So spricht der HERR: Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will

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Gottesdienst zur 80er-Feier des Jahrgangs 1932/1933
Lauffen am Neckar 22. September 2012 Friedhofskapelle
So spricht der HERR: Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch
tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und
erretten. (Jesaja 46,4)
Sehr geehrte liebe Jubilare und Angehörigen des Jahrgangs, liebe Mitfeiernden,
lassen Sie mich zuallererst meinen Dank und meinen Respekt aussprechen.
Dank für Ihre Vor- und Zuarbeit. Wir hatten ein gutes Gespräch in einem
kleinen Team und ich habe hochinteressante Lektüre bekommen:
Mein Respekt gilt Ihrem Alter, oder besser gesagt Ihrer Lebensleistung.
80 Jahre, 8 Jahrzehnte, d. i. wahrhaftig beeindruckend. Schon in meiner Jugend
war ich tief beeindruckt von alten Menschen. Mittlerweile bin ich auch schon
52, also irgendwo knapp über der Mitte. Ich komme viel mit Leuten über 70
zusammen, gerade auch bei runden Geburtstagen. Daher weiß ich schon, wie
Menschen sich fühlen und was da alles los sein kann, wenn man so ein Jubiläum
feiern kann. Ich denke, da kommt so einiges an Gefühlen und Gedanken
zusammen: ein bisle Stolz über das Erreichte, Wehmut über das, was vergangen
ist und zwar unwiederbringlich. Trauer über Verluste, über Menschen, die einem
genommen wurden: Ehepartner, andere Angehörige, Jahrgangskameraden,
andere liebe Menschen und last not least Dankbarkeit. Wie sie sich in unserem
Eingangslied niederschlägt: Bis hierher hat mich Gott gebracht. Dieser Mix an
Gefühlen und Gedanken kommt heute zusammen und bewegt Ihre Herzen. Und
ich nehme daran teil, und freue mich ihr Pfarrer zu sein. Noch nie in bald 18
Jahren Pfarrdienst habe ich eine Predigt zu einem Jahrgangsjubiläum halten
dürfen!
Was kann ich ihnen mitgeben, liebe Mitchristen? Ich verpacke meine Botschaft
in das Bibelwort aus Jesaja 46,4: So spricht der HERR: Bis in euer Alter bin ich
derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich
will heben und tragen und erretten.
Dieses Wort war zuerst an das Volk Israel gerichtet, das wandernde Gottesvolk.
An Menschen, die auf ganz besondere Weise das Auf und Ab der menschlichen
Existenz erlebt haben. Kaum war es einmal aufwärts gegangen, da kam schon
wieder ein Rückschlag, eine neue Bedrohung oder Enttäuschung.
Krieg, Zerstörung, Vernichtung, Vertreibung, Neuanfang aus den
Trümmern heraus: diese Stichworte aus der Geschichte Israels spielten auch in
Ihrem Leben eine zentrale Rolle.
Wer 1932/33 geboren wurde, dessen Kindheit, Schul- und Jugendzeit wurde
aufs Nachhaltigste geprägt und beeinträchtigt von der Gewaltherrschaft des
Nazireichs, vom 2. Weltkrieg und der Nachkriegszeit. Wessen Leben hat er
nicht durcheinander gebracht, Menschen und Werte zunichte gebracht, dieser
unselige Krieg, diese Verführung und Verblendung der Menschen? Mir hat eine
Episode der Aufzeichnungen besonderen Eindruck gemacht. Die aufrechte
Haltung ihrer Lehrer und Pfarrer gegenüber den Nazis. Stadtpfarrer Pfleiderer
verweigerte den sog. Führereid und durfte deshalb nicht mehr in die Schule, der
Konfirmandenunterricht musste daher woanders stattfinden. Und die
verbliebenen Lehrer Bohnenberger und bekamen vom Schulamt einen
linientreuen Kollegen verpasst, der aber weder gute Figur machte noch Erfolge
in seinem Sinne erzielen konnte:
„Des Menschen Herz ist ein trotzig und verzagtes Ding, Wer kann es
ergründen?“ heißt es in der Bibel. Sie erzählt uns unzählige Geschichten von
Trotz und Verzagen, von menschliche Schuld, Fehlern und Versäumnisse,
Schicksalsschlägen, Krankheit und Krise, Zweifel und Verzagen des
menschlichen Herzens. Doch in dem allem erzählt sie auch das andere: von
der Treue und Liebe Gottes, der bei seinem Volk bleibt, weil es so inbrünstig
liebt. So spricht der HERR: Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will
euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen
und erretten.
„Ich bin derselbe!“ sagt unser Gott. Das ist ein Wort, liebe Jubilare. Eins ist mir
auch klar geworden, bei der Vorbereitung auf heute: wie sehr Ihr Leben von
Veränderungen geprägt wurde. Unser Land, das Leben der Menschen, Schule,
Arbeitswelt, Familienleben hat sich in einem Maße und einer Geschwindigkeit
verändert, dass einem fast schwindelig werden könnte. Vieles hat sich zum
Guten verändert: die Medizin, Pharmazie, Wissenschaften, Technik usw. haben
Gott sei Dank viel Segen gebracht, Schaden verhindern helfen. Die
Lebenserwartung hat sich um viele Jahre erhöht, mit Erreichen des Rentenalters
fängt für viele das Leben erst noch einmal richtig an, es gibt junge Senioren, 70,
80jährige bevölkern die Rad- und Wanderwege, die Züge und Flugzeuge. Und
wie erfreuen uns seit 1945 eines rasant gestiegene Wohlstands und Friedens. Als
ich 15 war, 1965, sagte meine Großmutter: jetzt war 20 Jahre Ruhe, jetzt
müssten sie wieder anfangen mit Krieg spielen. Wir haben Frieden in Europa,
den Nationalismus überwunden, ja gelernt, dass wir zusammengehören in
Europa. Die Europäische Gemeinschaft ist ein Gottesgeschenk, ein Wunder und
ein Segen. Das sollten wir immer dazu denken und -sagen, wenn wir ins
allgemeine Krisengerede einstimmen wollen.
Nicht nur in der großen Politik, auch im Kleinen, im persönlichen und
familiären Leben haben wir Gottes Tragen und Heben gespürt. Was könnten Sie
und ich jetzt nicht alles erzählen aus ihrem Leben: von ihren Lehr- und
Wanderjahren, vom Heiraten und Kinderkriegen, von Kindern und Enkeln, bei
manchem dürften sich vielleicht schon Urenkel eingestellt haben. Natürlich
auch von Krankheiten, von kleinen Wehwehchen bis hin zu dramatischen
Dingen.
Wir bekommen nicht nur graue Haare, sondern Körper, Seele und Geist
verändern sich. Ein jedes zeigt irgendwo Schwachstellen, beim einen sind es
Kopf und Geist die nachlassen, beim anderen die Seele, beim dritten Herz und
Kreislauf. Wir sind eine Alternsgesellschaft geworden, sagen die Wissenschaftler. Auch das ist eine Tatsache, nie durften die Leute so alt werden wie
heute mit allen Folgen, die das hat. Ich jedenfalls bin froh und Danke Gott, dass
ich beide Eltern noch habe, dass sie Ärzte und Kliniken zur Verfügung haben
und sie erleben durften, wie ihre Enkel erwachsen wurden.
Ich weiß nicht, ob es unter ihnen Wandersleute gibt. Wer von ihnen ist gerne
gewandert und auf Berge gestiegen? Unsere Lebenswanderung gleicht einer
Bergbesteigung. Früh am morgen, unten im Tal da wandert sich´s gut. Da ist´s
kühl und eben, man scherzt und singt und als junger Mensch nimmt man vieles
gar nicht so ernst, was andere so wichtig finden. Doch irgendwann beginnen die
Aufstiegen, dann steigt die Sonne, es wird heiß, es kommen Hunger- und
Durststrecken. Wohl dem, der Rast machen kann, dem die nötige Ausrüstung
nicht fehlt, der seinen Hunger- und Durst stillen kann und auch im
fortgeschrittenen Stadium noch singen und lachen kann.
Nicht alles schaffen es bis ins biblische Alter. Manche müssen schon früher
aufhören, müssen Abschied nehmen vom Leben. Im Gebirge gibt es eine
magische Grenze, die Baumgrenze. Ab da ist man im Hochgebirge, da heißte
es aufpassen, ab da wird´s aber erst so richtig interessant. Dort oben hat man die
schwierigsten Wege, aber auch die beste Aussicht. Man läuft angestrengt,
manchmal nur angeseilt und muss viel öfter verschnaufen als unten. Und immer
wieder nimmt man das Ziel ins Visier. Wohl dem, der ein Ziel hat da oben. Der
nicht herumtappt und ziellos umherirrt, sondern weiß: dort oben zum Gipfel,
zum Kreuz, da will ich hin. Egal wie oft ich anhalten muss, egal ob andere
schneller und fitter sind als ich. Dort will ich hin und dort darf ich hin.
Sie wissen, was ich mit diesem Bild sagen will. Der 80er ist eine magische
Grenze, die Baumgrenze unseres Lebens. Ihre Zahl ist deutlich kleiner
geworden, sie müssen auch heuer einer Zahl von Alterskameraden gedenken, die
Gott schon zu sich gerufen hat. Und bei manchen mischt sich in die Festfreude
auch mancher ernste Gedanke. Wie geht es weiter mit mir, mit meinem Partner?
Werde ich den Weg schaffen bis ans Ziel? Reicht meine Ausrüstung? Gedanken,
die dazu gehören zu so einem Fest. Ihnen sage ich die Botschaft des Propheten
Jesaja zu: Sie haben einen starken Gott zur Seite, den, der sie schon ihr ganzes
Leben lang geführt und getragen hat. Ich will heben und tragen und erretten. Der
lässt Sie nicht im Stich, auch wenn wir manchmal den Eindruck haben, er sei
nicht mehr da. Er hat seine eigene Art zu führen. Oft spricht er ohne Worte,
„mit den Augen“, oft kapieren wir nicht, was er sagen will und er muss uns ein
bischen hart anfassen.
Doch er liebt uns. Nichts, aber auch gar nichts kann uns von seiner Liebe
trennen. Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Festtag. Und vor allem
wünsche ich ihnen, das feste Herz und den strahlenden Blick der Kinder Gottes.
ER stehe ihnen und uns allen bei, bis wir einst am Gipfel angekommen sind, bei
unserem Herrn Jesus Christus.
Amen.
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