Gehört der Islam zu Deutschland? - daad

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Religion in Deutschland
Die Religiöse Vielfalt in Deutschland steigt: Durch Einwanderung und gesellschaftlichen
Wandel wächst die Zahl der Religionen, denen Menschen in Deutschland angehören. Aber
auch die Zahl der Konfessionslosen nimmt zu.
Religionen und Weltanschauungen in Deutschland
Gehört der Islam zu Deutschland?
1. Fakten:
In Deutschland leben 3,8 bis 4,3 Millionen Muslime. Nur ein kleiner Teil davon gilt als Anhänger
radikaler Strömungen.Knapp zwei Drittel der muslimischen Migranten haben türkische Wurzeln.
Mehr als 13 Prozent stammen aus Südosteuropa, etwa 8 Prozent sind Migranten aus dem Nahen Osten
und 7 Prozent aus Nordafrika. 20 Prozent der Muslime in der Bundesrepublik sind in religiösen
Vereinen oder Gemeinden organisiert. Mit fast drei Vierteln bilden die Sunniten die bedeutendste
Glaubensrichtung. Es folgen die Aleviten mit 13 und die Schiiten mit 7 Prozent.In Deutschland gibt es
rund 2350 Moscheen.
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2. Auschnitte aus einer Diskussion zum Thema ob der Islam zu Deutschland gehört
oder nicht (Quelle: http://www.welt.de)
„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“
Vertreter des Staates und der Muslim-Verbände kommen an diesem Donnerstag zu neuen Beratungen
im Rahmen der sogenannten Islamkonferenz zusammen. Unmittelbar zuvor widersprach
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) erneut der Aussage des damaligen Bundespräsidenten
Christian Wulff, der Islam sei ein Teil Deutschlands.
"Der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität in Deutschland und gehört somit nicht zu
Deutschland", wiederholte Kauder in der "Passauer Neuen Presse". "Muslime gehören aber sehr wohl
zu Deutschland. Sie genießen selbstverständlich als Staatsbürger die vollen Rechte."
In der Islam-Debatte widerspricht Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). "Der Islam ist eine der Religionen, die in Deutschland
ausgelebt werden. Deshalb gehört der Islam natürlich zu Deutschland", sagte LeutheusserSchnarrenberger "Welt Online".
Der Zentralrat der Muslime übte scharfe Kritik an Kauder. "Solche Äußerungen sind schädlich für das
Zusammenleben in Deutschland – zudem sind sie historisch auch nicht richtig sind", sagte der
Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek der "Passauer Neuen Presse". "Hier geht es um Schlagzeilen,
um Effekthascherei, nicht um substanzielle Politik", fügte er hinzu: "Weltoffenheit wird anders
buchstabiert."
Äußerungen "in rechtsextremen Kreisen als Aufmunterung und Bestätigung uminterpretiert werden".
Schon jetzt würden viele Moscheegemeinden Alarm schlagen und von zunehmenden Übergriffen und
Anschläge berichten. "Die Islamfeindlichkeit in Deutschland ist in den letzten Jahren stark
gewachsen", sagte Mazyek.
„Der Islam gehört zu Deutschland“
Muslime sollen zu Deutschland gehören, der Islam aber nicht? Diese Unterscheidung entspricht nicht
der Realität, findet Leser Reinhard Salomon.
Die zweitgrößte Weltreligion ist sehr wohl in Deutschland angekommen: Die wichtigsten Merkmale
des Islam wie beispielsweise die fünf Säulen sind längst auch Nicht-Muslimen bekannt. Moscheen mit
Minaretten sind ein weiteres Indiz für die Existenz des Islam hierzulande, ebenso wie der geplante
islamische Religionsunterricht an staatlichen Schulen und natürlich die Muslime selbst.
Die Beweislast, dass der Islam zu Deutschland gehört, ist also erdrückend. Dass sich Gauck von der
Tatsachenbehauptung Wulffs distanziert, irritiert. Das ist in etwa so, als würde sich jemand bei
strömendem Regen von der Aussage distanzieren, es regne.
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Wulff stellte sich mit seiner Aussage mutig der Wirklichkeit. Indem er den Islam ohne Wenn und
Aber zu Deutschland rechnete, zeigte er kosmopolitische Beherztheit. Das hat ihm zwar den Ärger
vieler CDU- und CSU-Mitglieder, aber den Respekt der Muslime eingebracht.
Niemand kann das ernsthaft leugnen: Heute sind die über vier Millionen Muslime in Deutschland eine
nicht mehr wegzudenkende gesellschaftliche Gruppe. Deswegen ist die Aussage des
Bundespräsidenten richtig. Ein arabisches Sprichwort besagt: "Die Liebe zum Vaterland kommt vom
Glauben". Längst ist Deutschland im Herzen vieler Muslime Teil ihres Denkens, dessen sind wir alle
Zeuge, nicht zuletzt bei unserer Fußballnationalmannschaft.
Aber auch im Bezug auf die Geschichte des Islam bleibt sie korrekt. In der gegenwärtigen
Islamdebatte sollten man deshalb einmal mehr auf Wahlkampf-Getöse verzichten und die historischen
Fakten sprechen lassen.
Die eigentliche Frage ist doch: Ist Deutschland bereit, seinen deutschen Muslimen eine Chance zu
geben, oder verweist es – wie die Sarrazin-Thesen es deutlich machen – sie direkt auf die
Anklagebank und geht damit einem konstruktiven Dialog aus dem Wege?
Wer übersieht, dass Europa, gar Deutschland, und Islam eine lange Geschichte verbindet, möge den
West-Östlichen Divan unseres Nationaldichters Johann Wolfgang Goethes wieder einmal lesen, die
großen Universalgelehrten Ibn Sina (Avicenna) und Ibn Ruschd (Averroes) zur Kenntnis nehmen oder
wenigstens die 700-jährige Geschichte des Islam in Spanien berücksichtigen.
Und das bis heute euro-arabische Malta, den europäisch-muslimischen Balkan, das vom Orient
kulturell durchdrungene Sizilien und die über 500-jährige Enklave der muslimischen Tataren in Polen
sind ein beredetes Zeugnis muslimischer Präsens in Europa. Schließlich bargen Muslime die
griechischen-hellenistischen Fundamente der europäischen Zivilisation, vor allem Aristoteles, vor der
Versenkung, indem sie sie ins Arabische übersetzten. Die griechischen Wissenschaften – als
maßgebliches Erbe Europas – wanderten also vom Griechischen über das Arabische ins Lateinische.
Wir stehen also im Abendland auch auf morgenländischen Beinen.
Von Kindesbeinen an kennen wir Wörter wie Marzipan, Zucker, Ingwer und Zimt, Tarif, Schach,
Scheck, Scheriff, Mütze, Jacke, Kabel und Watte und auch die Laute aus Ebenholz, die wie eine
Gitarre klingt. Und als Schüler lernen wir Chemie und Algebra, also auch mit Ziffern umzugehen. Alle
kursiv gekennzeichneten Sub-stantive sind arabischen Ursprungs.
Unzweifelhaft prägte das Christentum die europäische Geistesgeschichte seit dem frühen Mittelalter,
man denke auch an die Reformation, die Aufklärung (als Reaktion auf den christlichen Absolutismus)
oder die christliche Soziallehre. Niemand sollte das in Abrede stellen.
Eine große Kulturnation, zu der ich Deutschland zähle, und da tun auch die Aussagen unseren neuen
Innenministers keinen Abbruch, zeichnet sich durch Offenheit und Respekt gegenüber anderen
Kulturen aus. Das hält sie lebendig und frisch.Das wusste der bibelfeste Goethe genauso wie sein
Kollege Herder und der Aufklärer Lessing. Sie waren sich bewusst, dass die drei monotheistischen
Religionen gleichen Ursprungs sind und allesamt nicht aus Brandenburg, sondern aus dem
Morgenland stammen.
Aiman Mazyek ist Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland.
. Gehört es überhaupt "zu Deutschland" einer Religionsgemeinschaft anzugehören?
Sehr viele Christen in Deutschland sind nur noch pro forma Christen. So wurde vor kurzem bekannt
gemacht, dass die Zahl der katholischen Kirchgänger in den letzten 20 Jahren um die Hälfte
abgenommen hat. Über Kirchenaustritte wurde ja auch schon viel geschrieben. Frankreich bekennt
sich offensiv dazu, ein laizistischer Staat zu sein. Vielleicht sollte Deutschland einfach nachziehen.
Dann könnte jeder seiner Religion nachgehen (oder eben auch nicht), aber eine Debatte, was dazu
gehört, müsste so nicht mehr geführt werden.
Leserkommentar (www.welt.de)
Warum der Islam bei uns keine Heimat findet: Ansichten einer deutsch Türkin
Gehört der Islam zu Deutschland? Eine schwierige Frage, findet Emel Zeynelabidin. "Wenn die
Antwort nein lautet, was passiert dann mit den Muslimen, die hier sind, und ihren Kindern?", sagt sie.
"Und noch wichtiger: Von welchem Islam sprechen wir hier?"
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Für Zeynelabidin gibt es eine konservative Lesart des Islam, von der sie sich heute distanziert. Diese
schreibt strikte Richtlinien vor, kein Alkohol, kein Schweinefleisch, kein Sex vor der Ehe, Fasten zu
Ramadan. Wer sich daran hält, wird von Gott belohnt, wer die Regeln bricht, wird bestraft. "Ich bin
Muslimin und fühle mich heute religiöser denn je!", sagt Zeynelabidin, "Aber mit diesem System habe
ich heute nichts mehr am Hut.
Gott ist allgegenwärtig, da muss ich mich nicht mit Ritualen aufhalten." Für sie heißt Islam Freiheit,
Liebe, nach dem vorbildlichen Verhalten Mohammeds, der aufrichtig handelte, der sich für die Rechte
der Frauen einsetzte.
Die 52-Jährige ist die Tochter des Gründers der deutschen Sektion der türkischen Gemeinschaft Milli
Görüs, die vom Verfassungsschutz überwacht wird. Lange Zeit war sie stramme Anhängerin des
Islam, bekam sechs Kinder, war Vorsitzende eines Frauenvereins, gründete den ersten islamischen
Kindergarten in Berlin, das war 1987. 18 Jahre später legte sie ihr Kopftuch ab. Dass die Hälfte der
Deutschen sagt, der Islam passe nicht in ihr Land, überrascht sie nicht.
Der Islam, Bereicherung oder Bedrohung?
Auch diese Frage stellte die Bertelsmann-Stiftung 14.000 Menschen in 13 Ländern
Viele Deutsche schließen von dem Verhalten von organisierten Muslimen auf den Islam. Doch die
meisten islamischen Organisationen sind vom Ausland dirigiert. Und die interpretieren den Koran auf
eine konservative, archaische Weise. Sie verbreiten nicht die schönen Seiten, die Liebe, die
Aufrichtigkeit, das Vorbildsein, die Freude, den Fortschritt.
Die Toleranz der Deutschen gilt dem Buddhismus und Hinduismus. Kaum aber dem Islam: Jeder
zweite Deutsche denkt, dieser passe nicht nach Deutschland. Das ist eines der Ergebnisse des
Religionsmonitors, den die Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für angewandte
Sozialwissenschaft (Infas) erstellt hat.
Die islamische Religion und die westliche Gesellschaft sind nicht miteinander vereinbar, das sagt die
Hälfte aller Deutschen – und genauso viele Deutsche halten den Islam sogar für gefährlich. Ihr Bild ist
geprägt von religiösem Fanatismus und Ehrenmorden. Doch selbst von den in Deutschland lebenden
Muslimen schätzen immerhin neun Prozent den Islam als bedrohlich ein.
Und fast jeder fünfte Muslim (18 Prozent) sieht keine Vereinbarkeit zwischen der eigenen Religion
und der deutschen Gesellschaft.
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