Im Westen nichts Neues Remarque, Erich Maria Literaturfacharbeit Herr Sven Tschui Lendenbergstrasse 25 CH-8226 Schleitheim Berufsmaturitätsschule Winterthur 6MT09_7v Abgabe 07.01.2013 Abbildung 1: Auch der letzte Kamerad wird überredet, in den Krieg zu ziehen. Literaturfacharbeit 2 3. Januar 2013 Sven Tschui Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................... 3 1 Einleitung ........................................................................................................... 4 2 Zu Erich Maria Remarque .................................................................................. 5 3 Hintergrundinformationen ................................................................................... 7 4 Zusammenfassung der Handlung ...................................................................... 8 5 Besonderheiten ................................................................................................ 10 5.1 International ................................................................................................. 10 5.2 Buchverbrennung ........................................................................................ 10 5.3 Verfilmung ................................................................................................... 10 5.4 Musik ........................................................................................................... 10 6 Personenkonstellation ...................................................................................... 11 6.1 Bedeutung des Wir ...................................................................................... 11 6.2 Paul Bäumer ................................................................................................ 12 6.3 "Kat" Katczinsky .......................................................................................... 12 6.4 Kantorek ...................................................................................................... 12 6.5 Himmelstoss ................................................................................................ 13 7 Vertiefung – Die verlorene Generation ............................................................. 14 8 Schlusswort ...................................................................................................... 19 9 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 20 10 Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 21 3 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 1 Einleitung Als Aufgabe dieser Literaturfacharbeit galt es ein Buch zu analysieren und einen interessanten Aspekt daraus zu vertiefen. Im Folgenden befasse ich mich mit dem Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Der Roman erzählt die Geschichte des Frontsoldaten Paul Bäumer und verdeutlicht die mit dem Krieg verbundenen Leiden. Ich habe mich für diesen Roman entschieden, da mich die Auswirkungen des Krieges, auf die einzelnen Menschen und die Gesellschaft, interessieren. Der Krieg wird von einem Land geführt, aber von Menschen ausgetragen. Das Leid dieser Menschen wird in der Öffentlichkeit wenig bis gar nicht gewichtet. Es geht beim Krieg immer nur um die gesellschaftlichen Interessen. Aus diesem Grund finde ich Erich Maria Remarques Werk interessant. Es wurde verfasst, um den Menschen, die den Krieg befürworten, die Augen zu öffnen, was für Leid und Grauen sie damit anrichten. Aufgrund dieses Interessens war für mich die Fragestellung schon klar – Welche Auswirkungen hat der Krieg auf den Menschen? Das Ziel für die Vertiefung, den Hauptteil dieser Arbeit, war für mich darzulegen, welches Grauen mit dem ersten Weltkrieg angerichtet wurde. 4 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 2 Zu Erich Maria Remarque Erich Maria Remarque, geboren im Jahre 1898 als Erich Paul Remark, wächst zusammen mit seinen Schwestern in Osnabrück auf. Nach der Volksschule besucht er die “katholische Präparande” und beginnt anschliessend ein Studium, da er Volksschullehrer werden möchte.1 Am 21. November 1917 wurde Erich Maria Remarque im Alter von 18 Jahren in die Armee einberufen. Noch im selben Jahr hat er einen Einsatz an der Westfront in Dixmuide (Westflandern, Belgien) als Schanzsoldat. Während diesem Fronteinsatz stirbt seine Mutter. Nach nur sechs Wochen im Krieg wird er durch einen Granatsplitter verwundet ins Feldlazarett Thourhout eingeliefert und später ins St. Vincent-Hospital verlegt. Bis zum Ende des Krieges 1918 bleibt er im Hospital und arbeitet als Schreibkraft und Privatlehrer des behandelnden Arztes. Während dieser Zeit schreibt Remarque auch am Roman "Im Westen nichts Neues".2 Ab Mai 1921 unterzeichnet er seine Artikel mit dem Namen Erich Maria Remarque. Mit dieser Namensänderung möchte er den Namen seiner Mutter, Maria, ehren. Auch hebt er seine französische Herkunft mit der französischen Endung "que" heraus. Diese Namensänderung deutet auf eine Abneigung gegen Deutschland und wahrscheinlich vor allem gegen den von den deutschen begonnen Krieg.3 Sein Roman “Im Westen nichts Neues” wird in der Vossischen Zeitung 1928 als Vorabdruck veröffentlicht. In dieser Zeitung wird Erich Maria Remarque als “Einer aus der grauen Masse, einer von den Hunderttausenden, die als halbe Kinder dem Ruf zu den Fahnen freiwillig folgten, begeistert, […]” vorgestellt.4 Remarque schreibt nieder was alle Frontsoldaten erlebt haben. Seine Geschichten sind aber keinesfalls niedergeschriebene Erinnerungen, wie dies bei der Veröffentlichung seines Romans von der Vossischen Zeitung angepriesen wurde. Sein Fronteinsatz dauerte lediglich 6 Wochen und dies nicht unbedingt in vorderster Frontlinie. Er war auch keineswegs freiwillig dem Ruf der Fahnen gefolgt. 5 1 Königserläuterungen Seite 9 Königserläuterungen Seite 9 f., Oldenbourg Interpretationen Seite 17 f. 3 Königserläuterungen Seite 11 4 Königserläuterungen Seite 11, Oldenbourg Interpretationen Seite 15 5 Oldebourg Interpretationen Seite 15 f. 2 5 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui Dieser Fiktion, der Roman bestehe grösstenteils aus niedergeschriebenen Erlebnissen des Autors, verbreitet von der Vossischen Zeitung, hat Remarque nie wirklich widersprochen.6 Im Jahre 1931 kauft Remarque eine Villa in Ascona und im Januar 1933 verlässt er Deutschland in Richtung Schweiz. Er scheint gemerkt zu haben, dass mit dem Aufstieg Hitlers eine dunkle Zeit naht. Den fünf Monate nach seiner Ausreise aus Deutschland werden auch seine Bücher verboten und verbrannt. 1938 wurde ihm dann die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.7 Ab 1952 macht Remarque immer öfter Deutschlandreisen. 1967 erhält er das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und ein Jahr später wird er Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Nur zwei bis drei Jahre nach dieser teilweisen Wiederaufnahme in Deutschland stirbt Remarque 1970 in Locarno. 8 6 Oldebourg Interpretationen Seite 17 Königserläuterungen Seite 12 f., Wikipedia Erich Maria Remarque 8 Königserläuterungen Seite 14 7 6 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 3 Hintergrundinformationen Der Roman spielt während dem ersten Weltkrieg. Dieser Krieg wurde durch die Ermordung des österreichischen Erzherzogs Ferdinand und seine Gemahlin in Sarajewo ausgelöst und weitete sich durch die komplizierten Bündnisstrukturen rasend schnell auf ganz Europa aus. 9 Der Krieg sollte ein Blitzkrieg werden, wie dies bei der Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Frankreich 1870/71 der Fall war. Frankreich sollte von Deutschland mit dem Schliefen-Plan schnell eingenommen werden, damit sich die Deutschen um die Russen kümmern konnten. Doch die deutsche Armee hat sich vor Paris festgefahren und es ging nicht weiter. Der Krieg entwickelte sich zu einem Stellungskrieg.10 Der erste Weltkrieg wurde durch den Stellungskrieg geprägt. Daraus folgten zum ersten Mal massive Materialschlachten mit Artillerie, Flugzeugen und Luftschiffen. Ausserdem wurden zum ersten Mal Massenvernichtungswaffen wie Gasgranaten eingesetzt. Auf beiden Seiten gab es hohe Verluste. Dieser Krieg ging als einer der Grauenhaftesten Kriege in die Geschichte ein.11 9 Wikipedia Erster Weltkrieg Wikipedia Erster Weltkrieg 11 Wikipedia Erster Weltkrieg 10 7 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 4 Zusammenfassung der Handlung Der Roman “Im Westen nichts Neues” von Erich Maria Remarque schildert die Grauen des ersten Weltkrieg aus der Sicht eines jungen Soldaten namens Paul. Paul und seine Schulkameraden melden sich nach dem Schulabschluss freiwillig bei der Armee, wie sich dies ihr Lehrer Kantorek wünscht. Bereits während der Ausbildung unter Unteroffizier Himmelstoss, merken sie, dass die Werte aus der Schule im Krieg nicht mehr zählen. Kurz vor Abschluss ihrer Ausbildung verprügeln sie ihren Ausbildner als dieser von der Kneipe kommt, da er sie so hart rangenommen hat. Nach der Ausbildung werden sie an die Westfront verlegt, wo sie von Katczinsky, kurz Kat, auf das Überleben im Krieg vorbereitet werden. Dabei lernt Paul, wie er, selbst im Krieg, noch etwas Gutes zu Essen findet. Sie stehlen zum Beispiel eine Gans von einem Bauernhof und braten sie in einer alten Scheune. Paul erhält Fronturlaub, und fährt nach Hause zu seiner Familie. Zuhause merkt er, wie schlecht es seiner Mutter aufgrund des Krieges geht. Die Familie hat zu wenig zu Essen und die Mutter nicht die nötige ärztliche Versorgung. Sie ist die Einzige, welche Paul keine Fragen zur Front stellt und ihn nicht dauernd auffordert, etwas zu erzählen. Auf die Fragen aller Anderen will Paul nicht antworten, da er weiss, dass er es nicht verkraften würde, über den Krieg und das Geschehene nachzudenken oder zu sprechen. Nach dem Fronturlaub wird er noch einige Wochen zum Bewachen von russischen Gefangenen abkommandiert. In dieser Zeit wird ihm klar, wie schlecht es allen Menschen durch den Krieg geht. Zurück an der Front, meldet er sich bei der ersten Patrouille gleich freiwillig, da er sich in der Schuld seiner Kameraden sieht. Bei dieser Patrouille verliert er den Anschluss und versteckt sich ängstlich in einem Trichter. Als er merkt, dass ein Angriff der Franzosen kurz bevorsteht, legt er sich in seinem Trichter so ins Wasser, dass nur noch sein Mund hervorragt. Er spielt den Toten. Während dem Angriff nimmt er sein Messer in die Hand, um bereit zu sein, falls Jemand in seinen Graben springen würde. Und tatsächlich beim Rückzug springt ein 8 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui Franzose in seinen Graben, welchen er sofort ersticht. Dieser keucht aber noch die ganze Nacht, was Paul immer grössere Schuldgefühle macht. Dieses Schuldbewusstsein hindert ihn daran, den Verwundeten zu töten. Als er noch seinen Namen erfährt, verspricht er dem Toten etwas gegen den Krieg zu tun. Kurz darauf merkt er aber, dass dies Schwachsinn ist. Paul möchte aus seinem Trichter flüchten, was ihm aber durch das Dauerfeuer und der Morgendämmerung verunmöglicht wird. Erst als es wieder dunkel wird und das Maschinengewehrfeuer eingestellt wird, denkt er wieder über die Flucht aus dem Trichter nach. Er kriecht auf allen Vieren, vor dem Tod davon, zu seinem Graben. Damit er nicht von den eigenen Leuten erschossen wird, ruft er so früh wie möglich nach ihnen. Als Antwort hört er die Stimmen von Kat und Albert, welche nach ihm gesucht haben. Zurück im Graben erzählt er von seiner Geschichte und seinen Bedenken. Kat zeigt ihm einen Scharfschützen, welcher seine Abschüsse zählt, und versucht damit Paul zu beruhigen. Bei einem weiteren Angriff werden Albert und Paul verwundet. Nach einem kurzen Aufenthalt im Lazarett werden sie mit einem Zug abtransportiert. Als Paul merkt, dass Albert ausgeladen werden soll, da er hohes Fieber hat, mimt er beim nächsten Rundgang der Schwester auch hohes Fieber, um nicht von Albert getrennt zu werden. Zusammen werden sie bei einem katholischen Krankenhaus abgeladen. Paul wird nach seiner Genesung zurück an die Front beordert, wo er wieder mit Kat zusammen ist. Nachdem sie umstellt waren und nur noch knapp entkommen konnten, wurde Kat verwundet. Paul hat ihn auf seinem Rücken zum Feldlazarett gebracht, wo er erst merkte, dass Kat während dem Transport einen Splitter in den Hinterkopf abbekam und daran gestorben ist. An einem ruhigen Tag fiel auch Paul selbst. Der Feldbericht an diesem Tag beschränkte sich allerdings nur auf die Worte “Im Westen nichts Neues”. 9 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 5 Besonderheiten 5.1 International Der Roman „Im Westen nichts Neues“ wurde bereits im ersten Jahr nach der Veröffentlichung in 26 Sprachen übersetzt. Heute ist er in mehr als 50 Sprachen übersetzt und wurde bis 2007 mehr als 20 Millionen mal verkauft.12 5.2 Buchverbrennung In Folge der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 in Deutschland kam es noch im selben Jahr zu einer Verfolgung von jüdischen, marxistischen und pazifistischen Autoren. Die Bücher solcher Autoren wurden bei offiziellen Buchverbrennungen vom Staat verbrannt. Auch Remarques Werke wurden damals als schädliches und unerwünschtes Schrifttum verboten und verbrannt. Noch heute wird Remarque von einigen Seiten vorgeworfen seine Werke seien Antikriegsliteratur. Dies bestreitet er und bezeichnet seine Literatur als „erlebtes Leben“.13 5.3 Verfilmung „Im Westen nichts Neues“ wurde zwei Mal verfilmt. Die erste Verfilmung von 1930, eine US-Produktion von Lewis Milestone, gilt als einer der besten 100 Filme der amerikanischen Filmgeschichte.14 Das Remake der ersten Verfilmung wurde 1979 unter der Regie von Delbert Mann für das Fernsehen gedreht. Dieses Remake war weniger populär, wurde aber auch mit positiven Kritiken bedacht.15 5.4 Musik Elton John schrieb 1983 einen kriegskritischen Song mit dem Titel „All Quiet on the Western Front“, welcher Bezug zu der gleichnamigen Verfilmung hat.16 12 Wikipedia Im Westen nichts Neues Königserläuterungen Seite 31, Wikipedia Bücherverbrennung 1933 in Deutschland 14 Wikipedia Im Westen nichts Neues 15 Wikipedia Im Westen nichts Neues 13 10 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 6 Personenkonstellation 6.1 Bedeutung des Wir Bereits im ersten Satz des Romans wir die Besonderheit des Werkes klar. "Wir liegen neun Kilometer hinter der Front."17 Schon zu Beginn steht das „Wir“ im Mittelpunkt und nicht das Schicksal eines Einzelnen. Im folgenden Zitat aus einem Gespräch Remarques mit Axel Eggebrecht wird klar, warum Remarque der Wir Form eine solch wichtige Rolle anordnet. Den Remarque möchte die Erlebnisse der verlorenen Generation beispielhaft darstellen und auf das Leiden aller eingehen, nicht eines Einzelnen. Unsere Generation ist anders aufgewachsen als alle anderen vorher und nachher. Ihr stärkstes unmittelbares Erlebnis war der Krieg […] Sie sah Blut, Grauen, Vernichtung, Kampf, und Tod, das war das allgemeine menschliche Erleben aller.18 Nun, worauf bezieht sich den das „Wir“? Zu Beginn des Romans steht das „Wir“ für die Kompanie unter Leutnant Bertnick, zu welcher auch Bäumer, der Protagonist, gehört. Im weiteren Verlauf des Romans fokussiert sich das „Wir“ auf eine kleine Untergruppe dieser Kompanie, nämlich die Gruppe rund um Bäumer. Diese Gruppe besteht aus vier Gymnasiasten aus der gleichen Schulklasse sowie vier Vertretern der einfachen Leute, wie sie von Remarque genannt werden. Das folgende Diagramm zeigt die Aufteilung der Gruppen. Kompanie Lieutnant Bertnick Gruppe Bäumer Gymnasiasten Kat Bäumer Kropp Leer Müller „einfache Leute“ Haupt der Gruppe Katczinsky Detering Tjaden Westhus Abbildung 2: Gruppenkonstellation 16 Wikipedia Im Westen nichts Neues Im Westen nichts Neues Seite 11 18 Königserläuterungen Seite 68 17 11 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 6.2 Paul Bäumer Paul Bäumer, der junge Protagonist, gewinnt die Sympathien der Leser. Er steht für das Leid aller Soldaten. Ihm wurden in seiner Schulzeit, von seinem Lehrer Kantorek, Illusion über den Krieg eingeredet, so dass er nach der Schule freiwillig der Armee beigetreten ist. Diese Illusionen sind aber bereits unter dem Ausbildner Himmelstoss in der Kaserne verflogen. Bei ihm sind auch autobiografische Züge zu sehen. Er verkörpert den Soldaten, der Remarque einst auch war, und auch seine Mutter stirbt früh. Doch hier muss erwähnt werden, dass Remarque lediglich sechs Wochen in der Armee gedient hat und dies nicht an vordersten Front. (Siehe Kapitel 2. Zu Erich Maria Remarque) Bäumer wirkt sehr nachdenklich und einfühlsam. Dies zeigt sich in der Szene als er den Franzman im Trichter ersticht und dies gerne ungeschehen machen würde. Er denkt auch darüber nach, dass sie Freunde sein könnten, wenn der Krieg nicht wäre. 6.3 "Kat" Katczinsky Katczinsky, kurz Kat, ist der erfahrene Hase. Er, der Anführer der jungen Gruppe um Bäumer, lernt seinen Kameraden, wie sie selbst im Krieg zu ein wenig Luxus, meist in Form von gutem Essen, kommen können. Er ist einer der treusten Begleiter Bäumers und gibt ihm halt. Er bleibt ihm, bis nahe dem Tod Bäumers selbst, erhalten. 6.4 Kantorek Kantorek, der Lehrer der Gymnasiasten, ist die Verkörperung der kritisierten Wortemacher des Krieges, wie sie von Remarque genannt werden. Er propagiert für die eiserne Jugend und treibt die Schüler dazu freiwillig der Armee beizutreten. In einer späteren Szene des Romans ist er selbst als Soldat an der Front. Hier wird er als mutlos dargestellt. Er traut sich nicht zu kämpfen und sein Leben für den Kaiser zu riskieren, wie er dies seinen Schülern predigte. Damit will Remarque wahrscheinlich das Unwissen der Wortemacher des Krieges, über das Leiden und Sterben an der Front, verdeutlichen. 12 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 6.5 Himmelstoss Der Unteroffizier und Ausbildner Bäumers Gruppe dient bereits 12 Jahre der Armee. Er hat sich während der Ausbildung, mit seinen Schikanen, bei seinen Untergebenen sehr unbeliebt gemacht. Er verkörpert die endlose Macht, welche in der Armee der nächst Höhere hat. Remarque kritisiert dieses System wie folgt. Der Kommiss besteht nun darin, dass immer einer über den anderen Macht hat. Das Schlimme ist nur, dass jeder viel zu viel Macht hat; ein Unteroffizier kann einen Gemeinen, ein Leutnant einen Unteroffizier, ein Hauptmann einen Leutnant derartig zwiebeln, dass er verrück wird. Und weil er das weiss, deshalb gewöhnt er es sich gleich schon etwas an.19 19 Im Westen nichts Neues Seite 38 13 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 7 Vertiefung – Die verlorene Generation Remarque betont immer wieder, dass seine Literatur keine Antikriegsliteratur ist, sondern sich mit einem rein menschlichen Thema, der verlorenen Generation, befasst. "Mein eigentliches Thema", so äusserte er sich noch fast 35 Jahre später, "war ein rein menschliches Thema, dass man junge Menschen von 18 Jahren, die eigentlich dem Leben gegenübergestellt werden sollen, plötzlich mit dem Tode gegenübergestellt. Und was würde mit ihnen geschehen? Aus diesem Grunde habe ich auch Im Westen nichts Neues eher als ein Nachkriegsbuch angesehen als ein Kriegsbuch. […]"20 Die verlorene Generation, wie sie von Remarque bezeichnet wird, ist die Generation, welche von der älteren Generation durch Propaganda förmlich in den Krieg getrieben wurde. Dabei ist auch der Zeitpunkt, an welchem Bäumer in die Armee eintrat, interessant. Es war nicht zu Beginn des Krieges, als noch die gesamte Bevölkerung den Krieg befürwortet hat, sondern an irgendeinem Tag im Jahre 1916, an dem breite Teile der Bevölkerung, über den verlustreichen Stellungskrieg und das damit verbundene Leiden und Sterben, Bescheid wussten. Dennoch gab es die Wortemacher des Krieges, welche für den Krieg warben. Sie propagierten den heldischen Kampf und das ehrenvolle Sterben für Kaiser und Vaterland. Kantorek ist ein klassisches Beispiel für einen solchen Wortemacher. Er verführte mit seinen Reden über die eiserne Jugend seine Schüler dazu, freiwillig in den Krieg zu ziehen. Doch erst als er selbst, der immer für den Krieg propagierte, an die Front muss, merkt er wie schrecklich der Krieg wirklich ist. Er drückt sich vor dem Kampf. Er hat den Mut nicht, auf die Feinde zu schiessen. Damit zeigt Remarque, wie wenig die Propagandaführer über ihr Ideal, den Krieg, wissen. Sie waren nicht an der Front. Sie wissen nicht, wie es ist, wenn ein Kamerad stirbt. Sie haben selbst nicht den Mut an der Front mitzukämpfen.21 Diese Wortemacher werden auch im Tagebuch von Erich Maria Remarque kritisiert: 20 21 Oldenbourg Interpretationen Seite 72 Oldenbourg Interpretationen Seite 72 f. 14 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui Bildet euch nicht ein, dass Deutschlands Jugend aus Patriotismus für "Kaiser und Reich" stirbt und leidet. Das fegt nur aus euren Herzen heraus. Patriotismus haben nur Kriegsgewinnler und Reklamierte! Ausserdem ist der Patriotismus, mit dem ihr die Zeitungen füllt, ein Zeichen von Heldentum, und kein Zeichen freien Geistes.22 Durch den Krieg wurde diese Generation seelisch zugrunde gerichtet. Dies begann bereits während der Ausbildung bei ihrem schikanösen Lehrmeister Himmelstoss. An der Front wurden sie plötzlich dem Tod statt dem Leben gegenübergestellt. Sie mussten dabei all ihre sittlichen Grundsätze umschmeissen. Statt du sollst nicht töten, heisst es nun Du musst gut zielen, damit du triffst. In einem Gespräch unter den Soldaten, nach dem Erscheinen von Himmelstoss an der Front, herrscht die einheitliche Meinung, der Krieg habe ihnen alles verdorben und die Zukunftsaussichten genommen:23 Wir sind keine Jugend mehr. Wir wollen die Welt nicht mehr stürmen. Wir sind Flüchtende. Wir flüchten vor uns. Vor unserem Leben. Wir waren achtzehn Jahre und begannen die Welt und das Dasein zu lieben; wir mussten darauf schiessen. Die erste Granate, die einschlug, traf in unser Herz. Wir sind abgeschlossen vom Tätigen, vom Streben, vom Fortschritt. Wir glauben nicht mehr daran; wir glauben an den Krieg.24 Bereits während dem Krieg wird die verlorene Generation hoffnungslos, skrupellos und eigensinnig. Dies ist an der Szene, bei welcher Müller die Stiefel vom sterbenden Kemmerich mitnehmen will, zu sehen.25 Beim ersten Besuch im Lazarett, möchte Müller die Fliegerstiefel des verletzten Kemmerich mitnehmen. Dies nicht, weil er teilnahmslos ist, sondern weil er rational denkt. Er weiss genau, dass er die Stiefel viel besser gebrauchen kann als Kemmerich und wenn Kemmerich erst tot ist, klaut der erste Sanitäter die Stiefel. Dennoch ist seine Aussage skrupellos, da Kemmerich noch nicht weiss, wie schlimm er wirklich verwundet ist und alle Kameraden, ausser Müller, darüber schweigen. Kemmerich lässt aber nicht zu, dass jemand seine Stiefel mitnimmt. Beim zweiten Besuch Bäumers weiss Kemmerich, dass ihm ein Bein amputiert wurde und dass er bald sterben wird. Er lässt deshalb seine Stiefel Müller geben. Dies zeigt, wie hoffnungslos die Soldaten im Krieg teilweise sein konnten, 22 Oldenbourg Seite 73 Oldenbourg Seite 72 24 Im Westen nichts Neues Seite 67 25 Im Westen nichts Neues Seite 21 ff. 23 15 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui den Kemmerich hat bereits aufgegeben, als es sich noch um das Leben zu kämpfen gelohnt hätte. Die Frage ist nun, wie es nach dem Krieg mit dieser verlorenen Generation weitergeht. Während dem Krieg wird das Erlebte einfach verdrängt, da es keine Zeit gibt, darüber nachzudenken oder zu reden. Dies zeigt folgendes Zitat: Und ich weiss: All das, was jetzt, solang wir im Kriege sind, versack in uns wie ein Stein, wird nach dem Kriege wieder aufwachen, und dann beginnen erste die Auseinandersetzung auf Leben und Tod. Die Tage, die Wochen, die Jahre hier vorn werden noch einmal zurückkommen, […]26 Remarque verdeutlicht hier, dass das Leiden nach dem Krieg erst richtig losgeht. Wenn die ehemaldigen Soldaten beginnen, nachzudenken, über das geschehene zu reden und zu zweifeln. Bereits beim sexuellen Zusammensein von Kropp, Leer und Bäumer mit den Französinnen wird klar, dass der Krieg nicht einfach vergessen werden kann. Der Leser erwartet, dass der Krieg während dieser Zeit vergessen und vom Autor nicht erwähnt wird. Doch selbst hier wird immer wieder an den Krieg erinnert. Extremer wird dies in der Szene des Heimaturlaubs Bäumers aufgezeigt. Während seinem Heimaturlaub möchte er den Krieg und dessen Grausamkeit vergessen und in die Vergangenheit zurückkehren um jung und fröhlich zu erwachen. Dies gelingt ihm aber nicht, da er immer wieder an den Krieg erinnert wird. Als erstes begegnet er seiner kranken Mutter, welche auf Grund des Krieges mangelnde ärztliche Versorgung hat. Er wird von seinem Vater in die Kneipe geschleppt, in welcher er den Stammtischstrategen vom Krieg erzählen soll. Bäumer hat jedoch Angst über den Krieg zu sprechen, er fürchtet sich davor, dass ihm die Dinge über den Kopf wachsen.27 Auf der Strasse begegnet er einem Major, welchen er nicht richtig grüsst. Dieser Major, welcher keine Ahnung vom Krieg zu haben scheint, besteht auf einen anständigen Gruss und schnauzt Bäumer an, dass hier Frontmanieren unerwünscht seien. Selbst in seinem Zimmer kommt er nicht zur Ruhe. Er möchte in der Vergangenheit eintauchen, von seinen Büchern aufgenommen werden, in Gedanken an sie versinken, doch seine Gedanken schweifen immer wieder ab zum Krieg. Er beginnt, den Krieg zu verarbeiten, was in 26 27 Im Westen nichts Neues Seite 101 Im Westen nichts Neues Seite 118 16 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui einem weiteren, psychischen Kampf, mit dem Erlebten und sich selbst endet. Bereits nach einigen Tagen kommt Bäumer zu einem bitteren Fazit:28 Ich habe mir den Urlaub anders vorgestellt. Vor einem Jahr war er auch anders. Ich bin es wohl, der sich inzwischen geändert hat. Zwischen heute und damals liegt eine Kluft. Damals kannte ich den Krieg noch nicht […] Heute merke ich, dass ich, ohne es zu wissen, zermürbter geworden bin. Ich finde mich hier nicht mehr zurecht, es ist eine fremde Welt […] Am liebsten bin ich allein, da stört mich keiner.29 Während diesem Heimaturlaub werden die schrecklichen Auswirkungen des Leidens und Sterbens an der Front auf das Nachkriegsleben veranschaulicht. Bäumer möchte am liebsten den ganzen Krieg ungeschehen machen und wieder zurück in die sorglose Kindheit ohne diese Qualen. In einem Dialog zwischen Bäumer und seiner Mutter wird aufgezeigt, dass von der verlorenen Generation viel zu viel erwartet wurde. Sie musste stark sein und selbstlos für den Kaiser in den erbarmungslosen Krieg ziehen. Die Erwartungen an die verlorene Generation, welche damals noch fast Kinder waren, waren hoch. Die Soldaten haben keinen Halt mehr. Selbst die Mutter, welche sonst in unserer Gesellschaft eine fürsorgliche und schützende Rolle einnimmt, kann für Bäumer nicht mehr stark sein. Die Erwartungen der Gesellschaft, der Wortemacher des Krieges, waren schlicht zu hoch. Ach Mutter, Mutter! Für dich bin ich ein Kind, - warum kann ich nicht den Kopf in deinen Schoss legen und weinen? Warum muss ich immer der Stärkere sein, ich möchte doch auch einmal weinen und getröstet werden, ich bin doch wirklich nicht viel mehr als ein Kind, […] Ach Mutter, Mutter! Lass uns aufstehen und fortgehen, zurück durch die Jahre, bis all dies Elend nicht mehr auf uns liegt, zurück zu dir und mir allein, Mutter!30 Die psychische Zerstörung Bäumers wird auch im Romanschluss nochmals eindrücklich aufgezeigt. Nachdem Bäumers Kameraden im Krieg gefallen sind, gibt er sich dem Krieg hin. Er hatte nichts mehr. Keine Kameraden mehr, für die er da sein musste und die für ihn da sein konnten. Er sah für sich keine Zukunft mehr, er hat sich dem, was im Kampf auf ihn zukam, hingegeben. Er scheint sich mit seinem Schicksal, dem Krieg, dem Leiden und dem Tod, abgefunden zu haben. 28 Im Westen nichts Neues Seite 113 ff. Im Westen nichts Neues Seite 120 f. 30 Im Westen nichts Neues Seite 129 f. 29 17 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui Ich bin sher ruhig. Mögen die Monate und Jahre kommen, sie nehmen mir nichts mehr, sie können mir nichts mehr nehmen. Ich bin so alleine und so ohne Erwartungen, […] Er war vornübergesunken und lag wie schlafend an der Erde. Als man ihn umdrehte, sah man, dass er sich nicht lange gequält haben konnte; - sein Gesicht hatte einen so gefassten Ausdruck, als wäre er beinahe zufrieden damit, dass es so gekommen war.31 Dieser letzte Teil, in welchem Remarque vom Erlebnisbericht Bäumers Abschied nimmt und in den Worten eines Berichterstatters schreibt, wurde von den Kritikern, welche dem Werk Remarques nach wie vor eine pazifistische Tendenz zuschreiben, als unerträgliche Provokation angesehen. Dieser Abschnitt verleiht dem Werk auch seinen Titel. Er fiel […] an einem Tage, der so ruhig und still war […], dass der heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden32. Mit dieser Aussage kritisiert Remarque erneut die Wortemacher des Krieges, welche die Verluste in den eigenen Reihen als nichts Neues, als selbstverständlich und nicht als erwähnenswert halten. Die verlorene Generation wurde verheizt. Es wurde keine Rücksicht auf die Schicksale der einzelnen Menschen genommen. Die Wortemacher handelten egoistisch und skrupellos. Sie trieben ihr eigenens Volk durch persönliche Gier nach Macht in den Tod – sie wurden zu Mördern. 31 32 Im Westen nichts Neues Seite 198 f. Im Westen nichts Neues Seite 199 18 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 8 Schlusswort Der Roman „Im Westen nichts Neues“ verdeutlicht am Beispiel des Soldaten Paul Bäumer, seinen Kameraden und seiner Familie, die Leiden des Krieges. Bäumer und seine Kameraden werden bereits während ihrer militärischen Ausbildung zu den Opfern der Machtverteilung im Kommiss – Sie werden von ihrem Ausbildner Himmelstoss schikaniert wo es nur geht. Während der Zeit an der Front erfährt Bäumer das Grauen des Krieges durch das Sterben seiner Kameraden. Er verliert im Krieg alle seine Freunde. Er Leidet nicht nur psychisch, sondern auch physisch an der Kälte und an der Not an Essen. Während dem Heimaturlaub beginnt das Leiden erst richtig. Bäumer beginnt den Krieg und das Erlebte aufzuarbeiten, obwohl er sich dagegen sträubt. Ihm ist bewusst, dass ihn diese Gedanken quälen werden. Diese Szene soll wohl eine Anspielung auf die zahlreichen Heimkehrer aus dem Krieg sein, welche nach ihrer Rückkehr psychisch labil sind. Der Tot während dem Krieg wird im letzten Abschnitt des Romans mit dem Satz Er fiel […] an einem Tage, der so ruhig und still war […], dass der heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden. 33 als selbstverständlich erklärt. Ich finde Erich Maria Remarque hat die Leiden des Krieges eindrucksvoll dargestellt. Jedem sollte, spätestens nach dem Lesen dieses Romans, klar werden, welches Leiden während eines Krieges herrscht. Jedem sollte klar werden, dass Macht, Geld, Öl, etc. keine solch grauenhafte Kriege rechtfertigen, wie diese heutzutage noch geführt werden. 33 Im Westen nichts Neues Seite 199 19 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 9 Literaturverzeichnis Im Westen nichts Neues Remarque, Erich Maria: Im Westen nichts Neues. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 332011 Königserläuterungen Dr. Keiser, Wolfhard: Königs Erläuterungen Im Westen nichts Neues. Hollfeld: C. Bange Verlag, 12012 Oldenbourg Interpretationen Oldenbourg Interpretationen Im Westen nichts Neues. München: Oldenbourg, 11998 Wikipedia Erich Maria Remarque Erich Maria Remarque – Wikipeda http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Maria_Remarque (26.12.2012) Wikipedia Im Westen nichts Neues Im Westen nichts Neues – Wikipeda http://de.wikipedia.org/wiki/Im_Westen_nichts_Neues (26.12.2012) Wikipedia Erster Weltkrieg Erster Weltkrieg – Wikipeda http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg (26.12.2012) Wikipedia Bücherverbrennung 1933 in Deutschland Bücherverbrennung 1933 in Deutschland – Wikipeda http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCcherverbrennung_1933_in_Deutschland (26.12.2012) 20 Literaturfacharbeit 3. Januar 2013 Sven Tschui 10 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Seite 1 Auch der letzte Kamerad wird überredet, in den Krieg zu ziehen http://www.polygamia.de/wpcontent/uploads/2012/04/Bild011-1024x780.jpg Abbildung 2 Seite 12 Gruppenkonstellation Dr. Keiser, Wolfhard: Königs Erläuterungen Im Westen nichts Neues. Hollfeld: C. Bange Verlag, 12012, Seite 68 21