Über das Lauschen und den großen Spielplan

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Thomas Hübel im Gespräch mit Marietta Schürholz
Über das Lauschen und den großen Spielplan
Marietta:
Es gibt ein Lehrgedicht von Rumi mit dem Titel „Nightair“ – „Nachtluft“1. Es geht darin
um die Fähigkeit auf das Leben zu lauschen. Ich möchte den Inhalt kurz erzählen.
Ein Vater dreier Söhne bestimmt, dass nach seinem Tod der Faulste das Erbe
erhalten soll. In einem Einschub heißt es: „Mystiker sind Experten für Faulheit. Sie
verlassen sich auf sie, weil sie Gott überall bei der Arbeit sehen.“ Der Dorfrichter
fordert also die Söhne auf, zu beschreiben, wie sie das innerste Wesen eines
Menschen entdecken und verstehen können. Der erste will einen Mann aufgrund
seiner Stimme erkennen, und wenn er nichts sagt, drei Tage warten, und ihn dann
ihn intuitiv erkennen. Der zweite schlägt vor ihn zum Sprechen zu bringen. Und zum
jüngsten gewendet fragt der Richter: „Was, wenn es nicht gelingt einen Mann zum
Sprechen zu bewegen, wie gewinnst Du Einsicht in seine verborgene Natur?“ Dieser
antwortet: „Ich setze mich schweigend vor ihn, und stelle eine Leiter aus Geduld auf,
und wenn in seiner Gegenwart eine Sprache jenseits von Freude und jenseits von
Schmerz aus meiner Brust fließt, dann weiß ich, dass seine Seele so tief und hell ist,
wie der Stern Canopus, der über Jemen aufgeht. Und wenn ich wie ein kraftvoller
nach unten fegender Arm aus Worten zu sprechen beginne, dann erkenne ich ihn
aus dem was und wie ich es sage, denn zwischen uns gibt es ein offenes Fenster, in
dem sich die Nachtluft unserer Wesen vermischt.“
Wie versteht die Mystik diese dritte Form Wissen zu erlangen?
Thomas:
In der mystischen Praxis würde ich sie als zwei Prinzipien beschreiben, die nicht
zwei sind, die wir aber häufig als zwei erleben. Das eine Prinzip ist Bewegung und
das andere Stille. Kommunikation kann entweder in der beidseitigen Bewegung
behaftet sein. Oder wir können es als Kultur schaffen, uns in der Stille zu verankern.
Der Nachtwind ist die Tiefe in uns. Eckhart Tolle nennt sie das Raumbewusstsein.
Wir haben die Fähigkeit uns immer tiefer im Bewusstsein an sich nieder zu lassen.
Und dieses Bewusstsein ist das gleiche in Dir wie in mir. Es ist einfach der Urgrund,
aus dem wir gerade auftauchen, als Form, als Energie, als Menschen, als Gespräch.
Wenn wir uns dort verankern, dann ermöglichen wir einen freien Raum. Und die
Energie kann sich dann wirklich frei ausdrücken. In dem Moment, in dem ich im
Urgrund ruhe, spreche ich nicht mehr aus meiner Perspektive über dich. Ich muss
dann auch nicht mehr herausfinden wer du bist. Was dann da ist, ist Gewahrsein,
das die Form meditiert. Auf diese Weise wird unsere Kommunikation zu einer
Kontemplationspraxis. Und dann werden in mir die Worte auftauchen, die
auftauchen. Dann spreche ich nicht mehr über dich, sondern ich spreche aus dir
bzw. aus uns. Dann entstehen in mir Worte, die aus dem Lebensstrom kommen, der
dich ausmacht. Im besten Fall bin ich ein leeres Blatt Papier, welches diesen
Lebensstrom reflektiert. Und du erkennst dich in diesem Lebensstrom wieder.
Ich glaube die höchste Form der Mystik ist die Meisterschaft von Stille und
Bewegung, d.h. ich kann ganz still sein und ich kann ganz in Bewegung sein. Das ist
1
aus dem Mathnawi (Übertragen von Coleman Barks)
es, was Rumi mit den Worten ausdrückt: „Und wenn in seiner Gegenwart eine
Sprache ... aus meiner Brust fließt ...“
Aber die Worte fließen nicht aus mir, weil ich mich anstrenge, dich zu erkennen. Sie
haben nichts mit meiner Vergangenheit d.h. meiner eigenen Perspektive zu tun. Sie
kommen aus einer viel tieferen Kontemplation des Lebensstroms. Dieser
Lebensstrom ist wie ein Baum, in dem sich der Saft immer weiter und weiter treibt,
um den Baum zu leben. Und das, was sich dessen bewusst ist, erlaubt, dass es
durch mich sprechen darf. Nur dann hören wir auf übereinander oder über mich zu
sprechen. Dann sprechen wir aus der Energie, d.h. aus dem Saft des Baumes, der
durch uns alle fließt. So spricht der Baum und erkennt sich selbst. Ich muss nichts
über jemanden wissen, muss den anderen nicht psychologisch interpretieren, nicht
aufgrund seiner Körperhaltung Rückschlüsse ziehen. Und ich muss nicht auf Etwas
zurückgreifen, das ich gelernt habe. Die hohe Kunst des Sprechens ist es, aus der
Schöpfung zu sprechen und nicht über sie. Das ist eine der tiefsten spirituellen
Praktiken. Und da ist die Welt weder Stille noch Bewegung. Irgendwann sind die
beiden nicht zwei, sondern sind total ineinander verwoben. Deswegen gingen so
viele Menschen zu Weisen. Sie wussten, dass sie dort nicht eine neue Interpretation
von Leben bekommen. Sondern sie bekommen eine Antwort, in der das Leben aus
sich heraus spricht. Das ist keine getrennte Perspektive, die versucht das Leben zu
verstehen.
Marietta:
Bei der erzählten Geschichte scheint auf den ersten Blick darum zu gehen jemand
anderen zu erforschen. Und gleichzeitig beschreibt Rumi meines Erachtens Stadien
der Selbsterforschung bzw. der Versenkung.
Thomas:
Ja, genau. So wie ich mein Selbst immer weiter durchdringe, dabei von ihm frei
werde und es zugleich vollständig leben kann, genauso ist es dann mit allen
anderen. Die Selbsterforschung und die Erforschung eines Gegenübers funktionieren
in beide Richtungen. Deshalb kann ich das den ganzen Tag lang machen. Im Prinzip
ist das eine Übersetzung monastischer Spiritualität, wo wir den ganzen Tag in Stille
sitzen, praktizieren und beten, auf dem Marktplatz. Auf dem Marktplatz habe ich nicht
so viel Zeit, denn da bin ich eingebunden in eine Kultur. Aber ich kann genauso
praktizieren und das Selbst erforschen während ich in Bewegung bin. Das ist eine
Form der Meditation, die viele Menschen den ganzen Tag machen können, weil sie
den ganzen Tag mit Menschen sind.
Marietta:
Dass „der Faulste das Erbe bekommen soll“ klingt ja fast wie eine Provokation für
Aktivisten. Und dabei dreht Rumi die gängige Erwartung um. Und wie verstehst Du
„Mystiker sind Experten für Faulheit. Sie verlassen sich auf sie.“?
Thomas:
Im Tao Te Ching steht ja auch: `Die Welt ist heilig´. Und es kommt kein Nachsatz,
`dass wie noch verbessert werden muss´! Also die Welt ist heilig. Und das Heilige
der Welt beinhaltet auch, dass sie sich ständig evolviert. D.h. wenn ich Teilnehmer
der Evolution bin, dann bin ich die Weiterentwicklung der Welt. Nur wenn ich auf die
Welt aus der Trennung schaue, werde ich immer noch etwas finden, das mir nicht
passt. Denn wenn mir etwas an mir selbst nicht passt, dann projiziere ich dies auf die
Welt. Und ich werde versuchen es dort draußen zu ändern. In dem Moment, in dem
ich wirklich Welt gewahren kann, - das wäre dann die Faulheit -, d.h. wenn ich tief in
den Raum sinken kann, dann erst erkenne ich den Lauf der Dinge. Und dann kann
ich auch Anteil daran nehmen, dass Bewegung stattfindet, und dass jedes System
sich natürlich weiterentwickelt. Die Intelligenz wie sich ein System weiter entwickeln
möchte hat es schon in sich. Führung wäre dann im Prinzip ein tiefes Dienen der
Bewegung in Anderen, in Systemen, in Institutionen, in Firmen oder in der Politik. Es
geht darum lauschen zu lernen, was die Intelligenz in dir, in einem System oder in
einem Staat erblühen möchte. Ich wäre dann nur ein Werkzeug dazu. Und dann
stimmt die Suche nach dem Faulsten, dann geht es um ein Empfangen, das man als
Faulheit bezeichnen könnte. Dabei sieht so aus, als tue ich nicht so viel. Aber ich tue
dann die Dinge, die wirklich getan werden wollen. Ich übe keinen Druck auf die
Entwicklung aus, sondern fange an, mich mit ihr zu vereinigen. Und dann bin ich
auch Entwicklung, bin Innovation.
Marietta:
Wenn ich also gewahr bin, dass die Welt heilig, d.h. auch alle ihre Teile heilig sind,
gibt es dann noch so etwas wie Ursünde?
Thomas:
Ja und Nein. Entsprechend der Kabbala werden die meisten von uns mit einem
Tikun, d.h. es gibt eine Art von Fixierung unserer Energie durch eine karmische
Voraussetzung geboren. Unser Leben dient dazu unsere Mission zu entfalten und
gleichzeitig unser Karma aufzulösen. Die Notwendigkeit diese Kontraktion zu öffnen
verstärkt unsere Mission. Die Mission kann uns helfen eine gute Erdung zu haben,
um uns dieser spirituellen Fixierung zu stellen. Wir werden also als eine Energie
geboren, die schon eine gewisse Konstellation hat. Und wir können durch unser
Leben und durch unsere spirituelle Praxis versuchen, diese aufzulösen. Auf diese
Weise kann die Energie wieder für neue Kreativität frei werden. Jeder Mensch hat
lichte und verschattete Areale, genauso wie die Menschheit, in die wir hineingeboren
werden, auch schon Schatten hat. Licht und Schatten sind schon Teil unserer Natur,
aber nicht als Sünde in dem Sinn, dass wir schuldig sind an etwas. Es ist einfach so,
dass wenn wir in einer Familie groß werden, sich gewisse Teile unserer Authentizität
entfalten können. Andere Teile können sich durch die Enge, die schon in der Familie
besteht, – wenn man das mal nur auf diese Ebene bringt -, nicht entfalten. Dieses
Nichtentfaltete bleibt dann in mir als Spannung. Und diese Spannung zu integrieren,
damit der ganze Baum blühen kann, das wäre die Auflösung dieser ursprünglichen
energetischen Fixierung. Die Psychotherapie weiß ebenfalls, dass wenn wir
Bereiche, die wir zuerst abspalten haben, immer mehr zu uns nehmen, unser Leben
vollkommener wird. Auf diese Weise werden dann auch unsere Perspektive und
unser Beitrag zur Welt vollkommener. Es stimmt also, dass unsere Inkarnation auch
eine Verzerrung mit sich bringt, und es ist unserer Aufgabe dort immer klarer zu
werden. Dort, wo die Windsschutzscheibe ein bisschen verzogen ist, geht es darum,
die Straße, sprich das Leben, auch noch klarer zu sehen. Fährst Du in einem Auto,
dessen Windschutzscheibe ein bisschen verzogen ist, dann siehst du die Welt
permanent verzogen. Und ein Teil der Transzendenz wäre, dass wir uns darum
kümmern, dass das Glas der Windschutzscheibe wieder klar wird. Und dann sehe
ich, dass die Welt heilig ist. Und ich sich denke nicht: Die Welt muss sich verändern,
da ich sie verzerrt sehe. Dann sehe ich die Welt wie sie ist und erkenne, dass die
Perfektion in der Welt liegt, aber die Verzerrung in der Linse, mit der ich auf die Welt
schaue.
Marietta:
Wobei die Welt immer ein Holon ist, also eines, das alles beinhaltet.
Thomas:
Genau.
Marietta:
Und hier wäre der Paradigmenwechsel: Wenn nur `die Welt´ heilig ist oder wenn ich
sage, dass `die Welt muss gerettet werden´, dann gibt es ja immer noch einen
Betrachter der außerhalb steht. Und dann gehe ich von einer Trennung aus. Die
Grundvoraussetzung in Deiner Arbeit scheint mir die Nicht-Trennung zu sein.
Thomas:
Ja, da könnte man sagen, dass dies die alte Perspektive auf die Welt ist. Sie
betrachtet die Welt als ein Spielbrett, wie ein Monopoly Spiel. Darin nehme ich einen
Spielstein und schiebe ihn weiter. Und dann steht er woanders, in einem anderen
Spielfeld. Aber wenn ich verstehe, dass meine Perspektive die Welt und deren
Verzerrungen mit komponiert, dann verschiebt sich durch die Bewegung eines
Spielsteins der ganze Spielplan. Es also stimmt Beides: Meine Perspektive schaut
auf die Welt, aber die Art und Weise wie ich auf die Welt schaue komponiert gerade
die Welt mit. Und es ist nicht Zwei: Innen und Außen sind beides eine Welt. Auch so
verzerrte Ansichten, wie z. B., dass die Menschen auf dem Planeten sind, werden
dann relativiert. Denn wir sind nicht auf dem Planeten und beuten ihn aus. Wir sind
der Ausdruck des Bewusstseins des Planeten. Die Erde und das Wasser, die in
meinem Körper sind, sind Teil von dem Feld der Erde. Und die Gedanken, die wir als
Menschen denken, das sind die Gedanken der Erde, die sich durch unsere
Noosphäre ausdrückt. Und dadurch geht diese Trennung weg. Es wird mehr ein Feld
mit unterschiedlichen Funktionen. Das hat eine Biosphäre, hat eine Noosphäre und
das ist alles Teil der Erde, d.h. wenn sich etwas ausbreitet, dann macht das die Erde
mit sich selbst gerade, durch unsere Aktivitäten. Aber wir sind Teil dieses
Bewusstseins, das wir Erde nennen und kein externer Virus, der da drauf sitzt.
Marietta:
Und die gute Nachricht ist, dass wenn ich meine Perspektive verändere, sich das
ganze verändert. Also wenn ich mein Bewusstsein verändere, dann hat es eine
Wirkung.
Thomas:
Ja genau, dann verzieht sich das Spielbrett. Deshalb ist die ganze Frage nach der
Ressourcenknappheit eine Frage des Bewusstseins, das interpretierte. Wenn sich
nämlich unser Bewusstsein erweitert, dann erweitert sich die Erde und dann
erweitern sich die Ressourcen, weil wir plötzlich ganz neue Entdeckungen machen,
die wiederum meine Ressourcen werden und das ganze bereichern. Also ich kann
limitiert da drauf schauen. Aber die Welt ist heilig. Das Begrenzte ist das, was da
drauf schaut. Und wie kann das, was heilig ist, zu wenig haben, wenn die göttliche
Kraft pure Kreativität ist? Wie kann das zu wenig sein? D.h. in dem Moment, in dem
ich mich als diese Kraft erkennen, die sich durch mich weiter entwickelt, werden
immer wieder neue Kreativleistungen entstehen, welche die Limitierung der Stufe
davor wieder ad absurdum führen und erweitern. Und insofern bauen wir während
wir leben am Spielplan mit, den wir dann auch gleichzeitig wieder erfahren.
THE NIGHT AIR
A man on his deathbed left instructions
For dividing up his goods among his three sons.
He had devoted his entire spirit to those sons.
They stood like cypress trees around him,
quiet and strong.
He told the town judge,
“Whichever of my sons is laziest,
give him all the inheritance.”
Then he died, and the judge turned to the three,
“Each of you must give some account of your laziness,
so I can understand just how you are lazy.”
Mystics are experts in laziness. They rely on it,
because they continuously see God working all around them.
The harvest keeps coming in, yet they
never even did the plowing!
“Come on. Say something about the ways you are lazy.”
Every spoken word is a covering for the inner self.
A little curtain-flick no wider than a slice
of roast meat can reveal hundreds of exploding suns.
Even if what is being said is trivial and wrong,
the listener hears the source. One breeze comes
From across a garden. Another from across the ash-heap.
Think how different the voices of the fox
and the lion, and what they tell you!
Hearing someone is lifting the lid off the cooking pot.
You learn what’s for supper. Though some people
can know just by the smell, a sweet stew
from a sour soup cooked with vinegar.
A man taps a clay pot before he buys it
to know by the sound if it has a crack.
The eldest of the three brothers told the judge,
“I can know a man by his voice,
and if he won’t speak,
I wait three days, and then I know him intuitively.”
The second brother, “I know him when he speaks,
and if he won’t talk, I strike up a conversation.”
“But what if he knows that trick?” asked the judge.
Which reminds me of the mother who tells her child
“When you’re walking through the graveyard at night
and you see a boogeyman, run at it,
and it will go away.”
“But what,” replies the child, “if the boogeyman’s
mother has told it to do the same thing?
Boogeymen have mothers too.”
The second brother had no answer.
The judge then asked the youngest brother,
„What if a man cannot be made to say anything?
How do you learn his hidden nature?
“I sit in front of him in silence,
and set up a ladder made of patience,
and if in his presence a language from beyond joy
and beyond grief begins to pour from my chest,
I know that his soul is as deep and bright
as the star Canopus rising over Yemen.
And so when I start speaking a powerful right arm
of words sweeping down, I know him from what I say,
and how I say it, because there’s a window open
between us, mixing the night air of our beings.”
The youngest was, obviously,
the laziest. He won.
Die Nachtluft
Auf seinem Totenbett liegend ordnete ein Mann an,
wie sein Erbe unter seinen Söhnen,
denen er sein gesamtes Wissen vermacht hatte,
aufgeteilt werden sollte. ***
Wie Zypressen standen sie um ihn herum,
ruhig und stark.
Er befahlt dem Dorfrichter: „Gib dem meiner Söhne das ganze Erbe,
welcher der Faulste ist.“
Dann starb er und der Richter wandte ich an die drei:
„Ein jeder von Euch, muss einen Beweis seiner Faulheit geben,
damit ich verstehen auf welche Weise ihr faul seid.“
Mystiker sind Experten der Faulheit. Sie verlassen sich auf sie,
da sie sich fortwährend von der Arbeit Gottes umgeben fühlen.
Die Ernte wird einfahren und sie haben nie gepflügt.
„Nun los, sagt wie ihr faul seid.“
Jedes gesprochene Wort ist eine Bedeckung des inneren Wesens. is a covering.
Ein kleiner Spalt im Vorhang nicht größer als die Scheibe geröstetes Fleisch
Kann hunderte von explodierender Sonnen enthüllen.
Selbst wenn das, was gesag wird trivial und falsch ist, hört der Zuhörer die Quelle.
Ein Lufthauch kommt aus dem Garten gegenüber.
Ein anderer vom Aschenhaufen.
Bedenke, wie unterschiedlich die Stimme des Fuchses
Und die des Löwen sind, und was sie Dir sagen!
Jemandem zu zuhören ist wie
wenn man den Deckel eines kochenden Topfes hebt.
Dann weißt Du, was es zum Abendessen gibt.
Manche Menschen können allein aufgrund des Geruchs
einen süßen Eintopf von einer sauren, mit Essig gekochten Suppe unterscheiden.
Ein Mann klopft an einen tönernen Topf bevor er ihn kauft,
um aufgrund seines Klangs heraus zu finden,
ob er einen Riss hat.
Der älteste der drei Brüder erklärte dem Richter:
„Ich kann einen Mann aufgrund seiner Stimme erkennen,
und wenn er nichts sagt, dann werde ich drei Tage warten,
und dann kenne ich ihn intuitiv.“
Der zweite Bruder „Ich erkenne ihn, wenn er spricht
und wenn er nichts sagen möchte, dann stoße ich ein Gespräch an“
„Was aber, wenn er diesen Trick kennt?“ frug der Richter, was mich an eine Mutter
erinnert, die ihrem Kind sagt:
„Wenn Du nachts über den Friedhof gehst und ein Gespenst siehst, dann lauf auf es zu,
und es wird weg laufen.“
„Aber was“ antwortet das Kind, „wenn die Mutter des Gespenstes, dem kleinen Gespenst
das gleiche gesagt hat. Gespenster haben auch Mütter.“
Der zweite Bruder wusste keine Antwort.
Dann frug der Richter den jüngsten Bruder,
„Was, wenn es nicht gelingt einen Mann zum Sprechen zu bewegen,
wie gewinnst Du Einsicht in seine verborgene Natur?“
„Ich sitze schweigend vor ihm, und dann stelle ich eine Leiter aus Geduld auf,
und wenn in seiner Gegenwart eine Sprache jenseits von Freude und jenseits von
Schmerz aus meiner Brust fließt,
dann weiß ich, dass seine Seele so tief und hell ist, wie der Stern Canopus, der sich über
Yemen erhebt. Und wenn ich wie ein kraftvoller nach unten fegender Arm aus Worten so
zu sprechen beginne, dann erkenne ich ihn aus dem was und wie ich sage,
denn zwischen uns gibt es ein offenes Fenster, in dem sich die Nachtluft unserer Wesen
vermischt.“
Offensichtlich war der Jüngste der Faulste. Er gewann.
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