Laudato si‘ Enzyklika von Papst Franziskus über die Sorge für das gemeinsame Haus Zusammengestellt von: Wilhelm Guggenberger; http://www.uibk.ac.at/systheol/guggenberger/ Pressegespräch am Fr, 19.06.2015 Die Menschheit pflegt heute einen Lebensstil, der nur in Katastrophen enden kann und daher untragbar geworden ist. Was eine solche Analyse betrifft, nimmt sich Papst Franziskus in seiner Enzyklika kein Blatt vor den Mund. Dabei geht es nicht um eine isolierte Betrachtung der außermenschlichen Natur, denn in der Welt ist alles miteinander verbunden. Dieser Zusammenhang ist ein dreifacher: Zusammenhang in ökologischem Sinn: Wir wissen um die Komplexität ökologischer Systeme, durchschauen diese aber nur ansatzweise. Daher sind Behutsamkeit und Rücksicht gefordert Zusammenhang im sozialethischen Sinn: Friede, Gerechtigkeit und Umweltverantwortung sind zusammen zu sehen. Der einseitige Ansatz an einem Pol dieses Spannungsfeldes kann nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen Zusammenhang zwischen Struktur und Haltung: Technische Lösungsansätze auf der Strukturebene bleiben oberflächlich. Papst Franziskus spricht von der Notwendigkeit einer ökologischen Umkehr (216221). Was ist neu an diesem Text? Viele der Aussagen kennt man inhaltlich schon; auch aus anderen kirchlichen Dokumenten. Das heißt freilich auch: Das kirchliche Umweltbewusstsein hinkt dem gesamtgesellschaftlichen nicht hinterher. Papst Franziskus verweist selbst auf die erste UN-Konferenz zu Umweltfragen 1972 in Stockholm, für die sich Paul VI. stark engagierte. Was sich in den vergangenen Jahrzenten verändert hat und daher ein eigenes Lehrschreiben zur Ökologieproblematik erfordert: Die ökologischen Herausforderungen sind heute derart dringlich geworden und zugleich derart komplex, dass wir beim Versuch ihrer Lösung auf „keinen Wissenschaftszweig und keine Form der Weisheit „ (63) verzichten sollten. Das gilt besonders auch für die Weisheit der Religionen. Mehr denn je ist daher die Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte gefordert. Wir stehen vor „der dringenden Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen“ (13) Der Titel des Dokuments zitiert den Sonnengesang des Hl. Franziskus: „Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.“ Diese Schwester, so der Papst „schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat“ (1). In diesem Text solidarisiert sich der Papst mit vielen Anliegen von Ökologiebewegungen und NGOs: Förderung erneuerbarer Energien und Steigerung von Energieeffizienz umweltgerechte Raumplanung (insbesondere in Städten) mit Ausbau öffentlichen Verkehrs Stärkung des Vorsorgeprinzips Beweislastumkehr bei der Genehmigung kritischer Projekte Kostenwahrheit … Dieser Gleichklang ist erfreulich und wichtig, stellt letztlich aber nicht das Herzstück der Enzyklika dar. Das Herzstück der Enzyklika – Ökologische Umkehr Wissenschaftliche Erkenntnisse und Information der Menschen sind wichtig, entscheidend aber sind Handeln und eine Veränderung unserer Verhaltensweisen. An diesem Punkt sind Motivation und klare Optionen gefragt. „Es fehlt das Bewusstsein des gemeinsamen Ursprungs, einer wechselseitigen Zugehörigkeit und einer von allen geteilten Zukunft. Dieses Grundbewusstsein würde die Entwicklung neuer Überzeugungen, Verhaltensweisen und Lebensformen erlauben.“ (202) Daraus ergibt sich eine pädagogische und spirituelle Herausforderung. Weisheit und spirituelle Tradition der Religionen können dazu möglicherweise mehr beitragen als eine Flut an empirischen Daten. Die Enzyklika entfaltet daher ein „Evangelium der Schöpfung“. „Von »Schöpfung« zu sprechen ist für die jüdisch-christliche Überlieferung mehr als von Natur zu sprechen, denn es hat mit einem Plan der Liebe Gottes zu tun, wo jedes Geschöpf einen Wert und eine Bedeutung besitzt. Die Natur wird gewöhnlich als ein System verstanden, das man analysiert, versteht und handhabt, doch die Schöpfung kann nur als ein Geschenk begriffen werden, das aus der offenen Hand des Vaters aller Dinge hervorgeht, als eine Wirklichkeit, die durch die Liebe erleuchtet wird, die uns zu einer allumfassenden Gemeinschaft zusammenruft.“ (76) Die wesentliche Aufgabe der Kirchen kann es nicht sein, die besseren Rezepte zur technischen Umgestaltung von Wirtschaftssystemen, Energiesystemen, Produktionsprozessen etc. zu formulieren. Ihre Chance besteht in der Formation menschlicher Grundhaltungen. Wo wir Menschen uns als alleinige Herren dieser Welt verstehen, geraten wir in eine ausbeuterische Aneignungslogik, die Papst Franziskus auch in diesem Text scharf kritisiert. In dieser Logik zählen nur Profit, Gewinn und Wachstum. Daran haben auch die Erfahrungen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise nichts geändert. Wir haben – so der Text – aus der Chance, die jede Krise auch darstellt, nichts gelernt (vgl. 189). Wenn wir Wohlhabenden darauf bestehen, einen Lebensstil aufrecht zu erhalten, der nicht verallgemeinerbar ist, zerstören wir nicht nur unsere Umwelt, sondern verunmöglichen auch das Leben zahlloser anderer Menschen. Die Option für die Natur trifft sich im Engagement gegen einen solchen Lebensstilmit der Option für die Armen. Wir werden im Hinblick auf notwendige umweltpolitische Entscheidungen also nicht weiter kommen, wenn wir nicht zu neuen Lebensstilen finden. Wichtig scheint mir, dass Papst Franziskus betont: solche Lebensstile stellen letztlich eine neue, im Grunde bessere Lebensqualität für alle in Aussicht. Diese Lebensqualität würde sich durch ein vierfaches Gleichgewicht auszeichnen: Inneres Gleichgewicht mit sich selbst solidarisches Gleichgewicht mit den anderen natürliches Gleichgewicht mit allen Lebewesen Spirituelles Gleichgewicht mit Gott ChristInnen finden dazu reiche Impulse in der eigenen religiösen Tradition. Papst Franziskus hofft aber auf einen Dialog der Religionen, wo es um „die Schonung der Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und der Geschwisterlichkeit“ (201) geht. (Zusammengestellt von: Wilhelm Guggenberger; http://www.uibk.ac.at/systheol/guggenberger/ [email protected])