Inhalt JOHANNES PAUL II., Ecclesia de Eucharistia, 17. April 2003 ............................................................................. 1 In der Schule Mariens: die Eucharistie und Maria......................................................................................... 1 BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 26. Mai 2005 ................................................................................ 3 Prozession am Gründonnerstag, Prozession an Fronleichnam ..................................................................... 3 BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 15. Juni 2006 ................................................................................ 4 Die Zeichen von Brot und Wein ..................................................................................................................... 4 BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 7. Juni 2007 .................................................................................. 6 Geheimnis des Glaubens ............................................................................................................................... 6 BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 22. Mai 2008 ................................................................................ 8 Gegenwart, Prozession, Anbetung ................................................................................................................ 8 BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 11. Juni 2009 .............................................................................. 10 »Das ist mein Leib, das ist mein Blut.« ........................................................................................................ 10 BENEDIKT XVI.,Fronleichnam, Donnerstag, 3. Juni 2010................................................................................. 12 Eucharistie und Priester .............................................................................................................................. 12 BENEDIKT XVI., Fronleichnam,Donnerstag, 23. Juni 2011............................................................................... 14 Verwandlung ............................................................................................................................................... 14 BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 7. Juni 2012 ................................................................................ 16 Kult der Eucharistie und ihre Sakralität ....................................................................................................... 16 FRANZISKUS, Fronleichnam, Donnerstag, 30. Mai 2013 ................................................................................ 18 Nachfolge, Gemeinschaft, Teilen................................................................................................................. 18 FRANZISKUS, Fronleichnam, Donnerstag, 19. Juni 2014 ................................................................................. 20 »Der Herr, dein Gott, … hat dich mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest« (Dtn 8,2-3). .............. 20 JOHANNES PAUL II., Ecclesia de Eucharistia, 17. April 2003 In der Schule Mariens: die Eucharistie und Maria 53. Wenn wir die innige Beziehung, die die Kirche mit der Eucharistie verbindet, in ihrem ganzen Reichtum wiederentdecken wollen, dürfen wir Maria, Mutter und Modell der Kirche, nicht vergessen. Im Apostolischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae, in dem ich auf die Allerseligste Jungfrau als Lehrmeisterin in der Betrachtung des Antlitzes Christi hinwies, habe ich auch die Einsetzung der Eucharistie unter die lichtreichen Rosenkranzgeheimnisse eingereiht. Schließlich kann Maria uns zu diesem Allerheiligsten Sakrament führen, da sie zu ihm eine tiefe Beziehung hat. Auf den ersten Blick schweigt das Evangelium zu diesem Thema. Im Bericht über die Einsetzung am Abend des Gründonnerstags ist von Maria nicht die Rede. Dagegen weiß man, daß sie unter den Aposteln zugegen war, »einmütig im Gebet« (vgl. Apg 1, 14), in der ersten Gemeinde, die nach der Himmelfahrt in Erwartung der Ausgießung des Heiligen Geistes versammelt war. Ihre Anwesenheit durfte gewiß in der Eucharistiefeier unter den Gläubigen der ersten christlichen Generation, die beharrlich am »Brechen des Brotes« (Apg 2, 42) teilnahmen, nicht fehlen. Aber jenseits ihrer Teilnahme am eucharistischen Mahl kann die Beziehung Marias zur Eucharistie indirekt, ausgehend von ihrem inneren Verhalten abgeleitet werden. In ihrem ganzen Leben ist Maria eine von der Eucharistie geprägte 1 Frau. Die Kirche, die auf Maria wie auf ihr Urbild blickt, ist berufen, sie auch in ihrer Beziehung zu diesem heiligsten Geheimnis nachzuahmen. 54. Mysterium fidei! Wenn die Eucharistie ein Geheimnis des Glaubens ist, das unseren Intellekt weit überragt, um uns so zu einer noch reineren Hingabe an das Wort Gottes zu verpflichten, kann es niemand anderen als Maria geben, um Stütze und Führung in solcher Haltung zu sein. Unser Wiederholen der Geste Christi beim Letzten Abendmahl als Erfüllung seines Auftrags »Tut dies zu meinem Gedächtnis« wird gleichzeitig zur Annahme der Einladung Marias, ihm ohne Zögern zu gehorchen: »Was er euch sagt, das tut« (Joh 2, 5). Mit der mütterlichen Sorge, die sie bei der Hochzeit zu Kana an den Tag legte, scheint Maria uns zu sagen: »Schwankt nicht, vertraut dem Wort meines Sohnes. Er, der fähig war, Wasser in Wein zu wandeln, ist gleichermaßen fähig, aus dem Brot und dem Wein seinen Leib und sein Blut zu machen und so den Gläubigen das lebendige Gedächtnis seines Paschas zu übergeben, um sich auf diese Weise zum „Brot des Lebens“ zu machen« . 55. In gewissem Sinne hat Maria ihren eucharistischen Glauben bereits vor der Einsetzung der Eucharistie ausgeübt, und zwar aufgrund der Tatsache selbst, daß sie ihren jungfräulichen Schoß für die Inkarnation des Wortes Gottes dargeboten hat. Indem sie auf die Passion und die Auferstehung verweist, steht die Eucharistie in Kontinuität zur Inkarnation. Maria empfing bei der Verkündigung den göttlichen Sohn in der auch physischen Wahrheit des Leibes und Blutes, um so in sich das vorwegzunehmen, was sich in gewissem Maße auf sakramentale Weise in jedem Gläubigen ereignet, der unter den Zeichen von Brot und Wein den Leib und das Blut des Herrn empfängt. Es besteht daher eine tiefe Analogie zwischen dem fiat, das Maria auf das Wort des Engels antwortete, und dem Amen, das jeder Gläubige ausspricht, wenn er den Leib des Herrn empfängt. Maria war gerufen zu glauben, daß der, den Sie empfing »durch das Wirken des Heiligen Geistes der Sohn Gottes« (vgl. Lk 1, 30-35) sei. In Kontinuität zum Glauben der Jungfrau wird im eucharistischen Geheimnis von uns der Glaube daran gefordert, daß dieser selbe Jesus, der Sohn Gottes und der Sohn Mariens, sich gegenwärtig macht mit seinem ganzen gott-menschlichen Sein unter den Zeichen des Brotes und des Weines. »Selig die, die geglaubt hat« (Lk 1, 45): Im Geheimnis der Fleischwerdung hat Maria auch den eucharistischen Glauben der Kirche vorweggenommen. Beim Besuch Marias bei Elisabeth trägt sie das fleischgewordene Wort in ihrem Schoß und macht sich in gewisser Weise zum ,,Tabernakel“ – dem ersten ,,Tabernakel“ der Geschichte –, in dem der Sohn Gottes, noch unsichtbar für die Augen der Menschen, der Anbetung Elisabeths dargeboten wird und sein Licht gleichsam ,,ausstrahlt“ durch die Augen und die Stimme Mariens. Ist der entzückte Blick Mariens im Moment, als sie das Antlitz des neugeborenen Christus betrachtet und ihn in ihre Arme drückt, etwa nicht das unerreichbare Modell der Liebe, von der wir uns jedes Mal inspirieren lassen müssen, wenn wir die Eucharistie in der heiligen Kommunion empfangen? 56. Maria machte sich durch ihr ganzes Leben an der Seite Christi, und nicht nur auf Golgotha, den Opfercharakter der Eucharistie zu eigen. Als sie das Jesuskind zum Jerusalemer Tempel brachte, »um ihn dem Herrn darzustellen« (Lk 2, 22), war vom alten Simeon die Ankündigung zu hören, daß dieses Kind »ein Zeichen des Widerspruchs« sein werde, und daß ein ,,Schwert“ auch ihre Seele durchdringen sollte (vgl. Lk 2, 34-35). So war das Drama des gekreuzigten Sohnes vorherverkündet, und in gewisser Weise wurde das »stabat Mater« der Jungfrau zu Füßen des Kreuzes vorausgebildet. Indem sie sich Tag für Tag auf Golgotha vorbereitet, lebt Maria eine Art »vorweggenommener Eucharistie« , man würde sagen, eine »geistliche Kommunion« der Sehnsucht und des Opfers, das seine Vollendung in der Einheit mit dem Sohn in der Passion haben wird, und das sich dann, in der nachösterlichen Zeit, in ihrer Teilnahme an der von den Aposteln geleiteten Eucharistiefeier als ,Gedächtnis' der Passion ausdrücken wird. Wie soll man sich die Gefühle Marias vorstellen, als sie aus dem Mund Petri, Johannes', Jakobus' und der anderen Apostel die Worte des Letzten Abendmahles vernimmt: »Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird« (Lk 22, 19)? Dieser Leib, als Opfer dahingegeben und unter sakramentalen Zeichen erneut dargestellt, war ja derselbe Leib, der in ihrem Schoß empfangen wurde! Der Empfang der Eucharistie mußte für Maria in etwa bedeuten, wiederum in ihrem Schoß jenes Herz aufzunehmen, das im Gleichklang mit dem ihren geschlagen hat, und das wieder zu erleben, was sie als erste Person unter dem Kreuz erfahren hatte. 2 57. »Tut dies zu meinem Gedächtnis« (Lk 22, 19). Beim „Gedächtnis“ von Golgotha ist all das gegenwärtig, was Christus in seiner Passion und in seinem Tod vollbracht hat. Daher fehlt auch das nicht, was Christus zu unseren Gunsten an seiner Mutter vollbracht hat. In der Tat vertraut er ihr den Lieblingsjünger an und, in ihm, überantwortet er ihr auch jeden von uns: »Siehe da, dein Sohn!«. Gleichermaßen sagt er zu jedem von uns: »Siehe da, deine Mutter!« (vgl. Joh 19, 26-27). In der Eucharistie das Gedächtnis des Todes Christi zu leben schließt auch ein, immer wieder dieses Geschenk zu empfangen. Das bedeutet, diejenige, die uns jedesmal als Mutter gegeben wird, nach dem Beispiel des Johannes zu uns zu nehmen. Es bedeutet zur gleichen Zeit, daß wir uns dem Anspruch stellen, Christus gleichförmig zu werden, uns daher in die Schule der Mutter zu begeben und uns von ihr begleiten zu lassen. Maria ist mit der Kirche und als Mutter der Kirche in jeder unserer Eucharistiefeiern präsent. Wenn Kirche und Eucharistie ein untrennbares Wortpaar sind, so muß man dies gleichfalls von Maria und der Eucharistie sagen. Auch deshalb kennen die Kirchen des Westens und des Ostens einhellig seit dem Altertum das Gedenken Mariens in der Eucharistiefeier. 58. In der Eucharistie vereint sich die Kirche völlig mit Christus und seinem Opfer und macht sich den Geist Mariens zu eigen. Dies ist eine Wahrheit, die sich vertiefen läßt, wenn wir das Magnificat in eucharistischer Sicht erneut lesen. Wie der Gesang Mariens ist die Eucharistie vor allem Lob und Danksagung. Als Maria ausruft: »Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter«, trägt sie Jesus in ihrem Schoß. Sie lobt den Vater »wegen« Jesus, aber sie lobt ihn auch »in« Jesus und »mit« Jesus. Das genau ist wirkliches »eucharistisches Verhalten«. Gleichzeitig gedenkt Maria der wunderbaren Taten Gottes in der Heilsgeschichte, gemäß der an die Väter ergangenen Verheißung (vgl. Lk 1, 55), und verkündet das Wunder, das sie alle überragt, die heilbringende Inkarnation. Im Magnificat ist schließlich die eschatologische Spannung der Eucharistie gegenwärtig. Jedes Mal, wenn sich uns der Sohn Gottes in der »Armut« der sakramentalen Zeichen von Brot und Wein zeigt, wird in die Welt der Keim jener neuen Geschichte gelegt, in der die »Mächtigen vom Thron« gestürzt und »die Niedrigen erhöht werden« (vgl. Lk 1, 52). Maria besingt diesen »neuen Himmel« und die »neue Erde«, die in der Eucharistie ihre Vorwegnahme und in einem gewissen Sinn ihr programmatisches »Bild« finden. Wenn das Magnificat die Spiritualität Mariens ausdrückt, so kann uns nichts mehr als diese Spiritualität helfen, das eucharistische Geheimnis zu leben. Die Eucharistie ist uns gegeben, damit unser Leben ähnlich dem Mariens ganz und gar ein Magnificat sei! BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 26. Mai 2005 Prozession am Gründonnerstag, Prozession an Fronleichnam Am Hochfest des Leibes und Blutes Christi, dem Fronleichnamsfest, durchlebt die Kirche im Licht der Auferstehung von neuem das Geheimnis des Gründonnerstags. Auch der Gründonnerstag kennt eine eucharistische Prozession, mit der die Kirche den Gang Jesu vom Abendmahlssaal zum Ölberg wiederholt. In Israel feierte man die Paschanacht zu Hause, im engen Familienkreis; so erinnerte man an das erste Pascha in Ägypten – an die Nacht, in der das Blut des Osterlammes auf die Schwellen und Pfosten der Häuser gestrichen worden war, um sie vor dem Vernichter zu schützen. In jener Nacht geht Jesus hinaus und liefert sich den Händen des Verräters aus, des Vernichters, und besiegt genau dadurch die Nacht und die Finsternis des Bösen. Nur so findet das Geschenk der Eucharistie, die im Abendmahlsaal eingesetzt wurde, seine Erfüllung: Jesus gibt wirklich seinen Leib und sein Blut hin. Indem er die Schwelle des Todes überschreitet, wird er lebendiges Brot, wahres Manna, unvergängliche Speise für alle Zeiten. Das Fleisch wird zum Brot des Lebens. Bei der Prozession am Gründonnerstag begleitet die Kirche Jesus zum Ölberg: Es ist der inständige Wunsch der betenden Kirche, mit Jesus zu wachen, ihn nicht allein zu lassen in der Nacht der Welt, in der Nacht des Verrats, in der Nacht der Gleichgültigkeit so vieler. Am Fronleichnamsfest nehmen wir diese Prozession wieder auf, aber in der Freude der Auferstehung. Der Herr ist auferstanden und geht uns voraus. In den Berichten über die Auferstehung gibt es ein wesentliches gemeinsames Merkmal; die Engel sagen: Der Herr 3 »geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen« (Mt 28,7). Bei näherer Betrachtung können wir sagen, daß dieses »Vorausgehen« Jesu eine doppelte Richtung beinhaltet. Die erste ist – wie wir gehört haben – Galiläa. In Israel galt Galiläa als das Tor zur Welt der Heiden. Und tatsächlich sehen die Jünger in Galiläa, auf dem Berg, Jesus, den Herrn, der zu ihnen sagt: »Darum geht zu allen Völkern … und lehrt sie« (Mt 28,19f.). Die andere Richtung, in die der Auferstandene vorausgeht, erscheint im Johannesevangelium, in den Worten Jesu an Maria Magdalena: »Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen« (Joh 20,17). Jesus geht uns zum Vater voraus, er steigt zur Höhe Gottes hinauf und lädt uns ein, ihm zu folgen. Diese beiden Richtungen des Weges des Auferstandenen widersprechen sich nicht, sondern zeigen zusammen den Weg der Nachfolge Christi an. Das wahre Ziel unseres Weges ist die Gemeinschaft mit Gott – Gott selbst ist das Haus mit den vielen Wohnungen (vgl. Joh 14,2f.). Aber wir können zu diesem Haus nur aufsteigen, wenn wir »nach Galiläa« gehen – wenn wir auf den Straßen der Welt gehen und das Evangelium zu allen Völkern bringen, allen Menschen aller Zeiten das Geschenk seiner Liebe bringen. Darum führte der Weg der Apostel bis an die »Grenzen der Erde«; so sind die hll. Petrus und Paulus bis nach Rom gekommen, die Stadt, die damals der Mittelpunkt der bekannten Welt war, das wahre »caput mundi«, die Hauptstadt der Welt. Die Prozession am Gründonnerstag begleitet Jesus in seiner Einsamkeit hin zum »Kreuzweg«. Die Fronleichnamsprozession hingegen antwortet symbolisch auf den Auftrag des Auferstandenen: Ich gehe euch voraus nach Galiläa. Geht bis an die Grenzen der Erde, bringt der Welt das Evangelium. Natürlich ist die Eucharistie für den Glauben ein Mysterium tiefer Vertrautheit. Der Herr hat das Sakrament im Abendmahlssaal eingesetzt, umgeben von seiner neuen Familie, den zwölf Aposteln, Vorankündigung und Vorwegnahme der Kirche aller Zeiten. Deshalb wurde die Austeilung der heiligen Kommunion in der Liturgie der Urkirche mit den Worten eingeleitet: Sancta sanctis – die heilige Gabe ist für diejenigen bestimmt, die sich als heilig erwiesen haben. Auf diese Weise antwortete man auf die Mahnung des hl. Paulus an die Korinther: »Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken« (1 Kor 11,28). Dennoch geht von dieser Vertrautheit, die ein sehr persönliches Geschenk des Herrn ist, die Kraft des Sakraments der Eucharistie weit über die Mauern unserer Kirchen hinaus. In diesem Sakrament ist der Herr immer unterwegs zur Welt. Dieser universelle Aspekt der eucharistischen Präsenz zeigt sich in der Prozession unseres heutigen Festes. Wir tragen Christus, der in der Gestalt des Brotes gegenwärtig ist, durch die Straßen unserer Stadt. Wir vertrauen diese Straßen, diese Häuser – unser tägliches Leben – seiner Güte an. Mögen unsere Straßen Jesu Wege sein! Mögen unsere Häuser Häuser für ihn und mit ihm sein! Möge unser tägliches Leben durchdrungen sein von seiner Gegenwart. Mit dieser Geste tragen wir vor seine Augen die Leiden der Kranken, die Einsamkeit der Jungen und Alten, die Versuchungen, die Ängste – unser ganzes Leben. Die Prozession will ein großer, öffentlicher Segen für diese unsere Stadt sein: Christus selbst ist der göttliche Segen für die Welt – der Strahl seines Segens breite sich über uns alle aus! Unsere Prozession endet vor der Basilika Santa Maria Maggiore, in der Begegnung mit der Muttergottes, die vom lieben Papst Johannes Paul II. »eucharistische Frau« genannt wurde. Tatsächlich lehrt uns Maria, die Mutter des Herrn, was es heißt, in Gemeinschaft mit Christus zu treten: Maria hat ihr eigenes Fleisch, ihr eigenes Blut Jesus gegeben und ist zum lebendigen Zelt des Wortes geworden, als sie sich im Körper und im Geist von seiner Gegenwart durchdringen ließ. Wir bitten sie, unsere heilige Mutter, daß sie uns dabei helfe, unser ganzes Sein immer mehr der Gegenwart Christi zu öffnen. Sie helfe uns, ihm treu zu folgen, Tag für Tag, auf den Straßen unseres Lebens. Amen! BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 15. Juni 2006 Die Zeichen von Brot und Wein Während des Paschamahls am Vorabend seines Leidens nahm der Herr das Brot in seine Hände – so haben wir es gerade im Evangelium gehört – und, nachdem er den Lobpreis gesprochen hatte, brach er das Brot, 4 reichte es ihnen und sagte: »Nehmt, das ist mein Leib«. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus. Und er sagte zu ihnen: »Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird« (Mk 14,22–24). In diesen Worten ist die ganze Geschichte Gottes mit den Menschen zusammengefaßt. Es wird darin nicht nur die Vergangenheit aufgenommen und gedeutet, sondern auch die Zukunft – das Kommen des Reiches Gottes in die Welt – vorweggenommen. Was Jesus sagt, sind nicht bloß Worte. Was er sagt, ist Ereignis, das zentrale Ereignis der Geschichte der Welt und unseres persönlichen Lebens. Diese Worte sind unerschöpflich. Ich möchte in dieser Stunde mit euch nur über einen einzigen Aspekt nachdenken. Jesus hat als Zeichen seiner Gegenwart Brot und Wein gewählt. Mit jedem dieser beiden Zeichen schenkt er sich ganz, nicht nur einen Teil von sich. Der Auferstandene ist nicht geteilt. Er ist eine Person, die sich uns durch die Zeichen nähert und sich mit uns vereint. Jedes dieser Zeichen steht aber auf seine Weise für einen besonderen Aspekt seines Geheimnisses und will durch seine besondere Erscheinungsform zu uns sprechen, damit wir ein wenig mehr vom Geheimnis Jesu Christi begreifen lernen. Während der Prozession und der Anbetung schauen wir auf die konsekrierte Hostie – die einfachste Art von Brot und Nahrung, die nur aus etwas Mehl und Wasser besteht. So erscheint sie als Speise der Armen, denen der Herr seine Nähe zuallererst zugedacht hat. Das Gebet, mit dem die Kirche während der Meßliturgie dieses Brot dem Herrn darbringt, bezeichnet es als Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. In ihm enthalten ist die menschliche Mühe, die tägliche Arbeit dessen, der den Boden bestellt, der aussät und erntet und schließlich das Brot zubereitet. Dennoch ist das Brot nicht einzig und allein unser Erzeugnis, etwas von uns Gemachtes; es ist Frucht der Erde und damit auch Geschenk. Denn die Tatsache, daß die Erde Frucht trägt, ist nicht unser Verdienst; allein der Schöpfer konnte ihr die Fruchtbarkeit verleihen. Und nun können wir dieses Gebet der Kirche noch ein wenig ausweiten und sagen: Das Brot ist Frucht der Erde und zugleich Frucht des Himmels. Es setzt das Zusammenwirken der Kräfte der Erde und der Gaben von oben, das heißt der Sonne und des Regens, voraus. Und auch das Wasser, das wir zum Bereiten des Brotes brauchen, können wir nicht selbst erzeugen. In einer Zeit, wo von fortschreitender Wüstenbildung die Rede ist und immer wieder auf die Gefahr verwiesen wird, daß in diesen wasserlosen Regionen Menschen und Tiere verdursten – in einer solchen Zeit werden wir uns von neuem auch der Größe des Geschenks des Wassers und zugleich unseres Unvermögens bewußt, es uns allein zu beschaffen. Wenn wir jetzt dieses kleine Stück weißer Hostie, dieses Brot der Armen, näher betrachten, erscheint es uns wie ein Zusammenspiel der Schöpfung. Himmel und Erde sowie Tätigkeit und Geist des Menschen wirken zusammen. Das Zusammenwirken der Kräfte, das auf unserem armen Planeten das Geheimnis des Lebens und die Existenz des Menschen ermöglicht, begegnet uns in seiner ganzen wunderbaren Größe. So beginnen wir zu verstehen, warum der Herr dieses Stück Brot als sein Zeichen wählt. Die Schöpfung mit all ihren Gaben strebt über sich selbst hinaus nach etwas noch Größerem. Über das Zusammenwirken ihrer eigenen Kräfte hinaus, auch über das Zusammenwirken von Natur und Geist hinaus, das wir in gewisser Weise in dem Stück Brot wahrnehmen, ist die Schöpfung auf die Vergöttlichung, auf die heilige Hochzeit, auf die Vereinigung mit dem Schöpfer selbst ausgerichtet. Aber wir haben die Botschaft dieses Zeichens des Brotes noch nicht bis ins letzte erklärt. Sein tiefstes Geheimnis hat der Herr am Palmsonntag angedeutet, als ihm der Wunsch einiger Griechen angetragen wurde, ihm zu begegnen. In seiner Antwort auf diese Bitte finden wir den Satz: »Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht« (Joh 12,24). In dem aus gemahlenen Körnern bereiteten Brot verbirgt sich das Geheimnis der Passion. Das Mehl, der gemahlene Weizen, setzt das Sterben und Auferstehen des Weizenkorns voraus. Dadurch, daß es gemahlen und gebacken wird, trägt es dann noch einmal das Geheimnis der Passion in sich. Nur durch das Sterben kommt das Auferstehen, kommt die Frucht und das neue Leben. Die Kulturen des Mittelmeerraumes haben in den Jahrhunderten vor Christus dieses Geheimnis in der Tiefe erahnt. Auf der Grundlage der Erfahrung dieses Sterbens und Auferstehens entwickelten sie Mythen über Gottheiten, die durch Tod und Auferstehung neues Leben verliehen. Der Kreislauf der Natur erschien ihnen inmitten der Finsternis des uns auferlegten Leidens und Sterbens wie eine göttliche Verheißung. In diesen Mythen streckte sich die Seele der Menschen in gewisser Weise nach jenem Gott aus, der Mensch geworden ist, der sich bis zum Tod am Kreuz erniedrigt und so für uns alle die Tür zum Leben geöffnet hat. Im Brot und sei5 nem Entstehen haben die Menschen gleichsam eine Erwartung der Natur, eine Verheißung der Natur entdeckt, die Verheißung, daß es dies geben müßte: den Gott, der stirbt und uns auf diese Weise zum Leben führt. Was in den Mythen Erwartung war und was im Weizenkorn als Zeichen der Hoffnung der Schöpfung verborgen ist – das ist wirklich in Christus geschehen. Durch sein freiwilliges Leiden und Sterben ist er für uns alle Brot geworden und damit lebendige und zuverlässige Hoffnung: Er begleitet uns in allen unseren Leiden bis zum Tod. Die Wege, die er mit uns zurücklegt und auf denen er uns zum Leben führt, sind Wege der Hoffnung. Wenn wir die konsekrierte Hostie anbetend betrachten, spricht das Zeichen der Schöpfung zu uns. Dann begegnen wir der Größe seiner Gabe; aber wir begegnen auch dem Leiden, dem Kreuz Jesu und seiner Auferstehung. Durch diese anbetende Betrachtung zieht er uns zu sich, in sein Geheimnis hinein, durch das er uns verwandeln will, wie er die Hostie verwandelt hat. Die Urkirche hat im Brot noch einen anderen Symbolismus entdeckt. Die um das Jahr 100 verfaßte »Lehre der zwölf Apostel« enthält in ihren Gebeten die Aussage: »Wie dieses gebrochene Brot auf den Hügeln zerstreut war, gesammelt wurde und eins geworden ist, so möge deine Kirche von den Enden der Erde zusammengeführt werden in deinem Reich« (IX,4). Das aus vielen Körnern bereitete Brot schließt auch ein Ereignis der Vereinigung ein: Das Entstehen des Brotes aus den gemahlenen Weizenkörnern ist auch ein Vereinigungsprozeß. Wir selbst sollen aus den vielen, die wir sind, zu einem einzigen Brot, einem einzigen Leib werden, sagt uns der hl. Paulus (vgl. 1 Kor 10,17). So wird das Zeichen des Brotes zugleich Hoffnung und Aufgabe. In ganz ähnlicher Weise spricht auch das Zeichen des Weines zu uns. Während das Brot jedoch auf die Alltäglichkeit, auf die Einfachheit und auf die Pilgerschaft verweist, bringt der Wein die Erlesenheit der Schöpfung zum Ausdruck: das Freudenfest, das Gott uns am Ende der Zeiten bereiten will und das er durch dieses Zeichen schon jetzt immer wieder andeutungsweise vorwegnimmt. Aber auch der Wein spricht von der Passion: Der Weinstock muß wiederholt beschnitten und dadurch gereinigt werden; die Traube muß bei Sonne und Regen reifen und anschließend gekeltert werden: Nur durch diese Passion reift ein kostbarer Wein. Am Hochfest Fronleichnam schauen wir vor allem auf das Zeichen des Brotes. Es erinnert uns auch an die Pilgerschaft Israels während der vierzig Jahre in der Wüste. Die Hostie ist unser Manna, mit dem der Herr uns speist – sie ist wahrhaft das Brot vom Himmel, durch das er sich selbst schenkt. In der Prozession folgen wir diesem Zeichen und so folgen wir ihm selbst. Und wir bitten ihn: Führe uns auf den Straßen unserer Geschichte! Zeige der Kirche und ihren Hirten immer wieder den rechten Weg! Schau auf die Menschheit, die leidet, die zwischen so vielen Fragen unsicher umherirrt; schau auf den leiblichen und seelischen Hunger, der sie quält! Gib den Menschen Brot für Leib und Seele! Gib ihnen Arbeit! Gib ihnen Licht! Gib ihnen dich selbst! Reinige und heilige uns! Laß uns verstehen, daß nur durch die Teilnahme an deiner Passion, durch das »Ja« zum Kreuz, zum Verzicht, zur Reinigung, die du uns auferlegst, unser Leben reifen und zu seiner wahren Fülle gelangen kann. Führe uns von allen Enden der Erde zusammen. Eine deine Kirche, eine die zerrissene Menschheit! Schenke uns dein Heil! Amen! BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 7. Juni 2007 Geheimnis des Glaubens Gerade haben wir in der Sequenz gesungen: »Dogma datur christianis; / quod in carnem transit panis, /et vinum in sanguinem. – Doch wie uns der Glaube kündet, der Gestalten Wesen schwindet, Fleisch und Blut wird Brot und Wein.« Heute wollen wir erneut mit großer Freude unseren Glauben an die Eucharistie bekräftigen, jenes Mysterium, welches das Herz der Kirche bildet. In dem jüngsten Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis habe ich daran erinnert, daß »das eucharistische Geheimnis das 6 Geschenk der Selbsthingabe Jesu Christi [ist], mit dem er uns die unendliche Liebe Gottes zu jedem Menschen offenbart« (Nr. 1). Daher ist Fronleichnam ein einzigartiges Fest und ein wichtiger Tag des Glaubens und des Lobpreises für jede christliche Gemeinschaft. Dieses Fest hat seine Wurzeln in einem bestimmten historischen und kulturellen Kontext: Es ist mit dem klaren Ziel entstanden, öffentlich den Glauben des Volkes Gottes an Jesus Christus zu bezeugen, der im allerheiligsten Sakrament der Eucharistie lebt und wirklich gegenwärtig ist. Es ist ein Fest, das eingeführt wurde, um den Herrn öffentlich anzubeten, zu preisen und Ihm zu danken, der uns im eucharistischen Sakrament immer noch liebt »bis zur Vollendung, bis zur Hingabe seines Leibes und seines Blutes« (Sacramentum caritatis, 1). Die Eucharistiefeier am heutigen Abend knüpft an das spirituelle Klima des Gründonnerstags an, jenes Tages, an dem Christus am Abend vor seinem Leiden im Abendmahlssaal die Heiligste Eucharistie einsetzte. Fronleichnam bildet somit eine Wiederaufnahme des Mysteriums vom Gründonnerstag, bei der wir der Aufforderung Jesu Folge leisten, »das von den Dächern zu verkünden«, was er uns im Verborgenen mitgeteilt hat. Das Geschenk der Eucharistie haben die Apostel beim Letzten Abendmahl vom Herrn empfangen, aber es gilt allen, der ganzen Welt. Aus diesem Grund muß es öffentlich verkündet und ausgestellt werden, damit jeder dem »vorbeiziehenden Jesus« begegnen kann, so wie es in den Straßen von Galiläa, Samaria und Judäa geschah; denn jeder, der Ihn empfängt, wird durch die Kraft seiner Liebe geheilt, erneuert und gestärkt. Das, liebe Freunde, ist das immerwährende und lebendige Erbe, das Jesus uns im Sakrament seines Leibes und seines Blutes hinterlassen hat. Ein Erbe, das es verdient, ständig durchdacht und neu gelebt zu werden, bis es – wie Papst Paul VI. es ausdrückte – »allen Tagen unseres Lebens seine unerschöpfliche Wirksamkeit einprägen kann«. Als ich im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben den Ausruf des Priesters nach der Konsekration: »Geheimnis des Glaubens!« kommentierte, schrieb ich: Mit diesen Worten »verkündet der Priester das gefeierte Mysterium und drückt sein Staunen angesichts der Wesensverwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi aus – einer Wirklichkeit, die alles menschliche Verstehen übersteigt« (Nr. 6). Gerade weil es sich um eine geheimnisvolle Wirklichkeit handelt, die unser »Verstehen« übersteigt, dürfen wir uns nicht wundern, wenn auch heute viele Menschen Mühe haben, die wirkliche Gegenwart Christi in der Eucharistie anzuerkennen. Es kann gar nicht anders sein. Es war so bis zu jenem Tag, als Jesus in der Synagoge von Kafarnaum offen verkündete, daß er gekommen ist, um uns sein Fleisch und sein Blut zur Speise zu geben (Joh 6,26–58). Seine Sprache erschien »hart«, und viele zogen sich zurück. Heute wie damals bleibt die Eucharistie ein »Zeichen des Widerspruchs«, und das kann auch gar nicht anders sein, denn ein Gott, der selbst Fleisch geworden ist, sich selbst opfert für das Leben der Welt, stürzt die Weisheit der Menschen in eine Krise. Aber mit demütigem Vertrauen macht sich die Kirche den Glauben Petri und der Apostel zueigen, und mit ihnen verkündet sie und verkünden auch wir: »Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.« Erneuern auch wir heute abend unser Bekenntnis des Glaubens an den lebendigen Christus, der in der Eucharistie gegenwärtig ist. Ja: »Doch wie uns der Glaube kündet, der Gestalten Wesen schwindet, Fleisch und Blut wird Brot und Wein.« Die Sequenz hat uns an ihrem Höhepunkt singen lassen: »Ecce panis angelorum, / factus cibus viatorum: / vere panis filiorum – Seht das Brot, die Engelspeise! / Auf des Lebens Pilgerreise, / nehmt es nach der Kinder Weise«. Und durch die Gnade Gottes sind wir Kinder. Die Eucharistie ist eine Speise, die jenen vorbehalten ist, die durch die Taufe von der Sklaverei befreit und Kinder wurden; jene Speise, die sie auf ihrem langen Weg des Exodus durch die Wüste der menschlichen Existenz am Leben hält. Wie das »Manna« für das Volk Israel, so ist die Eucharistie für jede christliche Generation die unentbehrliche Nahrung, die uns auf unserem Weg durch die Wüsten der Welt begleitet, die ausgetrocknet ist von ideologischen und wirtschaftlichen Systemen, die das Leben nicht fördern, sondern vielmehr erniedrigen; eine Welt, in der die Logik der Macht und des Besitzes vorherrscht und nicht die Logik des Dienens und der Liebe. Eine Welt, in der nicht selten die Kultur der Gewalt und des Todes dominiert. Doch Christus kommt uns entgegen und schenkt uns die Gewißheit: Er selbst ist das »Brot des Lebens«. Er hat es im Ruf vor dem Evangelium wiederholt: »Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer dieses Brot ißt, wird in Ewigkeit leben.« 7 Im gerade verkündeten Abschnitt aus dem Evangelium erzählt uns der hl. Lukas das Wunder der Vermehrung von »fünf Broten und zwei Fischen«, mit denen Jesus den Hunger der Menge »in der Wüste« stillte; er schließt mit den Worten: »Und alle aßen und wurden satt«. Ich möchte in erster Linie dieses »alle« unterstreichen. Denn es ist der Wunsch des Herrn, daß jeder Mensch sich von der Eucharistie nährt, denn die Eucharistie ist für alle. Wenn am Gründonnerstag die enge Verbindung zwischen dem Letzten Abendmahl und dem Geheimnis des Todes Christi am Kreuz unterstrichen wird, dann wird heute, am Fest Fronleichnam mit der Prozession und der gemeinschaftlichen Anbetung der Eucharistie unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, daß Christus sich für die ganze Menschheit hingegeben hat. Sein Weg zwischen den Häusern und auf den Straßen unserer Stadt soll für diejenigen, die hier leben, eine Gabe der Freude, des ewigen Lebens, des Friedens und der Liebe sein. Im Evangelium begegnet uns ein zweiter Aspekt, der ins Auge fällt: Das Wunder, das der Herr vollbrachte, beinhaltet die explizite Einladung, daß jeder seinen eigenen Beitrag leisten soll. Die zwei Fische und fünf Brote weisen auf unsere bescheidene, aber notwendige Gabe hin, die Er in ein Geschenk der Liebe zu allen verwandeln kann. »Jesus fordert heute immer noch seine Jünger auf« – so merke ich in dem obengenannten Nachsynodalen Schreiben an –, »sich persönlich zu engagieren« (Nr. 88). Die Eucharistie ist also ein Ruf zur Heiligkeit und zur Selbsthingabe an die Brüder, denn die »Berufung eines jeden von uns ist wirklich die, gemeinsam mit Jesus gebrochenes Brot für das Leben der Welt zu werden« (ebd.). Diese Einladung richtet unser Erlöser in besondere Weise an uns, liebe Brüder und Schwestern aus Rom, die ihr hier auf diesem historischen Platz um die Eucharistie versammelt seid. Ich grüße euch alle mit Zuneigung. Mein Gruß geht zunächst an den Kardinalvikar und die Weihbischöfe, an die verehrten Kardinäle und Bischöfe, aber auch an die vielen Priester und Diakone, die Ordensfrauen und -männer und die zahlreichen Laien. Am Ende der Eucharistiefeier werden wir uns zur Prozession versammeln, um Jesus, den Herrn, gleichsam durch alle Straßen und Viertel Roms zu tragen. Wir lassen ihn gleichsam eintauchen in unser tägliches Leben, damit er dort geht, wo wir gehen, und damit er lebt, wo wir leben. Wir wissen nämlich – wie uns der Apostel Paulus im Brief an die Korinther erinnert –, daß wir bei jeder Eucharistiefeier, auch in der am heutigen Abend, »den Tod des Herrn verkünden, bis er kommt« (1 Kor 11,26). Wir gehen auf den Straßen dieser Erde, im Wissen darum, ihn an der Seite zu haben, und wir werden getragen von der Hoffnung, ihn eines Tages, in der endgültigen Begegnung, mit unverhülltem Antlitz zu sehen. Aber bereits jetzt hören wir seine Stimme, die wiederholt, was wir im Buch der Offenbarung hören: »Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir« (Offb 3,20). Das Fest Fronleichnam möchte das Klopfen des Herrn hörbar machen, trotz der Unempfindlichkeit unseres inneren Gehörs. Jesus klopft an die Tür unseres Herzens, und er bittet uns einzutreten – nicht nur für einen Tag, sondern für immer. Nehmen wir ihn mit Freude auf und lassen wir den gemeinschaftlichen Ruf der Liturgie aufsteigen: »Guter Hirt, du Brot des Lebens, / wer dir traut, hofft nicht vergebens, / geht getrost durch diese Zeit. / Die du hier zu Tisch geladen, / ruf auch dort zum Mahl der Gnaden / in des Vaters Herrlichkeit. Amen!« BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 22. Mai 2008 Gegenwart, Prozession, Anbetung Nach jener bedeutungsvollen Zeit des Kirchenjahres, die mit Ostern als Mittelpunkt die Zeitspanne von drei Monaten umfaßt – zuerst die vierzigtägige Fastenzeit, dann die fünfzig Tage Osterzeit –, läßt uns die Liturgie drei Hochfeste feiern, die eher »synthetischen« Charakter haben: den Dreifaltigkeitssonntag, dann das Fronleichnamsfest und schließlich das Hochfest vom Heiligsten Herzen Jesu. Was ist die eigentliche Bedeutung des heutigen Festes des Leibes und Blutes Christi? Das sagt uns die Feier selbst, die wir hier gerade begehen, im Vollzug ihrer grundlegenden Gesten: Zuerst haben wir uns um den Altar des Herrn versammelt, um gemeinsam in seiner Gegenwart zu verweilen; 8 als zweites wird die Prozession stattfinden, also das Gehen mit dem Herrn; und schließlich das Niederknien vor dem Herrn, die Anbetung, die schon in der Messe beginnt und die ganze Prozession begleitet, ihren Höhepunkt aber im abschließenden eucharistischen Segen findet, wenn wir alle niederknien werden vor ihm, der sich zu uns herabgebeugt und sein Leben für uns hingegeben hat. Verweilen wir kurz bei diesen drei Haltungen, damit sie tatsächlich Ausdruck unseres Glaubens und unseres Lebens sind. Der erste Akt ist also das Sich-Versammeln in der Gegenwart des Herrn. Es ist das, was man in früheren Zeiten »statio« nannte. Stellen wir uns für einen Augenblick vor, daß es in ganz Rom nur diesen einzigen Altar gebe und daß alle Christen der Stadt eingeladen seien, sich hier zu versammeln, um den gestorbenen und auferstandenen Heiland zu feiern. Das gibt uns eine Vorstellung davon, was in den Anfangszeiten in Rom und in anderen Städten, wohin die Botschaft des Evangeliums gelangte, die Eucharistiefeier gewesen ist: In jeder Ortskirche gab es nur einen Bischof, und um ihn, um die von ihm gefeierte Eucharistie schloß sich die Gemeinde zusammen, eine einzige Gemeinde, weil es ein gesegneter Kelch und ein gebrochenes Brot war, wie wir in der zweiten Lesung aus den Worten des Apostels Paulus gehört haben (vgl. 1 Kor 10,16–17). Da fällt einem jenes andere berühmte Wort des Paulus ein: »Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ›einer‹ in Christus Jesus« (Gal 3,28). »Ihr alle seid einer!« In diesen Worten vernimmt man die Wahrheit und Kraft der christlichen Revolution, der tiefsten Revolution der Menschheitsgeschichte, die eben um die Eucharistie herum erfahrbar wird: Hier versammeln sich in der Gegenwart des Herrn Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, sozialen Standes und unterschiedlicher politischer Auffassungen. Die Eucharistie kann niemals etwas rein Privates sein oder für Menschen vorbehalten, die aus gefühlsmäßiger Nähe oder Freundschaft zueinandergefunden haben. Die Eucharistie ist ein öffentlicher Kult, der nichts Esoterisches oder Exklusives an sich hat. Auch wir hier haben uns heute abend nicht ausgesucht, mit wem wir zusammentreffen wollen, wir sind gekommen und stehen miteinander hier, zusammengeführt durch den Glauben und gerufen, durch das Teilen des einen Brotes, das Christus ist, zu einem einzigen Leib zu werden. Ungeachtet unserer Verschiedenheit hinsichtlich Nationalität, Beruf, sozialem Stand und politischen Auffassungen öffnen wir uns füreinander, um von Christus her eins zu werden. Das war von Anfang an ein Wesensmerkmal des Christentums, das in der und um die Eucharistie sichtbar verwirklicht wurde. Und es gilt, stets wachsam zu sein, daß die immer wieder auftauchenden Versuchungen zum Partikularismus, auch wenn sie in guter Absicht erfolgen, nicht tatsächlich in eine gegensätzliche Richtung gehen. Darum erinnert uns das Fronleichnamsfest vor allem daran, daß Christsein heißt, sich, von überallher kommend, zu versammeln, um in der Gegenwart des einzigen Herrn zu bleiben und mit ihm und in ihm eins zu werden. Die zweite grundlegende Wahrnehmung ist das Gehen mit dem Herrn. Zum Ausdruck gebracht wird es durch die Prozession, die wir nach der heiligen Messe gleichsam als deren natürliche Verlängerung gemeinsam erleben werden, wenn wir uns hinter dem, der der Weg ist, in Bewegung setzen. Durch seine Selbsthingabe in der Eucharistie befreit uns der Herr Jesus von unseren »Lähmungen«, er läßt uns wieder aufstehen und uns »vorwärtsgehen«, das heißt, er läßt uns einen Schritt voran tun und dann noch einen Schritt und bringt uns durch die Kraft dieses Brotes des Lebens auf den richtigen Weg. Wie es dem Propheten Elija erging, der aus Furcht vor seinen Feinden in die Wüste geflüchtet war und nun entschlossen war zu sterben (vgl. 1 Kön 19,1–4). Doch Gott weckte ihn aus dem Schlaf und sorgte dafür, daß er ein frisch gebackenes Brot neben sich fand. Er sagte zu ihm: »Steh auf und iß! Sonst ist der Weg zu weit für dich« (1 Kön 19,5.7). Die Fronleichnamsprozession lehrt uns, daß uns die Eucharistie von jeder Niedergeschlagenheit und Verzagtheit befreien und uns wieder aufrichten will, damit wir mit der Kraft, die uns Gott durch Jesus Christus schenkt, den Weg von neuem aufnehmen können. Das ist die Erfahrung des Volkes Israel beim Auszug aus Ägypten, der langen Wanderung durch die Wüste, von der in der ersten Lesung die Rede war. Eine für Israel grundlegende Erfahrung, die sich aber als beispielhaft für die ganze Menschheit erweist. Die Feststellung, daß »der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern von allem, was der Mund des Herrn spricht« (Dtn 8,3), ist in der Tat eine universale Aussage, die sich auf jeden Menschen als Menschen bezieht. Jeder kann seinen Weg finden, wenn er dem begegnet, der Wort und Brot des Lebens ist, und sich von seiner freundschaftlichen Gegenwart leiten läßt. Wie könnten wir ohne den »Gott-mit-uns«, den nahen Gott, die Pilgerreise des Daseins, sowohl als einzelne als auch als Gesellschaft und Völkerfamilie durchhal9 ten? Die Eucharistie ist das Sakrament Gottes, der uns auf dem Weg nicht allein läßt, sondern sich an unsere Seite stellt und uns die Richtung weist. Es genügt nämlich nicht voranzuschreiten; man muß wissen, wohin man geht! Der »Fortschritt« reicht nicht aus, wenn es keine Bezugskriterien gibt. Ja, wenn man vom Weg abkommt, läuft man Gefahr, in einen Abgrund zu stürzen oder sich jedenfalls sehr schnell vom Ziel zu entfernen. Gott hat uns als freie Wesen geschaffen, uns aber nicht alleine gelassen: Er hat sich selbst zum »Weg« gemacht und ist gekommen, um mit uns zu gehen, damit unsere Freiheit auch das Kriterium erhält, um den richtigen Weg zu erkennen und ihn auch einzuschlagen. An dieser Stelle muß man an den Beginn des »Dekalogs«, der Zehn Gebote, denken, wo geschrieben steht: »Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben« (Ex 20,2–3). Hier finden wir den Sinn des dritten Grundelements von Fronleichnam: sich in Anbetung vor dem Herrn niederknien. Den Gott Jesu Christi anzubeten, der sich aus Liebe zum gebrochenen Brot gemacht hat, ist das wirksamste und radikalste Heilmittel gegen die Götzendienste von gestern und heute. Das Niederknien vor der Eucharistie ist Bekenntnis der Freiheit: Wer sich vor Jesus niederkniet, kann und darf sich vor keiner noch so starken irdischen Macht niederwerfen. Wir Christen knien nur vor dem Allerheiligsten Sakrament, weil wir wissen und glauben, daß in ihm der einzige wahre Gott gegenwärtig ist, der die Welt geschaffen und so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16). Wir beugen uns vor einem Gott, der sich zuerst zum Menschen herabgebeugt hat, als barmherziger Samariter, um ihm zu helfen und ihm das Leben wiederzugeben, und der vor uns niederkniete, um uns die schmutzigen Füße zu waschen. Den Leib Christi anzubeten, heißt glauben, daß in jenem Stück Brot wirklich Christus ist, der dem Leben wahren Sinn gibt – dem unendlichen Universum ebenso wie dem kleinsten Geschöpf, der ganzen Menschheitsgeschichte wie dem kürzesten Leben. Die Anbetung ist Gebet, das die eucharistische Feier und Gemeinschaft verlängert und von dem sich die Seele weiter nährt: Sie nährt sich von Liebe, Wahrheit, Frieden; sie nährt sich von Hoffnung, weil derjenige, vor dem wir uns niederwerfen, uns nicht richtet, uns nicht zerbricht, sondern uns befreit und verwandelt. Das Sich-Versammeln, das gemeinsame Gehen, das Anbeten erfüllt uns daher mit Freude. Während wir uns die Gebetshaltung Mariens zu eigen machen, derer wir in diesem Monat Mai besonders gedenken, beten wir für uns und für alle; wir beten für jeden Menschen, der auf dieser Erde lebt, damit er dich, Vater, und den, den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen und so das Leben in Fülle haben kann. Amen. BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 11. Juni 2009 »Das ist mein Leib, das ist mein Blut.« Diese Worte, die Jesus beim Letzten Abendmahl sprach, werden jedesmal wiederholt, wenn das eucharistische Opfer erneuert wird. Wir haben sie gerade im Evangelium nach Markus gehört, und sie erklingen mit einzigartiger Eindringlichkeit am heutigen Hochfest des Leibes und des Blutes Christi. Sie führen uns im Geiste in den Abendmahlssaal, sie lassen uns die geistliche Atmosphäre jener Nacht erleben, als der Herr mit den Seinen das Paschafest feierte und er dabei das Opfer vorwegnahm, das sich am Tag darauf am Kreuz vollziehen sollte. Die Einsetzung der Eucharistie erscheint so als Vorwegnahme und Annahme seines Todes. Dazu schreibt der hl. Ephräm der Syrer: Während des Abendmahles opferte er sich selbst auf; am Kreuz wurde er für die anderen geopfert (vgl. Hymnus über die Kreuzigung 3,1). »Das ist mein Blut.« Deutlich ist hier der Bezug auf die Opfersprache Israels. Jesus bezeichnet sich selbst als das wahre und endgültige Opfer, durch das die Sühne für die Sünden verwirklicht wird, die in den Riten des Alten Testaments nie ganz vollbracht worden war. Diesem Ausdruck folgen zwei weitere, die sehr bedeutsam sind. Vor allem sagt Jesus Christus, daß sein Blut »für viele vergossen wird«, dies mit einem offensichtlichen Bezug auf die Gesänge des Gottesknechtes, die sich im Buch Jesaja finden (vgl. Kap. 53). Mit der Hinzufügung »das Blut des Bundes« offenbart Jesus darüber hinaus, daß dank seines Todes die Prophezeiung vom neuen Bund Wirklichkeit wird, die auf der Treue und der unendlichen Liebe des menschgewordenen 10 Sohnes gründet, ein Bund, der daher stärker ist als alle Sünden der Menschheit. Der alte Bund war auf dem Sinai mit einem Tieropferritus geschlossen worden, wie wir in der ersten Lesung gehört haben, und das auserwählte Volk hatte nach seiner Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten versprochen, alle vom Herrn gegebenen Gebote zu befolgen (vgl. Ex 24,3). Tatsächlich erwies sich Israel mit der Herstellung des Goldenen Kalbes vom ersten Moment an als unfähig, sich treu an dieses Versprechen und so den geschlossenen Bund zu halten, den es in der Folge vielmehr sehr oft brach, indem es seinem Herzen aus Stein das Gesetz anglich, das Israel den Weg des Lebens hätte lehren sollen. Der Herr jedoch blieb seiner Verheißung treu und sorgte dafür, daß die Propheten die innere Dimension des Bundes in Erinnerung riefen, und kündigte einen neuen Bund an, den er auf die Herzen derer schreiben würde, die ihm treu sind (vgl. Jer 31,33), um sie so kraft der Gabe des Geistes zu verwandeln (vgl. Ez 36, 25–27). Und während des Letzen Abendmahles geschah es, daß er mit den Jüngern und der Menschheit diesen neuen Bund schloß und ihn nicht mit Tieropfern beglaubigte, wie dies in der Vergangenheit geschehen war, sondern mit seinem Blut, das zum »Blut des neuen Bundes« geworden ist. Er gründete ihn auf seinem eigenen Gehorsam, der, wie ich sagte, stärker ist als all unsere Sünden. Dies wird gut in der zweiten Lesung aus dem Brief an die Hebräer hervorgehoben, wo der biblische Autor erklärt, daß Jesus »Mittler eines neuen Bundes« ist (9,15). Er ist es durch sein Blut, oder genauer gesagt durch seine Selbsthingabe geworden, die dem Vergießen seines Blutes vollen Wert verleiht. Am Kreuz ist Jesus gleichzeitig Opfer und Priester: Opfer, das Gottes würdig ist, da es makellos ist, und Hoherpriester, der sich angetrieben vom Heiligen Geist selbst opfert und für die ganze Menschheit eintritt. Das Kreuz ist daher Geheimnis der Liebe und des Heiles, das uns – wie der Hebräerbrief sagt – von den »toten Werken« reinigt, das heißt von den Sünden, und uns heiligt, indem es den neuen Bund in unser Herz einprägt; indem die Eucharistie das Kreuzesopfer vergegenwärtigt, befähigt sie uns, treu die Gemeinschaft mit Gott zu leben. Liebe Brüder und Schwestern – ich grüße euch herzlich, angefangen beim Kardinalvikar und den anderen anwesenden Kardinälen und Bischöfen –, wie das auserwählte Volk, das am Sinai versammelt war, wollen auch wir heute abend unsere Treue zum Herrn bekräftigen. Bei der Eröffnung der jährlichen Pastoraltagung der Diözese habe ich vor einigen Tagen die Wichtigkeit in Erinnerung gerufen, als Kirche im Hören auf das Wort Gottes im Gebet und in der Erforschung der Schrift zu verbleiben, insbesondere mit der Praxis der Lectio divina, das heißt der meditierenden und anbetenden Lesung der Bibel. Ich weiß, daß dazu in den Pfarreien, in den Seminarien, in den Ordensgemeinschaften, innerhalb der Bruderschaften, der Vereinigungen und apostolischen Bewegungen viele Initiativen ergriffen wurden, die unsere Diözesangemeinschaft bereichern. Den Mitgliedern dieser vielen kirchlichen Einrichtungen gilt mein brüderlicher Gruß. Eure zahlreiche Anwesenheit bei dieser Feier, liebe Freunde, läßt deutlich werden, daß Gott unsere Gemeinschaft, die sich durch eine Pluralität von Kulturen und verschiedenen Erfahrungen auszeichnet, als »sein« Volk, als den einen Leib Christi durch unsere aufrichtige Teilnahme am zweifachen Tisch des Wortes und der Eucharistie formt. Durch Christus genährt empfangen wir, seine Jünger, den Auftrag, »die Seele« dieser unserer Stadt zu sein (vgl. Brief an Diognet, 6; hg. Franz Xaver Funk, I, S. 400; siehe auch Lumen gentium, 38), Sauerteig der Erneuerung, Brot, das für alle »gebrochen« ist, vor allem für jene, die sich in Situationen der Not, der Armut und des leiblichen und geistlichen Leidens befinden. Werden wir zu Zeugen seiner Liebe. Ich wende mich insbesondere an euch, liebe Priester, die Christus erwählt hat, damit ihr zusammen mit ihm euer Leben als Opfer des Lobpreises für das Heil der Welt leben könnt. Allein aus der Einheit mit Jesus könnt ihr jene geistliche Fruchtbarkeit empfangen, die in eurem seelsorgerischen Dienst Hoffnung gibt. Der hl. Leo der Große ruft in Erinnerung, daß »unsere Teilhabe am Leib und Blut Christi auf nichts anderes zielt, als das zu werden, was wir empfangen« (Sermo 12, De Passione 3,7, PL 54). Wenn dies für jeden Christen wahr ist, so ist es das um so mehr für uns Priester. Eucharistie werden! Gerade dies soll unser ständiges Verlangen und unser Einsatz sein, damit das Opfer des Leibes und Blutes des Herrn, das wir auf dem Altar darbringen, vom Opfer unseres Daseins begleitet werde. Jeden Tag schöpfen wir aus dem Leib und Blut des Herrn jene freie und reine Liebe, die uns zu würdigen Dienern Christi und zu Zeugen seiner Freude macht. Das ist es, was die Gläubigen vom Priester erwarten: das Vorbild einer echten Verehrung der Eucharistie; 11 sie möchten sehen, daß er lange Zeiten der Stille und der Anbetung vor Jesus verbringt, wie dies der heilige Pfarrer von Ars tat, dessen wir in besonderer Weise während des nunmehr unmittelbar bevorstehenden Priester- Jahres gedenken werden. Der hl. Jean-Marie Vianney sagte gerne zu seinen Pfarrkindern: »Kommt zur Kommunion… Es ist wahr, daß ihr nicht würdig seid, aber ihr braucht sie« (Bernard Nodet, Le curé d’Ars. Sa pensée – Son coeur, hg. Xavier Mappus, Paris 1995, S. 119). Im Bewußtsein, daß wir wegen unserer Sünden unwürdig sind, wir aber zugleich die Nahrung der Liebe brauchen, die der Herr uns im eucharistischen Sakrament schenkt, erneuern wir am heutigen Abend unseren Glauben an die wirkliche Gegenwart Christi in der Eucharistie. Dieser Glaube darf nicht als selbstverständlich angesehen werden! Heute stehen wir vor der Gefahr einer sich auch in der Kirche schleichend ausbreitenden Säkularisierung, die sich in einen formalen und leeren eucharistischen Kult umsetzen kann, in Feiern, denen es jener Teilnahme des Herzens ermangelt, die in Verehrung und Achtung für die Liturgie zum Ausdruck kommt. Immer stark ist die Versuchung, das Gebet zu oberflächlichen und flüchtigen Momenten zu machen und sich von den Beschäftigungen und irdischen Sorgen überwältigen zu lassen. Wenn wir jetzt gleich das Vaterunser, das Gebet schlechthin, wiederholen werden, so werden wir sagen: »Gib uns unser tägliches Brot«, wobei wir natürlich an das tägliche Brot für uns und für alle Menschen denken. Diese Bitte jedoch beinhaltet etwas Tieferes. Das griechische Wort epioúsios, das wir mit »täglich« übersetzen, könnte auch auf das »über-substantielle« Brot, auf das Brot »der zukünftigen Welt« anspielen. Einige Kirchenväter haben hierin einen Bezug auf die Eucharistie gesehen, auf das Brot des ewigen Lebens, der neuen Welt, das uns bereits heute in der heiligen Messe gegeben ist, auf daß die künftige Welt schon jetzt in uns ihren Anfang nehme. Mit der Eucharistie also kommt der Himmel auf die Erde, das Morgen Gottes senkt sich in die Gegenwart ein, und es ist, als liege die Zeit in der Umarmung der göttlichen Ewigkeit. Liebe Brüder und Schwestern, wie jedes Jahr wird sich nach der heiligen Messe die traditionelle eucharistische Prozession durch die Straßen ziehen, und wir werden mit Gebeten und Gesängen ein einstimmiges Bittgebet zum in der konsekrierten Hostie gegenwärtigen Herrn erheben. Wir werden ihm im Namen der ganzen Stadt sagen: Bleibe bei uns, Jesus, schenke dich uns und gib uns das Brot, das uns für das ewige Leben Nahrung gibt! Befreie diese Welt vom Gift des Bösen, der Gewalt und des Hasses, das die Gewissen verschmutzt, reinige sie mit der Kraft deiner barmherzigen Liebe. Und du, Maria, die du in deinem ganzen Leben die »eucharistische Frau« gewesen bist, hilf uns, geeint zum himmlischen Ziel zu gehen, genährt vom Leib und Blut Christi, Brot des ewigen Lebens und Arznei der göttlichen Unsterblichkeit. Amen! BENEDIKT XVI.,Fronleichnam, Donnerstag, 3. Juni 2010 Eucharistie und Priester Das Priestertum des Neuen Testaments ist eng an die Eucharistie gebunden. Daher sind wir heute, am Hochfest Fronleichnam und kurz vor dem Abschluß des Priester-Jahres, dazu eingeladen, über die Beziehung zwischen der Eucharistie und dem Priestertum nachzudenken. In diese Richtung weisen uns auch die erste Lesung und der Antwortpsalm, die die Gestalt Melchisedeks vorstellen. Der kurze Abschnitt aus dem Buch Genesis (vgl. 14,18–20) erklärt, daß Melchisedek, der König von Salem, »Priester des Höchsten Gottes« war und deshalb »Brot und Wein herausbrachte « und »Abram segnete«, der in einer Schlacht den Sieg davongetragen hatte; Abram gab ihm darauf den Zehnten von allem. Seinerseits enthält der Psalm in der letzten Strophe einen feierlichen Ausdruck, einen Schwur Gottes, der dem Messias und König erklärt: »Du bist Priester auf ewig / nach der Ordnung Melchisedeks« (Ps 110,4); so wird der Messias nicht nur als König verkündet, sondern auch als Priester. An dieser Stelle inspiriert sich der Verfasser des Briefes an die Hebräer für seine umfassende und detaillierte Darstellung. Und wir haben diese Worte im Kehrvers gesungen: »Du bist Priester auf ewig, Christus, der Herr«: gleichsam ein Glaubensbekenntnis, das am heutigen Fest eine besondere Bedeutung annimmt. Es ist die Freude der Gemeinde, die Freude der ganzen Kirche, 12 die in der Betrachtung und Anbetung des Allerheiligsten Sakraments in ihm die wirkliche und bleibende Gegenwart Jesu anerkennt, des ewigen Hohenpriesters. Die zweite Lesung und das Evangelium lenken die Aufmerksamkeit dagegen auf das eucharistische Geheimnis. Dem Ersten Brief an die Korinther (vg. 11,23–26) ist der grundlegende Abschnitt entnommen, in dem der hl. Paulus jener Gemeinde die Bedeutung und den Wert des »Herrenmahls« in Erinnerung ruft, die der Apostel bereits vermittelt und gelehrt hatte, die jedoch zu schwinden drohten. Das Evangelium ist indessen der Bericht von der wunderbaren Brotvermehrung in der Fassung des hl. Lukas: ein Zeichen, das von allen Evangelisten bezeugt wird und das Geschenk ankündigt, das Christus von sich selbst machen wird, um der Menschheit das ewige Leben zu schenken. Diese beiden Texte stellen das Gebet Christi im Augenblick des Brotbrechens in den Vordergrund. Natürlich besteht ein klarer Unterschied zwischen den beiden Momenten: Als Jesus die Brote und die Fische für die Menge teilt, dankt er dem himmlischen Vater für seine Vorsehung und vertraut so darauf, daß er es all diesen Menschen nicht an Speise fehlen lassen wird. Beim Letzten Abendmahl hingegen verwandelt Jesus Brot und Wein in seinen Leib und in sein Blut, damit sich die Jünger von ihm nähren und in inniger und wirklicher Gemeinschaft mit ihm leben können. Zunächst muß stets in Erinnerung gerufen werden, daß Jesus kein Priester nach der jüdischen Tradition war. Seine Familie war keine Priesterfamilie. Er stammte nicht von Aaron ab, sondern von Juda, und somit war er vom Weg des Priestertums ausgeschlossen. Die Person und das Wirken Jesu von Nazaret stehen nicht im Gefolge der alten Priester, sondern vielmehr in jenem der Propheten. Und auf dieser Linie nahm er Abstand von einem rituellen Entwurf der Religion, indem er die Einstellung kritisierte, die den menschlichen, an die rituelle Einheit gebundenen Vorschriften größeren Wert zumaß als der Beachtung der Gebote Gottes, das heißt der Gottes- und Nächstenliebe, die, wie der Herr sagt, »weit mehr [ist] als alle Brandopfer und anderen Opfer« (Mk 12,33). Sogar im Innern des Tempels von Jerusalem, dem heiligen Ort schlechthin, vollbringt Jesus eine vorzüglich prophetische Tat, als er die Geldwechsler und Viehhändler verjagt, alles Dinge, die zur Darbringung der traditionellen Opfer dienten. Jesus also wird nicht als priesterlicher, sondern als prophetischer und königlicher Messias anerkannt. Auch sein Tod, den wir Christen zurecht »Opfer« nennen, hat nichts mit den alten Opfern zu tun, er war vielmehr das Gegenteil: die Vollstreckung eines Todesurteils durch Kreuzigung, das schändlichste von allen, die außerhalb der Mauern Jerusalems geschah. In welchem Sinn also ist Jesus Priester? Die Antwort gibt uns gerade die Eucharistie. Wir können von jenen einfachen Worten ausgehen, die Melchisedek beschreiben: »er brachte Brot und Wein heraus« (Gen 14,18). Das ist es, was Jesus beim Letzten Abendmahl getan hat: er hat Brot und Wein dargebracht, und in jener Geste hat er ganz sich selbst und seine Sendung zusammengefaßt. In jenem Tun, im Gebet, das ihm vorangeht, und in den Worten, die es begleiten, ist der ganze Sinn des Geheimnisses Christi gegeben, wie der Brief an die Hebräer in einem entscheidenden Abschnitt zum Ausdruck bringt, der hier angeführt werden soll: »Als er auf Erden lebte« – schreibt der Verfasser auf Jesus Bezug nehmend –, »hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden. Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden und wurde von Gott angeredet als ›Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks‹« (5,7–10). In diesem Text, der eindeutig auf die geistliche Agonie in Getsemani anspielt, wird die Passion Christi als ein Gebet und ein Opfer vorgestellt. Jesus tritt seiner »Stunde« entgegen, die ihn zum Tod am Kreuz führt, versunken in ein tiefes Gebet, das in der Einheit seines Willens mit dem des Vaters besteht. Dieser zweifache und eine Wille ist ein Wille der Liebe. Da die tragische Prüfung, der Jesus entgegentritt, in diesem Gebet gelebt wird, wird sie in eine Gabe, in ein lebendiges Opfer verwandelt. Der Brief an die Hebräer sagt, daß Jesus »erhört wurde«. In welchem Sinn? In dem Sinn, daß Gott, der Vater, ihn vom Tod befreit und auferweckt hat. Er wurde eben wegen seiner vollen Hingabe an den Willen des Vaters erhört: Der Plan der Liebe Gottes konnte sich vollkommen in Jesus vollenden, der bis zum Äußersten des Todes am Kreuz gehorsam gewesen ist und so zum »Urheber des Heils« wurde für alle, die ihm 13 gehorsam sind. Das heißt: Er ist zum Hohenpriester geworden, da er selbst die ganze Sünde der Welt als »Lamm Gottes« auf sich genommen hat. Es ist der Vater, der ihm dieses Priestertum in dem Moment überträgt, da Jesus den Übergang von Tod und Auferstehung vollzieht. Es ist kein Priestertum nach der Ordnung des mosaischen Gesetzes (vgl. Lev 8–9), sondern nach der Ordnung Melchisedeks, nach einer prophetischen Ordnung, ein Priestertum, das allein von seiner einzigartigen Beziehung zu Gott abhängt. Kehren wir nun zu den Worten des Briefes an die Hebräer zurück: »Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt.« Das Priestertum Christi bringt Leid mit sich. Jesus hat wahrhaft gelitten, und er hat dies für uns getan. Er war der Sohn und mußte den Gehorsam nicht lernen, wir aber schon, wir bedurften und bedürfen dessen immer. Deshalb hat der Sohn unsere Menschlichkeit angenommen und sich für uns im Schmelztiegel des Leidens »erziehen« lassen, er hat sich von ihm verwandeln lassen, wie das Weizenkorn, das in die Erde fallen und sterben muß, um Frucht zu tragen. Durch diesen Prozeß ist Jesus »zur Vollendung gelangt«, auf griechisch: »teleiotheis«. Wir müssen uns mit diesem Ausdruck auseinandersetzen, weil er sehr bedeutsam ist. Er verweist auf die Vollendung eines Weges, das heißt des Weges der Erziehung und der Verwandlung des Sohnes Gottes durch das Leiden, durch die schmerzliche Passion. Dank dieser Verwandlung ist Jesus Christus »Hoherpriester « geworden und imstande, alle zu retten, die sich ihm anvertrauen. Der zurecht mit »zur Vollendung gelangt« übersetzte Begriff »teleiotheis « gehört zu einer Verbalwurzel, die in der griechischen Version des Pentateuchs, das heißt der ersten fünf Bücher der Bibel, immer benutzt wird, um die Weihe der alten Priester anzuzeigen. Diese Entdeckung ist überaus wertvoll, da sie uns sagt, daß die Passion für Jesus wie eine Priesterweihe gewesen ist. Er war nicht Priester nach dem Gesetz, sondern er ist es auf existentielle Weise in seinem Pascha der Passion, des Todes und der Auferstehung: Er hat sich selbst als Sühneopfer hingegeben, und der Vater hat ihn über alle Geschöpfe erhöht und so zum universalen Mittler des Heils bestellt. Kehren wir in unserer Betrachtung zur Eucharistie zurück, die in Kürze im Mittelpunkt unserer liturgischen Versammlung stehen wird. In ihr hat Jesus sein Opfer vorweggenommen, kein rituelles Opfer, sondern ein persönliches. Im Letzten Abendmahl handelt er bewegt von jenem »ewigen Geist«, kraft dessen er sich dann am Kreuz darbringen wird (vgl. Hebr 9,14). Danksagend und segnend verwandelt Jesus Brot und Wein. Es ist die göttliche Liebe, die verwandelt: die Liebe, mit der Jesus vorwegnehmend annimmt, sich ganz für uns hinzugeben. Diese Liebe ist nichts anderes als der Heilige Geist, der Geist des Vaters und des Sohnes, der das Brot und den Wein heiligt und ihre Substanz in Leib und Blut des Herrn verwandelt und im Sakrament dasselbe Opfer vergegenwärtigt, das sich auf blutige Weise am Kreuz erfüllt. Wir können daher den Schluß ziehen, daß Christus wahrer und wirksamer Priester ist, weil er von der Kraft des Heiligen Geistes erfüllt war, weil ihn die Liebe Gottes vollkommen erfüllte, und dies gerade »in der Nacht, in der er verraten wurde«, in der »Stunde der Finsternis« (vgl. Lk 22,53). Es ist diese göttliche Kraft, dieselbe, welche die Fleischwerdung des Wortes vollbrachte, die die äußerste Gewalt und die äußerste Ungerechtigkeit in die höchste Tat der Liebe und der Gerechtigkeit verwandelt. Das ist das Werk des Priestertums Christi, das die Kirche geerbt hat und in der Geschichte weiter wirken läßt, in der zweifachen Gestalt des allgemeinen Priestertums der Getauften und des Weihepriestertums, um die Welt mit der Liebe Gottes zu verwandeln. Wir alle, Priester und Gläubige, nähren uns von derselben Eucharistie, wir alle knien nieder, um sie anzubeten, da in ihr unser Meister und Herr gegenwärtig ist, da in ihr der wahre Leib Christi gegenwärtig ist, Opfer und Priester, Heil der Welt. Kommt, loben und preisen wir mit Freudenliedern! Kommt, lasset uns anbeten! Amen. BENEDIKT XVI., Fronleichnam,Donnerstag, 23. Juni 2011 Verwandlung Das Hochfest des Leibes und Blutes Christi ist untrennbar mit dem Gründonnerstag, mit der Messe »in Caena Domini«, verbunden, in der die Einsetzung der Eucharistie gefeiert wird. Während am Abend des Gründonnerstags das Geheimnis Christi, der sich uns im gebrochenen Brot und im vergossenen Wein darbringt, 14 wieder lebendig wird, wird eben dieses Geheimnis heute, am Fronleichnamsfest, zur Anbetung und Meditation des Gottesvolkes dargeboten, und das Allerheiligste Sakrament wird in Prozession durch die Straßen der Städte und Dörfer getragen, um zu bekunden, daß der auferstandene Christus mit uns auf dem Weg ist und uns zum Himmelreich führt. Was uns Jesus in der Vertraulichkeit des Abendmahlssaales geschenkt hat, bringen wir heute öffentlich zum Ausdruck, da die Liebe Christi nicht einigen wenigen vorbehalten, sondern für alle bestimmt ist. In der Abendmahlsmesse am vergangenen Gründonnerstag habe ich hervorgehoben, daß sich in der Eucharistie die Verwandlung der Gaben dieser Erde – Brot und Wein – vollzieht, mit dem Ziel, unser Leben zu verwandeln und so die Verwandlung der Welt zu eröffnen. Diesen Gedanken möchte ich heute abend wieder aufgreifen. Alles nimmt – so könnte man sagen – seinen Anfang beim Herzen Christi, der beim Letzten Abendmahl, am Vorabend seines Leidens, Gott gedankt und ihn gepriesen hat und so durch die Macht seiner Liebe den Sinn des Todes, dem er entgegenging, verwandelt hat. Die Tatsache, daß das Altarsakrament den Namen »Eucharistie« – »Danksagung« – erhalten hat, bringt genau dies zum Ausdruck: Die Verwandlung der Substanz von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi ist Frucht der Selbsthingabe Christi, Geschenk einer Liebe, die stärker ist als der Tod, der göttlichen Liebe, die ihn von den Toten auferstehen ließ. Und deshalb ist die Eucharistie Speise des ewigen Lebens, Brot des Lebens. Aus dem Herzen Christi, aus seinem »eucharistischen Gebet« am Abend vor seinem Leiden und Sterben, entspringt jene dynamische Kraft, die die Wirklichkeit in allen ihren Dimensionen – kosmisch, menschlich und geschichtlich – verwandelt. Alles geht von Gott, von der Allmacht seiner dreieinigen Liebe aus, die in Jesus Fleisch geworden ist. In diese Liebe wird das Herz Christi hineingenommen; darum kann er auch angesichts des Verrats und der Gewalt Gott danken und ihn preisen und verwandelt auf diese Weise die Dinge, die Menschen und die Welt. Diese Verwandlung ist möglich dank einer Verbundenheit, einer Communio die stärker ist als die Trennung, die Gemeinschaft Gottes selbst. Das Wort »Kommunion«, das wir auch zur Bezeichnung der Eucharistie gebrauchen, faßt in sich die vertikale und die horizontale Dimension der Hingabe Christi zusammen. Schön und vielsagend ist der Ausdruck »die Kommunion empfangen«, der sich auf den Akt des Essens des eucharistischen Brotes bezieht. Wenn wir diese Handlung vollziehen, treten wir tatsächlich mit dem Leben Jesu selbst in Gemeinschaft, in die Dynamik dieses Lebens ein, das sich uns und für uns hingibt. Von Gott durch Jesus bis zu uns: eine einzigartige Gemeinschaft, Communio, wird in der heiligen Eucharistie vermittelt. Das haben wir vorhin in der zweiten Lesung in den Worten des Apostels Paulus gehört, die er an die Christen von Korinth gerichtet hat: »Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Segen Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?« (1 Kor 10,16–17). Der hl. Augustinus hilft uns, die Dynamik der eucharistischen Gemeinschaft zu verstehen, wenn er sich auf eine Art Vision bezieht, die er hatte und in der Jesus zu ihm sagte: »Ich bin die Speise der Starken. Wachse, und so wirst du mich haben. Du wirst nicht mich in dich verwandeln, als Speise des Leibes, sondern du wirst es sein, der in mich verwandelt werden wird« (Bekenntnisse VII,10,18). Während also die leibliche Speise von unserem Organismus aufgenommen wird und zu seiner Erhaltung beiträgt, handelt es sich im Fall der Eucharistie um ein anderes Brot: Nicht wir nehmen es in uns auf, sondern es nimmt uns [in sich] auf, so daß wir Jesus Christus gleichgestaltet, Glieder seines Leibes, eins mit ihm werden. Dieser Übergang ist entscheidend. In der Tat, da es eben Christus ist, der in der eucharistischen Kommunion uns in sich verwandelt, wird in dieser Begegnung unsere Individualität offen, befreit von ihrem Egozentrismus und in die Person Jesu eingebunden, die ihrerseits in die trinitarische Gemeinschaft eingesenkt ist. Während uns also die Eucharistie mit Christus verbindet, öffnet sie uns auch gegenüber den anderen, macht uns gegenseitig zu Gliedern: Wir sind nicht mehr getrennt, sondern eins in Ihm. Die eucharistische Gemeinschaft verbindet mich mit dem Menschen neben mir, auch mit einem, zu dem ich vielleicht kein gutes Verhältnis habe, aber auch mit den fernen Brüdern überall auf der Welt. Von hier, von der Eucharistie, geht also das tiefe Bewußtsein für die soziale Präsenz der Kirche aus, wie die großen Sozialheiligen bezeugen, die immer große eucharistische Menschen gewesen sind. Wer in der heiligen Hostie Jesus erkennt, der erkennt ihn im leidenden Bruder, der Hunger und Durst hat, der fremd, nackt, krank, im Gefängnis ist; und er achtet auf jeden Menschen, setzt sich konkret für alle ein, die in Not sind. Aus dem Geschenk der Liebe Christi erwächst daher unsere besondere Verantwortung als Christen beim Aufbau einer solidarischen, gerechten, 15 brüderlichen Gesellschaft. Besonders in unserer Zeit, in der die Globalisierung uns immer abhängiger voneinander macht, kann und muß das Christentum bewirken, daß diese Einheit nicht ohne Gott, das heißt nicht ohne die wahre Liebe, errichtet wird; andernfalls würde sich das Chaos, der Individualismus, die Unterdrückung aller gegen alle ausbreiten. Das Evangelium zielt seit jeher auf die Einheit der Menschheitsfamilie ab, eine Einheit, die nicht von außen, weder von ideologischen noch wirtschaftlichen Interessen auferlegt wird, sondern vom gegenseitigen Verantwortungsgefühl, weil wir uns als Glieder ein und desselben Leibes, des Leibes Christi anerkennen, weil wir vom Altarsakrament gelernt haben und ständig lernen, daß das Teilen, die Liebe der Weg der wahren Gerechtigkeit ist. Kehren wir nun zu der von Jesus beim Letzten Abendmahl vollzogenen Handlung zurück. Was ist in jenem Augenblick geschehen? Was geschah, als er sagte: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird, das ist mein Blut, vergossen für euch und für viele? Jesus nimmt in jener Geste das Geschehen von Golgota vorweg. Aus Liebe nimmt er die ganze Passion mit ihrem Verrat und ihrer Gewalt bis zum Tod am Kreuz auf sich; durch dieses Annehmen verwandelt er sie in einen Akt der Hingabe. Das ist die Umwandlung, die die Welt nötig hat, denn sie erlöst sie von innen heraus, öffnet sie für die Dimensionen des Himmelreiches. Aber diese Erneuerung der Welt will Gott immer durch denselben Weg verwirklichen, den Christus gegangen ist, durch jenen Weg, der er selbst ist. Im Christentum ist nichts Magisches am Werk. Es gibt keine schnellen Abkürzungen, sondern alles verläuft durch die bescheidene und geduldige Logik des Weizenkornes, das zerbricht, um das Leben zu schenken, durch die Logik des Glaubens, der mit der sanften Kraft Gottes Berge versetzt. Deshalb will Gott die Menschheit, die Geschichte und den Kosmos immer wieder erneuern durch diese Kette der Verwandlungen, deren Sakrament die Eucharistie darstellt. Durch das gesegnete Brot und den gesegneten Wein, in denen sein Leib und sein Blut tatsächlich gegenwärtig sind, verwandelt Christus uns, indem er uns in sich aufnimmt: Er bezieht uns in sein Erlösungswerk ein, indem er uns durch die Gnade des Heiligen Geistes dazu fähig macht, nach seiner eigenen Logik des Schenkens zu leben, wie Weizenkörner, die in ihm und mit ihm vereint sind. So werden in die Ackerfurchen der Geschichte die Einheit und der Friede ausgesät und zur Reife gebracht, die nach Gottes Plan das Ziel sind, nach dem wir streben. Ohne Illusionen, ohne ideologische Utopien gehen wir durch die Straßen der Welt, während wir in uns den Leib des Herrn tragen, wie die Jungfrau Maria im Geheimnis der Heimsuchung. Mit der Bescheidenheit des Bewußtseins, einfache Weizenkörner zu sein, hüten wir die feste Gewißheit, daß die Fleisch gewordene Liebe Gottes größer ist als das Böse, die Gewalt und der Tod. Wir wissen, daß Gott für alle Menschen einen neuen Himmel und eine neue Erde vorbereitet, in denen Friede und Gerechtigkeit herrschen, und im Glauben erblicken wir bereits die neue Welt, die unsere wahre Heimat ist. Auch heute abend, während die Sonne über unserer geliebten Stadt Rom untergeht, machen wir uns auf den Weg: Mit uns ist der Eucharistische Jesus, der Auferstandene, der gesagt hat: »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20). Danke, Herr Jesus! Danke für deine Treue, die unsere Hoffnung unterstützt. Bleibe bei uns, denn es wird Abend. »Guter Hirt, du wahre Speise, / Jesus, gnädig dich erweise! Nähre uns auf deinen Auen, / lass uns deine Wonnen schauen / in des Lebens ewigem Reich!« Amen. BENEDIKT XVI., Fronleichnam, Donnerstag, 7. Juni 2012 Kult der Eucharistie und ihre Sakralität Heute abend möchte ich mit euch zwei miteinander verbundene Aspekte des eucharistischen Geheimnisses betrachten: den Kult der Eucharistie und ihre Sakralität. Es ist wichtig, diese neu zu erwägen und sie vor unvollständigen Sichtweisen des Geheimnisses zu bewahren, wie sie in der jüngsten Vergangenheit aufgetreten sind. Zuerst wollen wir über den Wert des eucharistischen Kultes und dabei insbesondere der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments nachdenken. Es ist dies die Erfahrung, die wir auch heute abend nach der heiligen Messe, vor, bei und nach der Prozession erleben werden. Eine einseitige Interpretation des Zweiten 16 Vatikanischen Konzils hatte diese Dimension beeinträchtigt, indem sie die Eucharistie praktisch auf den Augenblick ihrer Feier beschränkte. In der Tat ist es sehr wichtig gewesen, die Zentralität der Feier anzuerkennen, zu der der Herr sein Volk zusammenruft, es um den zweifachen Tisch des Wortes und des Brotes des Lebens schart, es nährt und in der Darbringung des Opfers mit sich vereint. Diese Aufwertung der liturgischen Versammlung, in der der Herr wirkt und sein Geheimnis der Gemeinschaft verwirklicht, bleibt natürlich gültig, doch muß sie ins rechte Verhältnis zurückgebracht werden. Denn nur allzu oft geschieht es, daß man, um einen Aspekt hervorzuheben, dabei endet, einen anderen zu opfern. In diesem Fall ging die richtige, auf die Feier der Eucharistie gesetzte Betonung auf Kosten der Anbetung, die ein an den wirklich im Altarsakrament gegenwärtigen Herrn Jesus gewandter Akt des Glaubens und des Gebets ist. Diese Unausgewogenheit hatte Auswirkungen auch auf das geistliche Leben der Gläubigen. Wird nämlich die ganze Beziehung mit dem eucharistischen Jesus allein auf den Augenblick der heiligen Messe konzentriert, läuft man Gefahr, den Rest der Lebenszeit und des Lebensraumes seiner Gegenwart zu entleeren. Und so wird der Sinn der beständigen Gegenwart Jesu mitten unter uns und mit uns weniger wahrgenommen, eine konkrete, nahe Gegenwart inmitten unserer Häuser, als »pulsierendes Herz« der Stadt, des Landes, des Gebiets mit seinen verschiedenen Ausdrucksformen und Tätigkeiten. Das Sakrament der Liebe Christi muß das ganze alltägliche Leben durchdringen. In Wirklichkeit ist es falsch, die Feier und die Anbetung entgegenzusetzen, als stünden sie zueinander in Konkurrenz. Genau das Gegenteil ist der Fall: die Verehrung des Allerheiligsten Sakraments bildet gleichsam die geistliche »Umwelt«, in der die Gemeinschaft gut und wahrhaftig die Eucharistie feiern kann. Nur wenn der liturgischen Feier diese innere Haltung des Glaubens und der Anbetung vorangeht, sie von ihr begleitet wird und diese ihr folgt, kann sie ihre volle Bedeutung und ihren vollen Wert zum Ausdruck bringen. Die Begegnung mit Jesus in der heiligen Messe verwirklicht sich wahrhaftig und in Fülle, wenn die Gemeinde zu erkennen vermag, daß er im Sakrament sein Haus bewohnt, uns erwartet, uns zu seinem Tisch lädt und dann, nachdem sich die Versammlung aufgelöst hat, bei uns bleibt, in seiner diskreten und stillen Gegenwart, uns mit seiner Fürsprache begleitet und weiterhin unsere geistlichen Opfer sammelt und sie dem Vater darbringt. Diesbezüglich möchte ich die Erfahrung hervorheben, die wir auch heute abend gemeinsam erleben werden. Im Augenblick der Anbetung sind wir alle auf derselben Ebene, auf Knien vor dem Sakrament der Liebe. Das allgemeine Priestertum und das Amtspriestertum finden sich im eucharistischen Kult vereint. Es ist dies eine sehr schöne und bedeutsame Erfahrung, die wir verschiedene Male in der Petersbasilika erlebt haben, und auch bei den unvergeßlichen Gebetswachen mit den Jugendlichen – ich erinnere zum Beispiel an jene von Köln, London, Zagreb, Madrid. Es ist für alle ersichtlich, daß diese Augenblicke der eucharistischen Vigil die Feier der heiligen Messe vorbereiten, sie bereiten die Herzen auf die Begegnung vor, so daß diese auch fruchtbarer wird. Das lange Verweilen aller in Stille vor dem in seinem Sakrament gegenwärtigen Herrn ist eine der echtesten Erfahrungen unseres Kirche-Seins, die in komplementärer Weise von der Feier der Eucharistie begleitet wird, wenn wir das Wort Gottes hören, singen und gemeinsam zum Tisch des Brotes des Lebens gehen. Gemeinschaft und Betrachtung können nicht voneinander getrennt werden, sie gehören zusammen. Um wirklich mit einem anderen Menschen zu kommunizieren, muß ich ihn kennen, in Stille in seiner Nähe stehen können, ihm zuhören, auf ihn mit Liebe blicken. Die wahre Liebe und die wahre Freundschaft leben immer von dieser Gegenseitigkeit der Blicke, von innigen, beredten Momenten der Stille voller Achtung und Verehrung, so daß die Begegnung in der Tiefe erlebt wird, persönlich und nicht oberflächlich. Und wenn diese Dimension fehlt, kann leider auch die sakramentale Kommunion unsererseits zu einem oberflächlichen Gestus werden. In der wahren, vom Gespräch des Gebets und des Lebens vorbereiteten Kommunion dagegen können wir zum Herrn Worte des Vertrauens sprechen, wie jene, die vor kurzem im Antwortpsalm erklangen: »Ich bin doch dein Knecht, dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd. Du hast meine Fesseln gelöst. Ich will dir ein Opfer des Dankes bringen und anrufen den Namen des Herrn« (Ps 116,16–17). 17 Jetzt möchte ich kurz auf den zweiten Aspekt eingehen: die Sakralität der Eucharistie. Auch hier haben wir in der jüngeren Vergangenheit an einem gewissen Mißverständnis der echten Botschaft der Heiligen Schrift gelitten. Die christliche Neuheit hinsichtlich des Kultes wurde von einer gewissen säkularistischen Mentalität der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts beeinflußt. Es ist wahr und gilt immer, daß der Mittelpunkt des Kultes nicht mehr in den Riten und alten Opfern liegt, sondern in Christus selbst, in seiner Person, in seinem Leben, in seinem Paschageheimnis. Und dennoch darf aus dieser Neuheit nicht geschlossen werden, daß es das Heilige nicht mehr gebe, sondern daß es seine Erfüllung in Jesus Christus gefunden hat, der menschgewordenen göttlichen Liebe. Der Brief an die Hebräer, den wir heute abend in der zweiten Lesung gehört haben, spricht gerade von der Neuheit des Priestertums Christi, »Hoherpriester der künftigen Güter« (Hebr 9,11), doch er sagt nicht, daß das Priestertum zu Ende sei. Christus ist »der Mittler eines neuen Bundes« (Hebr 9,15), der mit seinem Blut in Kraft gesetzt worden ist, das »unser Gewissen von toten Werken« (Hebr 9,14) reinigt. Er hat das Heilige nicht abgeschafft, sondern es zur Vollendung gebracht und einen neuen Kult eröffnet, der zwar gänzlich geistlich ist, sich jedoch solange wie wir in der Zeit unterwegs sind, noch der Zeichen und Riten bedient, die nur am Ende vergehen werden, im himmlischen Jerusalem, wo es keinen Tempel mehr geben wird (vgl. Offb 21,22). Durch Christus ist die Sakralität wahrer, inniger und – wie dies bei den Geboten geschieht – auch anspruchsvoller! Die Beachtung der Riten reicht nicht, sondern es wird die Reinigung des Herzens und die Einbeziehung des Lebens gefordert. Ich möchte auch unterstreichen, daß das Sakrale eine erzieherische Funktion hat, und sein Verschwinden verarmt unvermeidlich die Kultur, besonders die Formung der neuen Generationen. Würde zum Beispiel im Namen eines säkularisierten Glaubens, der nicht mehr der heiligen Zeichen bedarf, diese Fronleichnamsprozession durch die Stadt abgeschafft werden, so hätte dies zur Folge, daß das geistliche Profil Roms »verflacht« wäre, und unser persönliches und gemeinschaftliches Bewußtsein würde dadurch geschwächt werden. Oder denken wir an eine Mutter oder einen Vater, die im Namen eines entsakralisierten Glaubens ihren Kindern jegliche religiöse Ritualität wegnähmen: in Wirklichkeit ließen sie schließlich den vielen in der Konsumgesellschaft gegenwärtigen Ersatzmitteln freies Feld, anderen Riten und anderen Zeichen, die leicht zu Götzenbildern werden können. Gott, unser Vater, handelte nicht so mit der Menschheit: er hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um abzuschaffen, sondern um auch das Heilige zu seiner Vollendung zu bringen. Auf dem Höhepunkt dieser Sendung, beim Letzten Abendmahl, stiftete Jesus das Sakrament seines Leibes und seines Blutes, das Gedächtnis seines Paschaopfers. Indem er dies tat, setzte er sich selbst an die Stelle der alten Opfer, doch er tat dies innerhalb eines Ritus und gebot den Aposteln, diesen als höchstes Zeichen des wahren Heiligen, das er selbst ist, fortzuführen. In diesem Glauben, liebe Brüder und Schwestern, feiern wir heute und alle Tage das eucharistische Geheimnis und beten es als Mittelpunkt unseres Lebens und Herz der Welt an. Amen. FRANZISKUS, Fronleichnam, Donnerstag, 30. Mai 2013 Nachfolge, Gemeinschaft, Teilen Im Evangelium, das wir eben gehört haben, gibt es ein Wort Jesu, das mich immer berührt: »Gebt ihr ihnen zu essen« (Lk 9,13).Von diesem Satz ausgehend möchte ich mich von drei Worten leiten lassen: Nachfolge, Gemeinschaft, Teilen. 1. Zunächst: Wer sind diejenigen, denen zu essen gegeben werden soll? Die Antwort finden wir am Beginn des Evangeliumsabschnitts: es ist die Menge, die Masse. Jesus ist unter den Menschen, er nimmt sie an, spricht zu ihnen, heilt sie, zeigt ihnen die Barmherzigkeit Gottes; mitten unter ihnen wählt er die zwölf Apostel, damit sie mit ihm zusammen sind und wie er in die konkreten Situationen der Welt eintauchen. 18 Und die Menschen folgen Jesus, hören ihm zu, weil er auf neue Weise spricht und handelt, mit der Autorität dessen, der authentisch und konsequent ist; der die Wahrheit spricht und tut; der Hoffnung gibt, die von Gott kommt; der Offenbarung des Antlitzes eines Gottes ist, der Liebe ist. Und die Menschen preisen Gott mit Freude. Heute Abend sind wir diese Menge aus dem Evangelium, auch wir bemühen uns, Jesus zu folgen, um ihn zu hören, um in der Eucharistie mit ihm in Gemeinschaft zu treten, um mit ihm zu gehen und damit er uns begleitet. Fragen wir uns: Wie folge ich Jesus? Jesus spricht in der Stille im Geheimnis der Eucharistie und jedes Mal erinnert er uns daran, dass ihm zu folgen bedeutet, aus uns selbst heraus zu gehen und unser Leben nicht als Eigenbesitz zu sehen, sondern es zu einer Gabe an Ihn und an die anderen zu machen. 2. Gehen wir einen Schritt weiter: Woraus entsteht die an die Jünger gerichtete Einladung Jesu, der Menge selbst zu essen zu geben? Sie entsteht aus zwei Aspekten: vor allem aus der Menge, die Jesus folgt und sich unter freiem Himmel befindet, an einem abgelegenen Ort, während es Abend wird, und dann aus der Sorge der Jünger, die Jesus bitten, die Menge wegzuschicken, damit sie in die umliegenden Dörfer gehen, um dort etwas zu essen und Unterkunft zu finden (vgl. Lk 9,12). Angesichts der Bedürfnisse der Menge ist die Lösung der Jünger folgende: Jeder soll für sich selbst sorgen; die Menge wegschicken! Jeder soll für sich selbst sorgen; die Menge wegschicken! Wie oft haben wir Christen diese Versuchung! Wir nehmen uns nicht der Nöte der anderen an, wenn wir sie mit einem frommen: »Gott möge dir beistehen« wegschicken oder mit einem weniger frommen »Viel Glück!«, wenn ich dich nicht mehr sehen sollte. Die Lösung Jesu aber geht in eine andere Richtung, eine Richtung, die die Jünger überrascht: »Gebt ihr ihnen zu essen.« Aber wie ist das möglich, dass wir es sind, die einer Menschenmenge zu essen geben sollen? »Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische; wir müssten erst weggehen und für all diese Leute Essen kaufen« (Lk 9,13). Aber Jesus wird nicht mutlos: er bittet die Jünger, die Menschen sich in Gruppen zu ungefähr fünfzig setzen zu lassen, er blickt zum Himmel auf, spricht den Segen, bricht die Brote und gibt sie den Jüngern, damit sie sie verteilen (vgl. Lk 9,16). Es ist ein Moment tiefer Gemeinschaft: der Durst der Menge ist vom Wort des Herrn gestillt worden und nun wird sie von seinem Brot des Lebens genährt. Und alle wurden satt, merkt der Evangelist an (vgl. Lk 9,17). Heute Abend sind auch wir um den Tisch des Herrn versammelt, den Tisch des eucharistischen Opfers, in dem er uns erneut seinen Leib schenkt und das eine Kreuzesopfer gegenwärtig macht. Und durch das Hören seines Wortes, durch die Speisung mit seinem Leib und Blut lässt er uns aus dem Menge-Sein übergehen in das Gemeinschaft-Sein, aus der Anonymität zur Gemeinschaft. Die Eucharistie ist das Sakrament der Gemeinschaft, das uns aus dem Individualismus heraustreten lässt, um gemeinsam die Nachfolge, den Glauben an ihn zu leben. Deshalb sollten wir uns alle vor dem Herrn fragen: Wie lebe ich die Eucharistie? Lebe ich sie in der Anonymität oder als echte Gemeinschaft mit dem Herrn, aber auch mit allen Brüdern und Schwestern, die denselben Tisch des Herrn teilen? Wie sind unsere Eucharistiefeiern? 3. Ein letztes Element: Woher kommt die Brotvermehrung? Die Antwort liegt in der Einladung Jesu an die Jünger: »Ihr selbst gebt«, »geben«, teilen. Was teilen die Jünger? Das wenige, das sie haben: fünf Brote und zwei Fische. Aber gerade diese Brote und Fische sind es, die in den Händen des Herrn die ganze Menge sättigen. Verwirrt angesichts der Unfähigkeit ihrer Mittel, angesichts der Armseligkeit dessen, was sie zu Verfügung stellen können, sind es doch gerade die Jünger, die die Menschen sich niedersetzen lassen und – im Vertrauen auf das Wort Jesu die Brote und Fische verteilen, die die Menge sättigen. Und das sagt uns, dass in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft, ein Schlüsselwort, vor dem wir keine Angst haben dürfen, »Solidarität« ist, das heißt dass wir Gott, das, was wir haben, zur Verfügung zu stellen wissen: unsere bescheidenen Fähigkeiten, denn nur im Teilen, in der Gabe wird unser Leben fruchtbar sein, Frucht bringen. Solidarität: ein Wort, das beim weltlichen Geist verpönt ist! Heute Abend teilt der Herr erneut für uns das Brot aus, das sein Leib ist, er macht sich zur Gabe. Und auch wir erfahren die »Solidarität Gottes« mit dem Menschen, eine Solidarität, die nie versiegt, eine Solidarität, die uns immer wieder staunen lässt: Gott wird uns nahe, im Kreuzesopfer erniedrigt er sich und tritt in das 19 Dunkel des Todes ein, um uns sein Leben zu schenken, welches das Böse, den Egoismus und den Tod besiegt. Jesus schenkt sich uns auch heute Abend in der Eucharistie, teilt unseren Weg mit uns, ja er macht sich zur Speise, zur wahren Speise, die unser Leben auch in jenen Augenblicken stützt, in denen der Weg schwer wird, in denen Hindernisse unsere Schritte verlangsamen. Und in der Eucharistie lässt uns der Herr seinen Weg gehen, den Weg des Dienens, des Teilens, der Gabe, und das wenige, was wir haben, das wenige, was wir sind, wird, wenn es geteilt wird, zum Reichtum, weil die Macht Gottes, die die Macht der Liebe ist, in unsere Armut herab kommt, um sie zu verwandeln. Fragen wir uns also heute Abend, wenn wir Christus anbeten, der in der Eucharistie wahrhaft gegenwärtig ist: Lasse ich mich von ihm verwandeln? Lasse ich es zu, dass der Herr, der sich mir schenkt, mich führt, um immer mehr aus meiner kleinen Begrenzung hinauszugehen, hinauszugehen und keine Angst zu haben zu geben, zu teilen, Ihn und die anderen zu lieben? Brüder und Schwestern: Nachfolge, Gemeinschaft, Teilen. Beten wir, damit die Teilnahme an der Eucharistie uns immer herausfordert: dem Herrn jeden Tag zu folgen, Werkzeuge der Gemeinschaft zu sein, mit Ihm und unserem Nächsten das zu teilen, was wir sind. Dann wird unser Leben wirklich fruchtbar sein. Amen. FRANZISKUS, Fronleichnam, Donnerstag, 19. Juni 2014 »Der Herr, dein Gott, … hat dich mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest« (Dtn 8,2-3). Diese Worte aus dem Buch Deuteronomium beziehen sich auf die Geschichte Israels, das Gott aus Ägypten, aus der Situation der Sklaverei, herausgeführt hatte und vierzig Jahre lang durch die Wüste in das Verheißene Land führte. Nachdem das auserwählte Volk sich dort im Land niedergelassen hat, erreicht es eine gewisse Autonomie, einen gewissen Wohlstand und läuft Gefahr, die traurigen Geschehnisse der Vergangenheit zu vergessen, die es dank des Eingreifens Gottes und seiner unendlichen Güte überwunden hatte. Dann ruft die Heilige Schrift zur Erinnerung auf, zum Gedenken an den ganzen in der Wüste zurückgelegten Weg, in der Zeit der Hungersnot und des Kummers. Es geht um einen Aufruf der Rückkehr zum Wesentlichen, zur Erfahrung der totalen Abhängigkeit von Gott, als das Überleben seiner Hand anvertraut war, damit der Mensch verstehen sollte, dass er »nicht nur von Brot lebt, sondern … von allem, was der Mund des Herrn spricht« (Dt 8,3). Über den körperlichen Hunger hinaus trägt der Mensch einen anderen Hunger in sich, einen Hunger, der mit gewöhnlicher Speise nicht gestillt werden kann. Es ist ein Hunger nach Leben, Hunger nach Liebe, Hunger nach Ewigkeit. Und das Zeichen des Manna umfasste – wie die gesamte Erfahrung des Exodus – auch diese Dimension: es war Urbild einer Speise, die diesen tiefen Hunger stillt, den es im Menschen gibt. Jesus gibt uns diese Nahrung, ja vielmehr ist er selbst das lebendige Brot, das der Welt Leben schenkt (vgl. Joh 6,51). Sein Leib ist die wahre Speise unter der Gestalt des Brotes; sein Blut ist der wahre Trank unter der Gestalt des Weines. Es ist keine gewöhnliche Speise, die unseren Leib sättigt, wie das Manna. Der Leib Christi ist das Brot der »letzten Zeiten« und kann Leben schenken, ewiges Leben, weil die Substanz dieses Brotes Liebe ist. In der Eucharistie teilt sich die Liebe des Herrn zu uns mit: eine so große Liebe, dass er uns mit sich selbst ernährt, eine unentgeltliche Liebe, immer bereit für jeden, der hungrig ist und neue Kraft braucht. Die Erfahrung des Glaubens zu leben heißt, sich vom Herrn ernähren zu lassen und die eigene Existenz nicht auf materielle Güter aufzubauen, sondern auf die Wirklichkeit, die nicht vergeht: die Gaben Gottes, sein Wort und seinen Leib. Wenn wir den Blick auf die Welt um uns richten, dann merken wir, dass sehr viel Nahrung angeboten wird, die nicht vom Herrn kommt und die scheinbar mehr befriedigt. Manche ernähren sich von Geld, andere von Erfolg und Eitelkeit, wieder andere von Macht und Stolz. Aber die Speise, die uns wahrhaft nährt und sät20 tigt, ist nur die, die der Herr uns gibt! Die Speise, die der Herr uns schenkt, ist anders als alle anderen, und vielleicht scheint sie uns nicht so schmackhaft zu sein wie gewisse Nahrungsmittel, die die Welt uns anbietet. Dann träumen wir von anderen Speisen, wie die Juden in der Wüste, die dem Fleisch und den Zwiebeln nachtrauerten, die sie in Ägypten gegessen hatten. Aber sie vergaßen, dass sie diese am Tisch der Sklaverei gegessen hatten. In diesen Augenblicken der Versuchung hatten sie eine Erinnerung, aber die eines kranken Gedächtnisses, eines selektiven Gedächtnisses. Ein versklavtes, kein freies Gedächtnis. Jeder von uns kann sich heute fragen: Und ich? Wo will ich essen? Von welchem Tisch will ich mich ernähren? Vom Tisch des Herrn? Oder träume ich davon, schmackhafte Speisen zu essen, aber in der Sklaverei? Und dann kann sich jeder von uns fragen: Wem gilt meine Erinnerung? Dem Herrn, der mich rettet, oder dem Knoblauch und den Zwiebeln der Sklaverei? Mit welcher Erinnerung sättige ich meine Seele? Der Vater sagt uns: »Ich habe dich mit Manna genährt, das du nicht kanntest.« Erlangen wir unser Gedächtnis zurück. Das ist die Aufgabe: das Gedächtnis wiedererlangen. Und lernen wir das falsche Brot zu erkennen, das falsche Hoffnungen weckt und korrupt macht, weil es Frucht des Egoismus, der Selbstgenügsamkeit und der Sünde ist! Gleich werden wir in der Prozession Jesus folgen, der wahrhaft gegenwärtig ist in der Eucharistie. Die Hostie ist unser Manna, durch das der Herr sich selbst uns schenkt. An ihn wenden wir uns voll Vertrauen: Jesus, verteidige uns gegen die Versuchung der weltlichen Speise, die uns zu Sklaven macht, vergiftete Speise! Reinige unser Gedächtnis, damit es nicht gefangen bleibt in der egoistischen und weltlichen Selektivität, sondern lebendige Erinnerung deiner Gegenwart in der Geschichte deines Volkes sei, Erinnerung, die »Gedächtnis« deiner Geste erlösender Liebe wird! Amen. 21