystem mit christlichem Hintergrund zu inkludieren. Hinsichtlich dessen lautet die Grundthese von Bassam Tibi wie folgt: „Der Zivilisationskonflikt findet zwischen zwei Weltanschauungen statt. Eine hiervon ist europäisch, die andere ist islamistisch. Die säkulare zivilisatorische Identität Europas ist dem Modell nach inklusiv, und sie kann einen offenen Islam aufnehmen sowie europäisieren, aber nur, wenn dieser von Schari’a und Djihad abgekoppelt wird.“27 Diese Vision von einer euro-islamischen Brückenbildung zwischen den muslimischen Migranten und der säkularen Gesellschaft in Europa hat seither zunehmend die Gestalt eines Integrationskonzeptes angenommen. Dabei warnt Tibi nicht vor dem Islam, 25 Tibi, 2009: 11 Tibi, 2009: 8 27 Grundthese in Tibi, 2009: 10 26 130 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları sondern vor einer Schari’a-Djihad orientierten Islamisierung Europas und vertritt im Rahmen des euroislamischen Konzeptes, dass es einen europäisierten Islam geben kann, der mit der säkularen Zivilgesellschaft vereinbar ist. Dies erfordert den gemeinsamen Willen der Muslime und Europäer zusammen eine friedliche Zukunft in Europa zu gestalten.28 „Ein europäisierter Islam könnte, wenn er gefördert werden würde, die Verbreitung des islamischen Fundamentalismus in Europa unterminieren. Wir leben im „Zeitalter der Völkerwanderungen“, die demographische Verschiebungen in sich birgt, die auch Konflikte zwischen den Zivilisationen bedingen. Heute ist Europa die „Hauptattraktion“ und das Ziel der globalen Migration auch für Muslime aus dem Mittelmeerraum. Die Kultur einer Zivilgesellschaft muss auch für die islamischen und anderen Migranten gelten, wenn man einen weltanschauliche Krieg der Zivilisationen abwenden will, der aus dem Zivilisationskonflikt hervorgeht. Ein dafür notwendiger weltanschaulicher Pluralismus beinhaltet eine Verteidigung der säkularen Demokratie als der politischen Kultur Europas.“29 Bassam Tibi betont, dass die Integration der in Europa lebenden Muslimen nur mit einem europäisierten Islam, der die kulturelle Werteorientierung einer säkularen Gesellschaft einschließt und die Kultur des Pluralismus annimmt, möglich ist. Des Weiteren besteht Tibi darauf, dass ein einzig Schari’a-Djihad orientiertes Islamverständnis nicht im Einklang mit den Grundinhalten der europäischen Gesellschaft und dem dazugehörigen kulturellen System steht. Sein Konzept des Euro-Islam, das Tibi erstmals auf der Pariser Tagung darlegt und die Leistungen die von muslimischen Migranten, sowie von Europäern zu Gunsten eines friedlichen Zusammenlebens in Europa erbracht werden müssen, erläutert der ehemalige Politikprofessor im Rahmen des Konzeptes. Ein europäischer Islam müsste als Werteorientierung folgendes umfassen (siehe Tibi, 93ff): 28 29 vgl. Tibi, 2009: 20 Tibi, 2000: 86 131 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 1. Die Laizität beziehungsweise Säkularität ist im beschränkten Sinn einer Trennung zwischen Religion und Politik in das islamische Denken einzubauen. Entsprechend darf der Schari’aIslam als „Straf-, Staats- und Wirtschaftssystem“ nicht im Namen einer falsch verstandenen Toleranz Zugang nach Europa finden.Säkularisierung darf jedoch nicht zu einer umfassenden Heiligtümer Profanisierung mehr kennt. führen, Wir weil finden diese diese keine wichtige Unterscheidung zwischen „institutioneller Säkularisierung“ und „kultureller Profanisierung“ bei dem Harvard-Soziologen Daniel Bell. Auch in einer europäisch-säkularen Gesellschaft soll es noch immer „Heiligtümer“ geben: zum Beispiel die individuellen Menschenrecht und die Demokratie; sie zu verletzen, bedeutet die europäischen Heiligtümer zu schänden. Auf profaner Ebene kann dies nicht geleistet werden. 2. Die Verbindung von Laizität und säkularer Toleranz, die sich erheblich von der islamischen Toleranz unterscheidet, ist zu akzeptieren. 3. Außerdem Pluralismus, gehört der dazu ein religiöser Relativismus und und kultureller Neoabsolutismus gleichermaßen abweist. 4. Dann zählt zu den Bestandteilen eines Euro-Islam die säkulare Demokratie, das heißt ein moderner Staat, der auf demokratisch-säkularen Grundlagen beruht und parallel zu einer als Zivilgesellschaft zu definierenden „open-society“ existiert. 132 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 5. Als letztes Element ist die bereits angeführte Zivilgesellschaft zu nennen, die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem setzt. Die Zivilgesellschaft erkennt Religion als Privatsache an und entfernt sie im Interesse des inneren Friedens aus dem öffentlichen Leben, so dass die öffentliche Sphäre streng säkular ist. Die mit diesen fünf Bereichen verbundenen Inhalte machen den Kern […] vom Euro-Islam aus. Das Plädoyer für einen Euro-Islam ist gerichtet an die islamischen Migranten, die eine demokratische Brücke zwischen Orient und Okzident sein können, wenn sie dies wollen. Wenn die deutsche Islam-Diaspora sich dagegen sträubt und die Perspektive der Schari’a im Kontrast zu der diametral entgegengesetzten kulturellen Moderne bevorzugt, dann verschließen sich die Muslime für Europa. Ohne es zu wollen, nähren sie hierdurch jede Form der Islamophobie, weil sie Europa fremd bleiben. Unter den Bedingungen der muslimischen Zuwanderung gibt es demnach zweierlei Szenarien: zum einen das Szenario einer Ghettoisierung der islamischen Gruppen und eine schleichende Islamisierung in Europa, zum Anderen die Option einer Versöhnung des Islam mit der säkularen Demokratie und den Euro-Islam als eine Perspektive für ein friedliches Miteinander in Europa ohne gegenseitige Fremdbilder zu erzeugen. Ferner ist der Dialog mit dem Islam nicht nur eine außenpolitische Angelegenheit mit der islamischen Welt, sondern bestimmt im Kontext der Migration auch die Innenpolitik der einzelnen europäischen Länder. Innenpolitisch gesehen ist es für die Zukunft Deutschlands wichtig für einen Dialog mit den muslimischen Migranten die Islamisten und den Fundamentalisten (etwa 100 000 von ca. 4 Millionen) von gläubigen Muslimen zu unterscheiden. 133 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Die Erzeugung von Feindbildern ist folglich genauso integrationshemmend wie die ausnahmslose Heroisierung alles Fremden in einer Form er multikulturellen Toleranz30 Tibi spricht sich daher ausdrücklich gegen den Import des Islamismus im Namen derToleranz31. Er erläutert, dass Islamisten die demokratischen Freiheiten sich zu Nutze machen und die Toleranz für sich beanspruchen, um sich eine Freizone in der säkularen Gesellschaft schaffen. Auf diese Weise wollen sie ihre fundamentalistischen Ideologien schleichend zu unterbreiten32. Selbstverständlich ist die gegenseitige Toleranz unabdingbar für einen Dialog. „Es ist eine Seltenheit, gute Nachrichten aus dem Dialogbereich zu lesen. Gleichzeitig dominieren Katastrophen-; Terror- und Kriegsmeldungen aus der islamischen Welt und aus dem Bereich des gewaltbereiten politisch motivierten Islamismus die öffentliche Wahrnehmung. Vor dem übermächtigen Bild eines als inhärent gewaltbereit dargestellten Islams sinkt die Bereitschaft, sich lokal im Dialog zu engagieren“ (Miehl, :159). Nicht die Gesamtheit aller Muslime, sondern der islamische Fundamentalismus und ihre Anhänger sind als eine Gefahrenquelle zu erkennen. Gleichermaßen muss seitens der Muslime die freiheitlich-demokratische Ordnung und säkulare Gesellschaft Europas (hier: Deutschlands) verbindlich anerkannt werden. Um nicht in einer polemischen Debatte, wie es in den Medien und öffentlichen Diskussionen oftmals der Fall ist, zu münden, sollte demnach zunächst von den Fakten ausgegangen werden. „Durch die einseitige Konzentration auf Themen wie die Verschleierung der Frau (Kopftuch) und die religiöse Unterweisung muslimischer Kinder wird die Diskussion verkürzt und verzerrt, indem sie auf Teilaspekte verschoben wird. Die Folge ist, dass die Problematik der Integration einer Menschengruppe mit anderen zivilisatorischen Werten und Normen vernebelt wird, statt über sie aufzuklären.“33 Ferner gibt es nicht den monolithischen Islam sondern unterschiedliche Glaubensströmungen innerhalb des Islam, sowie eine innereuropäische Pluralität, 30 vgl. Tibi, 2000: 22;71 vgl. Tibi, 2000: 23 32 vgl. Tibi 2009: 70;99 33 Tibi, 2000: 21f 31 134 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları sodass diese beiden zivilisatorischen Größen eine innere Vielfalt aufweisen. Dennoch gibt es einen Kern-Islam und einen Kern der Idee Europas, von der ausgegangen muss, um eine kulturelle Synthese und die Inklusion im Kontext der Migration anzustreben. Mittlerweile leben die Migranten muslimischen Glaubens bereits in der dritten Generation in Deutschland. Die Problematik der gesellschaftlichen Integration dieser Menschen wurde von der Politik und den Parteien lange Zeit vernachlässigt oder lange Zeit mit den falschen Konzepten angegangen. Während das konservativ-bürgerliche Lager die Bundesrepublik lange Zeit nicht als Einwanderungsland betrachten wollte, hing das linksliberale Lager multikulturellen Wunschvorstellungen nach. Beide Perspektiven waren auf ihre Weise realitätsblind und führten in der Kombination dazu, dass integrationspolitische Probleme nicht angegangen wurden. Dadurch waren viele Migranten nicht dazu angehalten, sich mit der Sprache und Kultur des Landes, in das sie eingewandert waren, auseinanderzusetzen. Als Folge kam es, gerade in urbanen Zentren, zu Ghettoisierungsprozessen und zur Bildung so genannter Parallelgesellschaften. Solange die muslimischen Mitbürger nicht in das Gemeinwesen der europäischen Länder eingebunden werden, werden sie sich zunehmend von der Gesellschaft abschirmen und Parallelgesellschaften aufbauen.Das gilt zu verhindern. 135 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 10.2Der Euro-Islam und Islam in Deutschland Die Hauptberührungspunkte Deutschlands mit dem Islam haben ihren Ursprung in der jungen Geschichte deutsch-türkischer Beziehungen. Mit der Anwerbung türkischer Arbeitskräfte in den sechziger Jahren wuchs die muslimische Präsenz in Deutschland und nahm erstmals eine gesellschaftlich wahrnehmbare Größe an. Anfang der 1980er wurden erste Moscheebauten genehmigt. „Spätestens Anfang 2000 entdeckten die politischen Parteien Muslime als Wählerpotential und bezogen Muslime in ihre Programme ein, die Medien gaben Muslimen vermehrt eine öffentliche Plattform für Meinungsäußerungen. Die gesellschaftliche Teilhabe wurde in den letzten 50 Jahren schrittweise ausgebaut und muslimische Positionen werden mittlerweile als selbstverständlich zur Kenntnis genommen34“ Dennoch besteht noch in vielen Lebensbereichen Handlungsbedarf. Trotz des türkisch geprägten Charakters ist zu beachten, dass die muslimische Gesellschaft nicht exklusiv türkisch ist und die Gleichsetzung der Muslime mit den Türken nicht der tatsächlichen Lage entspricht.Mit der Heterogenität der islamischen Migration weltweit und der wachsenden muslimischen Gemeinschaft, nahm die konfessionelle und kulturelle Vielfalt innerhalb der islamischen Gemeinde in Deutschland gleichermaßen zu. Seit den 1960er Jahren hat sich die Gesamtzahl der Muslime auf in Deutschland auf circa 4 Millionen Menschen erhöht und ihre Zugehörigkeit zumIslam ist mitunter ein Aspekt ihrer kulturellen Identität. „Menschen sind in ihrer seelischen und geistigen Verfassung, also in Bezug auf ihre Identität und ihre Weltbilder, nicht durch die Zugehörigkeit zu Staaten, sondern durch lokale Kulturen geprägt. Ähnlich ausgerichtete lokale Kulturen gruppieren sich zu übergeordneten Zivilisationen. Auch Muslime verinnerlichen ihre Weltanschauungen durch ihre familiäre Sozialisation und ihre soziale Umwelt. 34 Schmid, 2010: 22 136 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Trotz der bereits angesprochenen lokal-kulturellen Vielfalt im Islam gibt es eine einheitliche islamische Weltanschauung. Kurz: Die Muslime in Europa gehören weltanschaulich zu islamischen Zivilisation.“35 Ebenso hat auch Deutschland als ein europäisches Land eine eigene säkular geprägte, kulturelle Identität, die nicht-islamisch ist. Wenngleich die Integrationganz oben auf der politischen Tagesordnung steht, hat sich weder die deutsche Politik und Gesellschaft bis heute als integrationsfähig, noch die muslimische Bevölkerung in Deutschland als integrationswillig erwiesen. Die Integrationsdebatten nehmen eine Form der Polarisierung an. Sind wir uns der Bedeutung dieser Aussage bewusst,wenn wir sie so aufschreiben und was folgt daraus? Die deutsche Suche nach einem islamischen Gesprächspartner scheint ein Konzept für eine Politik der Integration zu ersetzen. Jede deutsche Islam-Politik muss aber folgende Basis-Probleme und Gegebenheiten berücksichtigen und daraus Konsequenzen bei der Erstellung der erforderlichen Konzepte ziehen36: 1) Die islamische Gemeinde ist vielfältig geworden und nicht mehr exklusiv türkisch. Ein Drittel der in Deutschland lebenden Muslime sind sprachlich und kulturell keine Türken. Dies zwingt zu einer neuen Sicht der Problematik und zur Aufgabe der Gleichsetzung des Islams mit den »den Türken«. 2) Die islamische Gemeinde in Deutschland besteht nicht exklusiv aus Sunniten […], so dass der von sunnitischen Islamisten getragen Islam-Rat nicht für alle Muslime sprechen kann. 35 36 Tibi, 2000: 64f Tibi, 2000: 14f 137 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 3) Entsandte Lehrer aus dem Ausland sind ein Hindernis für die Integration a) weil sie die Probleme der hier geborenen Kinder und die Gesellschaft nicht kennen und b) weil sie Instrumente ihrer fremdstaatlichen Herkunfts-Institutionen zur Einwirkung auf die IslamGemeinde in Deutschland sind. 4) Eine einheitliche Islam-Gemeinde kann es unter Anerkennung des Grundrechts auf Glaubensfreiheit in Deutschland nicht geben a) weil die Moschee ein Gebetshaus für alle Muslime und keine einheitliche Kirche ist und b) weil es eine große religiöse Vielfalt im Islam gibt, der kein »Rat« und keine Institution Rechnung tragen kann. 5) Jenseits des konfessionellen und ethnischen Zwists innerhalb der Islam-Diaspora kann der Islam nach einer liberalen Interpretation in Einklang mit der säkularen Demokratie stehen. Islamismus und Orthodoxie stehen dagegen in Kontrast, ja in Konflikt mit jeder säkularen Demokratie, mit den individuellen Menschenrechten und einer pluralistisch aufgebauten Zivilgesellschaft. Diese Einschätzung ist für den Islam-Unterricht von höchster Relevanz und zwingt zu entsprechenden Konsequenzen. Die heutige Realität ist, dass etwa 5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland dem muslimischen Glauben angehören. Ein Großteil dieser rund 4 Millionen Menschen kam im Zuge der Anwerbungsmaßnahmen in den Jahren des 138 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları „Wirtschaftswunderlands“ Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren nach Deutschland. Wie es der bezeichnende Begriff „Gastarbeiter“ aussagt, ging man seinerzeit – und aus heutiger Perspektive blauäugig – davon aus, die Menschen würden einige Jahre als Arbeitskräfte bleiben und dann wieder in ihre Heimat zurückkehren. Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch brachte die Problematik mit dem viel zitierten Diktum auf den Punkt: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“ Mit der Verlagerung des Lebensmittelpunktes nach Deutschland wurden die deutsche Gesellschaft und die muslimischen Migranten vor neuen Herausforderungen gestellt und der muslimisch-christliche Dialog gewann innenpolitisch betrachtet eine neue Dimension. Es dauerte bis zum Jahr 2010, als mit Christian Wulff ein deutscher Bundespräsident feststellte, dass der Islam inzwischen zu Deutschland gehöre – eine Aussage, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahrzehnten die gesellschaftliche Realität in Deutschland widerspiegelte. Mittlerweile ist die Integration von Migranten wieder verstärkt Thema der politischen Debatte. Besonders die Kommunen erwarten von Bund und Ländern Lösungsvorschläge für die zahlreichen Herausforderungen und Probleme. Wenn in 20 Jahren die Mehrheit der Menschen unter 50 Jahren – in vielen kleineren und größeren Städten – einen Migrationshintergrund hat und wenn ein großer Teil dieser Mehrheit immer noch • Deutlich schlechter deutsch spricht, • Deutlich weniger qualifizierte Ausbildungs- und Arbeitsplätze hat • Und so deutlich unterrepräsentiert ist in gesellschaftlichen Organisationen wie Sportvereinen, Rettungsorganisationen, sozialen und kulturellen oder politischen Initiativen und Gruppen. Die außenpolitischen Beziehungen mit der islamischen Welt wurden zunehmend zu einem wichtigen Aspekt der Innenpolitik und der interreligöse Dialog ist auch heute noch unbeantworteten Fragen hinsichtlich eines friedlichen Zusammenlebens ausgesetzt. In wieweit kann die islamische Lebensweise der muslimischen Gruppen in die säkular geprägte, christliche Gesellschaft inkludiert werden und wie kann das 139 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Miteinander glücken? In diesem Sinne sollte nach einer Bestandsaufnahme der heutigen Situation und im Rahmen einer wissenschaftlichen Aufarbeitung auch die Frage gestellt werden, in welchen Bereichen des Alltags sich das christlichmuslimische Leben immer mehr als schwierig erweist und wie sich die Zukunft besser gestalten lässt. Für eine zukunftsorientierte Perspektive ist der Schwerpunkt, wie anfänglich dargelegt, auf die gesellschaftlichen Prozesse und auf interreligiöse Begegnungen im gewöhnlichen Alltag zu setzen. In welchen Lebensbereichen und sozialen Feldern (Moschee-Entwicklung, Kindergarten, religiöse Unterrichtung muslimischer Kinder, Altenpflege, Krankenhausaufenthalt (ambulant und stationär – muslimische und gemischte Einrichtungen), Begräbnispraxis (getrennte und gemeinsame Friedhöfe, islamisches Bestattungsritual), soziale Kontrolle in muslimischen Gemeinschaften) gibt es beispielsweise weiterhin Handlungsbedarf. Die christlich-muslimische Dialoglandschaft wird in den letzten 30 Jahren in bundesweiten Dachverbänden, sowie in Stiftungen und verschieden Initiativen für den interreligiösen Dialog organisiert. Die Islamwissenschaftlerin Melanie Miehl versuchte bereits 2005 auf einer Fachtagung zu „Islam und Deutschland“ den Fokus von Gesprächen über "missglückte" Integrationsbemühungen auf das gelungene Miteinander zu richten. Um diese Thematik kurz anzuschneiden, bietet sich daher der Beitrag „Begegnung von Muslimen und Christen in Deutschland“ von Miehl, die selber 2003 bis 2008 zu einer der christlichen Vorsitzenden des Dachverbands Koordinierungsrat des christlich-islamischen Dialogs in Deutschland (KCID) angehörte, an. Miehl verschafft einen Einblick in das zivilgesellschaftliche interreligiöse Engagement anhand unterschiedlicher Vereinigungen sowie bundesweiten Dachverbänden von Dialoginitiativen37. Wichtig sei es aber, „dem Dialog auf Bundesebene eine Stimme zu geben, wie sie bisher leider gefehlt hat. 30 Jahre Erfahrung im christlich-islamischen Dialog können so für Politik und Gesellschaft, Kirchen und muslimische Organisationen erschlossen werden“38 37 38 Miehl, 2005: 164ff Miehl, 2005: 168 140 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 10.3 EuroIslam und EuroMuslime a) Die Ablehnung einer traditionellen, überkommenen Scharia Knapp 21 Millionen Muslime die innerhalb der Europäischen Union leben weichen natürlich von den traditionellen islamischen Staaten ab. Diese Personen wollen nicht nach den Scharia Gesetzen wie in Saudi Arabien oder andere Staaten Leben. Die sind Bestandteileiner säkularen Gesellschaft und sind loyal zu den Verfassungen des Landesund die kann man vergleichen mit den islamischen Staaten wie die Türkei Indonesien oder aber Tunesien. b)Das Prinzip der Säkularität Da die über fast 25% der Euromuslime aus der Türkei stammen und seit 1924 Bestandteil des säkularen Systems sind haben auch von ihrem Heimatland her die Säkularität voll akzeptiert und oder stark akzeptiert und an ihre Kinder übertragen. Man kann diese Aussage auch für diejenigen sagen die aus den Maghreb Staaten stammen wie Tunesien und Algerien.Natürlich war diese Säkularität auch bei dem alten Jugoslawien unter Tito auch ein Bestandteil der Gesellschaftd.h. die Säkularität aus den Heimatländer sind auch in den jeweiligen EU Staaten gepflegt worden. c) Kompatibilität islamischer Lebensweisen mit den Normen der Industriegesellschaft Migration aus islamisch geprägten Staaten fing im Jahre 1961 mit dem Ankara Abkommen an. Die Migration ist teilweise von industrialisierten Regionen derTürkei oder Exjugoslawien gekommen und sie haben natürlich die Normen der Industriegesellschaft teilweise aus ihren Heimatland gesehen aber haben sehr stark bei ihrem Leben während der 60er Jahre in den Industriegesellschaften Deutschland Frankreich oder Österreich voll akklimatisiert. Die haben nach den Grundsätzen der Industriegesellschaft d.h. Arbeitszeiten werden nicht durch islamische Angelegenheiten wie beten oder fasten unterbrochen. d) Treue zu verfassungsmäßigen Ordnung der Aufnahmeländer und Zustimmung zu Demokratie und Pluralität Die Bekenntnis und Treue an die verfassungsmäßige Ordnung der Aufnahmeländer ist für ein friedliches Zusammenleben erforderlich. Die Akzeptanz der Demokratie und 141 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları der Pluralität der Aufnahmeländer sind ein Bestandteil der westlichen Ordnung, die in muslimisch geprägten demokratischen Staaten von den Migranten teilweise bekannt ist. Diese Treue an die Ordnung wird oft durch die Aufnahmeländer betont, da einige Migranten sich mehr an ihre Heimatländer gebunden fühlen. e)Abnehmende Solidarität in der Generation der Industriegesellschaft Traditionsmäßig haben die Migranten, die nach Europa gekommen sind ihre Solidarität mit ihren Eltern ausgeübt d.h. muslimische Migranten haben auch die Pflege ihrer Eltern in ihrem Heimatland übernommen. In der Industriegesellschaft stellt man fest, dass die Zahl der Familien immer kleiner wird. Zurzeit beträgt die Zahl der Personen pro Familie bei den türkischen Migranten in Deutschland 3,4. Nach einer Untersuchung der TAVAK-Stiftungmit katholischen,griechisch-orthodoxen und muslimischen Migranten d.h. Italiener,Griechen und Türken war es festzustellen, dass 57% der älteren Italiener im Notfallin ein Altersheim gehen würden. Bei der älteren Generation der türkischen Migranten betrug dieser Anteil nur 7% aber als man die gleiche Frage jungen türkischen Migranten gefragt hat, hatten 28% der muslimischen jugendlichen gar nichts dagegen, wenn ihre Elternin einAltersheim gehen. Der Solidaritätskonflikt der Generationen steigt durch die Integration in die Industriegesellschaften der jungen Migranten. In Frankreich kann man dies sehr gut beobachten, da die muslimische Migranten aus den Maghreb Staaten sich von der kollektiven Natur ihrer älteren Generation abwenden und die individualistische Industriegesellschaft aneignen. 142 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 10.4Euro-Islam als empirischer Tatbestand Es muss betont werden, dass die quasi zwanghafte Modernisierung der muslimischen Bevölkerung in Deutschland eben so wenig in einer Verfestigung eines traditionellen Religionsverständnisses wie in einer Abkehr vom Islam resultierte – die Modernisierung und das Leben in der Migration haben vielmehr zu religiöskulturellem Wandel geführt. Wo dieser Wandel nicht stattfindet, scheint sich indessen eher die Annahme der Abhängigkeit statischer (oder sogar sich vertiefender) traditionell-religiöser Orientierungen von der schlechten Teilhabe an den gesellschaftlichen Ressourcen und Prozessen in Deutschland zu bestätigen […] als die Behauptung eines Islamismus als Speerspitze einer alternativen Modernisierung. Insofern finden die jungen Attentäter des 11. September auch keine Entsprechung in den soziodemographischen und sozioökonomischen Zusammenhängen mit dem Religionsverständnis der muslimischen Migranten in Deutschland. Dies bedeutet, dass eine aktive Förderung eines europäischen, pluralistischen Islam bei den muslimischen Migranten in Deutschland auf fruchtbaren Boden fallen würde und damit aus integrationspolitischer Sicht mehr als lohnen erscheint. Bestimmte normative Forderungen wären an einen solchen "Euro-Islam" zu stellen. Er müsste auf fünf Säulen fußen: der Ablehnung einer traditionellen, überkommenen Scharia, dem Prinzip des Laizismus, der Kompatibilität islamischer Lebensweisen mit den Normen der Industriegesellschaft, Treue zur verfassungsmäßigen Ordnung der Aufnahmeländer und Zustimmung zu Demokratie und Pluralität. Das Potential für einen europäischen Islam ist also vorhanden. Allerdings wird auch deutlich, dass in der Realität noch immer ein Spannungsfeld zwischen Religiosität und Integration verbleibt. Diese zu schließen ist eine wichtige Aufgabenstellung sowohl für die deutsche Politik wie auch die islamischen Gemeinden. Letztere müssen sich verstärkt einer Theologie zuwenden, die die veränderte Lebenswirklichkeit der Muslime aufgreift und sie nicht in einen Spagat zwischen Islam und Moderne zwingt. Flankiert werden muss eine solche Entwicklung durch eine möglichst weitgehende Gleichstellung des Islam und Muslime in Deutschland. […] 143 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Der Islam in Europa weist in den unterschiedlichen Aufnahmeländern sehr unterschiedliche, herkunftsspezifische Ausprägungen auf. Ob die sich in der Zukunft in der Migration herausbildenden, authentischen und neuen Formen des Islam tatsächlich auch eine Annäherung der Muslime in Europa an einen gemeinsamen Euro-Islam bedeuten werden oder ob dieser zunächst eine normative Setzung bleibt, ist noch offen. Aber eines ist sicher: Es gibt Bewegung, und diese Bewegung deutet für die absolute Mehrheit der Muslime nicht in Richtung der Einigung unter dem Dach von Fundamentalismus oder Islamismus. 144 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları 11. Resümee der Forschungsauswertung Der Euro-Islam und Islam in der Diaspora Am Ende der Untersuchung sollte die Theorie vom Euro-Islam geprägt werden. Es gibt auf der Welt 57 islamisch geprägte Staaten, die bei islamischen Koordinierungskreisen organisiert sind, aber der Islam variiert von Staat zu Staat sehr stark voneinander. Unabhängig von den Staaten sind die Regierungen für den Islam maßgebend. In einer Stadt wie Essen, in der 20.000 türkischstämmige MuslimInnen leben sind 17 Moscheevereine vorhanden, während der Moscheebau in Aserbaidschan seit 1991 nach dem Zerfall der Sowjetunion und jahrelanger Verdrängung des Islam erst in den letzten Jahren angestiegen ist. Beim Euro-Islam ist es indes möglich einen Wandel festzustellen. In der Europäischen Union, in der 21 Million Muslime leben, darunter 5,4 Millionen Türken und Araber aus den Maghreb-Staaten, stellen wir fest: 1. Nicht alle Migranten islamischen Glaubens sind Anhänger der Scharia. Es existiert an einen Alltag und an die heutige Zeit angepasstes Islamverständnis. Eine Distanzierung von den Scharia-Gesetzen unter den muslimischen Migranten. 2. Daraus ergibt sich, dass die Mehrheit der in Deutschland lebenden MuslimInnen zu den Verfassungen des Staates in der sie leben loyalist und die Gesetze achten. 3. Die Solidarität in der Industriegesellschaft unter Generationen geht verloren. Selbst wenn die ältere Generation muslimischerMigranten das Altersheim nicht als eine Option wahrnimmt, hat die dritte Generation muslimischerKinder keine Einwände gegen eine Pflege in einem (interreligiösen, interkulturellen) Pflegeund Altersheim. Daraus folgt, dass die in Deutschland aufwachsende Generation mit Migrationshintergrund nicht zwangsläufig an anatolische, arabische und traditionelle Familienstrukturen gebunden ist. 4. Es ist maßgebend das in Industriegesellschaften nach den Normen gelebt wird, sodass den Gebetszeiten fünf Mal täglich nicht regelmäßig nachgegangen werden kann.Im Gegenzug wächst die Bedeutung am Freitagsgebet; das 145 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları zugleich den Zusammenhalt und das Gemeinschaftliche symbolisiert. Auch die Fastenzeit (Ramadan) und das Opferfest (Kurban Bayrami) werden von den muslimischen Migranten befolgt. Der Kern desIslam ist auch unter den MuslimInnen in Deutschland derselbe geblieben, aberes ist eine Werteverschiebung festzustellen. In der Diaspora nehmen muslimische Migranten ihre Werte mehr in Anspruch und die Grundpfeiler des islamischen Glaubens werden konsequenter befolgt.Aber diesen Zustand als integrationshindernd zu bezeichnen wäre nicht korrekt. Als Beispiel sind die muslimischen Organisationen zu erwähnen, die jährlich während dem Fastenmonat Ramadan bundesweitchristlichmuslimische Fastenbrechen in unterschiedlichen Einrichtungen organisieren und sich für die Integration aktiv und offensichtlich einsetzen. Feindbild Islam Bis zum Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeitserklärung der einzelnen Sowjetstaaten im Jahre 1991, prägte die UdSSR das Feindbild des Westens. Nach dem sich dieses Feindbild nach der Ära Gorbatschows zu einem Freundbild entwickelt hat, brauchte der Westen ein neues Feindbild. Mit der FIS in Algerien, Muslimbrüder in Ägypten, Al Qaida in Afghanistan, dem Chomeini im Iran, sowie der Hamas im Libanon und der Necmettin Erbakan Bewegung in der Türkei, wurde und wird dieses Feindbild bis heute nachhaltig geprägt. Einerseits ist der Islam durch den 11. September 2001 in den letzten 10 Jahren in einen Generalverdacht geraten, anderseits hat aus dem Blickwinkel von 2014 der islamisch begründete Terror enorm zugenommen. Die Islamisierung und als bestes Beispiel die jüngsten Erdogan-Aussagen zur Stellung der Frau und dass der Westen die Muslime und ihre Kinder nur tot sehen wollen, hinterlassen in Deutschland prägende Wirkung und verstärken die Abwehr und das Kopfschütteln bei aufgeklärten Menschen. Nach Putin steht Erdogan als Staatsoberhaupt der Türkei an zweiter Stelle der am meist kritisierten Politiker. Angefangen von seinen Äußerungen in der Türkei oder seiner teilweise antidemokratischen Haltung (als die jüngsten Ereignisse die Proteste um den Gezi-Park) trifft die Politik vom Staatspräsidenten Erdogan in den deutschen Regierungsreihen auf Ablehnung. Auf der anderen Seite wurde festgestellt, 146 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları dass der Stimmenanteil von Erdogan bei türkischen Muslimen bei über 72 Prozent liegt. Viele der in Deutschland lebenden (türkischstämmigen) Muslime identifizieren sich mit Erdogan. Bei dieser Entwicklung spielt die Vernachlässigung der deutschen Regierung gegenüber den Migrantengruppen, die Nazi-Morde die jahrelang nicht entdeckt worden oder fragwürdige Brandfälle, wie der letztere in Ludwigshafen eine entscheidende Rolle. Die weitgehend passive Haltung, die Angela Merkel und Ihre Koalition in solchen Fällen beibehalten, führte bei muslimischen Migranten zu einer Abkehr gegenüber der deutschen Politik. Erdogan wie auch die Islamverbände mit ihrem Bekämpfen liberaler Islamwissenschaft – am Beispiel des Prof. Chorchide an der Uni Münster sind Wasser auf die Mühlen von Angstmachern vor dem Islam und zeigen den vorhandenen Wertekonflikt wie Tibi ihn auch beschreibt.Seit Tibis Thesen hat sich der von ihm beschriebene Konflikt im Sinne eines zivilisatorischen Konfliktes zwischen dem Islam und der Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts verschärft. Noch immer wirkt der Islam als rückständig und mit der Demokratie, sowie den Menschenrechten als nicht vereinbar. Die religiöse Zugehörigkeit zum Islam wird zunehmend mit Terror, Gewalt, Frauenunterdrückung und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gesetzt, da die Medien den Kontext für eine negative Wahrnehmung des Islam liefern. Die Erwartungshaltung in Form einer Distanzierung vom Islam, auch unterbreitet von den Medien, hat sich nach den Terrorbewegungen in der Gesellschaft festgesetzt. Von den einflussreichen islamischen Organisationen und muslimischen Verbänden erwartet man insbesondere eine Reformierung des Islam. Im Grunde ist diese Haltung ein Maßstab für die Außenwahrnehmung des islamischen Glaubens. 147 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Transparenz des Islam Dennoch kann die Mehrheitsgesellschaft keine Reformen bezüglich der Religion einer Minderheit erwarten. So wie man von griechisch-orthodoxen Christen und von Juden nicht verlangen sollte ihre Religion zu ändern, kann man so was von den muslimischen Migranten in der Diaspora nicht verlangen. Es muss zwischen Terror und dem im Alltag praktiziertem Glauben klar unterschieden werden. Was man von den Muslimen verlangen kann, um einige Beispiele genannt zu haben, ist, dass sie sich so weit öffnenMischehen zwischen Geschlechtertrennung bei zwei Religionen ärztlichen zu tolerieren Behandlungen und absehen. von einer Derartige Hemmschwellen sollten und müssen in der Tat überwunden werden.Bei Christen, Juden und Muslimen ist es grundsätzlich, dass sichbeide Gesellschaften in ihrer religiösen Zugehörigkeit akzeptieren. Man sollte immer die Theorie von Gotthold Ephraim Lessing in „Nathan der Weise“ in der Nibelungen Aussage bringen: " welcher Ring ist der richtige von den drei Ringen". Entweder sind alle drei falsch oder alle drei sind richtig. Wir gehen davon aus, dass alle drei richtig sind. Als Mehrheitsgesellschaft kann von MuslimInnen verlangt werden, dassich der Islam und die muslimischen Migrantender Mehrheitsgesellschaft öffnen und sich von der Mehrheitsgesellschaft nicht verbergen. Der Islam muss in der Diaspora mehr an Transparenz gewinnen. 148 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Forschungs- und Handlungsempfehlungen Die TeilnehmerInnen verdeutlichen, dass Gesprächskreise häufig nur unter ExpertInnen und FunktionsträgerInnen in Form von exklusiven Veranstaltungen stattfinden. Gesprochen wird über die Lebenswelten bestimmter Personen, jedoch nicht mit den betreffenden Menschen. Eine Sozialraumbegehung mit NichtFunktionsträgern und unter Vermeidung einer dichotomen Aufteilung, d.h. mit Personen unterschiedlicher Kultur, Ethnizität und Religionszugehörigkeit sowie soziokultureller Milieus des jeweiligen Quartiers könnte dazu dienen, Menschen zu erreichen, die an institutionellen oder universitären/hochschulischen Programmen nicht teilnehmen und deren Lebenswelten zu erkunden und gemeinsam zu gestalten. Man muss davon ausgehen wenn jetzt junge Türken oder andere Muslime an deutschen Hochschulen im Religionsbereich ausgebildet werden, werden sie den Euroislam näher kennenlernen und pflegen. In jedem Falle soll islamischer Religionsunterricht gewährleistet werden und die Lehrer sollten möglichst in Deutschland ausgebildet sein. Wenn muslimische Studenten im Studium Religionslehrer oder islamische Religionstheorie als Hauptfach wählen, könnten sie eine bessere Struktur des Islams durch ein Curriculum verwirklichen. Das heißt, wenn der Islam als Religionsunterricht anerkannt wird, soll das Curriculum nicht komplett aus dem Senderland stammen, aber auch nicht nur aus Deutschland kommen, sondern eine Curriculum-Entwicklungsgesellschaft sollte mit 15 Personen erstellt werden. Fünf Personen aus den Herkunftsländern, fünf Experten aus Deutschland und fünf Migranten aus Deutschland. Dadurch, dass die neue Generation in Deutschland aufgewachsen ist und die Religionslehrer, sowiedie Imame in Deutschland ausgebildet worden sind, kann das Curriculum erstellt werden und sich besser etablieren. In diesem Zusammenhang können Einrichtungen des Sozialwesens auch als Vermittler zwischen (Kommunal-) Politik und BürgerInnen in den Stadtteilen fungieren: Die Zieldivergenzen bspw. den Bereich Schule betreffend könnten in einem weiteren Themenworkshop „Was kann die Schule zur interkulturellen Gemeinschaftsbildung beitragen?“ mit SchulpolitikerInnen und BürgerInnen aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen bearbeitet werden.Die Kontakte und kulturellen Kenntnisse 149 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları zwischen Migranten und Deutschen in Nordrhein-Westfalen sind angesichts des hohen Migrantenanteils gering. Hier ist zu prüfen, welche Informationen, Angebote und Veranstaltungen die jeweils "andere Gruppe" erreichen, beziehungsweise verfehlen und entsprechend die positiven Effekte nachzubessern. Institutionen, Organisationen und Vereine beider Seiten müssen die jeweils andere als Zielgruppe begreifen und sie auf dieser Basis erreichen. Religiösen Einrichtungen kommt hier besondere Verantwortung zu. Das multikulturelle NRW lässt sich, gegebenfalls in der Erweiterung des Slogans „Zusammenleben ist das Ziel“, zu einer Großkampagne aller Bereiche bündeln und ins Stadtmarketing einbinden und als positiv konnotiertes Merkmal nach außen tragen.„Zusammenleben ist das Ziel“ sollte als Integrationsbegriff und Symbol von interkultureller Gemeinschaft auch in anderen Bereichen Verwendung finden und kann als Marke eine Stadt, Zukunftsausrichtung und einzelne Projekte zusammenfassen und auf die Gesellschaft übertragen. Sowohl Feste von Deutschen als auch Feste von Migrantenorganisationen müssen ihre Angebote so gestalten, dass unterschiedliche Kulturen in ihren Bedürfnissen angesprochen werden. Für eine Initiative der Institutionen und Verbände ist in den nächsten Jahren gezieltes Handeln erforderlich. Neben den religiösen Einrichtungen kommt den Medien, Bildungseinrichtungen, Kindergärten, dem Einzelhandel, sowie Vereinswesen und Unternehmeneine große Bedeutung zu. So könnten Unternehmen und Betriebe von Migranten stärker in die wirtschaftliche Strategie, Ausrichtung und den Austausch untereinander (z. B. Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Rotary etc. ) eingebunden werden und sich dort engagieren. Neuinvestitionen von Migranten in der Region sollen mit ausländischen Arbeitgebervereinen besprochen werden damit zukünftig qualitative hochwertige Betriebe entstehen. Die Stadt und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft könnten eine gezielte Strategie für die Förderung einer Migrantenökonomie entwickeln und zunächst eine Bestandsaufnahme zu Zahl, Struktur, Umsatz, Mitarbeitern und Förderbedarf durchführen.Im Bereich der Wirtschaftsgesellschaft und solltenMigranten motiviert werden, sich selbstständig zu machen und für die Stadt (als 150 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Standort) zu engagieren. Im Medienbereich können spezielle Volontariate, Trainees, Hospitanten und Praktika bei lokalen Zeitungen einen entsprechenden Input für die Redaktion bewirken und gleichzeitig die Zeitung als Medium in die Haushalte bringen.Neue Modellprojektemüssen im Bereich der Medien gemeinsam entwickelt werden. Darüber hinaus können Medien Leser, Hörer und freie Mitarbeiter mit Migrationshintergrund über eine sensible Themenauswahl gewinnen. 151 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Das Projekt: „Islam 2030“ „Islam 2030“ konnte im Hinblick auf die Forschungsfrage nach dem „muslimisch nicht-muslimischen Zusammenleben im Jahr 2030“ darstellen, dass die Zielgruppe des Projekts durchaus auch positive Entwicklungen und Ressourcen sieht; gleichzeitig existieren Barrieren und Hemmschwellen, die ein fortschrittliches Zusammenleben in Teilen behindern, die aber anders als in der öffentlichen Wahrnehmung mitunter vermutet und durch einige Forschungsarbeiten scheinbar bestätigt, nicht oder nicht ausschließlich kausal mit der muslimischen Glaubenskultur zusammenhängen. Das wurde durch die „breite“ Untersuchung der Differenzkategorien und Klassifikationsübertragungen zwischen Erstgenannten deutlich: Eine Erkenntnis, die ggf. noch hätte erweitert werden können, wenn nicht auch der Workshop - trotz des scheinbar vorteilhaften Ansatzes MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen gemeinsam zu befragen - noch ein zu exklusiv institutionelles Moment unter FunktionsträgerInnen dargestellt hätte. Der Appell des „Islam 2030“-Teams lautet daher: Interkulturelle Sozialforschung und Migrationsarbeit muss unmittelbar in die Lebenswelten und Sozialräume einsteigen. Gesamtauswertung der wesentlichen Ergebnisse Die Auswertung der quantitativen und qualitativen Fragebögen, sowie die Ergebnisse der offenen Diskussionsrunden von MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen sind Grundlage dieses Forschungsprojektes, da sie neben statistischen Ergebnissen auch praktische Erfahrungen/ Erkenntnisse aus dem alltäglichen Zusammenleben liefern. Die Gesamtbewertung der Befragung stellt Wünsche und Forderungen an die Zivilgesellschaft sowie die an die Politik dar. Wie können diese Konflikte entschärft bearbeitet und tolerant gelöst werden? Es wird zum einen im Bereich Schule und Bildung gefordert, dass die Schule nicht nur als Bildungsort fungieren soll, sondern auch einen Ort für Gemeinschaftsbildung ausmacht sowie für kulturelle Aufklärung und Sensibilisierung agieren soll. Häufig handeln Schulen laut Fragebogenauswertung in den befragten Städten nicht aus Eigeninitiative und dieses Verhalten versäumt es das Potential zu nutzen, um über 152 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları anderskulturelle, -ethnische und religiöse Phänomene aufzuklären. Die Klassengröße und die damit verbundene Gemeinschaft stellen optimale Bedingungen zum Zusammenleben dar. Der Fokus liegt hierbei auch darauf, die kulturelle Auseinandersetzung in dem genannten Kollektiv zu fördern. Die junge Generation in der Gesellschaft welche sich durch Normen und Werte definiert, ist objektiv und ohne jegliche Präjustiz. Die Mehrheit der Nicht-Muslimen prognostiziert bei einem fehlenden Halt innerhalb des Gesellschaftssystems ein sozial auffälliges Verhalten bei den Muslimen. Diese Hypothese könnte zu einer Diskussionskultur führen, welche den kulturellen Austausch verstärkt. Außerdem wird von den Befragten der Wunsch geäußert Migranten in die säkular geprägten Feste und Rituale besser zu integrieren und in Bezug auf diese Annahme Rücksicht, auf ihrer Kulturbedingten und religiös geprägten Eigenschaften zu nehmen. Um den kulturellen Austausch fördern zu können wird von vielen Befragten sowohl von Muslimen als auch von Nichtmuslimen immer wieder der Wunsch nach einem internationalen Kulturzentrum geäußert, um das Entwicklungshemmnis in Bezug auf das Miteinander, aufzulösen welches in vielen Bereichen vorhanden ist. Die Zukunft kann nur unter Einbeziehung und Aufarbeitung der Vergangenheit stattfinden, diese Fiktion macht deutlich, dass das Integrationsproblem politisch-strukturell und nicht in der muslimischen Kultur begründet wird. Daneben wird von vielen Elternteilen der Wunsch bekundet, Konfessionen und Religionsgemeinschaften neu auszurichten und mehr zugänglich zu gestalten. Um den Bildungspolitischen Bereich auszuweiten und gegenwartsbezogen zu gestalten, gilt es die Lehrpläne und Schulbücher dementsprechend zu assimilieren. Zudem treten teilweise durch ethnische, -religiöse und kulturelle Differenzen Spannungen zwischen den Gesellschaftsgruppen unterschiedlicher Herkunft auf. Zum anderen wird im Zusammenhang von Politik und Arbeitsmarkt von vielen Teilnehmern ausgesprochen, dass die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt entsprechend den politischen Leitlinien verändert werden sollen, welche Richtlinien im Einzelnen gemeint sind, geht aus der Befragung nicht hervor. Ein weiterer relevanter Punkt ist, die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt. Im Zuge dessen 153 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları strebt die Gesellschaft das Ziel an, einen sogenannten „Nachteilsausgleich“ einführen zu wollen. Final soll dies zur Erleichterung führen bezüglich der Einstellungstests für Nichtdeutsche. Eine weitere Ambition in dem Bereich soll die Einführung von anonymisierte Bewerbungen sein und die Beschäftigungsquote für Migranten. In Bezug auf Gremien wird gefordert, dass auch dort mehr Rücksicht auf Migranten genommen werden soll und sie zudem in die politische Arbeit miteinzubinden. Bisher ist dies laut Interviewfragen nicht der Fall, immer wieder werden Muslime aus Gremien ausgeschlossen. Des Weiteren wird der interkulturelle Kontakt im Bereich der Medien in Frage gestellt. In diesem Kontext wird von den Befragten eine objektive statt subjektive Berichterstattung erwartet. Die muslimischen Befragten sind der Meinung, dass dadurch eine sensible Themenauswahl rund um den Islam erfolgen muss, um die Objektivität zu stützen. Aber nicht nur in dieser Sektion ist Toleranz ein wichtiger Bestandteil, sondern in allen öffentlichen Bereichen. Im öffentlichen Bereich wird seitens der Nicht-Muslime an die sozialen Netze der Migranten und ihre zunehmende Bedeutung für die lokale Ökonomie als Unternehmer und Immobilienbesitzer appelliert, die Basis für eine intensive Mitwirkung in der Stadtteilentwicklung zu sein. Um dieses Postulat erfüllen zu können muss die muslimische Gemeinschaft ihre Verbände und Einrichtungen öffentlich zugänglich machen und die deutsche Leitkultur miteinbeziehen, zum Beispiel durch deutschsprachige Angebote. Die Aufgabe Angebote zur Kommunikation und Begegnung und zum interkulturellen Dialog zu schaffen liegt laut Aussagen bei der Stadt NRW. Allerdings betrachten die Teilnehmer diese Annahme als kritisch denn es sei zweifelhaft ob sie auch die Migranten erreichen. Die Auswertungen der Umfragen haben weiterhin ergeben, dass engagierte Bürgerinnen und Bürger bei der Selbstorganisation, Projektentwicklung und Umsetzung subventioniert werden wollen. In den Sektoren in den es bereits funktionierende Netzwerke gibt, trägt das bürgerschaftliches Engagement maßgeblich zur erfolgreichen Stadtteilentwicklung bei. Ein großes Thema sowohl bei der Befragung als auch bei den Interviews war Gesundheit und Pflege. Speziell die Muslime äußern ihre genaue Vorstellung zu dieser Thematik. Sie befürworten, dass mehr Wert auf die Ausbildung in diesem Komplex 154 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları gelegt werden soll. Der Fokus liegt darin, die religiösen Gegebenheiten zu achten und zu wahren. In diesem Feld soll die Ausbildung Sensibilisieren und Aufklärung leisten. Viele der Befragten fühlen sich nicht dementsprechend behandelt und sehen dies als ein Hindernis in der christlich geprägten Gesellschaft. Gesundheitsförderung schränkt sich nicht auf den medizinischen Bereich ein, sondern muss auch an den Humanismus angepasst werden. Speziell für Muslime gilt es, Präventions- und Gesundheitsangebote sowie Programme zur Gesundheits- und Ernährungsberatung bereitzustellen. Die junge muslimische Generation sieht in den Hygienevorschriften, Ritualen und in der Kommunikation ein weiteres Defizit, welches es zu ändern gilt. Somit ist ein Ansatzpunkt gegeben, der zum nächsten umstrittenen Thema führt. Die Totenversorgung ist auch für die in NRW lebenden Muslime zu einem der wichtigsten Themen geworden, das geht aus den Befragungen in allen Städten hervor. Das Sterben der fast 4,3 Millionen Muslimen in NRW gehört mittlerweile auch dazu. Denn mit der letzten Ruhestätte, werden nachfolgende Generationen an das Auswanderland gebunden. Auch die Option von Angehörigen, den Toten in der „Fremde“ bestatten zu lassen, lockert die Bindung zur alten Heimat. Diese Hypothese bestätigen viele der Befragten. Elementar für die Überführung des Leichnams ins eigene Heimatland ist der Wunsch einer islamisch vorgeschriebenen Bestattungszeremonie. In Deutschland gilt im uneingeschränkt die Sargpflicht, wohingegen im Islam die Beisetzung im Leichentuch vorgesehen ist. Die neuere Entwicklung zeigt, dass Bundesländer wie BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen ihre Bestattungsgesetze überarbeiten und in Zusammenarbeit mit Friedhofsverwaltungen versuchen Muslimen in Deutschland Beisetzungen nach islamischem Brauch zu ermöglichen. Diese Entwicklung verläuft sehr progressiv und die muslimischen Befragten sehen dies als einen entscheidenden Prozess, der ihnen das Gefühl gibt, akzeptiert zu werden. In der Freizeitgestaltung begrüßen viele Befragte die positive Entwicklung im Bereich Fußball. Viele Jugendliche muslimischer Migranten sind aktiv in deutschen Sportvereinen tätig, weil sie dort unter anderen Jugendlichen sind und somit ihre 155 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Selbstverwirklichung ausleben können. Diese Modifikation lässt sich allerdings nur bei den männlichen Muslimen erkennen. Final lässt sich sagen, dass in vielen Milieus eine Veränderung festzustellen ist, welche die Befragten sowohl annehmen als auch ablehnen. Allerdings gibt es trotz der positiven Entwicklung noch einige Aspekte die unvermeidlich durch Projekte verbessert werden müssen, an vielen dieser Stellen gibt es noch Handlungsbedarf. 156 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Literaturverzeichnis: Tibi, Bassam,Euro-Islam: Die Lösung eines Zivilisationskonfliktes,WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 2009 Tibi, Bassam, Der Islam und Deutschland: Muslime in Deutschland, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 2000 Boztepe, Ahmet Fuat, Türken in Deutschland, in: Integration und Islam hrsg.: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Nürnberg 2006, online verfügbar: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/SchriftenreiheAsyl/schrif tenreihe-band-14.pdf?__blob=publicationFile, S.86-101 Hafez, Kai, Freiheit, Gleichheit und Intoleranz: der Islam in der liberalen Gesellschaft Deutschlands und Europas, Bielefeld 2013 Sen, Prof. Dr. Faruk; Sauer, Dr. Martina; Halm, Dr. Dirk, Euro-Islam. Eine Religion etabliert sich in Europa. Stand, Perspektiven, Herausforderungen, hrsg. Zentrum für Türkeistudien (ZfT), Essen 2004 Schmid, Michael, Christen und Muslime in der Schule, Möglichkeiten und Wege interreligiöser Begegnungen, Pädagogische Beiträge zur Kulturbegegnung Band 28. hrsg. von Johannes Lähnemann, EB-verlag Dr. Brandt, Berlin 2010 Forum für eine kultursensible Altenhilfe, Memorandum für eine kultursensible Altenhilfe, Ein Beitrag zur Interkulturellen Öffnung am Beispiel der Altenhilfe, 2009, Online verfügbar: http://www.bagso.de/fileadmin/Aktuell/Themen/Pflege/memorandum2002.pdf und https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/gesellschaftsoziales/integration/downloads/Leitbild/AK6/altenhilfe.pdf 157 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Haug, Dr. habil. Sonja; Müssig, Stephani; Stichs, Dr. Anja, Muslimisches Leben in Deutschland im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, Bundesamt für Migration und Flüchtlingen, Nürnberg 2009 http://dtj-online.de/deutschland-muslime-tod-friedhof-2136 http://dtj-online.de/muslime-baden-wuerttemberg-sargpflicht-23093 PariSozial Warendorf: Informationen zu den Projekten „Ahlen 2030“ und „Islam 2030“ www.parisozial-warendorf.de Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NordrheinWestfalen (Hrsg.), Muslimisches Leben in Nordrheinwestfalen, Düsseldorf 2010, Online verfügbar: http://www.mais.nrw.de/08_PDF/003_Integration/110115_studie_muslimisches_leben _nrw.pdf Haug, Sonja; Müssig, Stephanie; Stichs, Anja, Muslimisches Leben in Deutschland, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Nürnberg 2009 Zimmermann, Klaus, Ethnische Identität, in: Greive, Wolfgang (Hg.): Identität und Ethnizität, Evangelische Akademie Loccum, Rehburg-Loccum 1994, S.63-85 158 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Weiterführende Literaturhinweise: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen (Hrsg.), Muslime in der Mehrheitsgesellschaft: Medienbild und Alltagserfahrungen in Deutschland, Berlin 2009, Online verfügbar: http://www.svr-migration.de/content/wp-content/uploads/2013/03/MedienbildMuslime_SVR-FB_final.pdf Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Religionsmonitor 2013. Verstehen was verbindet. Religion und Zusammenhalt in Deutschland - Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick, o.O. 2013, Online verfügbar: http://www.religionsmonitor.de/pdf/Religionsmonitor_Deutschland.pdf Stiftung Zentrum für Türkeistudien (Hrsg.), Integrationsprozesse türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse der zwölften Mehrthemenbefragung 2011, Essen 2012 Tucci, Ingrid, Lebenssituation von Migranten und deren Nachkommen in Deutschland, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 2009, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2009, S. 200-207 Przyborski, Aglaja; Wohlrab-Sahr, Monika, Qualitative Sozialforschung: Ein Arbeitsbuch, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008 http://www.bpb.de/apuz/32367/neue-deutsche-postmigranten-und-bindungsidentitaeten-wer-gehoert-zum-neuen-deutschland?p=all Şen, Faruk; Dünya’da Türk Olgusu, İstanbul 2015 159 TAVAK –Türk-Alman Eğitim ve Bilimsel Araştırmalar Vakfı Yayınları Şen, Faruk; AB ile güncel ilişkilerimiz ve ekonomik kriz, Kalkedon Verlag, İstanbul 2014 Şen, Faruk; 2015 yılında yeni Irkçılık (New Racısm) Avrupa’daki Türkler için daha ciddi boyutlara erişebilir, İstanbul 2014 Şen, Faruk; Hristiyan ve Müslümanların barış içinde beraber yaşama şansları var mı? , Istanbul 2014 Şen, Faruk;2015 YILINDA YENİ IRKÇILIK (NEW RACISM) AVRUPA’DAKİ TÜRKLER İÇİN DAHA CİDDİ BOYUTLARA ERİŞEBİLİR, Istanbul 2014 Şen, Faruk; Avrupa’da yaşayan 21 Milyon Müslümana karşı düşmanlık artıyor Nazilerin saldırıları Müslüman ve Türk kitle ’de tepkileri beraberinde 28 ülke ve 505 Milyonluk nüfusu ile getiriyor, Istanbul 2014 Şen, Faruk; Mögliche Ansatzpunkte für ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen in säkular geprägten Gesellschaften, Istanbul 2014 160