Grusswort Bruno Hohl

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Begrüssung Jubiläumstagung / Schweizerischer Reformierter Pfarrverein
14. September 2014, alte Kirche Wollishofen
Im Namen der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde, die ich seit Mai dieses Jahres präsidieren darf, heisse ich Sie sehr herzlich in Wollishofen willkommen:
Guete Abig! Bon soir! Buona sera! Buna saira! Good evening!
Die alte Kirche, in der wir uns eingefunden haben ist im Jahre 1702 erbaut worden.
Damals gehörte der grössere Teil von Wollishofen kirchlich zu Kilchberg. Der kleinere
Teil gehörte zu St. Peter, der Zürcher Stadtkirche. Wollishofen bestand damals aus
einzelnen Bauernhöfen und wenigen Häusergruppen. Zusammen mit Enge und
Leimbach bildete Wollishofen eine Obervogtei der Stadt Zürich. Mit Napoleon wurde
die alte Ordnung aufgelöst. Wollishofen wurden eine selbständige Gemeinde, politisch und kirchlich.
Die Entwicklung der Vororte Zürichs im 19. Jahrhundert brachte finanzielle Belastungen mit sich. Die Vereinigung mit der Stadt Zürich sollte diese schwierigen Verhältnisse in Ordnung bringen. 1891 wurde das Zuteilungsgesetz zur "Stadtvereinigung"
vom Zürcher Volk mit deutlicher Mehrheit angenommen. Das ländliche Wollishofen
hingegen lehnte klar ab. Seine wohlhabenden Bauern wollten selbständig bleiben. Ihr
Rekurs gegen das Gesetz beim Bundesgericht blieb erfolglos. Wollishofen wurde gegen den Willen seiner Stimmbürger in einer kantonalen Abstimmung am 1. Januar
1893 zusammen mit zehn weiteren Gemeinden in die Stadt Zürich eingemeindet und
bildete seither mit der Enge und Leimbach den Kreis 2.
Jetzt steht wieder eine Abstimmung an. Dieses Mal sind die reformierten Zürcherinnen und Zürcher der Stadt Zürich zur Urne gerufen. Wir entscheiden am 28. September über zwei Organisations-Varianten: Das Modell 1 will alle Gemeinden der Stadt
zu einer Gemeinde zusammenführen. Das Modell 2 setzt auf den Zusammenschluss
von Nachbargemeinden und will die aktuelle Verbandstruktur als verbindendes Moment stärken.
Wiederum macht es den Anschein, als wolle sich Wollishofen eine möglichst grosse
Unabhängigkeit von einer Zentrale erhalten. Die Kirchenpflege Wollishofen jedenfalls
hat sich einstimmig für das Modell 2 ausgesprochen. Bereits laufen aber intensive
Gespräche mit den Gemeinden Enge und Leimbach zur Bündelung der Kräfte und
zur Bildung von übergemeindlichen Kompetenzzentren.
Weshalb erzähle ich Ihnen das? Wir sind uns alle – ob wir nun Modell 1 oder 2 favorisieren – in der Zürcher Kirche einig, dass es eine Reform braucht, dass wir die
Kräfte konzentrieren und die Kosten reduzieren müssen. Die Amtszeit 2014 – 18 wird
eine Zeit des Umbruchs, der Verwesentlichung und teilweise auch der Neuausrichtung sein. Dafür sind Behörden, Mitarbeitende und alle Pfarrpersonen erforderlich!
„Alter Beruf – neue Berufung“, ist Ihr Tagungsmotto.
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Ich sehe es als eine Chance, dass Sie sich unter Ihrer Losung und an ihrer Jubiläumstagung als ordinierte und damit mit langem Atem unterwegs befindliche verbi divini
ministri mit den Reformvorhaben und –erfordernissen, die nicht nur in Zürich Thema
sind, befassen und die Diskussion mit Ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung bereichern
– im Sinne des übergeordneten und uns allen gemeinsamen Interesses der Kirche
Christi.
Ich lade Sie ein, unter ihrem Motto im Dialog mit Kirchenpflegen und Gemeindekonventen und im gemeinsamen Abwägen Reformansätze zu finden, die Perspektiven
für eine gedeihliche Zukunft bedeuten, die moderne Formen zulassen, wie ich glauben will, die aber auch auf Bedürfnisse der Nähe und Sicherheit eine differenzierte
Antwort geben und Vertrautes als Wert würdigen.
Uns verbindet das „Ja“ zur reformierten Kirche als Volkskirche, als unserem geschichtlich gewachsenen Erbe, das offen für Erneuerung und motiviert sein muss,
unseren christlichen Auftrag im Blick auf die Herausforderungen der Zeit zu erfüllen.
Die Kirche soll Kirche in der Öffentlichkeit und in der Lebenswelt der Menschen sein,
offen für alle. Sie soll Verantwortung für die Gesellschaft und in ihr wahrnehmen. Sie
soll Freiheit bieten für die persönliche und lebensnahe Gestaltung des Glaubens und
zugleich einen verlässlichen Rahmen für die Gemeinschaft und die Einzelnen.
Die Kirche baut auf die Beteiligung ihrer Mitglieder an der Gestaltung des kirchlichen
Lebens und sie ermöglicht unterschiedliche Formen und Intensitäten der Partizipation. Sie bedarf dabei der beständigen Erneuerung. Sie braucht das Engagement
und die Überzeugung ihrer Mitglieder, Mut, Kreativität und Initiative. Sie verbindet
Bewahrung des Bewährten mit Neugier, Flexibilität und Offenheit für Neues.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine fruchtbare Tagung, die geprägt sein soll von
der Würdigung der 175jährigen Geschichte, aber auch vom Blick in eine spannende,
herausfordernde Zukunft.
Sie werden im Zentrum Hauriweg, wo Sie nach diesem Gottesdienst hingehen werden, für Jede und Jeden ein Fläschchen Most vorfinden als Geschenk der Kirchgemeinde Wollishofen. Wir verbinden damit unseren Dank für Ihren Besuch und gratulieren Ihnen zum Jubiläum.
Lassen Sie mich schliessen mit einem Wort von Antoine de St. Exupéry: „Man soll
nie zuschauen, man soll Zeuge sein und mittun und Verantwortung tragen. Der
Mensch ohne mittuende Verantwortung zählt nicht.“
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen guten Aufenthalt
in Wollishofen.
Bruno Hohl, Präsident Kirchenpflege Wollishofen
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