Papst Franziskus – Ein globaler Kommunikator

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Papst Franziskus – Ein globaler Kommunikator
Impulsreferat von Paul Wuthe, Österreich
„Habemus papam“ – Das ist nicht nur für die katholische Kirche Zäsur und Höhepunkt
zugleich. „Habemus papam“ ist auch und gerade für die Medien ein globales
Elementarereignis mit rekordverdächtigen Quoten. In meiner Heimat Österreich jedenfalls
war die am 13. März 2013 im staatlichen Fernsehen ORF gebrachte Sondersendung „Der
neue Papst – Habemus papam“ mit 1,789 Millionen Zuschauern die am meisten gesehene
Fernsehsendung im ganzen Jahr 2013.
Wie sehr das mediale Interesse an Papst Franziskus aber auch noch Monate danach weltweit
stabil auf hohem Niveau geblieben ist, hat nicht zuletzt seine Wahl zur „Person des Jahres“
durch das „Time-Magazine“ deutlich gemacht. Der Titel sagt nach Meinung der Redaktion
aus, dass Papst Franziskus in diesem Jahr „die Welt maßgeblich verändert oder bewegt“ hat.
Ausschlaggebend dafür war auch der Umstand, dass Papst Franziskus ein globaler
Kommunikator par excellence ist.
Was sind die Gründe für diesen bis jetzt ungebrochenen medialen Höhenflug des Papstes,
welche möglichen kommunikativen Probleme können schon jetzt festgestellt werden und was
bedeutet das für kirchliche Medienverantwortliche? Diesen Fragen möchte ich in der
gebotenen Kürze nachgehen – nicht als umfassende Analyse, jedoch hoffentlich als hilfreicher
Impuls.
1. Der Papst als Medienphänomen – Ursachen
Kurze, prägnante Botschaften
Papst Franziskus versteht es die christliche Botschaft in einer lebendigen, alltagstauglichen
Sprache zu vermitteln. Meist kurz und prägnant werden seine Sprachbilder auch ohne
theologische Kenntnisse verstanden. Dies dürfte ein Grund dafür sein, weshalb der Pontifex
bereits fast 14 Millionen Follower auf Twitter hat und somit zur Top-Liga in diesem Sozialen
Netzwerk gehört.
Bilder vermitteln Botschaften
Papst Franziskus schafft es instinktiv als Bild seiner Person zentrale Botschaften zu
kommunizieren. Mit anderen Worten: Franziskus liefert Bilder, in denen Botschaften stecken,
die nicht übersetzt oder erklärt werden müssen, weil sie in allen Kulturen verstanden werden.
Besonders schillernde Beispiele dafür sind die Bilder von der Fußwaschung einer jungen
muslimischen Frau im Jugendgefängnis oder die Umarmung des „Warzenmannes“.
Wie stark die Bilder im Vergleich zu offiziellen schriftlichen Botschaften sein können, hat
sich beim Besuch im Heiligen Land gezeigt: So haben die beiden Bilder des Papstes bei der
Grenzmauer in Bethlehem und an der Westmauer (Klagemauer) in Jerusalem und das Bild
von der Umarmung des Papstes mit seinen beiden argentinischen Freunden, dem Rabbiner
Abraham Skorka und dem Imam Omar Abboud, jetzt schon mehr Bedeutung als die von
Franziskus und von Bartholomaios I. unterzeichnete gemeinsame Erklärung.
Personaler Stil und Glaubwürdigkeit
Obwohl Papst Franziskus das höchste kirchliche Amt bekleidet, kommuniziert er anders, als
man es erwarten würde. Er agiert situationsbezogen, spontan, personal, narrativ und nicht
allgemein, amtlich, abstrakt und mittelbar. „Der Papst macht alles richtig, was man richtig
machen kann“ – lautet oft das Urteil von Medienprofis.
Entscheidend dabei ist die Glaubwürdigkeit mit der Franziskus im Bus mit den Kardinälen
sitzt, sich anstellt, um die Rechnung in der Casa Santa Martha zu bezahlen, im kleinen Auto
herumfährt und sich schlicht kleidet. Er sagt offen, dass er auch psychologischen Gründen
Menschen um sich braucht und daher lieber im Gästehaus wohnt als im Apostolischen Palast.
Diese Authentizität kommt an, weil sie nicht Teil einer Inszenierung ist. Papst Franziskus lebt
was er kommuniziert – ohne Perfektion und daher umso glaubwürdiger. Die Konsequenz
daraus ist: Anders als bei einer perfekten Inszenierung wartet man nicht sensationslüstern auf
den Fehler, den Absturz, sondern vielmehr zittern und hoffen Menschen mit dem Papst.
Und noch eine Beobachtung: Viele können den Papst nicht zitieren, aber er spricht durch sein
Wesen an, so sehr, „dass es zu einem Aufatmen in der Welt führt“, wie es kürzlich ein
österreichischer Theologe und Psychotherapeut auf den Punkt brachte.
Der Kommunikationsstil von Franziskus und sein gesamtes Verhalten verkürzen die Distanz
zu den Menschen und schaffen Nähe. Dieser Papst „berührt und will berührt werden“ – das
empfinden Menschen bei der Generalaudienz am Petersplatz und anderen Begegnungen
genauso wie jene, die vor dem Fernseher mit dabei sind.
Überraschungen bewirken heilsame Verunsicherung
„Do the unexpected“ – so lautet eine bewährte Regel erfolgreicher Politiker und Papst
Franziskus ist ein Meister darin. Er bricht mit bisher bekannten Konventionen, wenn er nicht
den Apostolischen Palast bezieht und kommuniziert damit: „Ich bin frei, ich bin Herr meiner
selbst.“ Diese Grundhaltung und zahlreiche Überraschungen in diesem Pontifikat – vom
Besuch der Flüchtlingsinsel Lampedusa, über die Einrichtung eines achtköpfigen
Kardinalrates, Aufsehen erregende Interviews, das programmatische Lehrschreiben
„Evangelii gaudium“ bis hin zur Befragung im Vorfeld der Familiensynoden – führen zu einer
heilsamen Verunsicherung der Kurie, wie des Episkopats und der ganzen Kirche.
Das weckt nicht nur das mediale Interesse, sondern vor allem große, zahlreiche und mitunter
nicht harmonisierbare Erwartungen. Damit ist aber auch schon der riskante Teil des
Pontifikats angesprochen, vor allem dann, wenn sich alles als großes kommunikatives
Missverständnis entpuppen sollte.
2. Risiken und Kehrseiten
Eines scheint sicher: irgendwann wird das mediale Interesse an Papst Franziskus zurückgehen
und das ist auch kein Problem, weil es ein normaler Vorgang ist. Zum Problem könnten aber
einige der erwähnten Stärken im kommunikativen Stil des Papstes werden, die auch Risiken
in sich bergen:
So können gerade kurze Botschaften missverstanden oder überinterpretiert werden. Ein
Beispiel dafür ist eine Aussage des Papstes über Homosexuelle beim Rückflug vom
Weltjugendtag: „Wer bin ich, ihn zu verurteilen“, so der Papst generell über einen
Homosexuellen, wenn dieser Gott sucht und ein Mensch guten Willens ist.
Auffällig ist die „Kommunikation über Gerüchte“. So gibt es seit Beginn des Pontifikats
zahlreiche Gerüchten, die immer wieder in den Medien zitiert werden, aber weder bestätigt
oder dementiert werden. Drei Beispiele: „Der Karneval ist vorbei“ soll der Papst gesagt
haben, um seine Ablehnung der traditionellen Paramente beim „Habemus papam“ zu
unterstreichen. Zweitens: „Ich bin doch kein Renaissancefürst, der sich Musik anhört, anstatt
zu arbeiten“ – so angeblich der Papst als Begründung seines überraschenden Fehlens beim
konzertanten Höhepunkt des „Jahr des Glaubens“ im Vatikan. Schließlich: „Gehen sie doch in
die Nachbarpfarre“ – so der kolportierte Rat des Papstes bei einem seiner schon
sprichwörtlichen Telefonate an eine geschiedene und Wiederverheiratete im Zusammenhang
mit einer deswegen verwehrten Kommunion.
Selten werden derartige Gerüchte dementiert und beflügeln daher die Interpretationen und
Spekulation über das Pontifikat. Oft wird der Papst somit zum Ziel von Wünschen und
Projektionen. Wenn dann auch noch ein Großinterview des Papstes hinzukommt von dem
auch vatikanische Presseverantwortliche überrascht werden, das eher den Charakter eines
Gedächtnisprotokolls (des Gründungsherausgebers der „La Repubblica“, Eugenio Scalfari)
hat, wird es sehr kompliziert…
Wie sind diese Risiken zu bewerten? Meines Erachtens werden sie vom Papst bewusst in
Kauf genommen. Sie entsprechen seiner pragmatischen Haltung, dass die Kirche zu den
Rändern gehen soll, sich einlässt auf die Welt und dabei Gefahr nimmt, „verbeult und
schmutzig“ zu werden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Papst Franziskus
auch weiterhin diesen riskanten Kommunikationsstil pflegen wird.
3. Konsequenzen
Der Kommunikationsstil des Papstes ist unbestritten eine neue Herausforderung für
Medienverantwortliche der Kirche, ob sie nun Presseverantwortliche einer Bischofskonferenz
sind oder für kirchliche Medien arbeiten. Folgende drei Aspekte sind für kirchliche Medien
besonders wichtig:
a) Zentrale Bedeutung hat eine sehr genaue und sehr umfassende Berichterstattung. Es nicht
nur darauf zu achten, was gesagt wird, sondern auch wie. Eine Meditation bei der
Morgenmesse in Santa Martha hat eine andere Qualität als ein (angebliches) Telefonat, ein
Interview oder ein offizielles Dokument. Wichtig ist, dass gerade kirchliche Medien auch jene
Aussagen und Entscheidungen des Papstes transportieren, die nicht die Zustimmung und das
Verständnis des säkularen bzw. kirchlichen Mainstreams erhalten.
b) Kirchliche Medien sollen immer das Ganze der Kirche im Blick haben: Es gilt umfassend
zu berichten, nicht nur über den Papst, sondern über den Vatikan insgesamt und alle
wichtigen Entwicklungen in der Weltkirche. Pluralität muss Teil der kirchlichen
Berichterstattung sein und jeglicher „Personenkult“ ist zu unterlassen, weil er eine
„Beleidigung“ wäre, wie der Papst selbst gesagt hat.
c) Aus dem Gesagten resultiert, dass kirchliche Medien und Kommunikatoren der
Versuchung widerstehen sollten, das feststellbare Schwarz-Weiss-Narrativ nachzubeten (z.B.
„guter Papst versus böse Kurie“).
Zum Abschluss sei noch auf zwei große Herausforderungen im Blick auf Bischöfe und
kirchliche Amtsträger hingewiesen: Die eine betrifft den Umstand, dass kirchliche Amtsträger
zusehends am Kommunikationsstil des Papstes gemessen werden. Dieser Stil ist eine Vorgabe
und Zumutung, den man nicht einfach kopieren sollte, von dem sich kirchliche
Verantwortungsträger aber inspirieren lassen sollten.
Die größere Herausforderung liegt aber am Inhalt der päpstlichen Botschaften und
Entscheidungen. Da der Papst diese Inhalte selbst glaubwürdig lebt, wird immer öfter zum
medialen Thema, ob auch die Bischöfe, die Priester, ja die Kirche insgesamt dem genügt, was
Franziskus vorgibt. Ist die Kirche für die Armen da, ist sie sogar auch eine „arme Kirche“?
Vollziehen Bischöfe und Priester ihr Amt als Dienst in der Haltung der Fußwaschung und das
nicht nur am Gründonnerstag? Kritische Anfragen wie diese gibt es bereits und die
katholische Kirche in Deutschland hat in den letzten Monaten rund um die Vorwürfe gegen
den Bischof von Limburg erfahren dürfen, was es heißt, wenn die mediale Öffentlichkeit
Papst Franziskus als Maßstab kirchliche Handeln heranzieht.
Kann es sein, dass Medien den Papst als Vorwand nehmen und instrumentalisieren, um gegen
die Kirche und ihre Amtsträger subtiler vorgehen zu können? Solche und ähnliche
Befürchtungen sind nicht nur in der „Blogosphäre“, sondern auch innerhalb der Kirche schon
zu hören. Aus dem bisher Gesagten darf dennoch bezweifelt werden, dass derartige Bedenken
Papst Franziskus von der „Freude des Evangeliums“, seinem Kommunikationsstil und der
Grundausrichtung seines Pontifikats abbringen werden…
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